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.07-9
GESCHICHTE
DER EISENBAHNEN
DER ÖSTERR.- UNGAR. MONARCHIE.
II. BAND.
^
GESCHICHTE
DER EISENBAHNEN
DER -- -
OESTERREICHISCH ■ UNOARISCHEN
MONARCHIE.
II. BAND.
WIEN ♦ TESCHEN ♦ LEIPZIG.
KARL PROCHASKA
K. U. K. HOFBUCHHANDLUNO & K. U. K. HOFBUCHDRUCKEREl.
MDCCCXCVdl.
r
ZUM
FÜNFZIGJÄHRIGEN REGIERUNGS-JUBILÄUM
SEINER KAISERLICHEN UND KÖNIGLICH-
APOSTOLISCHEN MAJESTÄT
FRANZ JOSEPH I.
UNTER DEM PROTECTORATE UNTER BESONDERER FÖRDERUNO
SR. EXC. DES K. U. K. OEHEIMEN RATHES HERRN SR. EXC. DES K. U. K. OEHEIMEN RATHES HERRN
DR LEON RITTER v. BILIlQSKI FML EMIL RITTER v. GUTTENBERO
MINISTER A. D. ETC ETC MINISTER A. D. ETC ETC
UNTER MITWIRKUNO
, ^ DES K. U. K. REICHSKRIEGSMINISTERIUMS
* UND
I HERVORRAGENDER FACHMÄNNER
HERAUSGEGEBEN
VOM
OESTERREICHISCHEN EISENBAHNBEAMTEN-VEREIN.
UNTER MITWIRKUNG DER FACH REFERENTEN:
WILHELM AST, K. K. REQIERUNGSRATH,
HANS KAROL, K. K. MINISTERIALRATH, DR. FRANZ LIHARZIK, K. K. SECTIONSCHEF
UND DES REDACTIONS-COMITES :
FRANZ BAUER, ALFRED BIRK, THEODOR BOCK, KARL OÖLSDORF, FRANZ MÄHLINO,
JOSEF SCHLÜSSELBEROER
REDIGIRT
VON
HERMANN STRACH.
ALLE RECHTE, DAS GESAMMTE WERK BETREFFEND,
BEHALTEN SICH DAS REDACTIONS-COMITE UND DIE VERLAGSHANDLUNQ VOR.
Oesterreichs Eisenbahnen
und die
Staatswirthschaft.
Von
Dr. Heinrich Ritter von Wittek,
Geh. Rath, Sectionschef im k. k. Eisenbahn-Ministerium.
I. Einleitung.
DIE nachstehenden Untersuchungen
verfolgen den Zweck, in a%e-
meinen Umrissen die Stellung zu
kennzeichnen, welche die Eisenbahnen
in Oesterreich während der 50jährigen
Epoche seit dem Regierungsantritte Seiner
Majestät unseres all ergnädigsten Kaisers
innerhalb der Staatswirthschaft einge-
nommen haben. An die im ersten Bande
dieses Werkes enthaltene Geschichte des
Eisenbahnwesens anknüpfend und dieselbe
durch übersichtliche Zusammenfassung
der materiellen Ergebnisse der einzelnen
Entwicklungsphasen ergänzend, leiten
diese Erörterungen zugleich auf das
Gebiet der heimischen W irth Schafts -
geschichte hinüber, zu deren Darstellung
sie einen vielleicht nicht unwillkommenen
Beitrag bieten. Allerdings einen nicht
ganz vollständigen. Denn die Eisen-
bahnen und mit ihnen die durch sie be-
dingten Rückwirkungen auf die Staats-
wirthschaft reichen in ihren vielfach ziel-
gebenden Anfängen — wir erinnern hier
nur an das a. h. Cabinetsschreiben vom
19. December 1841*), dann die Errichtung
und Gebarung der ausserordentlichen
Creditcassa**) — in die Zeit vor 1848
zurUck. Gleichwohl kann diese letztere,
wie die beigegebene Karte zeigt, bei
dem Mangel eines zusammenhängenden
•) Hofkanzleidecret vom 23. December
1841, P. G. S. Nr. 145, vergl. Bd. I., Strach,
>Die ersten Privatbahnen«, S, 195 u. ff.
") Vergl, Bd. I, Strach, .Die ersten
Staatsbahnenc, S. Z50 u. fT.
Eisenbahnnetzes nur als Vorläuferin der
Aera des Eisenbahnverkehres gelten und
fällt daher ausserden Rahmen dieser Arbeit.
Auch so bleibt unser Thema noch um-
fassend genug. Handelt es sich doch
darum, den Beziehungen nachzugehen, in
welchen die Eisenbahn als das in die Ent-
wicklung des modernen wirth schaftlichen
und Cultur-Lebens vielleicht an- tiefsten
eingreifende und dessen eigenartige Ge-
staltung massgebend beeinflussende Ver-
kehrsmittel mit der Gesammtwirthschaft
des Staates zusammenhängt und auf sie
nachweisbar eingewirkt hat. Je weiter aber
die Ausblicke sind, welche diese Beziehun-
gen eroifnen — denn es gibt fast kein Ge-
biet des staatlichen und wirth schaftlichen
Lebens, das von der Wirkung der durch
den Bahnv erkehr erzielten Zeit- und
Gelderspamis unberührt bliebe — desto
augenfälliger wächst die Schwierigkeit,
diese Beziehungen auch nur einigermassen
vollständig zu erfassen und darzustellen.
Um ihrer Herr zu werden, müsste man
im Stande sein, sich die Eisenbahnen aus
der Gesammt - Entwicklung der letzten
50 Jahre wegzudenken und ein vergleich-
bares Bild der Gestaltung zu geben, wie
sie sich ohne das Hinzutreten der Dampf-
Locomotion auf der Schiene vollzogen
haben würde. In diesem Negativbilde
würden beispielsweise alle die grossen
Industrieen fehlen, deren Entstehung theils
I mit den Eisenbahnen selbst im ursäch-
I liehen Zusammenhange steht, theils durch
' dieselben Oberhaupt erst ermöglicht worden
Dr. H. Ritter v. Wittek.
ist. Ein starres System unüberschreitbarer
Schranken, durch die Raumdistanz und die
Transportkosten gezogen, hätte, von den
Küstengebieten und schiffbaren Wasser-
wegen abgesehen, die wirthschaftliche
Entwicklung des Binnenlandes gehemmt
und zersplittert, die Theilnahme am Welt-
verkehr auf jene durch den Zufall der
natürlichen Lage begünstigten Gebiete
beschränkt. Gerade für Oesterreich aber
— ein Ländergebiet, dem die Naturgabe
leicht und bequem schiffbarer Wasser-
strassen nur in sehr beschränktem Masse
zutheil geworden ist — kann die Be-
deutung der Schienenwege nicht hoch
genug angeschlagen werden. Die Aus-
breitung und Verdichtung des Eisenbahn-
netzes stellt demnach eine grosse wirth-
schaftliche Cultiu-arbeit dar. Sie bildet
die Grundlage, auf welcher die heutige
Entwicklung der einzelnen Productions-
zweige, namentlich aber des Handels und
der Industrie, zum wesentlichsten Theile
beruht. Schon dieser Zusammenhang lässt
die Wichtigkeit des Eisenbahnwesens für
die Volks- imd Staatswirthschaft klar er-
kennen. So erscheint der Stand des
Eisenbahnwesens als Gradmesser der ge-
sammten wirthschaftlichen Entwicklung.
Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt
der Umfang, in dem der Ausbau des
Eisenbahnnetzes und der durch dasselbe
vermittölte Verkehr Fortschritte aufweisen,
ein vielleicht noch höheres Interesse, als
diesen an und für sich vermöge der darin
zum Ausdruck gelangenden Bethätigimg
materieller und intellectueller Volkskraft
zukommt.
Als Umrisslinien für die dimensionale
Entwicklung des Eisenbahnwesens der im
Reichsrathe vertretenen Königreiche und
Länder seit 1848 bis zur Gegenwart
mögen die nachstehenden statistischen
Daten dienen.
Für das Jahr 1848 wird nach der
amtlichen Statistik*) die Länge der dem
Verkehre übergebenen Bahnen der öster-
reichischen Monarchie mit 214*4 Meilen
[zu 4000 Wr. Klafter] = 1626 km ange-
geben. Hievon entfallen auf die damals
eröffneten Strecken der
Nördlichen Staatsbahn.
Südlichen Staatsbahn .
Kaiser Ferdinands - Nordb
Wien - Gloggnitzer Bahn
sammt Seitenbahnen
Wien-Brucker Bahn
Lombardisch-venetianisch
Ferdinands-Bahn . .
Mailand-Monza-Bahn .
Ungarischen Centralbahn
Oedenburg - Katzelsdorfer
Bahn.
Budweis - Linz - Gmundner
Bahn
Pressburg -Tymauer Bahn
Prag-Lanaer Bahn . . .
Meilen
32-8
31*2
53-0
II'O
5-5
13-0
17
20-5
km
249
237
402
83
42
99
13
155
37= 28
26*0
8-5
7-5
197
64
57
*) Tafeln zur Statistik der österreichischen
Monarchie für die Jahre 1847 und 1848, zweiter
Theil, S, 59.
Zusammen 214*4=1626
Von diesen Bahnen waren die drei letz-
teren [zusammen 42 Meilen = 318 knt]
Pferdebahnen, so dass die Gesammtlänge
der Dampf bahnen sich auf 172*4 Meilen
[= 1308^1»] herabmindert. Zum Zwecke
des Vergleiches mit dem heutigen Stande
sind hievon jedoch die ausserhalb der im
Reichsrathe vertretenen Königreiche und
Länder gelegenen Bahnen auszuscheiden,
wonach sich das Bahnnetz des der der-
maligen österreichischen Reichshälfte ent-
sprechenden Ländercomplexes im Jahre
1848 auf I33'5 Meilen [= 1013 km]
Dampf bahnen [hievon 64 Meilen = 485 km
Staatsbahnen] und 33*5 Meilen [= 254 km]
Pferdebahnen, zusammen 167 Meilen
[= 1267 km] reducirt.
Die Bau- und Einrichtungskosten aller
Bahnen, wovon nur die Strecken Wien-
Gänsemdorf und Wien-Neustadt doppel-
geleisig hergestellt waren, sind für Ende
1848 mit zusammen 78,233.666 fl. C.-M.
[=82,145.34911. ö. W.] ausgewiesen.
Die Zahl der im Jahre 1848 auf obigem
Bahnnetze in Verwendung gestandenen
Locomotiven betrug 232.
Der Personen- und Waaren-Verkehr,
welcher in Folge der inneren Unruhen
dieses Jahres einen Rückgang gegen das
Vorjahr 'aufweist, umfasste auf den
Beförderte Personen Ctr. Waaren
Locomotivbahnen 2,844.329 10,779.421
Pferdebahnen. . 157.695 2,348.416
Zusammen 3,CX)2.024 13,127.837
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
Die finanziellen Ergebnisse waren, von
den politischen Umwälzungen gleichfalls
ungünstig beeinflusst, folgende:
Einnahmen Ausg^aben Ueberschuss
Xördl.StaatS- ^^ ^' C.-M. od. Abgang
bahn .... 1,010.448 1,142.278 -- 131.830
Südl. Staats-
bahn .... 1,355.107 960.670 + 394-437
Kaiser Ferd.-
Nordbahn . 2,984.764 1,971.492 + 1,013.272
WienGloßg-
nitzerBÄn 1,073.229 555539 + 517-690
Wien-Bruck.
Bahn. . . . 128.739 106.460 + 22.279
Budw. -Linz-
Gmundner
Bahn . . . ■ 576.940 396.800 + 180.140
im Ganzen 7,129.227 5,133-239 + 1,995-988
[= fl. ö. W. 2,095 787]
Die überaus bescheidenen Verhältnisse
des Bahnbetriebes in seinen Anfängen
vor 50 Jahren bedürfen keiner weiteren Er-
läuterung. Die damals eröffneten Strecken
der Stammlinien des heutigen Hauptbahn-
netzes — von Wien im Norden einerseits
über Prerau, Olmütz bis Prag, andererseits
bis Oderberg, im Süden bis Gloggnitz
und nach der Lücke des Semmering über
Brück und Graz bis Cilli reichend —
lieferten insgesammt einen Reinertrag von
rund 2 Mill. fl. Dem gegenüber stellt sich
der gegenwärtige Stand des Eisenbahn-
wesens in den Reichsrathsländem durch
folgende statistische Zahlen dar:
Die Ausdehnung des Bahnnetzes [incl.
der über die Grenze reichenden Anschluss-
strecken] hat mit Ende 1895 eine Ge-
sammtbaulänge von 16.492 km erreicht,
wovon 7381 km auf die österreichischen
Staatsbahnen [davon 53 km im fremden
oder Privatbetriebe], 9092 km auf gemein-
same und österreichische Privatbahnen
[darunter 1503 hn vom Staate theils für
eigene, theils für Rechnung der Eigen-
thümer betrieben] und 99 kfn auf fremde
Bahnen entfallen. Im eigenen Staatsbe-
triebe standen 8751 km^ im fremden
115 km^ im Privatbetriebe 7626 km.
Das verwendete Anlage- Capital des
österreichischen Bahnnetzes beziffert sich
Ende 1895 auf 2.628,344.385 fl. Dar-
unter sind die Kosten der Staats- und
vom Staate betriebenen Bahnen [incl.
Localbahnen] mit 1.195,802.630 fl. und
jene der selbstständigen Privatbahnen mit
1.432,541.755 fl. inbegriff"en.
Die Anzahl der Locomotiven war Ende
1895 bei den Staatsbahnen auf 1879, bei
den Privatbahnen auf 2342, zusammen
auf 4221 gestiegen.
Der Personen- und Güterverkehr zeigt
pro 1895 nachstehende Mengen*):
Gepäck u. Güter
Tonnen
Beförderte
Personen
Staatsbetrieb. . 44,326.806 28,673.469
Privatbetrieb. . 62,115.739 65,205.251
Zusammen 106,442.545 93,878.720
Die finanziellen Betriebsergebnisse
weisen im Jahre 1895 folgende Gesammt-
ziiTem aus: Oesammte Betrieb./ '
Einnahmen * Ausgaben
in fl. ö. W.
Staatsbetrieb... 94,348.410 63,511.740
Privatbetrieb . . 153,284.451 82,330.645
zusammen 247,632.861 145,842.385
Betriebs-Netto-
Ertragr
Staatsbetrieb 30,836.670
Privatbetrieb 70,863.836
zusammen 101,700.506
Von dem zuzüglich der sonstigen
Einnahmen, welche bei den im Staats-
betriebe stehenden Bahnen 3,623.753 fl.
betrugen, mit 34,460.423 fl. ausgewiese-
nen Jahresertrage der k. k. Staatsbahnen
und vom Staate für eigene Rechnung
betriebenen Privat-Hauptbahnen wurden
i>797-746 fl- als Pachtzins für den Be-
trieb fremder Bahnen, ferner 9,791.422 fl.
als vertragsmässige Zahlungen für Ver-
zinsung und Amortisation verwendet ; zur
Abfuhr an den Staat gelangten [abzüg-
lich der den Eigenthümem der Local-
bahnen ausbezahlten Erträgnisse per
217.931 fl.] 21,336.554 fl., wovon das
Netto - Erfordernis der Extraordinarial-
Ausgaben mit 7,161.805 fl. in Abschlag
kommt, so dass das Reinerträgnis aus
dem Staatseisenbahn-Betriebe sich für das
Jahr 1895 auf 14,174.749 fl.**) beziff'ert.
Um die Grossartigkeit dieser Ent-
wicklung mit einem Blicke übersehbar
zu machen, folgt hier eine kurz zusam-
mengefasste Gegenüberstellung der we-
*) Hauptergebnisse der österreichischen
Eisenbahn-Statistik im J. 1895, S. XXI.
**) Hauptergebnisse der österreichischen
Eisenbahn-Statistik im Jahre 1895, S. XXVII.
Dr. H. Ritter v. Wittek.
sentlichsten charakteristischen Ziffern aus
den vorher im Einzelnen gegebenen sta-
tistischen Daten des Anfangs und des
Schlusses der Epoche von 1848 bis zur
Gegenwart, wobei sämmtliche Längen-
ziffem sowie Bestand und Ergebnisse 1 895
sich nur auf die österreichische Reichs-
hälfte beziehen:
Längen-Ausdehnung der für den öffent-
lichen Verkehr er- ^^ j^^ zunähme-
öfiheten Eisen- 1848 1895 Verhältnis
bahnen in km . 1.267 16.492 i : 13
Hievon Staatsbah-
nen km ... 485 7.301 1 : 15
Anzahl der Loco-
motiven . . . 232 4.221 1:18
Anzahl der beförder-
ten Personen in
Tausenden . .3.002106.443 1:35
Menge der beförder-
ten Güter in tau-
send Tonnen. . 750 93.879 1:125
Anlage-Capital in
Millionen fl. ö. W. 82 2.628 i : 32
Betriebs - Netto - Er-
trag fi. ö. W. . 2-1 1017 1:51 I
Es ist fürwahr eine grossartige Lei-
stung, die in dieser doppelten Zahlen-
reihe zum vergleichenden Ausdruck ge-
lang^. Welche Summe von Thatkraft,
technischer Arbeit und Opferwilligkeit
in diesen nüchternen Zahlen begriffen
ist, erhellt schon aus den ganz ausser-
gewöhnlichen Schwierigkeiten, die bei dem
Ausbaue und Betriebe des österreichischen
Bahnnetzes zu überwinden waren. Nicht
umsonst hat die österreichische Ingenieur-
kunst bei der Lösung des Problems der Ge-
birgsbahnen von Anbeginn bahnbrechende
Erfolge errungen und neuestens auf dem
Gebiete der öconomischen Ausftlhrung
von Bahnen niederer Ordnung bemer-
kenswerthe Fortschritte erzielt. Ihren
Leistungen im Vereine mit einer um-
sichtigen administrativen Organisation
des Localbahnwesens ist es vornehmlich
zuzuschreiben, wenn Oesterreich unge-
achtet der den Eisenbahnbau erschweren-
den imd vertheuemden Bodengestaltung
seiner Gebirgsländer in Bezug auf die
Entwicklung des Eisenbahnwesens hinter
den wirthschaftlich und culturell weiter
vorgeschrittenen und capitalsreicheren
westlichen Staaten keineswegs zurück-
geblieben ist, vielmehr in der technischen
Ausbildung und wirthschaftlichen Verwer-
thung dieses mächtigen Hebels der Be-
triebsamkeit und des Volkswohlstandes
seit einem halben Jahrhundert stets eine
hervorragende Stelle eingenommen hat.
Es ist hier nicht der Ort, auf die tech-
nischen und betriebsöconomischen Mo-
mente, welche dabei in hervorragendem
Masse mitspielen, näher einzugehen. Für
den Zweck der gesammtwirthschaftlichen
Betrachtung genügt wohl der Hinweis
auf die Grösse der Dimensionen, die sich
als das reale Ergebnis der bisherigen
Entwicklung darstellen, und auf jene der
materiellen Mittel, deren Aufwendung er-
forderlich war, um dieses Ergebnis her-
beizuführen. Insofern es sich dabei in
erster Reihe um die directe oder sub-
sidiäre Verwendung von Staatsmitteln
handelt, ist der Zusammenhang des
Eisenbahnwesens mit der Staatswirth-
schaft von selbst gegeben. Dass er aber
den Gegenstand nicht erschöpft, wird
aus der folgenden Darlegung klar werden.
IL Theorie und Literatur.
Um die in ihrer Gesammtheit kaum
je zu überblickenden Beziehungen der
Eisenbahnen zur Staatswirthschaft an-
schaulich und darstellbar zu machen, hat
die Theorie zu dem Hilfsmittel gegriffen,
diese Beziehungen in eine Reihe concre-
ter Momente zu gliedern, welche zum
grossen Theile ziffermässig erfasst wer-
den können.
Eine solche Eintheilung lässt sich
etwa in folgender Weise aufstellen:
A, Die Eisenbahnen wirken einerseits
d i r e c t auf die Staatswirthschaft ein, u. zw.
a) im speciellen Staatsbudget
der das Eisenbahnwesen umfassenden Ver-
waltungszweige, insofern die Eisenbah-
nen selbst Bestandtheile der staatlichen
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
Wirthschafts- Gebarung sind [Staats-
eisenbahnbau , Staatseisenbahn - Betrieb]
oder eine unmittelbare Einwirkung ihrer
Gebarungs-Ergebnisse auf den Staats-
haushalt durch bestimmte, vom Staate mit
denEisenbahn-Untemehmungen eingegan-
gene Rechtsverhältnisse [Staatsgarantie,
Staatsbetheiligung an der Capitalsbe-
schaffung oder am Reinertrage] herbei-
geführt wird;
b) in den Etats anderer Dienstzweige,
zumal der fi scalischen, indem die
Eisenbahnen selbst gleich dem durch sie
vermittelten Verkehre Objecte bilden, aus
denen dem Staate kraft seiner Finanz-
hoheit Einnahmen zufliessen [Steuer-
leistung], dann dadurch, dass die Eisen-
bahnen concessions- oder vertragsmässig
gehalten sind, für staatliche Dienstzweige
[Post, Telegraph, Militär] theils unent-
geltlich, theils zu ermässigten Preisen
Leistimgen zu vollziehen, welche gegen-
über dem normalen Preise dieser letz-
teren für den Staatshaushalt geldwerthe
Vortheile [Ersparnisse] darstellen;
c) ausserhalb des Staatsbudgets, in-
dem die im Staatseigenthum befindlichen
Eisenbahnen Bestandtheile des Staats-
vermögens bilden, die, abgesehen von
ihrem Ertrage, schon vermöge des auf
dieselben verwendeten Erwerbungs- oder
Herstellungs - Aufwandes Werthobjecte
darstellen. Auch die Privatbahnen können
vermöge des vorbehaltenen Heimfalls
dem Staatsvermögen im weiteren Sinne
beigezählt werden.
B, Die indirecten Einwirkungen
der Eisenbahnen auf die Staatswirthschaft
sind ebenso mannigfacher als zum Theil
verwickelter Art.
Am nächsten liegt hier die Beziehung
zu den Hilfsindustrieen des Eisenbahn-
wesens, welches ja an und für sich eine
eigene grosse Industrie [Transport-
industrie] darstellt, indem der Eigenbedarf
der Eisenbahnen an Bau- und Betriebs-
materialien die einschlägigen Industrie-
zweige ins Leben ruft. Schienen-Erzeu-
gung und Eisenbrücken - Construction ,
Locomotiv- imd Waggonbau, der Auf-
schwung des Kohlenbergbaues können
als Beispiele dienen, wobei die hiedurch
geschaffenen Steuerobjecte nicht zu über-
sehen sind.
Ein weiteres, nur durch Detail-
forschung, für welche namentlich das
Attractionsgebiet neu entstehender Local-
bahnen reiches Material bieten würde,
ziffermässig erfassbares Moment der indi-
recten staatswirthschaftlichen Einwirkung
der Eisenbahnen bietet die durch sie be-
einflusste Entwicklung des Wirthschafts-
lebens und der Steuerkraft der von Eisen-
bahnen durchzogenen Gegenden, wobei
namentlich die Erweiterung bestehender
und die Errichtung neuer Industriestätten
sowie die Hebung des Grundwerthes und
die fortschreitende Verbauung in der
Nähe der Bahnhöfe und Haltestellen in
Betracht kommen. Schliesslich ist ein be-
deutsames staatswirthschaftliches Moment
in der staatlichen Einiiussnahme auf die
Verkehrsgestaltung durch Tarife, Fahr-
ordnungen etc. insofeme zu erblicken, als
hiedurch staatswirthschaftliche Zwecke
[Export, Fremdenverkehr] gefördert wer-
den. Dass diese Einflussnahme des Staa-
tes auf die Eisenbahn-Tarifpolitik im
weitesten Umfange beim Staatsbetriebe
ermöglicht ist, und hier namentlich zu
Gimsten der Hebung der heimischen In-
dustrie wirksam bethätigt werden kann,
wird insgemein als einer der über-
wiegenden Vortheile dieser Verwaltungs-
form der Eisenbahnen anerkannt.
Von den aufgezählten Beziehimgen
erscheint die als a) angeführte directe
Einwirkung der Eisenbahnen auf den
Staatshaushalt nicht nur als die augen-
fälligste, sondern auch vermöge der gros-
sen Summen, mit denen sie in den Staats-
budgets und Gebarungs-Nachweisungen
auftritt, als die quantitativ überwiegende
und deshalb finanziell wichtigste. Sie vor
allen hat daher den Blick auf sich ge-
zogen, und ist Ausgangspunkt wie auch
Hauptgegenstand der fachwissenschaft-
lichen Behandlung dieser Seite des Eisen-
bahnwesens geworden.
Was nun die leitenden Gesichtspunkte
betrifft, welche die Theorie für die staats-
wirthschaftliche Gebarung der Eisen-
bahnen aufstellt, so stimmen alle Autoren
darin überein, dass der staatliche Ein-
fiuss auf die Verwaltung des Eisenbahn-
wesens ohne Unterschied, ob es sich um
vom Staate selbst oder von privaten
Gesellschaften unter Heranziehung öflfent-
8
Dr. H. Ritter v. Wittek.
lieber Mittel betriebene Babnen bandelt,
neben den volkswirtbscbaftlicben aucb die
finanziellen Rücksiebten zu wabren hat
Hierbei wird allgemein davon aus-
gegangen, dass normalerweise anzu-
streben sei, aus den Betriebs-Einnabmen
nebst den Betriebs-Auslagen die Ver-
zinsung und Tilgung des verwendeten
Anlage-Capitals zu bestreiten, so dass für
selbe Zuscbüsse aus Staatsmitteln nicht
erforderlich werden. Gleichwohl wird diese
Regel keineswegs als eine absolute hinge-
stellt, sondern zugegeben, dass dieselbe
namentlich bei Bahnen, die imgeachtet
mangelnder ErtragsfUhigkeit aus höheren
staatlichen Rücksichten, wie etwa zu
Zwecken der Landesvertheidigung, ge-
baut werden müssen, Ausnahmen leidet.
Auch wird zur Rechtfertigung solcher
Ausnahmen auf die »indirecte Ren-
tabilität« hingewiesen. Dieser Hinweis
findet mit vollem Grunde bei Bahnen
in wirthschaftlich minder entwickelten
Ländern statt, deren Einbeziehung in das
Bahnnetz eben deshalb erfolgt, um das
culturelle und wirthschaftliche Niveau zu
heben. Beide Ausnahmsfälle begegnen sich
in der Anwendung der vorstehenden Sätze
auf das österreichische Bahnnetz, welches
eine grosse Zahl rein militärischer und
solcher Bahnlinien umfasst, deren Existenz-
berechtigung vornehmlich in der Auf-
schliessung räumlich ausgedehnter ent-
legener Landestheile für den Verkehr und
die wirthschaftliche Entwicklung begrün-
det ist, wobei auch die abnormen Anlage-
und Betriebskosten in den Gebirgsländem
nicht zu übersehen sind.
Es kann daher für die österreichi-
schen Eisenbahnen im Ganzen und zu-
mal für die österreichischen Staats-
bahnen, welche derzeit zum grösseren
Theile die jüngeren, minder ertrags-
fähigen Linien umfassen, billigerweise
wohl nicht davon die Rede sein, den
Grundsatz der eigenen Aufbringvmg der
Capitalslasten aus dem Betriebe in seiner
vollen Schärfe anzuwenden und zu for-
dern, dass diese Bahnen ohne Zuschüsse
aus Staatsmitteln, d. i. ohne Gebarungs-
Deficit verwaltet werden. Das Gebarungs-
Deficit der Eisenbahn- Verwaltung bildet
daher den eigentlich kritischen Punkt der
ganzen Sache. Seine ziffermässige Höhe
und mit der Ausdehnung des Bahnnetzes
zeitweilig zunehmende Steigerung, seine
Ursachen und seine Rückwirkung auf das
Deficit im Staatshaushalte — alle diese
Momente sind schon während der Herr-
schaft des Garantie-Systems in der Fach-
literatur eingehend erörtert worden.
Abgesehen von auswärtigen Arbeiten,
welche den Stoff in vergleichender Dar-
stellung für die verschiedenen Staaten
wie auch im Zusammenhange mit den
eisenbahnpolitischen Zeitfragen*) behan-
deln, hat zuerst der Altmeister der
österreichischen Finanz- imd Wirthschafts-
geschichte, Hofrath Professor Adolf Beer
in seinem bekannten Buche »Der Staats-
haushalt Oesterreich-Ungams seit i868<
[Prag 1881, F. Tempsky] eine umfassende
Darstellung der Eisenbahn-Gebarung im
Rahmen des gesammten Staatshaushaltes
gegeben. Der Verfasser führt auf S. 241
die Subventionen und Dotationen an
Industrie-Unternehmungen nach dem wirk-
lichen Erfolge mit den summarischen
Jahresziffem für die Periode 1868 — 1877
an, beziffert sodann die ertheilten Bau-
vorschüsse und die im Jahre 1878 ver-
ausgabten, ferner pro 1879 ^^^ 1880
präliminirten Beträge und knüpft daran
die Bemerkung:
»In diesen Summen liegt zum Theil
die Erklärung für das seit einigen Jahren
gestörte Gleichgewicht im Staatshaus-
halte. Es lässt sich wohl schwerlich in
Abrede stellen, dass übertriebene Vor-
*) Vgl. Dr. Alfred von der Leyen's Ab-
handlung: »Die Erträge der Eisenbahnen und
der Staatshaushalt« in Schmoller's Jahrbuch,
16. Jahrg., 4. Heft. Daselbst wird den gün-
stigen finanziellen Erfolgen des Staatsbahn-
Systems in Preussen und den übrigen deutschen
Staaten der Einfluss, den die Gebarung der
Eisenbahnen auch bei dem Bestände des
Privatbahn-Systems auf die Staatsfinanzen
übt, gegenübergestellt :
»Als finanzielle Aufgabe aller Eisen-
bahnen kann wohl die bezeichnet werden,
soviel Einnahmen aus dem Eisenbahnbetrieb
zu erzielen, dass einmal die Betriebs- Ausgaben
gedeckt und ausserdem das Anlage-Capital
der Eisenbahnen zu dem landesüblichen Zins-
fusse verzinst wird. Die Frage, ob es unter
Umständen nicht nur wünschens werth, sondern
— aus Gründen, die nicht auf dem Eisen-
bahngebiete, sondern auf anderem^ sei es
z. B. allgemein wirthschaftlichem, politischem,
militärischem Gebiet liegen — sogar geboten
ist, auch Eisenbahnen anzulegen, die mit
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staat swirthschaft.
Stellungen von der Prosperität der Bahnen
bei der Ertheilung von Eisenbahn-Con-
cessionen und der Gewährung von Zinsen-
garantieen mitgewirkt haben, c
Am Schlüsse dieses Abschnittes, wel-
cher eine eingehende Darstellung der
Garantie- Verhältnisse der einzelnen Bah-
nen und der ziffermässigen Ergebnisse
derselben enthält, folgt eine Uebersicht
des Standes des Garantie-Guthabens des
Staates [Ende 1862: 3-34 Mill. fl., Ende
1867: 15-047 Mill. h., Ende 1877:
129*146 Mill. fl., wozu noch etwas über
19 Mill. fl. an Zinsen kommen, zusammen
daher 148*368 Mill. fl.; Ende 1878: Ge-
sammtguthaben 172*4 Mill. fl.].
»Diese gewiss nicht imbedeutenden Be-
träge müssen bei Beurtheilimg der Finanz-
lage Oesterreichs in dem letzten Jahr-
zehent mit in Anschlag gebracht werden
und erklären auch zum Theile das An-
wachsen der Staatsschuld.« [S. 254 a. a. O.]
Die gleiche Anschauung, dass das
Deficit im Staatshaushalte grösstentheils
durch die Subventionirung von Privat-
bahnen begründet sei, vertritt Dr. Gustav
Gross in seiner Abhandlung »Die
Staatssubventionen für Privatbahnen«
[Wien 1882, Holder]. In erster Reihe
die österreichischen Verhältnisse berück-
sichtigend, bietet diese Schrift als syste-
matische Behandlung der Lehre von den
Eisenbahn- Subventionen, durch eine sehr
übersichtliche genetische Darstellung der
österreichischen Staatsgarantie [S. 121 bis
128] sowie durch die Zusammenfassung
ihren Erträgen das Anlage-Capital überhaupt
nicht oder nicht vollständig verzinsen, soll
hier ausser Erörterung bleiben. Die Regel
wird sein, dass man eine derartige Verzinsung
verlangt, und zwar bei Staatsoahnen soviel
Zinsen, als der Staat zur Aufbringung des
Anlage-Capitals hat zahlen müssen, bei den
Privatbahnen möglichst höhere Zinsen. Pri-
vatbahnen sind gewerbliche Unternehmungen,
mit deren Betrieb ein oft recht bedeutendes
Risico verbunden ist. Einen Gegenwerth für
ein solches Risico bildet eine den landes-
üblichen Zinsfuss überschreitende Dividende.«
»Ein unmittelbares Interesse des Staates
an der Finanzpolitik der Privatbahnen liegt
da vor, wo der Staat für deren Erträge
Bürgschaft geleistet hat. Wenn der
Staat die Verpfßchtung Übernommen hat, für
eine bestimmte Höhe der Dividenden, oder
auch nur für die Zinsen der Obligationen
einer Eisenbahn aufzukommen, muss ihm
der für das Garantie-System anzuführen-
den staatswirthschaftlichen Gründe be-
sonderes Interesse. Die Eintheilung der
Subventionen in positive und negative,
letztere als Befreiung von gewissen staat-
lichen Lasten und Abgaben verstanden
fS. 49], bildet den Ausgangspunkt, um
in dem der letzteren Subventionsform
gewidmeten Schlusscapitel die Besteue-
rung der Eisenbahnen einer eingehenden
Erörterung zu unterziehen [S. 158 — 186].
Die uns hier als directe staatswirth-
schaftliche Vortheile aus dem Betriebe
der Eisenbahnen interessirenden conces-
sionsmässigen Vorbehalte [Heimfallsrecht,
Besteuerung, Betheiligung am Reiner-
träge, Benützung der Eisenbahnen durch
Staatsbehörden und Staatsanstalten] sind
am Schlüsse der Einleitung [S. 23 — 25]
erwähnt. In der Heranziehung des wei-
teren Kreises der volks- und staats-
wirthschaftlichen Interessen, die mit dem
Eisenbahnwesen in Verbindung stehen,
flndet der Verfasser triftige Argumente,
um für die wenigstens theilweise Auf-
rechthaltung des Privatbahnsystems ein-
zutreten und darzuthun, dass die Sub-
ventioninmg von Privatbahnen in ratio-
nellen Grenzen theoretisch zu rechtferti-
gen sei.
Auch Prof. Dr. Kaizl, dem wir eine
überaus werthvoUe, durch die anziehende
Form der Darstellung und das warme
Interesse des Autors für seinen Gegen-
stand ausgezeichnete Abhandlung: »Die
Verstaatlichung der Eisenbahnen in Oester-
daran gelegen sein, einmal, dass seine Bürg-
schaft in möglichst geringem Umfange in
Anspruch genommen wird, und sodann, dass,
wenn sie m Anspruch genommen ist und er
Zuschüsse geleistet hat, ihm diese Zuschüsse
und deren Zinsen möglichst bald zurücker-
stattet werden. Hier liegt also eine sehr enge
Beziehung der Staatsfinanzen und der Finan-
zen der Privatbahnen vor. Mit wirklichem
Erfolg kann der Staat in diesen Fällen seine
Interessen nur wahrnehmen, wenn er die
Verwaltung der Bahnen in die eigene Hand
nimmt. Thut er das nicht, so werden der-
artige Privatbahnen genau so wirthschaften,
wie nicht garantirte Bahnen, ja, sie werden
noch weniger, als reine Pnvatbahnen, zu
einer wirklich sparsamen Finanzwirthschaft
geneigt sein, weil sie sicher sind, dass ihnen
Erträge, wenn auch vielleicht bescheidene
Erträge, unter allen Umständen zufallen
müssen.«
lO
Dr. H. Ritter v. Wittek.
reich« (Leipzig, Dunker & Humblot,
1885] verdanken, die er treffend »eine
staatspsychologische Untersuchung« [Vor-
wort S. II] nennt, verschliesst sich, wie-
wohl decidirt auf dem Standpunkte des
Staatsbahnprincipes stehend, keineswegs
der Erkenntnis, »dass sich die Subventio-
nirung von Privatbahn-Untemehmungen
theoretisch sehr glänzend begründen lässt,
und dies vor Allem durch den [von Sax, Ver-
kehrsmittel, I. Bd., S. 71 ff. aufgestellten]
geistreichen Hinweis auf den Unterschied
zwischen der directen oder anders ge-
sagt der privatwirthschaftlichen Renta-
bilität, d. i. dem Gewinn, welcher dem
Einzeluntemehmer zukommt, und welcher
möglicherweise gering ist oder auch ganz
fehlt, und zwischen der indirecten
oder der volkswirthsch aftlichen
Rentabilität, welche gleichzeitig und
vielleicht von allem Anfange an übergross
sein kann und in den mannigfaltigen
näheren und entfernteren wirth-
schaftlichen und ausserwirth-
schaftlichen Vortheilen besteht,
welche der gesammten Volksgenossen-
schaft durch jede Eisenbahn zutheil
werden.« [S. 31, 32.]
Was nun weiters die schon oben
allgemein besprochene Wahl und nähere
Abgrenzung des für die Verwaltung des
Eisenbahnwesens in Staats wirthschaftlich-
finanzieller Hinsicht aufzustellenden leiten-
den Grundsatzes anlangt, dessen theore-
tische Formulirung durch Sax [Verkehrs-
mittel, II. Bd. Die Eisenbahnen, S. 222]
wohl als grundlegend zu betrachten ist, so
bedingt die a. a. O. erörterte Behandlung
der Eisenbahn als einer öffentlichen Un-
ternehmung im Gegensatze zum allgemei-
nen Genussgute und zur öffentlichen
Anstalt, welch letztere nach dem ledig-
lich auf Deckung der Gesammtkosten
abzielenden Gebührenprincip zu verwalten
ist, das Streben nach Erzielung eines
höheren, dem vollen Verkehrswerthe der
Leistungen entsprechenden Ertrages. [S.
224 a. a. O.] Wenn nun schon das
Gebührenprincip bemüssigt ist, in die
Eigenkosten die nothwendige Verzinsung
und Amortisation des Anlage-Capitals ein-
zurechnen [S. 225 a. a. O.], so besteht
wohl kein Zweifel, dass das Augenmerk
der Verwaltung in staatswirthschaftlicher
Hinsicht auch bei Staatsbahnen*)
auf die Erzielung möglichst ho-
her Ertrags-Ueberschüsse über die
Gesammtkosten gerichtet sein muss.
Hiebe! kann es keinen Unterschied machen,
ob dem Princip der öffentlichen Unter-
nehmung, wie Sax auf S. 229 a. a. O.
will, für Bahnen höherer Ordnung zwei
positive Ziele gesetzt werden : der Ausbau
des Netzes und die Refundinmg der Aus-
falle früherer Betriebsperioden, — oder ob
das in Rede stehende Ziel aus socialöco-
nomischen Gründen noch weiter, nämlich
dahin gesteckt wird, dem Staate für die
Erfüllung der heute an ihn herantretenden
gemeinwirthschaftlichen und socialen Auf-
gaben möglichst ausgiebige Zuschüsse
zu liefern.**)
In dieser Hinsicht sind von Friedrich
Freiherm von Weichs-Glon [»Das
finanzielle und sociale Wesen der moder-
nen Verkehrsmittel«, Tübingen, Laupp
1894] zwei Momente hervorgehoben,
welche in enger Beziehimg zum Verkehrs-
wesen stehen; einerseits die wachsenden
Erfordernisse des Staatshaushaltes zur
Befriedigung der sich mehrenden und er-
höhenden gesellschaftlichen Bedürfnisse
sowie die fortwährend steigenden Erfor-
*) Vgl. Adolf Wagner »Finanzwissen-
schaft«, Leipzig 1879, IV. Bd., S. 736: »Als
Staats- und volkswirthsch aftliche Anstalten
ersten Ranges sollen die Staatsbahnen auch
zunächst nach Staats- und volkswirthschaft-
lichen Gesichtspunkten, nur unter gleich-
zeitiger genügender Wahrnehmung des
finanziellen Interesses verwaltet werden.
Demnach erscheint es zweckmässig, sie wie
die Staatsforste und Domänen unter eines
der volkswirthschaftlichen Ministerien, nicht
direct unter das Finanzministerium zu stellen,
eventuell bei allgemeinem Staats-
bahnsystem undbeim Vorhandensein
eines grösseren Bahnnetzes unter
ein eigenesEisenbahn-Ministerium.«
**) »D e r E i n f 1 u s s volkswirthschaftlicher
Interessen darf nicht soweit gehen, dass hie-
durch der staatsfinanzieTle Beruf der
Staatsbahnen zu Schaden kommt. Das Staats-
bahnprincip ist sicherlich an sich nicht fis-
calischen Zwecken entsprungen, doch war
speciell in Oesterreich die Rücksicht auf die
Staatsfinanzen nicht ohne bestimmenden Ein-
fluss schon auf die Inaugurirung dieses
S>;stems.« [Exe. Dr. Ritter v. Bihnski in
seiner Antrittsrede als Präsident der General-
Direction der österreichischen Staatsbahnen
am 9. Januar 1892. Zeitschrift f. Eisenb., 1892,
S. 41.]
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
II
demisse für Zwecke der Vertheidigung und
Sicherheit und die zunehmende Schwierig-
keit der Beschaffung der hiefür noth-
wendigen Mittel; anderseits die sociale
Frage [S. IV]. Indem an einer späteren
Stelle [S. 126] die Gründe für die be-
jahende Entscheidung der Frage ausge-
führt werden, ob die Ueberschüsse aus
dem Betriebe der öffentlichen Verkehrs-
mittel auch zur Erfüllung allgemeiner
staatlicher Zwecke herangezogen werden
dürfen, schliesst die Beweisführung mit dem
Hinweise auf die rein praktische Erwäg^g,
dass für die stetig zunehmenden Erforder-
nisse des Staatshaushaltes die nöthigen
Mittel unbedingt herbeigeschafft werden
müssen.
Von diesem Gesichtspunkte aus wer-
den der staatlichen Verkehrsmittel-Finanz-
politik zwei Gruppen von Aufgaben
gestellt: so viele Einnahmen aus dem
Betriebe zu erzielen, dass nicht nur die
Kosten für Abnützung, resp. Erneuerung
der Anlagen ersetzt, die eigentlichen
Betriebs-Auslagen gedeckt und die For-
derungen öffentlich-rechtlicher Natur erfüllt
werden, sondern auch neben Beibringung
von Quoten zur Schuldentilgung eine
solche Verzinsimg des Anlage-Capitals
sich ergibt, welche die vom Staate zu
bestreitenden Capitalslasten übersteigt,
um derart Zuschüsse zu den allge-
meinen staatlichen Einnahmen
zu schaffen. Andererseits ist es Aufgabe
der vorerwähnten Politik, Vorsorge zu
treffen, dass der Staatshaushalt thunlichst
vor den störenden Wirkungen geschützt
werde, welche die Schwankungen in den
Verkehrsmittel-Erträgnissen ausüben. [S.
127 a. a. O.]
Es kann nun nicht wundernehmen,
dass angesichts der in der Theorie herr-
schenden Uebereinstimmung hinsichtlich
der staatswirthschaftlichen Ziele, denen die
Verwaltung der Eisenbahnen sowohl bei
dem Bestände subventionirter Privatbah-
nen, als namentlich in der Fühnmg des
Staatsbetriebes nachzustreben hat und die
allgemein in der Erreichung des höchst-
möglichen Ertrages gesucht werden, neue-
stens zumal die finanziellen Ergebnisse
des Staatsbetriebes sowie die Methode,
welche die Verwaltung der Staatsbahnen
zu diesen Ergebnissen geführt hat, in der
Publicistik und Fachliteratur den Gegen-
stand der eindringlichsten Untersuchungen
gebildet haben. Dr. Albert Eder hat
in seinem Buche »Die Eisenbahnpolitik
Oesterreichs nach ihren finanziellen Er-
gebnissen« [Wien, Manz 1894] eine auf
umfangreiches Ziffern-Material gestützte
historisch-kritische Gesammtdarstellung
des Gegenstandes durch die einzelnen Ent-
wicklungsphasen bis zur neuesten Zeit
geliefert. Die pessimistische Beurtheilung
dieses Entwicklungsganges ist, insoweit
sie sich auf die Wiederaufnahme des
Staatsbetriebes bezieht, nicht unwider-
sprochen geblieben*) und sind auch sonst
gegen den rein privatwirthschaftlichen
Standpunkt der Abhandlung gewisse
Bedenken nicht zu unterdrücken. An
dieses Buch anknüpfend, wendet sich
Professor Dr. Josef K a i z 1 in einer scharf
polemischen Abhandlung [»Passive Eisen-
bahnen. Ein Capitel zur Finanz- und
Socialpolitik Oesterreichs« in der Wiener
Wochenschrift »Die Zeit« vom Juni 1895]
vornehmlich gegen die in den Jahren
1891 und 1892 bewirkten Herabsetzun-
gen der Gütertarife auf den Staatsbahnen.
Seinen Ausführungen, die von ihm auch
im Abgeordnetenhause wiederholt mit
Nachdruck geltend gemacht wurden,
ist wohl nicht ohne Grund der Hinweis
auf die ungarischen Tarifmassnahmen
[Zonen- und Localgütertarif des Handels-
ministers von Baross], unter deren Druck
die österreichischen Tarif-Ermässigungen
erfolgten, entgegengestellt worden. Auch
wären ja bei dem empirischen Versuche,
das für die Verkehrs-Entwicklung und
die Einnahmen - Steigerung wirksamste
Tarif-Niveau zu finden, Irrthümer wohl
entschuldbar. Wie man nun aber die
letzten Ziele der damaligen Tarif-Herab-
setzungen und ihre Rückwirkung auf die
einlösungsreifen Privatbahnen beurtheilen
möge, so viel ist sicher, dass ihr anfang-
liches Ergebnis Anlass geboten hat, zu
dem neuen Curse der staatlichen Eisen-
bahn-Tarifpolitik überzugehen, wie er mit
stärkerer Betonung der staatsfinanziellen
Rücksichten seit dem Jahre 1892 wahr-
nehmbar hervortritt.
•) S. »Neue Freie Presse« vom 22. Septem-
ber 1894 »Die Eisenbahnpolitik Oesterreichs«.
12
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Der leitende Gedanke, diesen Rück-
sichten neben den volkswirthschaftlichen
Interessen beim Staatseisenbahn-Betriebe
zu ihrem vollen Rechte zu helfen, kann
wohl nicht leicht schärfer und treffender
zum Ausdruck gebracht werden, als dies in
einer Rede Sr. Excellenz Dr. Emil Stein-
bach's — dem im Abgeordnetenhause
am 5. November 1892 gegebenen Finanz-
Expos6 — geschehen ist, deren einschlä-
giger Theil hiernach dem stenographischen
Protokolle des Abgeordnetenhauses im
Wortlaute folgt:
>Sie haben Alle die Einführung des
Staatseisenbahnwesens mit Beifall be-
grüsst, und ich darf sagen, dass ich mich
dieser Empfindung jederzeit angeschlossen
habe, und mich ihr auch heute noch aus
vollem Herzen anschliesse. Wenn Sie
aber das Staatseisenbahnwesen aufrecht
erhalten wollen, müssen Sie trachten, dass
Ausgaben und Einnahmen überhaupt im
Verhältnisse bleiben. Wenn die Ausgaben
fortwährend steigen und die Einnahmen
zu stark herabgesetzt werden, dann ist
gar nichts anderes möglich, als dass das
Staatseisenbahnwesen in seinen Erfolgen in
einer bestimmten Reihe von Jahren com-
promittirt werden muss. Der Staat kann
seine Eisenbahnen im Wesentlichen nach
dem Princip verwalten, welches man
immer das Gebührenprincip genannt hat,
aber auf eine wenn auch ver-
hältnismässig niedrigere Durch-
schnittsrentabilität muss der
Staat sehen; das ist das Princip, das
anzustreben ist, und ich bin vom Finanz-
standpunkte unbedingt dazu verpflichtet,
darauf zu sehen, und ich glaube damit
auch im Interesse des Staatseisenbahn-
wesens zu handeln. Würde man dies
nicht thun, dann wäre das Resultat einfach
das, dass die Nichtinteressenten
den Ausfall zu bezahlen haben
für die Eisenbahninteressenten,
und auf die Dauer lassen sich
das dieNicht-Eisenbahninteres-
senten nicht gefallen.«
III. Die Eisenbahnen im Staatsbudget
unter dem Garantie-System.
Nach dem glänzenden Aufschwung,
den das österreichische Eisenbahnwesen in
den Fünfziger-Jahren unter der unmittel-
baren Leitung des Staates genommen hatte,
folgt die ungefähr 25 Jahre umfassende
Periode, in welcher das Privatbahn-System
in Verbindung mit staatlichen Zinsen- und
Ertrags-Garantieen der verschiedensten Art
zur nahezu ausschliesslichen Geltung ge-
langte. Die Erlassung des Eisenbahn-Con-
cessionsgesetzes vom 14. September 1854,
R.-G.-Bl. Nr. 238, und die mit i. Januar
1855 erfolgte Concessionirung der österr.
Staatseisenbahn-Gesellschaft zum Betriebe
der derselben zeitweilig überlassenen nörd-
lichen und südöstlichen Staatsbahnlinien,
können als Ausgangspunkt dieser eisen-
bahnpolitischen Wandlung betrachtet wer-
den. Unter dem Drucke der Zeitverhält-
nisse war der Staat leider bemüssigt, sich
seines werthvollen Bahnbesitzes, auf wel-
chen nach den von H. Strach im Ab-
schnitte über die ersten Staatsbahnen
[Bd. I, S. 313] angestellten, auf Original-
quellen zurückgreifenden Berechnungen
rund 350 Mill. fl. C.-M.*) = 367*5 Mill. fl.
Ost. Währg. verwendet worden waren,
unter keineswegs günstigen Bedingungen
zu entäussem — der Verkaufserlös
wird mit nur 168*56 Mill. fl. C.-M.
= 176*988 Mill. fl. Oest. Währg.,
d. i. etwa 48 Procent der Selbstkosten
angegeben — und sich zunächst dem
Eisenbahnwesen gegenüber eine weit-
gehende finanzielle Zurückhaltung aufzu-
erlegen. Doch ist, wie Adolf Wagner
in seiner Finanz Wissenschaft [2. Aufl.,
*) Adolf Wagner, Finanzwissenschaft
[2. Aufl., Leipzig 1877] I., S. 598, gibt
336-26 Mill. fl. C.-M. = 353073 Mill. fl. öst.
Wäh^. an. Eder berechnet in seinem Buche
»Die Eisenbahnpolitik Oesterreichsc etc. S. 49
den Canitalsverlust des Staates mit über
223*54 Mill. fl.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
13
Leipzig 1877, IV/i, S. 696] treffend her-
vorhebt, das Princip des Staatsbahnwe-
sens, das in Oesterreich von allem Anfang
gewahrt wurde, keineswegs aufgegeben
worden, indem nicht nur bei der Con-
cessionirung, sondern auch bei der Ver-
äusserung der Bahnen der Vorbehalt eines
Wiedereinlösungsrechtes stipulirt wurde.
Nachdem gleichwohl der Betrieb des
Bahnnetzes fortan der Privatindustrie
überlassen war, schien hiedurch der an-
gestrebte Zweck, den Staatshaushalt von
weiteren Ausgaben für Eisenbahnzwecke
zu entlasten, im Wesentlichen erreicht.
Denn die Zinsengarantieen, mit welchen
die vormaligen Staatsbahnen den con-
cessionirten Gesellschaften übertragen
worden waren, hatten zunächst nur for-
melle Bedeutung. Der Ausbau des Netzes
aber ging insgemein in die Hände der
Gesellschaften über und nahm sohin mit
Ausnahme einiger wenigen Strecken, deren
Bau durch den Staat fortgesetzt oder
neu eingeleitet wurde [Nordtiroler Bahn,
Wiener Verbindungsbahn, späterhin Sie-
benbürger Bahn Arad-Karlsburg], die
Staatsfinanzen nicht in Anspruch.
Gleichwohl begann schon Anfangs der
Sechziger-Jahre das bei der Ueberlassung
der Eisenbahnen an die Privatindustrie
angewandte Garantie-System, welches
ursprünglich, wie bei den Garantie-Zu-
sicherungen an die Staatseisenbahn-Ge-
sellschaft und späterhin die Südbahn, nur
als formelle Verstärkung des gesellschaft-
lichen Credits gedacht war, effective
Wirkung zu äussern, indem der garan-
tirende Staatsschatz infolge des Zurück-
bleibens der wirklichen hinter den garan-
tirten Bahnerträgnissen mit Garantie-Zu-
schüssen in Anspruch genommen wurde.
Schon das erste, in Form eines Finanz-
gesetzes*) verfassungsmässig zustande ge-
kommene Staatsbudget für das Jahr 1862,
in welchem die Summe der Staats-
ausgaben mit 388,772.222 fl. 94 kr., die
Bedeckung durch Staatseinnahmen mit
294,650.334 fl. angesetzt und der sohin
im Wege des Credites zu bedeckende
Abgang mit 94,121.888 fl. 94 kr. beziffert
ist, weist im ersten Theile — Erfordernis
*) Finanzgesetz vom 2. November 1862,
R.-G.-Bl. Nr. 76.
— unter den anderen, zu keinem der be-
stehenden Verwaltungszweige gehörigen
Ausgaben [A. XV] in der Abtheilung
»Subventionen und Zinsengaran-
tien für verschiedene Industrie-
Unternehmungen C« eine Reihe
solcher Ausgabsposten für Eisenbahnen
auf, und zwar:
Für die Süd-Norddeutsche Verbindungs-
bahn 600.000 fl.
für die Theissbahn .... 400.000 »
Kaiserin Elisabeth-Bahn . . 900.000 »
Letztere Ausgabspost erscheint mit dem
charakteristischen Beisatze »Ausnahms-
weise und unter Aufrechterhaltung aller der
Staatsverwaltung in Betreff des Ümfanges
der übernommenen Zinsengarantie aus
lit. g des § XII der Concessions-Urkunde
zukommenden Rechte als Vorschuss«.
Nebst diesen, zusammen 1,900.000 fl.
betragenden Garantie-Zahlungen enthält
das 1862er Budget noch unter »Schul-
dentilgungE« als Capitalsrückzahlung
von durch Einlösung von Privateisen-
bahnen entstandenen Schulden den Betrag
von 105.400 fl. imd unter »Capitals an-
lagen F« eine Ausgabspost für Staats-
eisenbahnbau, welche nach Abschlag der
eigenen Bedeckung per 100.000 fl. mit
1,740.855 fl. eingestellt ist.
Im zweiten Theile des Staatsvoran-
schlages — Bedeckung — kommen auf
das Eisenbahnwesen bezügliche Posten
nicht vor.
Aus dem Titel der Eisenbahnen hatte
somit der Staatshaushalt im Jahre 1862
eine Netto-Belastung von 3,746.255 fl.
zu tragen.
In dem Finanzgesetze *) für das Ver-
waltungsjahr 1863, welches bezüglich
seiner Eintheilung mit jenem des Vor-
jahres übereinstimmt und bei einem
Staatsausgaben-Erforder-
nisse von 367,087.748 fl.
dem eine Bedeckung von
nur 304,585.094 *
gegenübersteht, mit einem
Abgange von . . . 62,502.654 fl.
abschliesst, sind in der Hauptrubrik XV,
C Subventionen und Zinsengarantien an
♦) Vom 19. December 1862, R.-G.-Bl.
Nr. loi.
14
Dr. H. Ritter v. Wittek.
solchen zu Eisenbahnzwecken mit den im
Vorjahre gemachten Vorbehalten ein-
gestellt :
Für die Süd - Norddeutsche Verbin-
dungsbahn [gleich dem
Vorjahre] 6oo.cx)0 fi.
für die Theissbahn [gleich
dem Vorjahre] 400.000 »
für die Kaiserin Elisabeth-
Bahn [ — 42.000 fi.] . . . 858.000 »
für die Zittau-Reichenberger
Bahn [neu] 337.000 »
zusammen Garantie-Ertbrder-
nis 2,195.000 fl.
[gegen das Vorjahr + 295.000 fi.]
Die Ausgabspost der Capitalsrück-
zahlung von durch Einlösung von Privat-
eisenbahnen entstandenen Schulden [E]
mit 105.400 fl. ist unverändert ge-
blieben.
Für Staatseisenbahnbau [F] erscheint
ein specificirtes Präliminar, welches an
Ausgabsposten enthält:
a) Regieaufwand .... 67.321 fl.
b) Auslagen zur Vermeh-
rung des Stammvermö-
gens 642.985 »
c) Unter-, Ober- und Hoch-
bau 1,496.250 »
zusammen 2,206.556 fl.
und nach Abschlag der
eigenen Bedeckung von . . 130.000 »
die Netto-Ausgabe von . . 2,076.556 fi.
ausweist.
Der gesammte Aufwand für Eisen-
bahnzwecke ist im Jahre 1863 mithin
gestiegen auf 4,376.956 fl.
Im Finanzgesetze vom 29. Februar
1864,*) welches die 14 monatliche Pe-
riode vom I. November 1863 ^is letzten
December 1864 umfasst, sind die ge-
sammten Staatsaus-
gaben auf 614,260.059 fl.
die Staatseinnahmen mit 568,547.335 >
festgesetzt. Der Abgang
beträgt somit '^577~i 2.724"^^
Bei den Subventionen [B] an Industrie-
Unteniehmungen [Cap. 14] sind unter
den ausserordentlichen Ausgaben als mit
*) R.-G.-Bl. Nr. 14.
4^Iq verzinsliche Vorschüsse eingestellt
an die Süd-Norddeutsche Verbindungs-
bahn 600.000 fl.
Theissbahn 860.000 »
Kaiserin Elisabeth - Bahn
[mit dem gleichen Vor-
behalte wie in den Vor-
jahren] 1,300.000 »
Böhmische Westbahn . . 250.000 »
femer an die Zittau-Reichen-
berger Bahn 100.000 »
zusammen 3,110.000 fl.
Bei dem Etat der Staats-
schuld kehrt im Cap. 20
[Schuldentilgung ] wieder
die Post: Einlösung von
Privateisenbahnen .... 105.400 »
so dass die Eisenbahn-Aus-
gaben 3,215.400 fl.
ausmachen, welchen gegen-
überstehen die Einnahmen
aus denAerarialeisenbahnen
[Cap. 31, Titel 5 der Be-
deckung] mit 106.813 *
Der präliminirte Netto-
Staatsaufwand für Eisen-
bahnzwecke beträgt mithin
in der Finanzperiode vom
I. November 1863 bis
31. December 1864 . . . 3,108.587 ¥.
Im Staatsvoranschlage für das Jahr
1865, dessen Staatsausgaben laut des
Finanzgesetzes vom 26. Juli 1865*)
mit 522,888.222 fl.
und Staatseinnahmen mit 514,905.453 »
fes^esetzt sind, wornach
ein Abgang von . . . 7,982.769 fl.
resultirt, nehmen die Subventionen für
Eisenbahnen an ausserordentlichen Aus-
gaben [Erfordemis-Cap. 15, Titel 3 — 8]
folgende Summen in Anspruch:
Süd-Norddeutsche Verbin-
dungsbahn .... 680.000 fl.
Theissbahn 970.000 >
Kaiserin Elisabeth-Bahn 1,400.000 »
Böhmische Westbahn . 315.000 »
Zittau-Reichenberg. Bahn 100.000 *
Südliche Staatsbahn . . 8.218 »
zusammen 3,473.218 fl.
*) R.-G.-Bl. Nr. 54.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
15
Transport . .
Im Etat der Staats-
schuld [Cap. 21, Titel 7]
sind für Einlösung von
Privatbahnen ....
eingestellt. Die Ausgaben
für Eisenbahnzwecke be-
tragen mithin ....
An Einnahmen gleicher
Art ist nur eine Post im
Ordinarium — Aerarial-
eisenbahnen — in der Be-
deckung Cap. 33, Tit. 6 mit
präliminirt, so dass die
Netto-Belastung für Eisen-
3,473.218 fl.
105.993 »
3,579.211 fl.
138.029 »
bahnzwecke 3,441.182 fl.
ausmacht.
Auch das Budget des Jahres 1866
bietet bezüglich der Eisenbahnen ein
ähnliches Bild. Es schliesst nach dem
Finanzgesetze vom 30. December 1 865 *)
bei 531,273.881 fl.
Staatsausgaben und . . 49i> 134.735 »
Staatseinnahmen mit einem
Abgange von .... 40,139.146 fl.
ab.
Unter den Eisenbahn-Ausgaben ist
nebst den im Subventions-Etat [Cap. 16,
Titel 3 — 8] fortlaufenden Garantie -Vor-
schüssen, für die gleichen Bahnen wie im
Vorjahre mit zusammen 31498.736 fl.
und der Einlösung von
Privatbahnen [Cap. 22,
Titel 8] mit .... 117.495 »
eine grössere Post für
Aerarialeisenbahnen im
Erfordernis-Etat d. Staats-
eigenthums [Cap. 34, Titel
6 der Bedeckung] mit I1466.985 »
eingestellt, so dass für
Eisenbahnen im Ganzen 5,083.216 fl.
zu verausgaben waren.
An Einnahmen ist un-
ter jenen vom Staatseigen-
thum [Cap. 33 der Be-
deckung] in Tit. 6 eine
solche von den Aerarial-
eisenbahnen mit . . . 158.029 »
präliminirt. Die Netto-Be-
lastung des Budgets be-
trägt mithin 4,925.187 fl.
Das Finanzgesetz für das Jahr 1867*)
bestimmt die Staatsaus-
gaben mit 433,896.000 fl.
und die Staatseinnahmen
mit 407,297.000 »
den Abgang sohin mit . 26,599.000 fl.
Auch hier erscheinen Ausgabsposten
der gleichen Eisenbahnen im Subven-
tions-Etat mit zusammen 1,416.000 fl.
die Einlösung von Privat-
bahnen mit 117.000»
die Aerarialeisenbahnen mit 78.000 »
zusammen Ausgaben von 1,611. 000 fl.
denen die Einnahme von
den Aerarialeisenbahnen
mit 159.000 »
gegenübersteht, so dass
die Nettobelastung . . 1,452.000 fl.
beträgt.
Mit dem Jahre 1868 — dem ersten,
in welchem die neugeordneten staats-
rechtlichen Verhältnisse der Monarchie
auf das österreichische Budget ihre Wir-
kung äussern — beginnt die Periode,
die sich durch das stetige Anwachsen
der Garantie- Vorschuss-Zahlungen an die
Eisenbahnen charakterisirt.
Im Staatsvoranschlage dieses Jahres,
für welches nach dem
Finanzgesetze vom 24.
Juni 1868*) die Staats-
ausgaben mit .... 320,230.526 fl.
die Staatseinnahmen mit 281,245.907 »
festgesetzt sind und der
zu bedeckende Abgang mit 38,984.6 1 9 fl.
beziffert ist, erscheint im Subventions-
Etat [Cap. 10, Titel 1—3]
neben der Böhmischen
Westbahn mit . . , . 250.000 fl.
und dei* Zittau-Reichen-
berger Bahn mit . 216.000 »
zum ersten Male die Lem-
berg-Czemowitzer Bahn
mit der Vorschusszahlung
von 1,000.000 »
zusammen Eisenbahn-
Ausgaben 1,466.000 fl.
In der Bedeckung [Cap. 9] gelangt,
gleichfalls zum ersten Male, ein Rückersatz
•) R -G -Bl. Nr. 149.
♦) Vom 28. Dec. 1866, R.-G.-Bl. Xr. 176.
i6
Dr. H. Ritter v. Wittek.
geleisteter Vorschüsse, und zwar von der
Kaiserin Elisabeth-Bahn mit 700.000 fi.
zur Einstellung. Ausserdem
sind unter den Einnahmen vom
Staatseigenthume [Cap. 26,
Tit. 3] als solche der Aerarial-
eisenbahnen eingestellt .
zusammen Eisenbahn - Ein-
nahmen
158.029 »
858.029 fl.
so dass die präliminirte Netto -Belas-
tung des Budgets für Eisenbahnzwecke
nur 607.971 fl.
beträgt.
Die Budgetziffem der einzelnen Jahre
von 1862 bis 1868 sind in der folgen-
den Tabelle übersichtlich zusammen-
gestellt :
Tabelle I,
Staatsausgaben und Staatseinnahmen für Eisenbahnzwecke in Millionen Gulden
innerhalb der Budgets 1862 — 1868.
Jahr
Gesammt-
Ab-
gang
Für Eisenbahnzwecke präliminirte
Ausgaben
Einnahme
aus
Aerarlal-
eisen-
bahnen
Mehr-
Aus-
gaben
Er-
fordernls
Bedeckungr
Garantie-
Vorachttsse
1 Privat-
bahn-
Einlösung^
Staats-
eisenbahn-
bau
Zusammen
1862
388772
294650
94' 122
1900
0-105
1741
3-746
3746
1863
367088
304585
62503
2195
0105
2077
4 377
4377
1864
614*260
568-547
45713
3.IIO
0105
3215
0-107
3108
1865
522888
514-905
7983
3-473
0-106
—
3*579
0138
3441
1866
531274
491 135
40139
3499
Ol 17
1467
5083
0-158
4925
1867
433-896
407-297
26599
1-416
OII7
0078
1611
0-159
1-452
1868
320-231
281246
39985
1-466
1466
0 858*)
0608
1862—68 im Ganzen . .
316144
17059
0655
5363
23-077
1420
21-657
durchschnittlich . .
45-163
1
2-435
0093
0763
1
3297
0203
3094
*) Einschliesslich einer Garan
tie-Vorsch
iuss-Rück2
:ahlung di
er Kaiseri]
n Elisabet
h-Bahn
im Betrage von 700.000 fl.
Die Ziff'em der vorstehenden Tabelle
können, wie hier zur Vermeidung eines
Missverständnisses hervorgehoben werden
muss, kein vollständiges Bild der direc-
ten Einwirkung der Eisenbahnen auf den
Staatshaushalt in der besprochenen Periode
bieten, da es sich bei der Budget-Auf-
stellung nur um Präliminar-Annahmen
pro futuro und nicht^ um die zur Zeit
derselben noch unbekannte wirkliche
Gebarung handelt, deren Ergebnisse
von den Fräliminar-Ansätzen wesentlich
abweichen können. Auch erleiden die
Staatsvoranschläge durch Nachtrags-Cre-
dite oder Specialgesetze, welche auf das
Budget rückwirkende Bestimmungen ent-
halten, häufig Aenderungen. Hiezu
kommt noch, dass in der hier behandel-
ten Periode, welche die ersten Jahre
nach Wiedereinfühnmg verfassungs-
mässiger Einrichtungen umfasst, die
Technik der Budgetirung und Präliminar-
V--^
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
17
Aufstellung erst am Beginn ihrer
Ausbildung stand und dass schliess-
lich der ruhige Gang der wirthschaft-
lichen Entwicklung in dieser Zeit wieder-
holt durch Kriegsereignisse [1864 und
1866] unterbrochen wurde, welche die
Einhaltung des Budgets unmöglich
machten.
Das Interesse, welches die angeführten
Ziffern für den Zweck unserer Darstellung
bieten, beschränkt sich daher auf die
Wiedergabe der bei der Budgetirung an-
genommenen oder vorausgesetzten Wir-
kungen des damals noch am Beginn
seiner Entwicklung stehenden Garantie-
Systems auf den Staatshaushalt.
Die in den einzelnen Jahren von
1868 — 1881 unter Berücksichtigung des
Silber - Agios geleisteten Garantie -Vor-
schuss-Zahlungen sind in der folgen-
den Tabelle II summarisch zusammen-
gestellt.
Tabelle IL
Geleistete Garantie-Vorschüsse in den
Jahren 1868 — 1881 in Millionen Gulden
österr. Währung.
1
1
1
Silber-
Agio
Vorschuss-Zahlung
nomi- hievon
nell in Silber
Agio-
zahlung
Zu-
samzne n
1868
1 II480
1-399
1-283
0190
1589
1869
J2rS2
3-868
3609
0-777
4645
1870
( 122-22
6042
5-815
I 292
7-334 '
I87I
12064
8638
8562
1-767
10-405 ,
1872
10949^ 13374' "428
1 1085 14-459;
1873
io8s9 14-409 13-499
I-I33 15-542,
1874
IOS'42
19358
16496
0894
20252
1875
I0^'S2
20493 ; 18-349
0646
21139
1876
I04J7 >2i'iis 18-968
0905
22020
1877
I09SS 17627
15-453
1-476
19-103
1878
I02'6y
19-813
17-710
0-473
20286
1879
19-341
17-505
19-341
1880
17925
16-271
17-925
I88I
14265
13-410
-
14-265
1
1868— i
1881
1
1
197667
178-358
10-638; 208305
1 1
In der vorstehenden Zeitperiode ge-
langten Garantie-Vorschuss-Schulden zur
Rückzahlung :
1. Seitens der Böhmischen Westbahn
im Jahre 1869 für die Periode vom 2.
April 1863 bis Ende 1867 mit 1,515.353 fi.
Noten, durch Uebergabe von Prioritäts-
Obligationen ;
2. seitens der Kaiserin Elisabeth-Bahn,
welche im Jahre 1870 ihre ganze bis
dahin aufgelaufene Garantieschuld im
ursprünglichen Betrage von 7,676.004 fl.
sammt Zinsen tilgte ;
3. seitens der Kaschau-Oderberger
Eisenbahn, welche im Jahre 1880 eine
Theilquote der empfangenen Vorschüsse
mit 173.172 fl. Silber an den Staat rück-
zahlte.
Diese Rückzahlungen, welche zusammen
9,364.529 fl. ausmachen, sind in der
Tabelle II nicht berücksichtigt. Werden
dieselben von der Summe der in den
Jahren 1868 — 81 geleisteten Garantie-
Vorschüsse in Abzug gebracht, so ergibt
sich die Netto-Garantie-Leistung in dieser
Periode mit rund 198.941 Millionen fl. *)
Ueber die Ergebnisse der Eisenbahn-
Gebarung im Rahmen des Staatshaus-
halts geben vom Jahre 1868 ab die in
den Mittheilungen des k. k. Finanzmini-
steriums enthaltenen Nachweisungen Auf-
schluss. Sie bringen die Erfolge der
etatmässigen Gebarung im gesammten
Staatshaushalte, die geleisteten Garantie-
Vorschüsse und den Netto-Aufwand für
den seit 1873 wieder in grösserem Um-
fange aufgenommenen Staatseisenbahn-
bau, dann die Betheiligung des Staates
beim Baue von Privateisenbahnen. Die
Ziffern, welche - - wie dies auf eisen-
bahn-finanziellem Gebiete infolge der
Verschiedenartigkeit der Contirungs-
grundsätze so häutig begegnet -- von
den aus anderen Quellen geschöpften
Angaben theilweise abweichen, sind in
Tabelle III zusammengestellt.
♦) Gesammtlänge des österr. Bahnnetzes
in km:
1868
4.533
1873
9.334
1878
11.302
1869
5.273
1874
9.673
1879
11.379
1870
6.1 12
1875
10.336
1880
H.434
187 1
7.350
1876
10.780
I88I
II.7I2
1872
8.508
1877
11.255
Geschichte der Eisenbahnen. II.
i8
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Tabelle III.
^
Jahr
Erfolg der
etatmässigen Gebarung im
gesammten Staatshaushalte
Brutto-
Ausgaben
Brutto-
Einnahmen
Ueber-
schuss oder
Abgang
Geleistete
Garantie-
Vorschüsse
[incl. Silber-
Agio]
Netto-Auf-
wand für
Eisenbahn-
bau und Be-
theiligung
beim Bau
von Privat-
bahnen
Zusammen
Netto-
Ausgaben
für Eisen-
bahnen
in Millionen Gulden Österr. Währung*)
324968
300479
332333
345-645
353038
398851
400*248
391764
415904
415478
503-512
454-920
432075
479643
im G a
durchsch
325*251
323192
355-570
356296
367*205
[386-470]**)
[381-486]**)
[384725]**)
381-418
388130
410-597
394766
422* 197
442-333
n z e n
nittlich
+ 03
+ 227
+ 23-2
+ 107
+ 14-2
— 34-5
— 273
— 929
— 602
— 9*9
— 37'3
1-6
4-7
7-3
I0"4
145
15-5
20'3
2fl
23-9***)
191
203
19-3
17-9
14-3
0-2
17-8
34*4
15-9
13*2
4*4
3-8
26
5-9
1-6
4-7
7*3
10-4
145
157
381
55-5
39-8
32-3
247
23-1
20*5
202
— 191 0
210-2
I5-I
98-2
71
3084
22*2
*) Von den in dieser Periode geleisteten Garantie-Vorschüssen per nom. 197*6 Mill. fl.
waren 178-3 MilHonen fl. in Silber zu zahlen.
*♦) Die factischen Gebarungs-Deficite der Jahre 1873—75 per 12-381, 18762 und
7*039 Millionen fl. wurden aus den Cassabeständen bedeckt.
♦♦♦) Die Garantie- Abrechnungen, welche für das Gegenstandsjahr aufgestellt sind und
daher nicht die i n demselben factisch geleistete Zahlung ausweisen, geben die Zifl"er von
22 o Millionen fl. als Garantie-Vorschuss-Leistung pro 1876, daher die kleinere Summe
von 208 3 Millionen fl.
Die vorstehende Tabelle schliesst mit
1881 als dem letzten Jahre ab, in welchem
der Staatshaushalt, soweit es sich um
die Einwirkung der Eisenbahnen handelt,
noch unter dem Zeichen des Garantie-
Systemes stand. Zwei Momente treten
dabei augenfällig hervor.
Zunächst das durch die Inbetrieb-
setzung ertragsschwacher Neubaulinien
bedingte rapide Anwachsen der Garantie-
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
Vorschuss-Zahlungen in der Periode 1868
bis 1876 von r6 auf 23-9 Millionen fl.,
welcher Umstand bekanntlich den An-
stoss dazu gab, durch das von dem
damaligen Handelsminister Ritter von
Chlumecky [Abb. i] eingebrachte
und mit Erfolg vertretene Gesetz vom
1 4. December
1877, R.-G.-Bl.
Nr. ii6,*) »die
garantirten Bah-
nen betreffend«,
die Wiederauf-
nahme des Staats-
betriebes bei noth-
leidenden und den
Staat übermässig
belastenden ga-
rantirten Bahnen
sowie deren Er-
werbung durch
den Staat grund-
sätzlich vorzu-
zeichnen.
Hiemit warder
erste entscheiden-
de Schritt gethan,
um die bisheri-
ge eisenbahn poli-
tische Richtung
zu verlassen und
zum gemischten
Systeme tiberzu-
gehen, in wel-
chem fortan den
Privatbahnen die
vom Staate selbst
betriebenen Bah-
nen zur Seite
stehen.
Ueber den hie-
filr bestimmen-
den Gedanken-
gang gibt die am i. December 1876
eingebrachte Regiemngs -Vorlage, welche
dem obigen Gesetze zugrunde liegt,
authentischen Aufschluss. Die ein-
') Vgl. Dr. Victor Roll .Das Gesetz vom
14. December 1877 über die RegelunE der Ver-
haltnisse garantirter Bahnenc [Wien, 1880,
Zamarski], woselbst namentlich die Rechts-
frage vom Standpunkte der Bahnen scharf
geprüft wird.
schlägigen Stellen des Motivenberichtes
[589 der Beilagen der VIII. Session] folgen
hier auszugsweise:
■Indem der Staat die zum Baue und
Betriebe von Eisenbahnen ins Leben g<
rufenen Erwerbs gesell Schäften durch Gi
Währung von Zinsen- und Ertragsgaran-
tien in ausgiebiget
Weise unterstützte
und den Staats-
finanzen die Gefahi
schwerer Lasten
aufbürdete, wurde
von dem Grund-
gedanken ausge'
Bangen, dass diese
'nterstützung nur
als eine formelle,
die Aufbringung
der zur BegrU"
dung des Unte
nehme ns nöthigi
Geldmittel erleich-
ternde, jedenfalJ!
nur vorübergehl
de Staatshilte :
Ueberwindung dei
Schwieligketten
der ersten Betriebs-
i'ahre zu dienen
labe, und das
die Abkürzung die^
ser Periode wirth-
schaftticher U
mUndigkeit dei
wirksamste An-
trieb eben in jenem
individuellen Er-
werb sinteresse dei
Gesell schaftei
suchen sei, voi
sen BeHiäti^ung
die künftige wirth-
schaftliche Frospe
rität der Unterneh-
mungen zu ei
Thatsächlich hat
diebezeichneteAn-
nahme sich jedoch
i, nur bei einer Min-
derzahl der mit-
tels Staatsgarantie ins Leben getretenen
Eisenbahn-Unternehmungen bewahrheitet, be-
züglich welcher die steigende Ertragsfähig-
keit der Linien eine Vorschussleistunji des
farantirenden Staatsschatzes nach einigen
ahren ganz entbehrlich werden Hess oder
doch ausreicht, um dieses Ziel unter normalen
Verhältnissen in näherer Zukunft sicher ge-
wärtigen zu lassen.
In diesen Fällen hat das System des
Privatbetriebes mit Staatsgarantie den ge-
hegten Erwartungen und Voraussetzungen
entsprochen.
20
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Bei der Mehrzahl der garantirten Bahnen
gestaltete sich die Sachlage jedoch anders,
namentlich seitdem man dazu gelangt war,
das System der Concessionirung an Privat-
fesellschaften mit Staatsgarantie auch auf
isenbahnlinien anzuwenden, deren Ertrags-
verhältnisse eine wirksame Bethätigung des
individuellen Erwerbsinteresses der con-
cessionirten Gesellschaften gänzlich oder
doch zum allergrössten Theile ausschliessen
mussten.
Bei diesen Bahnen, welche seit ihrem
Bestände genöthigt sind, die Staatsgarantie
alljährlich, und zwar mitunter in sehr grossem
Umfange, ja sogar mit dem höchsten zu-
lässigen Betrage in Anspruch zu nehmen
und denen jede Hoffnung auf eine Besse-
rung dieses Verhältnisses in näherer Zu-
kunft benommen ist, erscheint die wirth-
schaftliche Lage durch das rapide Anwachsen
einer den Vermögenswerth des Unternehmens
aufzehrenden Garantie-Schuldenlast ernst-
lich bedroht sowie das Interesse des ga-
rantirenden Staatsschatzes in hohem Grade
gefährdet.
Hiezu kommt, dass bei einer thatsächlich
auf Kosten des Staates stattfindenden Ge-
barung selbst durch scharfe und kostspielige
Controle die Gefahr einer immerhin mög-
lichen Misswirthschaft nicht beseitigt werden
kann, und dass die bei so ungünstigen Er-
gebnissen naheliegende Vermuthung einer
solchen Gefahr die Thatkraft und den Geist
der Verwaltung in nachtheiligster Weise be-
einflussen muss.
Der Anwendung des Garantie-Systems
auf derartige Bahnen ist schliesslich in jenen
einzelnen Fällen, wo die Betriebseinnahmen
nicht einmal zur Bedeckung der Betriebs-
kosten ausreichten, das Hervortreten der
Streitfrage über das Betriebs-Deficit zuzu-
schreiben -— einer Streitfrage, deren schäd-
liche Folgen für den österreichischen Eisen-
bahncredit keiner weiteren Erörterung be-
dürfen.
In der That haben sich bei einigen
farantirten Bahnen derartige Missverhältnisse
erausgebildet und sind die finanziellen Opfer,
welche hieraus für den Staatsschatz erwachsen,
ungeachtet der wirksamsten Controle, welche
schliesslich doch den Mangel des individu-
ellen Erwerbsinteresses nicht ersetzen kann,
namentlich im Hinblicke auf die stetige Stei-
gerung der Garantielast, nahezu erdrückend
geworden
Wie die als Beilage I angeschlossene
Uebersicht der im Staatsvoranschlage der
Finanzgesetze eingestellten Ausgaben an
4^/0 igen Vorschüssen für garantirte Eisen-
bahn-Unternehmungen zeigt, ist das budget-
mässig bewilligte Jahreserfordernis für Garan-
tie-Vorschüsse in den Jahren 1868 bis 1876 von
I »437-500 fl. oder 0-45% des gesammten Staats-
ausgaben-Budgets auf 23,124.680 fl. oder 573%
dieses Budgets gestiegen.
Nach der als Beilage II nachfolgenden
Zusammenstellung haben die derzeit noch
aushaftenden Garantie-Schulden von Eisen-
bahnen der im Reichsrathe vertretenen
Länder seit 1861 bis 1875 den Gesammt-
betrag von 94,263.719 fl., darunter an Vor-
schüssen 83,783.288 fl. und an Zinsen bis
31. December 1875 10,480.430 fl. erreicht.*) —
Dabei ist nicht zu übersehen, dass bei mehreren
garantirten Bahnen infolge der noch an-
hängigen Abrechnungen und Capitalsfest-
steluingen, Nachtragszahlungen für die ver-
flossenen Jahre ausständig smd. — Eine er-
hebliche Besserung der Garantielast ist auch
nach den Aufstellungen des Staatsvoran-
schlages für 1877, woselbst die Erfordernis-
summe von der Regierung mit 22,160.000 fl ,
darunter 21,165.000 fl. Silber beziffert wird,
nicht zu gewärtigen, vielmehr eine weitere
Mehrbelastung infolge des höheren Silber-
Agios zu befürchten. — Wenngleich die
Hoffnung begründet erscheint, dass die Höhe
der Garantielast der bestehenden Bahnen
den Culminationspunkt erreicht hat, so ist
doch nicht zu vergessen, dass demnächst
die Garantie für die Salzkammergutbahn
[rund mit 1^2 Millionen] in Wirksamkeit
treten wird, und einige andere Linien mit
Staatsgarantie dotirt sind, deren Conces-
sionirung immerhin in Aussicht genommen
werden darf.c
Ausserdem zeigen die Schlussziffern
der Tabelle II, dass das seit 1876 im
Staatshaushalte neuerdings eingetretene
Gebarungs-Deficit mit den für Eisen-
bahnzwecke gemachten Ausgaben in so
naher Beziehung steht, dass wohl von
einem ursächlichen Zusammenhange ge-
sprochen werden kann.**)
Die Summe der Garantie-Nettozah-
lungen in den Jahren 1868 — 1881 mit
nominell 197*6, effectiv 2083 Mill. fi.
deckt sich nahezu mit dem Passiv-Saldo
der Staatshaushalts-Bilanzen derselben
Periode, wogegen die Summe der Staats-
Deficite 1876 — 1881 mit 262 Millio-
nen fi. augenscheinlich dadurch so hoch
ausgefallen ist, dass der mit den hohen
Garantie - Vorschusszahlungen im Ge-
sammtbetrage von 114*8 Mill. ü. zu-
*) In dem vom Abg. Dr. Russ als Be-
richterstatter verfassten, ein glänzendes
Plaidoyer für den Staatsbetrieb darstellenden
Berichte des Eisenbahn-Ausschusses vom
Mai 1877 [Z. 678 der Beilagen] ist die Ga-
rantieschuld Ende 1876 incl. Zinsen mit
122,672.434 fl. berechnet.
**)Vgl. Beer, »Staatshaushalt Oesterreich-
Unganis*,an den im I. Abschnitt angeführten
Stellen, S. 241 u. 254.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirtiischaft.
sammen treffende Aufwand für den Eisen-
bahnbau nach Verwendung des demselben
überwiesenen 53 MilUonen-Antheils aus
dem Nothstands-Aniehen vom Jahre 1873
mit noch fast weiteren 50 Mili. fl, gleich
einer laufenden Gebarungs- Auslage be-
handelt und mit der vollen Capitalsziffer
in die Jahresbudgets eingestellt wurde,
obwohl er doch eine Capitals- Investition
darstellt. Ohne diese beiden Ausgabs-
posten würde die
Summe der Ce-
fa arungs - Deficite
obiger Jahre statt
262 nur 100 Mil-
lionen fl. betragen
haben.
Unter diesen
Umständen be-
greift sich die
sorgenvolleAcht-
samkeit, welche
die Ressortmini-
ster der zweiten
Hälfte der Sieb-
ziger-Jahre, Rit-
ter von Chlu-
mecky und Frei-
herr von P r e t i s,
der Garantie- Ge-
barung zuwand-
ten. Nebst dem
vorhin bespro-
chenen Gesetze
über die garantir-
ten Bahnen war
es die Einrichtung
einer schärferen xr'7^f~'
Controle und ^^ ■ ** ■
eines die frühere -= —
Unsicherheit und **
Verschleppung
der Garantie- Abrechnungen behebenden
Rechnungswesens, auf welches Ziel die
Bemßhimgen der leitenden Staatsmänner
vornehmlich gerichtet waren. Es bleibt
ein nicht hoch genug anzuschlagendes
Verdienst des damals zum zweiten Male
nach Oesterreich berufenen General-
Directors Sectionschefs von N Ö r d i i n g
[Abb. 2], in diesen schwierigen und ver-
wickelten Gegenstand Ordnung und Klar-
heit gebracht und nebst der Errichtung
einer eigenen General - Inspections - Ab-
theilung für diesen Dienstzweig, durch
die Einsetzung der Garantie-Rechnungs-
commission den festen organisatorischen
Rahmen geschaff'en zu haben, in dem die
Abwicklung der Garantie - Verhältnisse
mit den Gesellschaften unter sorgsamer
Wahrung der Interessen des Staats-
schatzes sich seither anstandslos und
rechtzeitig vollzieht. ')
Um die Gebarungs -Ergebnisse der
Staats garantie bis
zur Gegenwart
zur Darstellung zu
bringen, sind die-
selben in den bei-
den nachstehen-
den Tabellen IV
und V zuerst jahr-
weise, dann sum-
marisch bis Ende
1895 für die ein-
zelnen Bahnen
nach den Sum-
men der densel-
ben ausgezahl-
ten Garantie- Vor-
schüsse, der ge-
leisteten Rück-
zahlungen, der
bei den Verstaat-
lichungen erfolg-
ten Abschreibun-
gen und dem
Stande der per
I . Januar i 896
aufrecht verblie-
/"' \ benen Forderung
r\^-^ ' ^^^ Staates an
' '*'* solchen Vorschüs-
sen zusammen-
gefasst. — Die
von den Garantie-
Vorschüssen rechnungsmässig zu entrich-
tenden 4''/nigen Zinsen, deren Höhe
nach den einzelnen Jahren variirt, sind
hierbei nicht berücksichtigt ; ebenso
nicht die auf Abschlag der Zinsenfor-
derung des Staates geleisteten Garantie-
Rückzahlungen.
•) Ueber das Wirken Sectionschef von
Nördlirg's in Oesterreich enthält eingehende
Mittheilungen: Konta, Eisenbahn-Jahrbuch,
neue FolRe, II. [13.] Bd., S. 5, Wien 1880,
Lehmann & Wentzel.
22
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Garantie- Vorschüsse und Rückzahlungen, dann Netto-
[Die Rückzahlungen
Bezeichnung der Bahn
1 1882
1
1883
1884
1885
1886
1887
a) Verstaatlichte Bahnen,
1
1
I. Kaiserin Elisabeth-Bahn . . .
1
2. Kaiser Franz Josef-Bahn . . .
0 567
0 421
—
1 3. Kronprinz Rudolf-Bahn . . .
6-147
6'079
—
' '
4. Vorarlberger Bahn
0643
0 651
0687
5. Galizische Carl Ludwig-Bahn
0 638
i-o6o
0 989
1-120
1-310
1-239
6. Erzherzog Albrecht-Bahn . .
I 002
0-804
0-878
I 070
0964
0819
7. Mährische Grenzbahn ....
0 318
0-293
0-330
0-357
0352
0303
8. Eisenerz- Vordemberg ....
~ ~
1
9. Locdlbahn Laibach-Stein . .
10. Dux-Bodenbacher Bahn . . .
1
1
II. Böhmische Westbahn ....
— i
1
—
h) Für Rechnung des Staates
1
betriebene Bahnen,
\
1
12. Erste Ungar. -galizische Eisen-
bahn*)
0-953
0 951
1-022
I 205
II71
0-865
13. Ungarische Westbahn*) . . .
0 282
0360
0285
0 233
0 230
0 245
14. Leraberg - Czernowitz - Jassy -
Eisenbahn*^
I 869
I 029
I 506
1-617
1-922
1-860
c) Selbstständige Privalbahnen.
15. Kaschau-Oderberger Eisenb. . i
1
—
0-014
16. Kaiser Ferdinands-Nordbahn . 1
1
[Mähr.-schles. Nordbahn] . . .
0 300
0-288
0-334
8-089
—
—
17. Brünn-Rossitzer Bahn ....
0-005
0-012
0-019
O-Oll
0-006
0-018
18. Oesterr. Nordwestbahn . . .
0 296
0-497
1-852
3-250
i'333
0-126
0-933
0 820
1 19. Süd-Norddeutsche Verbindgs.-
1
7JJ
Bahn
0-435
1
0942
f\'f^>f\
0804
0-794
0 891
20. Oesterr. -Ungar. Staatseisenb.-
1/ VAAJ
Gesellschaft [Ergänzungsnetz]
0 355
1
0-159
0 439
1
0-626
1 0-990
0-833
d) Localbahnen.
1
i
1
1
1
21. Wodfian-Prachatitz
1
1
^^^^
1 —
i 22. Strakonitz-Winterberg ....
1
1
— —
23. Gailthalbahn
1
1
1
____
24. Friauler Eisenbahn
—
1
—
1
1 25. Deutschbrod-Humpoletz . . .
1
1
1
1
1
1
Netto-Garantie-Gebarung
1 13*800
1
U-522
8-909
2-985
8-534
7-844
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
23
Garantie-Gebarung in Millionen Gulden 1882— 1895.
sind fett gedruckt.]
Tabelle IV.
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
Anmerkung
1-306
o 770
o 294
0'208
1-307
0*266
I 866
0-133
0*026
0430
0-810
0730
I 306
0-835
0*301
1052
0-703
0-251
0-208
1-787
2-145
0-033
o 389
0-929
0-589
0-371
I 772
I-I75
o 258
I-2I8
0-238
0-311
0-123
0-322
0006
2074
2 328
0572
1-055
0*281
0530
1-262
0259
1884
0 136
3-579
0 746
o 196
0005
0-004
0657
0-345
o 010
0007
0-019
o 033
0003
3-574
0-874
0-707
0010
0-005
0-046
0-069
0-012
5 00 ^
CO M ^
CQ O
j:^ u u
G ^ 'S
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-^ fc
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b£N
c bfi
pS CO
« 6
7-828
3750
4-840
5-438
4'8i3
0-280 1 1-074
1-851
24
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Tabelle V.
Staats-Garantie-Vorschüsse vom Beginn der Garantie-Leistung
bis Ende 1895.
Name der Bahn
Ausg^ezahlte
Garantie-
Vorschüsse
[incl. Betriebs-
Deficit]
Rück^ezahlte
Garantie-
Vorschüsse
Ab-
geschriebene
Garantie-
1 Vorschüsse
1
Stand
der Garantie-
VorschusB-
Forderun^ des
Staates per
I.Januar iSgö [
in Gulden ötiterr. Währung:
aj Verstaatlichte Bahnen,
1. Kaiserin Elisabeth-Bahn
31,124.485
7,676.004
23,448.481
—
2. Kaiser Franz Josef-Bahn
21,042.356
21,042.356
—
3. Kronprinz^ Rudolf-Bahn
72,774-987
72,774.987
4. Vorarlberger Bahn
10,440.377
10,440.377
—
5. Erste ungar.-galizische Eisenbahn
17,055.425
17,055.425
—
6. Ungarische Westbahn
5,104.121
5,104.121
—
7. Galiz. Carl Ludwig-Bahn
18,115.926
18,115.926
—
8. Erzherzog Albrecht -Bahn ....
14,686.675
14,686.675
9. Mährische Grenzbahn
6,493.884
—
6,493.884
10. Eisenerz- Vordernberg
122.691
122.691
- -
II. Localbahn Laibach-Stein
5.747
- -
5.747
12. Dux-Bodenbach
207.604
1,515.353
207.604
1,515.353
13. Böhmische Westbahn
-
1
b) Selbstständige Privatbahnen.
14. Kaschau-Oderberger Bahn ....
2,465.549
2,465-549
— i
15. Mähr.-schlesische Nordbahn . . .
8,088.657
8,088.657
- -
16. BrUnn-Rossitzer Bahn
130.469
130.469
-
17. Lemberg-Czernowitzer Bahn*) .
40,436.562
3,574.003
36,862.559
18. Oesterr. Nordwestbahn
21,197-445
3,376.312
17,821.133
19. Süd-Nordd. Verbindungs-Bahn . .
25,422.883
3,579.177
21,843.706
20. Staatseisenbahn-Gesellschaft [Er-
gänzungsnetz]
14,681.300
— —
14,681.300
cj Localbahnen.
21. Wodnan-Prachatitz
24-350
15.242
24.350
15.242
22. Strakonitz-Winterberg
1
—
23. Gailthalbahn
64.815
64815
24. Friauler Eisenbahn
101.485
15.192
101.485
15.192 1
25. Localb. Deutschbrod-Humpoletz
1
Zusammen 1—25
1
1311,333.580
30,613.128
189,290.670
91,429.782
*) Seit 1888 vom Staate für eif
yene Rechnui
lg gegen eir
le der Garan
tie gleich-
; kommende fixe Jahresrente betrieben
•
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staats^virthschaft.
25
Die Schlusszififern zeigen den Ge-
sammterfolg, dass von den 31 1*3 Mill. fl.
Garantie-Vorschüssen 30*6 Mill. fl. ^
9*8 7o ^^ ^^^ Staat zurückgezahlt,
189-3 MiU. fl. = 608% durch Ab-
schreibung erloschen sind und 91 -4 Mill. fl.
= 29*4^/0 als Forderung des Staates
aufrecht bestehen. Diese Forderung
repräsentirt allerdings nur insofern einen
realisirbaren Werth, als die Erträgnisse
der betreffenden Bahnen Aussicht auf
Ueberschüsse, welche den garantirten
Reinertrag übersteigen, eröffnen oder im
Falle ihrer Einlösung ein erübrigendes
Vermögen rechtlich zur Tilgimg der Ga-
rantie-Schuld herangezogen werden kann.
Der Vollständigkeit halber ist noch bei-
zufügen, dass in den vorstehenden Auf-
stellungen nicht inbegriffen sind die [nicht
rückzahlbaren] Garantie-Zuschüsse für die
Zittau-Reichenberger Bahn, die den
österreichischen Staat seit ihrer Eröffnung
ständig mit Beträgen belastet, welche von
337.000 fl. [1863] successive bis auf jähr-
lich 35.000 fl, herabgesunken sind.
Dessgleichen ist die auf Grund des
Gesetzes vom 20. Mai 1869, R.-G-.Bl.
Nr. 85, zufolge des Uebereinkommens
vom 27. Juli 1869, R.-G.-Bl. Nr. 138, und
des Zusatzartikels vom 30. Januar 1870
an die Südbahn-Gesellschaft als
fixer Staatsbeitrag zur Verzinsung und
Tilgung des für den Bau der Eisenbahn-
linien Villach-Franzensfeste und St. Peter-
Fiume aufgenommenen fünfpercentigen
Specialanlehens per 50,000.000 fl. bezahlte
Annuität von 762.047 fl. ö. W. Noten
in den vorerwähnten Gesammtziffern
nicht enthalten. Diese Ausgabspost wird
, übrigens von Anbeginn nicht im Etat des
Eisenbahnwesens [Handelsministerium]
sondern in jenem des Finanzministeriums
unter dem Titel »Staatsschuld der im
Reichsrathe vertretenen Königreiche und
Länder« verrechnet.
Andererseits besteht für den Staat
der Südbahn gegenüber ein Participations-
Verhältnis an den Brutto-Einnahmen, in-
dem zufolge des Uebereinkommens vom
13. April 1867, R.-G.-Bl. Nr. 69, Antheile
[7io und Y4] derselben, insoweit sie die
Grenzwerthe von 107.000 fl. und 1 10.000 fl.
per Meile übersteigen, dem Staate aui
Abschlag seiner Kaufschillingsrest-Forde-
rungen zugewiesen sind. Aus diesem
Titel sind dem Staate, bevor die Frage
infolge Ablaufs der Steuerfreiheit der
Unternehmung mit Ende 1880 streitig
wurde — ein Streit, der bekanntlich in
allerjüngster Zeit durch schiedsgericht-
liches Urtheil zur Austragung gelangt
ist*) — in den Jahren 1871 — 1879 zu-
sammen 6,166.405 fl. zugeflossen. In-
folge des Schiedsrichterspruches empfing
der Staat für die Jahre 1880 — 1895 eine
weitere Abschlagszahlung von i ,669.950 fl.
Die Betheiligung des Staates an dem
Reingewinn der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn datirt seit der Neu-Concessio-
nirung mit i. Januar 1886 und wird an
einer späteren Stelle berücksichtigt wer-
den. Das analoge Verhältnis bei der
Aussig-Teplitzer Eisenbahn [seit
1894] kommt in den Einnahmen des
Staatsbetriebes zum Ausdruck.
♦) Vgl. Band I. Konta: »Geschichte der
Eisenbahnen Oesterreichs von 1867 bis zur
Gegen"wart« .
IV. Staatsbetrieb und Staatshaushalt.
Mit der von dem Handelsminister
Ritter v. Kremer [Abb. 3] und dem
Finanzminister Dr. Ritter v. Dunajewski
Ende 1880 eingeleiteten Erwerbung der
Kaiserin Elisabeth-Bahn beginnt in Oe-
sterreich die Eisenbahn -Verstaatlichung
in grossem Stile — eine staatswirth-
schaftliche Action, welche die folgenden
Handelsminister systematisch fortgeführt
haben, und zwar Baron Pino-Frieden-
thal [Abb. 4] bezüglich der Kaiser
Franz Josef-, Kronprinz Rudolf-, Vorarl-
berger-, Pilsen - Priesener-, Prag-Duxer-
und Dux -Bodenbacher Bahn, Marquis
Bacquehem bezüglich der galizischen
Carl Ludwig -Bahn, Ersten ungarisch-
galizischen Eisenbahn und ungarischen
Westbahn, Graf Wurmbrand bezüg-
lich der Lemberg-Czemowitzer Eisen-
bahn, Böhmischen Westbahn, mährisch-
26
Dr. H. Ritter v. Wittek.
schlesischen Centralbahn und mährischen
Grenzbahn. Wie kaum eine andere hat
diese Action, bei deren Durchfühnmg
bis zum Jahre 1886 Sectionschef Frei-
herr von Pusswald [Abb. 5] in her-
vorragender Weise leitend mitwirkte, das
Staatsbudget schon durch die Erweiterung
des staatlichen Wirthschaftsbereiches nach-
haltig beeinflusst.*)
Mit dem Jahre 1882 wird die ge-
sammte Einnahmen- und Ausgaben-Ge-
barung der neu erworbenen Kaiserin
Elisabeth-Bahn in den Staats- Voranschlag
einbezogen und erlangt fortan der bis dahin
auf die Präliminirung zersphtterter Bahn-
fragmente beschränkte Titel » Staats-
eisenbahn-Betrieb c eine hervorragende,
durch die hinzutretenden Verstaatlichungen
stetig wachsende Bedeutung. Die Ge-
barungs-Ergebnisse des Staatsbetriebes,
dessen Neu-Einfiihrung unter den schwie-
rigsten, durch den raschen Zuwachs
neuer Linien bedingten Organisations-
Verhältnissen nur der rastlosen Energie
und seltenen Spannkraft des ersten Prä-
sidenten Sectionschefs Freiherm von
C z e d i k [Abb. 6] gelingen konnte, neh-
men fortan im Staatshaushalte wie in der
•; Die nachstehende Zahlenreihe zeigt
den wachsenden Umfang der im Staats-
betriebe stehenden Bahnen:
Jahr
Betriebslänge in km
durch-
mit
schnittlich
Jahresschluss
1881
987
987
1882
2089
2089
1883
2393
2488
1884
4542
5104
1885
5135
5^90
1886
5210
5227
1887
5431
5541
1888
5608
5777
1889
6744
6913
1890
6948
7003
1891
7048 7132
1892
8006 8026
1893
8077
8210
1894
8284
8433
1895
8826
8902
1896
9009 9180
Oeffentlichkeit einen breiten Raum ein;
sie werden als Prüfstein für den Werth
des geltenden eisenbahnpolitischen S}*-
stems Gegenstand des allgemeinen In-
teresses und rufen eine eigene Literatur
hervor, in der die Meinungs-Gegensätze
scharf auf einander stossen. Die Tren-
nung der Materie in zwei Etats —
Handels- und Finanzministerium — zwi-
schen welchen überdies manche Posten,
wie die Rentenzahlungen fiir verstaat-
lichte Bahnen, je nach der Form des
Entgelts hin- und herschwanken, er-
schwert die Uebersicht Die finanziellen
Gesammt-Ergebnisse des Staatsbetriebes
stellen sich, nach dem Massstabe der für
diesen Verwaltungszweig in der Theorie
angenommenen Gebarungs-Principien im
Ganzen als ungünstige dar, da von einer
Aufbringung von Netto-Beiträgen zu all-
gemeinen Staatszwecken bisher nicht die
Rede sein kann. Vielmehr ist die Gebarung
des Etats der Staatsbahnen gegenüber
den aus dem Eisenbahnbesitze erwachsenen
Capitalslasten durchwegs eine passive, in-
dem die Betriebs-Ueberschüsse der Staats-
bahnen aus den oben im Abschnitt II
erörterten Gründen nicht ausreichen, um
die zumeist im Etat der Staatsschuld
wirkenden Zinsen- und Tilgungs-Erfor-
dernisse der für den Bau und die Er-
werbung der Staatsbahnen aufgenommenen
Schulden zu bedecken. Wenn es aber
auch als feststehend gelten muss, dass
das österreichische Staatsbahnnetz seine
Anlagekosten nur zum Theil aus dem
Betriebe verzinst und deshalb Jahr für
Jahr Zuschüsse aus allgemeinen Staats-
mitteln beansprucht, so ist doch das
Ausmass dieser Zuschüsse je nach den
verschiedenen für die Berechnung der
Capitalslasten angewendeten Methoden
ein bestrittenes. Die hierüber veröffent-
lichten amtlichen Daten der Staatsvoran-
schläge und Verwaltungsberichte wur-
den von parlamentarischer und publi-
cistischer Seite namentlich deshalb be-
mängelt, weil in denselben die auf die
Höhe des zu verzinsenden Anlage-Capitals
Einfluss übenden Nachtragsbauten und
Investitionen anfangs nicht vollständig in
Rechnung gezogen waren.*)
*) Kaizl, »Passive Eisenbahnen«, S. 7.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschatt.
27
Ohne auf diese Controverse hier näher
einzugehen — die hauptsächlichen Bean-
ständungen sind seit 1895 durch Ein-
beziehung der Nachtrags-Erfordemisse in ,
den amtlichen Berechnungen berücksich-
tigt — darf doch auch andererseits nicht |
übersehen werden, dass die Betrieb s-
Ueberschüsseder österreichischen
Staatsbahnen in ihrem budgetären |
Effecte eigent-
lich kunstlich
verschlechtert
sind.
Im Zusammen-
hangemit dembei
der Wiederaufnah-
me des Staatsbe-
triebes proclamir-
ten Grund satze,
>dass die Staats-
bahnen in jeder
Hinsicht gleich
den Privatbahnen
behandelt werden
sollen«, ist man
bei strenger und
nicht immer wohl-
wollender Anwen-
dung der staat-
lichen Budget- und
Verrechnungsfor-
men auf die Ge-
barung des Staats-
betriebes dazu ge-
langt, diese letz-
tere so eng ein-
zuschnüren, dass
ihre Ergebnisse
schon aus diesem
Grunde hinter je-
nen der Privatbah- —
nen nothgedrun- ai
gen zurückstehen
mussten. Vor Allem schon dadurch, dass
den Staatsbahnen weder ein Er-
neuerung s- oder Reservefond, noch
ein Capitalconto zu Gebote stand,
um — wie es die Natur derartiger Unter-
nehmungen erheischt — Auslagen, die
ausserhalb der normalen Betriebskosten
erwachsen und eine nutzbringende Capi-
talsanlage oder Wertherhöhung darstellen,
auf mehrere Jahre zu vertheilen oder dem
An läge- Capital zuzurechnen. Die Methode,
derartige Auslagen als ausserordentliche
Betriebsausgaben zu behandeln, drängte
späterhin zu dem Nothbehelf der offenen
oder verdeckten Ressort schulden, als
welche die fallweise bei Einzeltransacti-
onen beschafften Investitionsfonde, die
sodann bei ihrer Verwendung im Budget
als laufende Einnahmen figurirten, wohl
gelten müssen. Die Unzulänglichkeit
dieser in der Sach -
tage vollauf be-
gründeten Vorsor-
gen gegenüber der
Höhe des Bedar-
fes hatte eine sach-
lich durchaus unge-
rechtfertigte Her-
abdrückung des
Reinertrages der
Staatsbahnen und
im budgetären
Effect eine Ver-
schlechterung der
Bilanz des Staats-
ei sen ba hn- Etats
zur Folge, welcher,
insoweit nicht ein-
zelne Investitionen
in den vorerwähn-
ten Specialfonden
Bedeckung fan-
den, mit den vollen
Capitatssummen
der Investitions-
Auslagen statt mit
der durch deren
■j Beschaffung dem
Staate erwachsen-
den Jahreslast her-
angezogen wurde.
Vom Standpunkte
. j, einer sachlich rich-
tigen Darstellung
der Gebarungs - Ergebnisse der Staats-
bahnen muss daher die von Sr, Excel-
lenz dem Herrn Finanzminister Dr. Ritter
V. Bilinski angebahnte Aenderung der
bisherigen Budgetirung durch Schaffung
eines besonderen Investition s- Budgets
dankbar begrUsst werden. Als praktische
Anwendung des Annuitäten - Princips *)
*) Vgl. die im Bericht des Eisenbahn-
Ausschusses vom 17. Mai 1887, S. 10, bean-
tragte Resolution [Z, 413 der Beilagen].
lXU«-'*t-i-€^
Dr. H. Ritter v. Wiltek.
schliesst sich die neue Budgetinmgs-
Methode folgerichtig jener an, in welcher
der Staat sich an der Donau- Regulirun g
und den Wiener Verkehrsanlageii be-
theiligt hat. Die conaequente Durch-
führung dieser Reform wird bei aller
fachlichen Strenge, die das Staatsbahn-
Budget nicht zu scheuen hat, fortan ein
treues und wahres Bild der Eisenbahn-
Betriebs-Gebarung des Staates zustande
bringen helfen. Ein weiterer, die Ge-
barungs- Ergebnisse der österreichischen
Staatsbahnen ungün-
stig beeinflussender
Umstand liegt in
ihrer Besteuerung.
So sehr es gerecht-
fertigt ist, den durch
Staatsbahnen vermit-
telten Verkehr hin-
sichtlich seiner öffenl-
lichenAbgabenpflicht
[Fahrkarten- und
Frachtbriefstempel
etc.] gleich jenem
der Privatbahnen zu
behandeln, muss es
doch theoretisch ge-
malte erscheinen, das
dem Staate aus dem
Betriebe seiner Eisen-
bahnen zutliessende
Einkommen, wiewohl
es dem Staate ohne-
dieszurGänzegehört,
einer Besteuerung zu
unterziehen. Die Ano-
malie wird dadurch
besonders auffällig,
dass andere staatliche
Erwerbszweige oder Regalitäten unbe-
stritten steuerfrei sind. Wenn nun auch
das Gesetz vom 19. März 1887, R.-G.-Bl.
Nr. 33, mit welchem die Erwerb- und
Einkommensteuerpflicht der Staatseisen-
bahnen eingeführt worden ist [g i: »Die
im Eigenthum des Staates befindlichen
Eisenbahnen sind der Erwerb- und Ein-
kommensteuer zu unterziehen«], sein Zu-
standekommen dem an sich gewiss wohl-
hegründeten Widerstände der autonomen
Körper verdankt, welche durch den Fort-
gang der Verstaatlichungsaction mit Ein-
bussen an ihrem Einkommen aus den
Zuschlägen zu den directen Steuern der
vormaligen Privatbahnen bedroht waren,
so scheint die dadurch geschaffene Rechts-
lage doch über den gerechtfertigten Schutz
des Fortgenusses der erwähnten Zuschläge
merklich hinauszugehen. Es wird nämlich
auf dem betretenen Wege nicht nur im
Staatsbudget eine empfindliche Verschie-
bung zu Gunsten des Steuer-Etats und
zum Nachtheile des Staatsbahn - Etats
herbeigeführt, die mindestens '/g des Be-
triebs - Ueberschusses
der Staatsbahnen be-
trägt, sondern auch
der Staat bezüglich
seines Eisenbahn-
Einkommens den au-
tonomen Körpern ab-
gabenpflichtig ge-
macht — ein Ver-
hältnis, welches nur
bei obwaltender ho-
her Einsicht und Bil-
ligkeit auf Seite der
autonomen Vertre-
tungskörper als für
den Staat erträglich
bezeichnet werden
kann.
Um zu einem
üeberbhck der Wir-
kungen der vorhin be-
sprochenen, die Ge-
barungs - Ergebnisse
der Staatsbahnen un-
günstig beeinflussen-
den Momente — der
den Ertrag belasten-
den Capital sauslagen
und der Besteuerung
— zu gelangen, sind die einschlägigen
Jahreszitfem in der nachfolgenden, den
Verwaltungsberichten der k. k. Staats-
b ahnen entnommenen Zusammenstellung
der finanziellen Ergebnisse der Staats-
bahnen und für Rechnung des Staates be-
triebenen Bahnen für die Jahre 1 881— 1896
— Tabelle VI — in der Weise ersichtlich
gemacht, dass die unter Repartition der im
Jahre 1887 vorgeschriebenen Steuernach-
träge pro 1881 — 1K87 auf jedes der ein-
zelnen Jahre entfallende Leistung an
Steuern samnit Zuschlägen und Gebühren
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
29
bei den Betriebs-Ausgaben [Colonne 3]
in Klammer beigesetzt, die auf andere
Conti gehörigen, im Budget als Ausgaben
des Eisenbahn-Etats behandelten Aus-
gaben und Lasten aber in Colonne 5 — 7,
dann summarisch [Colonne 8] dem Be-
triebs-Ueberschusse zur Seite gestellt sind.
Die in der Tabelle gegebenen Zahlen
sind durchwegs mit Berücksichtigung
der weggelassenen Stellen abgerundet,
wodurch sich die in einzelnen Summen
und Differenzen bemerkbare Abweichung
um eine Einheit der letzten Decimal-
stelle [= 1000 fl.] erklärt.
Tabelle VI,
Finanzielle Ergebnisse der Staatsbahnen und für Rechnung des Staates
betriebenen Bahnen [incl. Bodensee-Dampfschifffahrt] in Millionen fl. ö. W.
8
Jahr
1881
1882
1883
1884
1885
1886
1887
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
1896
Betriebs-
und
sonstige
Ein-
nahmen
Betriebs-
Ausgaben
[darunter
Steuern sammt
Zuschlägen
und Gebühren]
Hieraus bestrittene auf andere Conti
gehörige Ausgaben
12-829
7-369 [0 350]
21856
12-486 [0562]
21635
13-449 [0-665]
35-013
23961 [1754]
36-598
24-427 [1-257]
38-990
23-857 [1-424]
39457
24-503 [1-564]
42706
25988 [1-450]
50-652
31-852 [1-759]
54715
36-332 [2 004]
55254
39-217 [2-199]
67668
49002 f2'395]
72620
50440 [2-543]
82- 146
52-553 [2918]
94852
64318 [3714]
104-005
69-618 [4 156]
Betriebs-
Ueber- .
schuss
5-460
9370
8186
11-052
12 171
15133
M'954
16718
18-800
18-383
16037
18666
22-180
29-593
30534
34-387
Pachtzinse
und
Renten-
Zahlungen
0024
0024
0024
0024
0029
0-030
0056
0-056
M57
1-907
1-967
5-168
5-167
5-171
7-409
7400
Vertrags-
In-
mässige
vestitionen
Zahlungen
und
Zu-
für
sonstige
Verzinsung
Ausgaben
sammen
und Amor-
im Extra-
tisation
ordinarium
Bud-
getärer
Netto-
Erfolg
im
Eisen-
bahn-
Etat
0819
0548
1*391
4069
0-819
0-646
1*489
7-881
0819
1588
2-431
5*755 1
0-819
I OII
1854
9-198
0819
2-968
3-8i6
8-355
0819
3665
4-514
10-619
0819
2483
3-358
11-596
0819
4703
5-578
II 140
0819
5-107
7083
11717
0-819
4*357
7*083
11-300
0819
7-028
9*814
6223
0-819
6058
12-045
6621
0819
3-780
9-766
12-414
0819
2-922
8912
20681
1015
6640
15064
15*470
0819
6721
14-940
194-17
Erläuterungen.
Zu Colonne 2:
1882 — 83 abzüglich der Einnahmen der Vorarlberger Eisenbahn.
1884—85 abzüglich der Einnahmen der Vorarlberger Eisenbahn, der Erzh. Albrecht-Bahn,
der Mährischen Grenzbahn und der Duxer Bahnen.
1889 zuzüglich der Einnahmen der Ungarischen Westbahn und der Ersten ungarisch-
galizischen Eisenbahn.
1893 zuzüglich der Einnahmen der Bodensee-Dampf schifffahrt.
1894 zuzüglich der Einnahmen der Bodensee-Dampfschifffahrt, der verstaatlichten
Linien der österr. Localeisenbahn-Gesellschaft im Staatsbetriebe und der ver-
staatlichten Localbahnen im Privatbetriebe [Oaslau-Zawratetz, Oaslau-Mocowitz,
Königshan-Schatzlar], der Linie Czernowitz-Nowosielitza und des Betriebs-
Ueberschusses der Böhmischen Westbahn pro 1894.
30
Dr. H. Ritter v. Wittek.
1895 zuzüglich der Einnahmen pro 1895 der Böhmischen Westbahn und der Mährisch-
schlesischen Centralbahn, der Bodensee-Dampfschifffahrt und der verstaatlichten
Localbahnen im Privatbetriebe, jedoch abzüglich des Betriebs-Ueberschusses
1894 ^^^ Böhmischen Westbahn.
1896 zuzüglich des Antheils des Staatseisenbahn-Betriebes an den Einnahmen des
Eisenbahnministeriums, ferner zuzüglich der Einnahmen der Bodensee-Dampf-
schifffahrt, dann jener der verstaatlichten Localbahnen im Privatbetriebe [Öaslau-
Zawratetz und Königshan-SchatzlarJ.
Zu Colonne 3:
Bezüglich der Ausgaben gelten ebenfalls die vorstehenden Bemerkungen, ausser-
dem sind in den Jahren 188 1— 1887 die im Verwaltungs-Berichte pro 1887, Seite 147, aus-
gewiesenen Steuernachträge einbezogen.
Zu Colonne 5:
Die pro 1881 — 1886 ausgewiesenen Pachtzinse betreffen die Strecke Braunau-
Vjlnnbrücke [1885 und 1886 einschliesslich des Agio]; ab 1887 treten die Annuitäten für
die Erwerbung von Sechstel-Antheilen an der Wiener Verbindungsbahn hinzu, ab 1889
weiters die Rentenbeträge an die Ungarische Westbahn und die Erste ungarisch-galizische
Eisenbahn; ab 1891 die Verzinsung und Tilgung des Investitions-Anlehens der Ungarischen
Westbahn vom Jahre 1890; ab 1892 die Rente der Duxer Bahnen; ab 1895 die Rente an die
Lemberg-Czernowitzer Eisenbahn.
Zu Colonne 6:
Hier ist das Erfordernis für die Verzinsung und Amortisation des Creditanstalt-
Anlehens der Kaiserin Elisabeth-Bahn eingestellt. Im Jahre 1895 Zuwachs durch die Zinsen
des 4®/oigen Prior.-Anlehens.von ursprünglich 10 Millionen der Eisenbahn Lemberg-Czemowitz-
Suczawa ab II. Semester 1895, welcher im Jahre 1896 in den Etat der Staatsschuld über-
stellt wurde.
Zu Colonne 7:
Enthält die Extraordinarial-Ausgaben abzüglich der Extraordinarial-Einnahmen,
inclusive des Münzverlustes, bezw. Münzgewinnes; ab 1893 zuzüglich der Ergebnisse der
Bodensee-Dampfschifffahrt.
Die vorstehende Zusammenstellung
lässt, abgesehen von der sofort zu be-
sprechenden Steuerleistung, den budgetär
ungünstigen Einfluss ersehen, den die
Bestreitung der Extraordinarial- Auslagen
[Col. 7] zu Lasten der laufenden Gebarung
auf die Höhe des Netto-Erfolges im
Eisenbahn-Etat ausgeübt hat. Nachdem
ein gewisser Theil jener über die eigent-
lichen Betriebskosten hinausgehenden
Emeuerungs- Auslagen, wie Oberbau-Aus-
wechslung-, Fahrparks-Erneuerung u. dgl.,
welche zugleich eine Verbesserung des Be-
standes in sich schliessen, regelmässig aus
dem Ordinarium bestritten wurde, darf
bei voller Anerkennung der Richtigkeit
des Grundsatzes, dass bei einer grossen
Eisenbahnverwaltung gewisse ausseror-
dentliche Ausgaben eine jährlich wieder-
kehrende ständige Ausgabspost bilden,
doch das Extraordinarium der Staats-
bahnen im Grossen und Ganzen als eine
Summe von Ausgabsposten betrachtet
werden, welche den Charakter von Inve-
stitionen an sich tragen. Von dieser Auf-
fassung ausgehend, stellte die Entnahme
dieser Capitalsbeträge aus dem Betriebs-
Ueberschusse der Staatsbahnen gleichsam
eine innerhalb des Staatsbudgets von
einem Etat für den andern geleistete Geld-
beschaffungs-Operation dar, welche dem
entlehnenden Etat — der Staatsschuld —
zunächst keine Zinsen kostete, den darlei-
henden Etat — die Staatsbahnen — aber
in eine grössere budgetäre Passivität ver-
setzte, als sie durch die Ergebnisse der
Betriebs-Gebarung bedingt war. Um dem-
nach den finanziellen Gesammteffect des
Staatsbahn - Betriebes theoretisch richtig
darzustellen, sind die aus demselben re-
sultirenden Eingänge zu ermitteln, wie
selbe sich ergeben hätten, wenn die Ver-
rechnung der Investitions-Auslagen nach
eisenbahnfachlichen Grundsätzen derart
erfolgt wäre, dass die dem Betriebs-Ueber-
schusse entnommenen Capitalsbeträge und
O es (erreich s Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
Capital slasten dem etatmässigen Netto-
Erfolge zugerechnet, der Betriebs- Ueber-
schuss hiedurch auf seine volle Höhe er-
gänzt und der Gesammtsumme der aus dem
Staatsbetriebe resultirenden Bedeckung
die jeweilig wirkenden gesammten Capi-
talslasten des Staatsbetriebs netz es als Er-
fordernis gegenübergestellt würden. Dabei
ist der In vestitions- Aufwand als Capitals-
anlage während des Jahres, in welchem
derselbe erwachsen ist, dem durchschnitt-
lichen Bedarfe ent-
sprechend, mit der
halben Jahres Verzin-
sung in Rechnung zu
stellen und mitjah-
resschluss dem An-
lage-Capitale zuzu-
rechnen, Fem er is
auch die Steuerlei
stung zu berücksich-
tigen. Dieselbe stellt
jenen Theil des er-
zielten Bestriebs-
Ueberschusses
welcher zur Zahlung
der öffentlichen Ab-
gaben verwendet
\v-urde. Da es sich
hier nicht um eine
Vergleichung des
finanziellen Effectes
der Verstaatlichung,
bei dem die Steuern
als gleichbleibende
Last ausser Betracht
bleiben müssten, son-
dern um die ab-
solute Ziffer des
dem Staate aus den
von ihm betriebenen
Bahnen zumessenden Gesammt-Einkom-
mens handelt, wird die Zurechnung der
Steuerleistung zu dem Netto-Betriebs-
Ertrage theoretisch kaum anzufechten
sein. Eine gewisse Ungenauigkeit spielt
dabei allerdings insofern mit, als die
statistisch ausgewiesenen Steuersummen
auch die nichtärarischen Zuschläge in
sich begreifen.
In der nachstehenden Tabelle VII ist
versucht, eine theoretische Darstellung
des finanziellen Gesammterfolges des
Staatsbetriebes in den Jahren 1881 bis
1896 nach den soeben besprochenen Ge-
sichtspunkten zu geben. Als Zinsfuss für
jenen Theil der Ca pitalsl asten, bezüg-
lich dessen zifFermässig bestimmte Daten
fehlen,*) also insbesondere bezüglich der
nachträglichen Investitionen wurde, ent-
sprechend dem vom Abg. Szczepa-
nowski 1894 in den Budget- Berichten
befolgten und seither in den amtlichen
Berechnungen eingehaltenen Vorgange
der Durch schnittssatz von 4'/^ Percent
angenommen. Zu
der Annahme eines
einheitlichen Durch-
schnittszinsfusses
nöthigt der Umstand,
dass die Ermitt-
lung der wirklichen
Lasten, die dem
Staate infolge der
Beschaffung der ein-
zelnen Capitalsquo-
ten für den Eisen-
bahnbau, die ersten
Erwerbungen von
Privatbahnen und
die Nachtrags- Inve-
stitionen erwachsen
sind, unübersteig-
lichen Schwierigkei-
ten begegnet. Die-
selben ergeben sich
aus der in dieser
Zeit cumulativen Be-
schaffung der erst-
genannten Jahres-
erfordemisse mit den
Gebarungs-Deficiten
des Staatsbudgets,
b. 5. wobei die Ausgabe
von Renten- Obliga-
tionen zu den verschiedensten Emissions-
c Ursen erfolgte.**)
Bezüglich der Abweichungen der
letzten Decimale bei einzelnen Zahlen
der folgenden Tabelle gilt das zu Ta-
belle VI Bemerkte.
•} Ueber die eigentliche Staatseisenbahn-
Schuld werden alljährlich in den Staatsvor-
anschlägen für den Etat der Staatsschuld
detaillirte Nachweisungen gegeben. Vergl.
für 189S, S. 18 a. a. O.
*•) Vergl. E d e r, »Eisenbahnpolitik Oester-
32
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Tabelle VIL
Theoretischer finanzieller Gesammterfolg des Staatsbetriebes
in Millionen fl. ö. W.
I
1
2
3
4
5 '. 6
7
8 1 9
10
1
1
Budge- j
Aus dem
Bctricbs-
1
Steuern
Erforc
iernis fü
r Capitalslasten
Th eoreti- 1
scher Ab-
Jahr
1
1
i88i
tärer
Netto- :
Erfolg im ^
Eisen-
bahn-
Etat
1
4-069
Uebcr-
schusse be-
strittene 1
Capitals-
lastcn u. Ca- ■
pitalszah- '
langten [In- 1
vestitionen] ]
. _ _l
i'39i
sammt
Zu- 1
schlagen '
und Ge-
bühren '
1
1
0350
S a> N «> :3
5-810! 0843
•• fl c « *■
.-«•5 S SC
fi r* ».N 1
1 zu-
sammen
gang —
Zuschuss 1
aus allge-
meinen
Staats-
mitteln
8353 0-012
1 9208
' 3*398
1882
7881
1489
0-562
9932 0843
16-140 0009 .' 16-992 1
7060
1883
5755
2-431
0-665
' 8851; 0843
17-406 0-024 18-273
9-422 1
1884
9198
1-854
1-754
1 i2-8o6' 0-843
27-916 0021 1' 28 780
15*974 i
1885
8-355
3-8i6
• 1-257
' 13-4281 0-848
28-104 1 0056 1 29008
15*580
1886 '
10-619
4*514
1-424
,16-557'j 0849
29-594 \ 0-078
30521 1
13964
. 1887
11-596
3-358
1-564
16-518, 0-875
24-821 l 0077
25-773 i
9*255
1888
11-140
5-578
1*450
118-168 0875
28-406 1 0-136
29417 1
11-249
1889
11717
7-083
1-759
'20-5591 1976
31789 i 0 141
33906
13*347 !
1890
11-300
7-083
2-004
1 20-387 2-726
31-981 1 0133
34840 1
14*453
1891
6-223
9-814
2-199
18-236, 2786
31-760 1 0196
34*742 ,
16506
1 1892
6621
12-045
2-395
,21-061 5987
35-634 i Ol 70
41 791
20730
1893
12-414
9-766
2-543
24723 5*986
39203 0142
45*331
20-608
1894
20-681
8912
2918
132-5"! 5*990.
40-454 0080
46-524
14013
1895
15-470
15-064
3714
'34-2481 8424
42 832 0-120
51-376
17-128
1896
1
19447
14940
, 4156
i 38-5431 8-219
45-435 0160
1
53*814
15271
Erläuterungen.
Col. 2 u. 3. Entsprechen der Col. 9 und 8 der Tabelle VI.
Cül. 4. Identisch mit den in Col. 3 der Tabelle VI unter Klammer eingesetzten Ziffern.
Col. 6. Summe der Col. 5 und 6 der Tabelle VI.
Col. 7. Die Anlagekosten, von welchen bei Ermangelung ziffermässig bestimmter
Annuitäten die 4V4°/oigen Zinsen berechnet wurden, sind pro 1881 bis inclusive 1891 einer
Denkschrift über die Gebarung 1881— 1891 entnommen.
Rücksichtlich der Jahre 1882—1891 erscheinen diese Daten im Verwaltungs-Berichte
1892, Seite 198, publicirt.
Die gleichen Daten ab 1892 sind den betreifenden Verwaltungs-Berichten entnommen. Pro
1887—1896 sind die Anlagekosten der Wiener Verbindungsbahn in Abschlag gebracht, weil
die zu zahlende Annuität in der Rubrik 5 der Tcibelle VI [Pachtzinse] aufgenommen wurde.
Ab 1889 sind die Anlagekosten der Ungar. Westbahn und der Ersten ungar.-galizischen
Eisenbahn und ab 1892 jene der Duxer Bahnen ausgeschieden worden, weil deren Renten
unter Rubrik 5 der Tabelle VI [Pachtzinse] ausgewiesen sind. Ab 1893 treten die Anlagekosten
der Bodensee-Dampfschifffahrt dazu; in den Jahren 1895 und 1896 sind aus dem vorer-
wähnten Grunde die Anlagekosten der Lemberg-Czcrnowitz-Jassy-Bahn ausgeschieden.
Col. 8. Die 2V8'^/oigen Zinsen w^urden von den eigentlichen Investitions-Auslagen gerechnet
und sind die Daten für das Jahr 1881 dem Verwaltungs-Bericht 1881, Seite 14, jene für 1882
bis inclusive 1891 dem Verwaltungs-Berichte 1892, Seite 196— 197, und die für die folgenden Jahre
den bezüglichen Verwaltungs-Berichten, u. zw. : der »Zusammenstellung der Kosten für den
Bau, die Erwerbung und die nachträglichen Investiti(men der Staatseisenbahnen« entnommen.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
Die vorstehende Zusammai Stellung
zeigt, dass das theoretische Gebarungs-
Deficit des Staatsbetriebes in den Jahren
1 88 1 bis 1896 keineswegs jene Höhe
erreicht hat, wie sie aus den hierüber
auf Gnind der jeweiligen Budgetziffera
angestellten Berechnungen [s, unten] ge-
folgert wird. Bei dem Ansteigen der
jährlichen Zuschussleistung, welche durch-
schnittlich 13-626 Mill. fl. und im Jahre
1 892 als Maximum
30-370 Mill. fl. be-
tragen hat, seither
jedoch auf 15-271
Mill. fl. [1896] zu-
rUckg^angen ist,
darf überdies die
successive Ausdeh-
nung des Staatsbe-
triebsnetzes von 987
fcwibisaufgiSofew,
[Ende 1896], mithin
nahezu das Zehn-
fache nicht ausser
Acht gelassen wer-
den. Die factischen
Gebarungsziffem
geben mit Berück-
sichtigung der Steu-
erleistung und der
Capitalsl asten ge-
genüber jenen der
vorstehenden Ta-
belle VII ein minder
günstiges Bild, wie
dies vermöge der
hier mitspielenden Investi-
tions-AusIagenbei der durch-
schnittlich geringenErtrags-
fähigkeit des Staatsbetriebs-
netzes und den durch die
Tarif- Herabsetzungen be-
dingten Ertragsschwankungen kaum über-
raschen kann.
Werden nämlich aus Tabelle VII die
Jahressummen des budgetären Netto-
Erfoiges im Eisenbahn- Etat [Col. 2],
welcher bereits um die in diesem Etat
verrechneten Pachtzinse, Renten und Ver-
tragszahlungen für Verzinsung und Amor-
tisation sowie um die Capital s betrage
der Investitionen gekürzt ist, und der
Steuern sammt Zuschlägen und Ge-
bühren [Col. 4] den im Etat der Staats-
schuld verrechneten Capitalsl asten exclu-
sive Verzinsung der Investitionen des
Gegen Standsjahres [Col. 7] gegenüber-
gestellt, so ergibt die Differenz das
factische Gebarungs-Deficit des Staats-
betriebes, d. i. den Zuschuss, der aus
allgemeinen Staatsmitteln in den einzelnen
Jahren geleistet werden musste. Diese
den factischen finanziellen Erfolg des
Staatsbetriebes darstellende Ermittlung,
welcheamSchlusse
in Tab. VIII folgt,
bringt nachstehen-
de Ergebnisse:
Die Ziffer des
factischen Geba-
rungs-Abganges"
erreicht gleichjener
des theoretischen
Deficits im Jahre
1892 — in weichem
die Tarif-Herab-
setzungen zur vol-
len Wirkung ge-
langten — ihr Ma-
ximum, und zwar
mit 26-6 Mill, fl.
Durchschnittlich
ergibt sich für die
Jahresreihe 1 88 ibis
1896 ein factischer
Jahresabgang von
17-364 Mill. fl., wel-
cher die theoreti-
sche Durchschnitts-
ziffer von 13-626
Mill. fl. um den in der Haupt-
sache auf Investitionen ver-
wendeten Extraordinarial-
Ausgabenbetrag von durch-
schnittlich yy Mill. fl. über-
steigt.
So empfindlich es nun auch für den
Staatshaushalt ist, dass der Staatseisen-
bahn-Betrieb als wichtigster Theil der
staatlichen Eisenbahn-Gebarung zur vollen
Capitals Verzinsung Zuschüsse erfordert,
welche trotz der naturgemässen Brutto-
Ertragszunahme durch die steigende Ten-
denz der Betriebsausgaben und das An-
wachsen des Anlage-Capitals-Contos be-
dingt sind, so kann dabei doch — wie
schon früher erwähnt — nicht übersehen
werden, dass es gerade der Staatsbetrieb
3t
Dr. H. Ritter V. Wittek.
ist, bei welchem die für die ertrags-
schwachen, aberstaatsnothwendigen Bahn-
linien unvermeidlichen finanziellen Opfer
zu Tage treten. Die Vortheile, welche
auch diese Linien indirect dem Staate
bringen, müssen eben in die andere
Wagschale gelegt werden.
Nach der Methode, die seit einigen Jah-
ren zur Berechnung des Staatszuschusses
Tabelle VIIL
Factischer finanzieller Erfolsr des Staats-
betriebes
1881 1896.
I
! 1
1
2
3
4
1
, Bud^etärer
Gesammt-
Anlage-
CapltalRlasten
1
, Factischer
1 Gebarung^s-
Jahrj
1
1
. Netto-Brfolg
. [Incl. Steuern]
[exci. Investi-
tionen
Q Gulden Osten
n. uK^ang - —
1 Staats-
xuschuss
1
. Währung
in Millionei
i88i i
4419
8-353
3934
1882 ;
8-443
16-140
7697
1883
6420
17-406
10-986
1884
10952
27-916
16964
1885
9-612
28-104
18492
1886
12043
29594
17-551
1887
13-159
24*821
11-662
1888
12-590
28406
15-816
1889
13*475
31789
18-314
1890
13*304
31-981
18-677
I89I
8-422
31760
23338
1892
9-016
35634
26618
1893
14-957
39-203
24-246
1894
23599
40454
16-855
1895
19* 185
42832
23-647
1896
23403
45*435
22032
in den Erläuterungen zum Staatsvoran-
schlage der Staatseisenbahn- Verwaltung
angewendet wird und wobei die Steuer-
leistung nicht berücksichtigt ist, ergibt
sich die Höhe des Staatszuschusses und
bei weiterer Bedachtnahme auf die neben
demselben im Extraordinarium bestrittenen
Investitionen jene des Gebartmgs-Ab-
gangs mit folgenden Summen:
Tabelle IX.
Präliminirte Staatszuschüsse zum Staats-
bahnbetriebe in Millionen fl. Ö. W.
I
2
3
4
5
6
1 1^
Cd
•
9 1
» oft
•
9
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0
1 1
S
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1 »«:
a
es
s-?
(ti
1 6t^
3 2
1 1881
£2cS
92
5:9
£
0-5
0
5-5
3-7
4-2
1 1882
170
94
7*6
0-4
8-0
1883
i8-3
8-2
10- 1
i-i
II-2
1884
28-8
ii-i
17-7
10
18-7
1883
29-0
12-2
i6-8
2*6
19-4
1886
30- 5
I5-I
^5'4
3*7
19*1
1887
25-8
15-0
10-8
3-6
14-4 1
1888
29-4
16-7
12-7
6-4
19-1
1889
33*9
i8-8
I5-I
6-6
21-7
1890
34-8
184
16-4
6-3
22*7
189I
34*7
l6-o
i8-7
9-2
27.9
1892
41-8
i8-7
23-1
8-0
311
1893
45-3
22-2
23-1
6-7
298
1894
46- 5
29-6
16-9
3-8
20*7
1895
53-8
30- 5
20-9
5*7
26*6
189Ö
34*4
19-4
7-5
26-9
V. Staatsaufwand für Eisenbahn-Neubau.
Zur vollständigen Uebersicht des Um-
fanges, in welchem in Oesterreich seit der
Neu-Ordnung der staatsrechtlichen Verhält-
nisse der Monarchie der Ausbau des Eisen-
bahnnetzes durch directe Verwendung von
Staatsmitteln zum Zwecke des Baues neuer
Eisenbahnlinien gefördert wurde, ist es
nothwendig, auf das letzte Decennium der
Vorherrschaft des Garantie-Systems zu-
■i'
rückzugreifen. Durch das Versagen der pri-
vaten Bauthätigkeit auf diesem Clcbiete in-
folge der 1873er Krise war die Staatsver-
waltung bemüssigt, selbst einzugreifen und
den Bau der als erforderlich erkannten
Eisenbahnen theils auf Staatskosten auszu-
führen, theils durch Bauvorschüsse [meist
gegen Refundirung in Actien] an die be-
dürftigen Bahngesellschaften zu unter-
stützen. Die anfangs nur suppletorisch ge-
dachte Wiederaufnahme des Staatseisen-
bahnbaues entwickelte sich in der folgenden
Zeit unter dem Einflüsse der dem Staats-
hahnsystem günstigen Strömung zu einer
ständigen Einrichtung für den Neubau der
grossen ergänzenden Hauptbahnlinien, wo-
gegen die Betheiligung des Staates an der
Capitalsbeschaffung für den Bau neuer
Privatbahnen — eine vordem, namentlich
zu Ende der Sechziger-Jahre in grossem
Umfange angewendete Unterstützungsform
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswiithschaft
— zumeist und in neuerer Zeit ausschliess-
lich dem Zwecke der Förderung des Local-
bahnwesens dient. Den seit 1873 wieder-
aufgenommenen Staatseisenbahn bau
anlangend ist hier nicht der Ort, in eine
nähere Darstellung seines Entwicklungs-
ganges oder seiner hervorragenden tech-
nischen Leistungen einzugehen. Der Staats-
haushalt indess ist durch die Jahr ftlr Jahr
im Budget als Ausgaben eingestellten
Erfordernisse für Staatseisenbahnbauten,
welche — wie bereits im Abschnitt III
erwähnt ist — nur
anfangs aus dem
80 Millionenanlehen
und sodann ständig
aus laufenden Bud-
getmitteln bestritten
wiwden und nach
dem Wiederauftreten
des Gebarungs-Defi-
cits dieses letztere er-
höhten, namhaft in
Anspruch genommen
worden. Cileichwohl
kann hierin, da es
sich um einen emi-
nent productiven In-
vestitions-Aufwand
handelt, ein dauern-
der staatswirthschaft-
licherNachlheilkaum
erblickt werden. Die
durch die 1873er
Krise in ihrem Le-
bensnerv getroffene
Eisenbahnbau-Indu- -
strie hat es als Wohl- At
that empfunden und
durch Erhaltung ihrer Steuerkraft ver-
gütet, dass der Staat die vier von den
Concessions- Bewerbern im Stiche ge-
lassenen Linien Rakonitz-Protivin, Tar-
nöw-Leluchöw, Divacca-Pola undSpalato-
Siverich auszubauen übernahm. Die ersten
Localbahnen, eine neue Tj*pe vereinfachter
Bahnanlagen, haben sich durch den volks-
wirthschaftlichen Nutzen des mit ihrem
Baue auf Staatskosten inaugurirten Fort-
schritts reichlich gelohnt. Mit dem Staats-
baue der als internationale Anschlussitnie
wichtigen Bahnstrecke Tarvis-Pontafel be-
ginnen die grossen Aufgaben und Leistun-
gen der zweiten Glanzepoche dieses Dienst-
zweiges, auf dessen technische Organisation
Sectionschef von Nördling massgeben-
den Einfluss geübt hat, wie auch die ersten
Bauten unter ihm durch den damaligen
General-Inspector, späteren Sectionschef
Mathias Ritter von P i s c h o f geleitet
wurden. Zunächst folgt der 1880 be-
gonnene und 1884 vollendete Bau der
Arlberg-Bahn, deren legislative Sicher-
^tellung dem damaligen Handelsminister
Freiherm
[Abb. 7]
,_/^
Korb-Weidenheil
bleibendes Gedächtnis
sichert, an dem auch
SectionschefFreiherr
von Pusswald als
Regierungs Vertreter
bei der parlamentari-
schen Behandlung
der Vorlage Antheil
hat. An dieses ruhm-
volle Werk der öster-
reichischen Bautech-
nik, dessen Vollen-
dung der hochbegab-
te Leiter seiner Aus-
führung, Oberbau-
rathJuIiusLott, lei-
der . nicht erleben
sollte, reihen sich in
rascher Folge der
Staatsbau der galizi-
schen Transversal -
bahn sammt Abzwei-
gungen, der Beskid-
Bahn.der Linien Her-
pelje-TriestjSiverich-
~^ Knin und der böhmi-
7. sehen Trans versal-
bahn. Seit 1 890 sind
mehrere grössere, zunächst gesammt-
staatlichen Zwecken dienende Linien in
GaUzien, darunter die schivierige Kar-
pathenbahn Stanislau-Woronicnka und
eine grössere Zahl von Nebenbahnen zu-
meist in Schlesien im Wege des Staats-
baues zur Ausführung gelangt.
Die nachfolgenden Tabellen bringen die
in den Jahren 1873^ 1896 für die einzelnen
Staatsbau -Linien verwendeten Beträge,
dann die Aufwendungen zur Unterstützung
des Baues von Privatbahnen durch Be-
theiligung des Staates an der Capitals-
beschaifung, gleichfalls jahrweise nach
Linien getrennt, zur Darstellung.
36
Tabelle X.
[Die Gegenposten
Staats -Aufwand für Staats-
überschüssige Eingänge an Landes-
1873
1874
1875
1881
1 n
M
1 1
1 o n
n
I
2
3
4
5
6
7
8
9
10
II
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
Tamöw-Leluchöw
Istrianer Staatsbahn
Dalmatiner Staatsbahn
Rakonitz-Protivin
Donau-Ufer-Bahn
Mürzzuschlag-Neuberg
Unter-Drauburg- Wolfsberg
Kriegsdorf-Römerstadt
Erbersdorf-Würbenthal
Tarvis-Pontafel
Arlberg-Bahn
Galizische Transversalbahn nebst Abzwei-
gungen
Stryj-Beskid
Herpelje-Triest
Siverich Knin
Böhmisch-Mährische Transversalbahn . . .
Traject- Anstalt in Bregenz
Jaslo-Rzeszöw
Schrambach-Kemhof
Stanislau-Woronienka
Halicz-Oströw [Tarnopol]
Lindewiese-Barzdorf [Heinersdorf] ....
Niklasdorf-Zuckmantel
Podwysokie-Chodoröw
Troppau-Ratibor
Beraun-Duönik
Bärn-Andersdorf-Hof
Oberndorf-Hotzenplotz
Przeworsk-Rozwadöw
Haugsdorf-Weidenau
Barzdorf-Jauernig
Summe
0-143
0069
3-978
2-584
0-394
6*017
6- 116
5-508
3-141
7-592
I "~
2 378 0-661 ,0-047 I —
3 161 0-987 0-452
3-593 2 400 0-840
1-722 0 692
0-139 0-461
0-002 OOII
0*012 0*288
0-103
0059
0-500
O-181
00061 — IOOI8
I I
0*148; 0*886 1 I 091
0017 0*283
0-604 — —
0 05610-182
0-388 0-096
I
0-935
0-032
0-024
1005
0184
0 470
0-435
0*783
0-027
0-079
4 622
0*226
0-212 12 -973122 -35711 1-178
6-669 3-291
3-044
2-150 4 954
*) Ausgaben 0499 Millionen Gulden durch in gleicher Höhe eingegangene Interessentenbeiträge
37
Eisenbahnbauten 1873 — 1896.
und Interessenten-Beiträgen — sind fett gedruckt.
Tabelle X.
1882
1883
1884
1885
1886
1887
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
1896
Zusam-
men
G
1
u 1 d
e n ö
s t
err.Währg. 1
1
1 ___
1
1
1
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1
___
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,,- ^
_ T-
13-323
'
—
—
—
—
—
—
,
—
12-761
1
—
—
—
—
—
—
10-972
1
1
- -
—
—
—
—
—
—
—
16*023
1
—
—
—
—
—
—
0*968
0-556
1*919
.—
—
1 —
—
—
—
—
—
—
^^^
_
1
1 1
—
—
—
—
—
—
0 513
1 ~
—
—
—
—
—
—
—
—
- ■ - o*597l|
1
j —
—
—
—
—
-
—
—
—
—
— 1 —
3 565
9*076
12088
12*407
1*880
0*214
0*177
0*054
—
-
—
—
— -
—
1
41-301
' 0*602
11*268
i8-8i8
2-II3
0 635
0*409
1
o*3o8
0079
—
—
34.300
—
0047
0*114
2*024
3 227
1*206
0-204
0*221
0*197
—
—
1 1 1
1 1
7*240
—
o*oi6
0*036
0*151
1*687
1*219
0*193
0-035
—
—
—
— —
1
_ . 1
1
3*337
— 1 0-OI2
0*020, 0*064
0 610
0*695
0*200
0 026
0-053
—
1
1-680
-
o*oo6
0*047
0*069
3*150
5-394
7 -477
4*041
2316
1-443
0059
0-012
0-001
0-005
0005
23*861
-
— ' 0*700
0*120
—
—
—
—
—
—
0*820
1
1
—
—
—
0*782
3-300
0*609
0*324
0*222
■ —
5237
i ~~ 1 " ! *~ ""
—
—
0*107
0*519
0-505
0*088
0*076,
0-006
1*289
' 1
1
1
—
—
0283
2-579
5-744
0864
0-244
9*714
—
1
- - 1 , ■ "
1
—
— -
—
—
—
0*211
2-581
4-194
6 986
— — 1 — 1 —
—
1 ___
—
—
0*038
0*723
0-544
1*305
»
.
— —
—
—
__
1
0*010
0*116
0294
0*420
—
1
1
1 1
1
—
—
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— 1 '~~
0035
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0-035
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1
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0-305
0*297
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1
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1
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1
1
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—
—
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—
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0*015
—
—
—
—
—
— '0*001
0 001
—
1
—
—
—
0*014
0*014
9-678 23*437 32- 142
6*421 9*523
9*100
8-436 5-026
5-866
2*159
1*067
3-294
6*090
4 710! 5-580
1
199-357
1
bedeckt, daher keine Einstellung.
1
38
Tabelle XL
Staatsaufwand durch Betheiligung des Staates
[Die Rückzahlungen
I
2
3
4
5
6
7i
8
9
10
II
112
13
14
15
i6
1873 1874 I 1875 I 1876 I 1877 i 1878
1 n
Millionen
Eisenbahn Pilsen-Priesen [Komotau] . .
Falkenau-GrasHtz [Busch töhrader Eisenb.]
Niederösterreichische Südwestbahnen . .
Brüx-Klostergrab [Prag-Duxer Eisenb.] .
Bozen-Meraner Eisenbahn
0- 390 0- 525
0-219
0-024
3*885 3- "5; 5*355 1*276
0*954 o-546| i-ioo
— i o-8o9; 4-057 j 3-258 j 0-642 j 0-182 10-087 ]o-o87
I I
0-900, — ! —
— ; — j — 10-139 0-8II
Kremsmünster - Micheldorf [Kremsthal
bahn]
Czernowitz-Nowosielitza, Localbahn
Fehring-FOrstenfeld, Localbahn . . .
Asch-Rossbach, Localbahn
Hannsdorf-Ziegenhals, Localbahn . .
Eisenbahn Lemberg-Belzec [Tomaszöw]
Mühlkreisbahn
Bukowinaer Localbahnen
39
am Baue von Privatbahnen 1873 — 1896.
sind fett gedruckt.]
Tabelle XL
1882
1883
1884
1
1885
1886
1887
1888
1889
1
1
1890
1
I89I
1892
1893
1894
1895
1896
Zusam-
men
Gulden österr. Währ,
g-
o-oio
0003
0-050
1-100
0-900
0-225
1
\
1
1
1
0004
1
0-075
0350
1
1
1
1
0004
0-300
0-280
•
0001
0007
0-125
—
0016
o-6oo
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0-300
0*220
1
1
1
1
1500
0009
0 010
o-i8o
0-300
0-205
1
0008
0010
o-i8o
0-3Ö0
0-235
0-100
1
1
1
1
1 _ _
0-017
0-010
0-220
- — —
0-012
0010
0-180
O'IOO
0-150
0922
0010
0-180
0-220
0-031
0-150
0-500
0-150
0-500
0-150
0-500
0-150
0-500
0-400
0-004
14-799
9-125
j
0-300
0-350
0-425
0-280
0.550
0-900
0900
IIOO
0-231
0-750
2000
0 400
0004
0-063' 1-775
0-421
0-576
0-001
0-118' 1-284 io-834
1 1
0-797
0-193 0-408
0-149
0*650
0-650! 1-054
32-114 i
1
1
1
1
40
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Die letzte Tabelle [XII] zeigt summa-
risch den für die beiden bezeichneten
Zwecke erwachsenen Staatsaufwand in den
einzelnen Jahren der Gegenstands- Periode.
Tabelle XIL
Staatsaufwand für Eisenbahn-Neubau.
[Die Mehr-Rückzahlungen sind als Gegen-
posten fett gedruckt.]
Betheilisrung
■" -1
Staaubaa
am Bau von
Zusammen 1
Jahr
Privatbahnen
1
in Millionen Gulden ö. W. ||
1873
0*212
0-212
1874
12-973
4839
17-812
1875
22357
4*470
26-827
1876
II- 178
10-512
21*690
1877
1878
6669
5*434
12 103
. 3291
1032
4323
1879
3044
0-707
3*751
1880
2-150
0445
2-595
188 1
4?54
0922
5-876
1882
9678
0063
9741
1883
23-437
1-775
21*662
1884
32142
0-421
32563
1885
6*421
0-576
6-997
1886 .
9523
0-001
9522
1887
9-100
Ol 18
9-218
1888
8436
1-284
9-720
1889
5026
0-834
4192
1890
5-866
0-797
6663
1891
2159
0193
2352
1892
1067
0408
1-475
1893
3294
0-149
3*443
1894
6090
0650
6740
1895
4710
0650
5-360
1896
5-580
1054
6634
1873- 1896
199357
32-114
231-471
Wie die vorstehende Tabelle XII zeigt,
hat der Jahresaufwand für den Staats-
eisenbahnbau nach einer gleich anfangs
[1874 — 1876] bemerkbaren Steigerung auf
rund 22-4 'Mill. fl. seinen bisherigen Cul-
minationspunkt mit 23*4 und 32*1 Mill. fl.
in den Jahren 1883 imd 1884 erreicht,
in welchen die hohen Erfordernisse für
die Arlberg- und die galizische Transversal-
bahn zusammentrafen. Die späteren Jahre
weisen namhaft geringere Ziffern auf. Seit
1892 — dem Tiefpunkte mit l'i Mill. fl.
— ist eine vornehmlich durch die Bahn-
bauten in Galizien bedingte Steigerung
des Jahresaufwandes wahrnehmbar, der
zwischen 5 und 6 Mill. fl. schwankt.
Die Staatsbetheiligung am Privatbahn-
baue ist von anfangs hohen Jahresziffem
[1876 : iO'5 Mill. fl., veranlasst durch
die Pilsen-Priesener Eisenbahn und die
österreichischen Südwestbahnen, denen
der Staat Bauvorschüsse gegen Ueber-
nahme von Titeln gewährte] auf gering-
fügige Beträge herabgesunken. Die Sum-
men des Gesammtaufwandes seit 1873
für Staatseisenbahnbau mit 199-4 ^^^^- ^•
und für Staats-Betheiligung am Privat-
bahnbaue mit 32*1 Mill. fl., zusammen
231*5 Mill. fl., haben für die staatliche
Eisenbahn-Gebarung eigentlich nur histo-
rischen Werth, da einerseits die Bau-Auf-
wandssummen successive dem Anlage-
Capitale der Staatsbahnen zuwachsen und
dort mit ihrer Verzinsung als Erhöhung
der Jahreslast wirken, andererseits mehrere
der durch Capitals - Betheiligung unter-
stützten Bahnen seither vom Staate er-
worben worden sind, wobei die nicht rück-
gezahlten Vorschüsse in den Ankaufspreis
eingerechnet wurden, mithin wieder einen
Theil des Anlage-Capitals der Staats-
bahnen bilden. Dahin gehört auch der
aus Budgetmitteln bestrittene Betrag von
3*011 Mill. fl., den der Staat für die
Erwerbung der Dniester und Braunau-
Strasswalchener Bahn in den Jahren
1876 — 1883 verausgabt hat.
VI. Die Steuerleistung und sonstige öfifentliche Leistungen
der Eisenbahnen.
Wie in der am Eingange, des II. Ab-
schnitts gegebenen Gliederung der Be-
ziehungen, in denen die Eisenbahnen
auf die Staatswirthschaft einwirken, näher
ausgeführt wurde, steht der directen Ein-
wirkung der Eisenbahn- Gebarung auf den
Eisenbahn-Etat des Staatshaushalts jene
auf die anderen Etats und vornehmlich
auf die eigentlich fiscalischen zur Seite,
indem die Eisenbahnen selbst ein wich-
tiges Steuerobject bilden, überdies von
dem Eisenbahn- Verkehre in Form ver-
schiedener Gebühren Abgaben erhoben
werden, endlich die Eisenbahnen für
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
4r
öffentliche Zwecke Leistungen vollziehen,
welche vermöge ihres Mehrwerthes ge-
genüber dem hiefür geleisteten Entgelte
einen finanziellen Vortheil für den Staats-
haushalt zumeist in Form von Kosten-
Ersparnissen darstellen.
Es wäre nun allerdings von hohem
Interesse, die genauen Ziffern zu kennen,
mit welchen die Eisenbahnen seit ihrem
Bestände aus den bezeichneten Titeln zu
den allgemeinen Staatslasten beigetragen
haben. Es stehen dieser Ermittlung aber
mannigfache Schwierigkeiten im Wege.
Für einige der hier in Betracht kom-
menden Leistungen fehlen statistische
Nachweise; die einschlägigen Ausgabs-
posten sind nach dem Contirungs-Schema
mit anderen, nicht zu den eigentlichen
Betriebskosten gehörigen Auslagen ver-
mischt In den Rechenschaftsberichten der
Eisenbahnen werden die eigentlichen
Staatssteuem nicht besonders, sondern
zusammen mit den infolge des geltenden
Besteuerungssystems als Zuschläge zu den
directen Staatssteuern zugleich mit diesen
letzteren zur Einhebung gelangenden
Abgaben für die autonomen Körper
[Länder, Bezirke, Gemeinden] cumulativ
ausgewiesen. Was daher die hier an erster
Stelle zu besprechende Steuerleistung
der Eisenbahnen anlangt, so erübrigt
niu" und wird für den angestrebten
Zweck wohl genügen müssen, auf Grund
der für die einzelnen Jahre ausgewiesenen
Gesammtsummen annäherungsweise An-
haltspunkte für die Höhe der Ziffern zu
geben, um die es sich bei der Steuerleistung
der Eisenbahnen — diese im allgemeinsten
Sinne, also einschliesslich der Gebühren
und der neben den rein staatlichen auch
für autonome Zwecke geleisteten Abgaben
verstanden — handelt, wobei die unter-
laufene Ungenauigkeit dadurch vielleicht
etwas gemildert erscheinen kann, dass der
Autonomie in Oesterreich zum Theil auch
die Vollziehung staatlicher Functionen
obliegt, wodurch der Staatshaushalt um den
entsprechenden Aufwand entlastet wird.
Für das Jahr 1880 — knapp vor dem
Uebergange zum Staatsbetriebe — gibt
die folgende, der officiellen Statistik
entnommene Nachweisung die von den
Eisenbahnen geleisteten Steuern sammt
Zuschlägen mit folgenden Ziffern an:
Tabelle XIIL
A. Staatsbahnen und
Staatsbetrieb.
K. k. Staatsbahnen incl. der
Staatsbahnen im Privatbetrieb
Staatsbetrieb von Privatbahnen
•
Zusammen . . .
J5. Gemeinsame Eisenbahnen.
Erste Ungar. - galizische Eisen-
bahn
Kaschau-Oderberger Bahn .
Oesterr. Staatseisenbahn-Gesell-
schaftM
Südbahn*)
Ungarische Westbahn . .
Zusammen . .
C. Oesterr. Privatbahnen
Aussig-Teplitzer Eisenbahn
Böhmische Nordbahn . . .
Böhmische Westbahn . . .
Buschtöhrader Eisenbahn
Dux-Bodenbacher Eisenbahn
Galizische Carl Ludwig-Bahn
Graz-Köflacher Eisenbahn .
Kaiser Ferdinands-Nordbahn
Kaiser Franz Josef-Bahn
Kaiserin Elisabeth-Bahn . .
! Lemberg-Czernowitzer Eisenb
Leoben - Vordemberger Eisenb
Mährische Grenzbahn. . .
Mähr.-schlesische Centralbahn
O esterreich ische Nordwestbahn
Ostrau-Friedländer Eisenbahn
Pilsen-Priesener Eisenbahn .
Praff-Duxer Eisenbahn . .
Süd-Nordd. Verbindungsbahn
Turnau-Kralup-Prager Eisenb
Vorarlberger Bahn ...
Wien-Pottendorf- Wr. Neust.-B
Wiener Verbindungsbahn .
Zusammen . .
Gemeinsame und österreichische
Privatbahnen [B + C] . . .
Im Ganzen [ A + B + C]
fl. ö. W.
7.940
68.787
76.727
4,480.837
8.801
3.681
2,513.113
1,944.324
10.918
62671
14.471
191.934
86.802
59.008
703.084
46.449
2,202.840
26.101
672.563
303.214
1.286
10.512
15.004
49551
15.430
10.659
14.188
1 18.521
88.699
5.170
7.108
50.184
4,755.449
9,236.286
19,313013
*) In diesen Ziffern ist die Steüerleistung
für die ungarischen Linien inbegriffen. Eine
besondere Nachweisung für die österreichi-
schen Linien ist in der officiellen Eisenbahn-
statistik nicht enthalten, nachdem die Trennung
der Betriebsrechnung der österreichischen und
ungarischen Linien bei der Staatseisenbahn-
Gesellschaft erst mit dem Jahre 1883 erfolgt
ist; bezüglich der Südbahn, bei welcher die
Trennung der Betriebsrechnung erst im Jahre
1889 durchgeführt wurde, ist jedoch zu be-
merken, dass dieselbe für ihr ungarisches Netz
im Jahre 1880 noch die Steuerfreiheit genoss.
42
Dr. H. Ritter v. Wittek.
Wenn in dieser Nachweisung vor
Allem die Geringfügigkeit der Ziffer auf-
fallt, mit der die Staatsbahnen und der
Staatsbetrieb an der gesammten Eisen-
bahn-Steuerleistung pro 1880 betheiligt
sind, so erklärt sich dies einerseits aus
dem damals noch geringen Umfange des
Staatsbahnnetzes [955 Afw], dessen Be-
steuerung erst mit einem späteren Gesetze
[1887] eingeführt wurde, und des Staats-
betriebes, welch' letzterer nur die Kron-
prinz Rudolf- Bahn seit i. Januar 1880 und
die Erzherzog Albrechtbahn seit i . August
1 880 umfasste, anderseits aus der geringen
Ertragsfähigkeit der einzelnen, in verschie-
denen Ländern zerstreuten Staatslinien.
Die Steuerleistung der Privatbahnen
weist dagegen schon für das Jahr 1880 sehr
ansehnliche Beträge auf, die bei der Kaiser
Ferdinands-Nordbahn über 2*2 Mill. fl., bei
der Südbahn über i -9 Mill. fl. und bei der
Staatseisenbahn-Gesellschaft [incl. der un-
garischen Linien] über 2*5 Mill. fl. ausma-
chen, bei der Carl Ludwig-Bahn 07 Mill. fl.
übersteigen und diese Ziffer bei der Kai-
serin Elisabeth-Bahn nahezu erreichen.
Im Ganzen haben alle Eisenbahnen zu-
sammen pro 1880 über 9*3 Mill. fl. an Steu-
ern und Zuschlägen geleistet. Die Netto-Ga-
rantie- Vorschussleistung des Staates an die
Eisenbahnen ist für das gleiche Jahr mit
17*925 Mill. fl. ausgewiesen. Werden diese
beiden Ziffern einander gegenübergestellt,
wofür sich vom Standpunkte der Staats-
wirthschaft betrachtet, im Ganzen Argu-
mente anführen lassen, so gestaltet sich der
Saldo der Staatsgebarung bezüglich des
Eisenbahnwesens um etwa die Hälfte besser,
indem der Nettozuschuss aus Staatsmitteln
für den Eisenbahnbetrieb auf 8^625 Mill. ü.
herabsinkt. Die successive Zunahme der
jährlichen Steuerleistung ist aus der nach-
stehenden Tabelle ersichtlich, in welcher
die Steuer-Eingänge von den Staats- und
Privatbahnen nebst dem Stempel- und
Gebühren- Aequivalent für die einzelnen
Jahre 1880 — 1895 nach der amtlichen
Statistik zusammengestellt sind :
Tabelle XIV.
Eingänge an Steuern sammt Zuschlägen, dann an Stempeln und Gebühren
von den Eisenbahnen in den Jahren 1880 — 1895.
1 Steuern sammt Zuschläg^en
Stempel und GebUbren-Aequivalent
T 1^ i in Millionen fl. ÖBterr. Währ.
in Millionen fl. österr. Währ.
1
Im Ganzen
Mill- fl-
Privat- 1 Staats- .._„
Privat-
Staats- '
bahnen | bahnen zusammen
babnen
i«^K.,r„ zusammen .
bahnen 1 j
1880
9-236*)' 0-008
9*244
1027
1
000005 1*027
10-271
1881 1 9-387*)! 0-01 1 9398
0-974
0012 , 0986
10384
1882
1 II265*) 0014 11-279
1025
0 001 , 1026
12-305
1883 I0"59i 1 0*013 , 10-604
1 0841
0000 1 0-8411
II 445
1884 1 9670 ! 0-866 10-536
0763
o-ioi 0-864
11-400
1885 10259 , 0338 10597
0*549
0056 0605
11-202
1886
, 10-120 1 0-355 1 10475
0-530
0054 0-584
II 059
1887
9652 1 5 148**)' 14-800
0738
0-034 0-772
15-572
1888
9633 1-624
11-257
0637
0032
0-669
1 1 926
1889
10302 2058
12-360
0-579
0-041
0620
12-980
1890
lo-8i6 2-416 IV232
0-505
0040 0545
13*777
1891
, 11-565 2-708 14273
0541
0048 0-589
' 14862
1892
11182 2-531 13713
0-539
0033 i 0572
14-285
1893
11-477 , 2-655 14-132
0545
0*022 ' 0567
14699
1894
12-306 3006 15312
0-464
0024 0488
15-800
1895 12-499 1 3768
16267 1
1
0-455***)
0018 1 0473
1
16-740
,4rX5 ,; 169960 ; 27519
! 197-479
sscllschaft für d
10-712
ic Jahre l88c
0516 11-228 ' 208707
1 1
, 1881 und 1882 einschliesslich der Steuern
*) Bei der Staatseisenbahn-Ci«
und Gebühren für das ungarische Netz, für welches
pro 1H83 zui
n ersten Male ausgewiesen sind: Steuern
Ü. 1,379.480, Gebühren fl. 152.Ö63, zusammen fl. 1,432
.152.
Bei der Südbahn, welche in Ungarn bis l.
Januar 1890
die Steuerfreiheit genoss, erfolgte die
Trennung der Betriebsrechnung im Jahre 1889.
*•) Inbegriffen die auf Grund des Gesetzes \
om IQ. März
: 1887 R.-G.-Bl. Nr. 33 entrichtete Erwerb-
und Einkommensteuer nebst Zuschlägen für die J
ahrc 1S77— 1886 fl. 3,414.777, hiezu das Jahr 1887 mit ||
fl. 310.489, ergibt zusammen fl. 3,731.200.
*•*> Die Abnahme der Eingänge an Stempeln
und Gcbühren-Aequivalent ist begründet in dem Fort- i|
1 schreiten der Eisenbahn-Verstaatlichung.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staats wirthschaft
43
Wie die vorstehende Tabelle zeigt,
haben die österreichischen Eisenbahnen
an Steuern und Gebühren in den Jahren
1880 — 1895 eine von 10 successive
auf beinahe 17 Millionen fl. steigende
lahressumme geleistet, welche mit Aus-
nahme der hier nicht ausgeschiedenen
Zuschläge an autonome Körper dem
Staate zugeflossen ist. Für die ganze
Periode beträgt die Steuer- [und Gebühren-]
leistung der Eisenbahnen nahezu 209 Mil-
lionen fl., eine imposante Ziffer, welche bei-
spielsweise die Netto - Garantieleistung
des Staates in dem gleichen Zeit-
raum [abzüglich der Rückzahlungen rund
107 Mill. fl.] weit übersteigt. Die Ver-
theilung der angeführten jährlichen Steuer-
summe auf die einzelnen Steuergattungen
ist für das Jahr 1895 aus der nachstehen-
den Zusammenstellung ersichtlich:
Tabelle XV,
Zergliederung der von den Eisenbahnen im Jahre 1895 entrichteten Steuern
sammt Zuschlägen, dann Stempeln und Gebühren.
K. k. Staatsbahnen und
für Rechnung des Staates
betriebene Hauptbahnen
[einschliesslich der Staats-
bahnen im Privatbetriebe].
Localbahnen im Staatsbetr.
Privatbahnen:
Aussi^-Teplitzer Eisenbahn
Böhmische Nordbahn . . .
Busch töhrader Eisenbahn
I Graz-Köflacher Eisenbahn .
Kaiser Ferdinands-Nordbahn
Kaschau-Oderb. Bahn[öst.L.]
Leoben-Vordemberge r Ei-
senbahn .
Oesterr. Nordwestbahn [ga-
rantirtes Netz]
, Oesterr. Nordwestbahn [Er-
gänzungsnetz]
Oesterr.-ungar. Staatseisen-
bahn-Gesellschaft . . .
Ostrau - Friedländer Eisenb.
Südbahn Fösterr. Linien] . .
Süd - Norddeutsche Verbin-
dungsbahn
Eisenbahn Wien-Aspang
Wien - Pottendorf - Wiener-
Neustädter Bahn . . . .
Selbstständige Local- und
Kleinbahnen
zusammen
Grund-
steuer
fl.
Gebäude-
Steuer
fl.
Erwerb-
steuer
fl.
Ein.
kommen-
steuer
zusammen
Steuern
fl.
Stempel
Gesammt-
und Ge-
leistung^ an
bühren
Steuern
Aequi-
und
valent
Gebühren
fl.
fl.
121.848
1.958
6.500
5.938
8.961
2.593
120.256
1.464
236
14.393
7265
39-374
1.364
28.553
5.163
1.992
1.615
6.283
153.926
7842
13280
20.179
23614
1.506
-*)
2.562
301
25.354
15.132
93104
104.385
7.81 1
2.058
858
8 191
36.143 I 3,446.138
1181 145
10.122
20.822
16.065
10.735
4.912
3492
5076
5.265 '
23.542 .
5.774
5.394
17.067
4.768
4.442
1.582
778.713
420.962
1,047.824
148.448
2,578.573
308.421
25.234
832.062
214
2,109.592
33.228
3,190.523
I
222.048 ''
1.594
86.764
5 100
3,758.055
10.063
808.615
467901
1,096.464
163.282
2,703.741
312.447
29.263
876.885
27.876 ;
2,265.612 !
40.366 .
3,328855
252089
10.412
93.679
21.156
16.847
992
24235
15.821
30.286
8.681
121.464
2890
189
17.251
8.871
57.808
7.916
131.869
7.767
2396
4.060
13.249
3,774 902
11.055
832.850
483 722
1,126.750
171.963
2,825.205
315337
29.452
894.136
36747
2,323.420
48.282
3,460.724
259.856
12.808
97739
34405
375.756 [ 480.103 ' 175.319115,235.583:16,266.761 472.592 116,739.353!
*) Cumulativ mit der Grundsteuer ausgewiesen.
Die einzelnen Schlussziifem dieser
Tabelle verdienen es wohl beachtet zu
werden. Abgesehen von dem Staatsbahn-
netze, dessen Leistung 3*7 Mill. fl. über-
steigt, stellen die grossen Privatbahnen
— die Südbahn mit fast 3-5 Mill. fl.,
' die Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit über
2*8 Mill. fl., die Staatseisenbahn-Gesell-
schaft mit über 2*3 Mill. fl., die BuschtS-
hrader Bahn mit über i'i Mill. fl., die
Aussig- Teplitzer Bahn und die österr.
Nordwestbahn mit je über 0*8 Mill. fl.
44
Dr. H. Ritter v. Wittek.
— stattliche Steuerobjecte dar. Diese
Ziffern sind wohl ein schlagender Beweis
dafür, wie sehr der Staat im Allgemeinen
auch an der finanziellen Prosperität der
Privatbahnen interessirt ist.
Mit den vorstehend angeführten eigenen
Leistungen ist aber die fiscalische Frucht-
barkeit der Eisenbahnen keineswegs
erschöpft.
Neben den öffentlichen Abgaben, welche
die Eisenbahnen selbst zu entrichten
haben, schaffen sie nämlich dem Fiscus
in dem durch sie vermittelten Personen-
und Güterverkehre ein wichtiges
und durch Vermittlung der Bahnver-
waltungen, welche die Einhebung zu-
gleich mit den Bahngebühren besorgen,
äusserst bequem benutzbares Besteu-
erungsobject. Die Heranziehung des
Eisenbahn- Verkehres zur Leistung öffent-
licher Abgaben erfolgt in Oesterreich bisher
nur in der Form der Gebühren-Einhebung
von den Personen-Fahrkarten [Billet-
stempel], dann von den Frachtbriefen und
Aufhahmescheinen [Frachtbriefstempel ,
Aufnahmescheingebühr]. Wiewohl diese
Abgabe bei weitem nicht jene Höhe er-
reicht, die in anderen Ländern durch
die sogenannte Transportsteuer erzielt
wird *j, handelt es sich dabei doch um
ein ganz ansehnliches Einkommen, welches
dem Staate durch Vermittlung imd in-
folge der Eisenbahnen zufüesst. Als An-
haltspunkt können die Ziffern des Jahres
1895 dienen, welche in der nachstehenden
Tabelle zusammengestellt sind.
*) Vgl. Sonnenschein, die Eisen-
bahn-Transportsteuer und ihre Stellung im
Staatshaushalte. Berlin, Springer 1897. Ihre
Einführung in Oesterreich ist durch den
neuestens als Regierungsvorlage einge-
brachten Gesetzentwurf in den Vordergrund
der wirthschaftspolitischen Erörterungen ge-
treten.
Tabelle XVL
Zusammenstellung der von den österr. Eisenbahnen für das Jahr 1895 ent-
richteten Gebühren für Fahr- und Frachtkarten.
Bezeichnung der Eisenbahnen
Gfebühr für
Personen-
Fahrkarten
Frachtbriefe
und Aufnah-
mescheine
zusammen
Gulden österr. Währung
K. k. Staatsbahnen und für Rechnung des Staates
betriebene Hauptbahnen ....
Aussig-Teplitzer Eisenbahn ....
Böhmische Nordbahn
Buschtöhrader Eisenbahn
Kaiser Ferdinands-Nordbahn .
Kaschau-Oderberger Bahn, österr. Strecke
Oesterr. Nordwestbahn, garant. Netz .
» » Ergänzungsnetz
Oesterr. -ung. Staatseisenbalm-Gesellschaft
Ostrau-Friedländer Eisenbahn . ,
Südbahn *)
Süd-Norddeutsche Verbindungsbahn
Wien-Aspang-Eisenbahn ....
Localbahnen
zusammen Privatbahnen
Im Ganzen
691.820
19.877
32.213
35.684
178.814
12.890
70.512
24.568
174733
4.476
302.106
31.633
11.226
44-994
943-726
399 423
46.368
33375
36.879
128022
6.648
58.635
24.696
150.843
179.271
24549
4.231
20.076
713-593
1,635.546 I 1,113.016
1,091.243
66.245
65.588
72.563
306.836
19-538
129.147
49.264
325.576
4.476
481.377
56.182
15.457
65.070
1,657.319
2,748.562
*) Inclusive Graz-Köflacher, Leoben- Vordernberger und Pottendorf- Wiener-Neu-
städter Bahn.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
45
Die Jahressumme dieser Staatsein-
nahme, welche von dem die Eisenbahnen
benützenden Publicum [Reisende und
Frachtgeber] eingehoben wird, beziffert
sich sonach auf etwa 275 Millionen fl.
Dass diese Ziffer nicht zu niedrig er-
mittelt ist, ergibt sich aus einer anderen
uns vorliegenden Berechnung, wonach
der Personen - Fahrkartenstempel allein
einschliesslich der Schifffahrt, für welche
rund 100.000 fl. in Abzug kommen, in
den Jahren:
1893 1894 1895
1,323.614 ü. 1,667.463 fl. 1,737297 fl-
eingebracht hätte, wozu dann noch die
Frachtbrief- und Aufnahmescheinstempel,
mit rund 2,000.000 fl. zuzurechnen wären.
Man wird daher nicht fehlgehen, wenn
man die Transport-Abgabe der öster-
reichischen Eisenbahnen nach dem jetzigen
Stande des Verkehrs mit über 3 Millionen fl.
jährlich ansetzt. Zuzüglich der vorhin mit
16*7 Millionen fl. ausgewiesenen eigenen
Steuerleistimg der Eisenbahnen ergibt
sich der jetzige directe fiscalische Jahres-
Ertrag der Eisenbahnen an Steuern und
Gebühren mit rund 20 Millionen fl. Hierin
sind nicht inbegriffen die von den Eisen-
bahn-Titres eingehobenen Coupon-Stem-
pelgebühren, die beispielsweise im Jahre
1895 bei der Staatsbahn-Gesellschaft nmd
125.000 fi. und bei der Südbahn 105.443 fl.
ausmachten.
Im Anschlüsse an diese dem Staats-
haushalte bedeutende Einnahmen zufüh-
renden Abgaben sind noch jene geld-
werthen Leistungen hervorzuheben,
welche — wie am Eingange des II. Ab-
schnittes ausgeführt ist — von den
Eisenbahnen unentgeltlich oder zu er-
mässigten Preisen für verschiedene staat-
liche Dienstzweige besorgt werden.
Eine genaue Bewerthimg der hiedurch
dem Staate im Etat dieser Dienstzweige
erwachsenden, materielle Vortheile dar-
stellenden Ersparnisse ist nach dem heu-
tigen Stande der zu Gebote stehenden Auf-
zeichnungen für Oesterreich nicht zu geben.
Eingehende und beachtenswerthe Nach-
weisungen über den Gegenstand enthält
dagegen die amtliche Statistik Frankreichs.
In der von dem französischen Mi-
nisterium der Öffentlichen Bauten her-
ausgegebenen Eisenbahn-Statistik*) sind
die vorerwähnten Ersparnisse, an die
Eisenbahn-Steuern [I. Transportsteuer von
Reisenden und Eilgut, Aufhahmsschein-
und Frachtbriefstempel, II. laufende Stem-
pel, Gebühren von Actien und Obligationen,
Uebertragungs-Gebühren von solchen Ti-
tres, Einkommensteuer und 4%ige Taxe
vom Verlosungsgewinn, III. Gebäudesteuer,
Patentgebühren, Zolleinnahmen für zu
Eisenbahnzwecken bezogene Brenn- und
RohstoflFe] angereiht, nach folgenden
Gruppen zusammengestellt :
IV. Ersparnisse zufolge der Bestim-
mungen des Bedingnisheftes : i. Postver-
waltung. 2. Telegraphen Verwaltung. 3. Be-
förderung von Militär-Personen und solchen
der Marine. 4. Unentgeltliche Beförde-
rung der Finanzorgane im Dienste der
indirecten Steuern und der Zollorgane.
V. Ersparnisse gegenüber den nor-
malen Tarifen auf Grund freiwilliger Ver-
einbarungen mit dem Staate: Kriegs-
materialtransporte.
Die Bewerthung auf Grund bestimmter,
nach statistischen Leistungs-Einheiten
aufgestellter Rechnungsschlüssel ergibt
beispielsweise für das Jahr 1894 bezüg-
lich sämmtlicher französischer Bahnen
[35-971 ^^] nachstehende Beträge:
pT.km
im Ganzen Bahn-
länge
Frcs. Frcs.
[IV, 1137,573.921 1045
[IV, 2] 4i099-774 IM
Ersparnisse der
Postverwaltung
Telegraphen-
verwaltung .
Beim Transport
von Militär-
Personen .
Finanz- und
Zollorganen
Zusammen . .
Kriegsmaterial-
transport. .
Totalsumme .
[IV, 3] 21,928.888 609
[IV, 4] 1,672.733 46
[IV, 1-4] 65,275.316 1814
[V] ^186.431 _ 33
66,461.747 1847
Nach einer der amtlichen Bewerthung
beigedruckten Schätzung der Gesell-
schaften, die auf einem früheren Formular
*) Statistique des chemins de fer fran^ais
au 31. decembre 1894. Documents divers.
Premiere partie: France, interet gönöral.
Paris, Impr. nationale 1896, pag. 274, 275.
46
Dr. H. Ritter v. Wittek.
beruht, wird die Totalsumme der Erspar-
nisse noch wesentlich höher, nämlich
auf Frcs. 136,331.058 oder per km auf
Frcs. 3790 beziffert.
Die Leistungen der österreichischen
Eisenbahnen für die Postanstalt be-
ruhen im letzten Grunde auf dem schon
im § 68 der Eisenbahn- Betriebsordnung
vom 16. November 1851, R.-G.-Bl.
Nr. I ex 1852, den concessionirten Privat-
Eisenbahn-Untemehmungen gegenüber
gemachten und im § 10 lit f des Eisen-
bahn-Concessionsgesetzes vom 14. Sep-
tember 1854, R.-G.-Bl. Nr. 238, erneuerten
Vorbehalte der Verpflichtung zur unent-
geltlichen Postbeförderung wie auch auf
der Fortbildung, w^elche dieser allgemeine
Vorbehalt in den Bestimmungen der
einzelnen Concessions-Urkunden erfahren
hat. Insgemein ist hiemach den Privat-
bahnen die unentgeltliche Beförderung der
im Dienste fahrenden Postbediensteten,
der Briefpost- und der Postambulanzwagen
auferlegt, wogegen den Bahnen für die
zur Mitnahme der Postfrachten beizu-
stellenden »Beiwagen« eine massige,
annäherungsweise den Selbstkosten der
Beförderung entsprechende Vergütung
nach festen Einheitssätzen geleistet wird.
Den Localbahnen sind durch die
neuere Specialgesetzgebung in Bezug auf
die Postbeförderung facultativ Erleich-
terungen zugestanden, die Kleinbahnen
[Tertiärbahnen] von allen unentgeltlichen
Leistungen in obiger Hinsicht enthoben.
[Art. II und XVIII des Gesetzes über
Bahnen niederer Ordnung vom 31. De-
cember 1894, R.-G.-Bl. Nr. 2 ex 1895.]
Für die Postbeförderung auf den
Staatsbahnen und für Rechnung des
Staates betriebenen Bahnen sind mit
Verordnung des k. k. Handelsministeriums
vom 20. März 1883 eigene Normativ-Be-
stimmungen erlassen worden, wonach vom
I.Januar 1883 ab für die Beförderung
der Post mittels ärarischer Ambulanz-
wagen sowie mittels der Bahn gehörigen
Wagen, dann für die Briefpostvermittlung
durch Bahnorgane, von Seite der Post-
verwaltung eine Entschädigung mit 50 Per-
cent der jährlich sich ergebenden Kosten
per Achskilometer des gesammten Staats-
betriebsnetzes nach Massgabe der durch-
laufenen Postwagen-Achskilometer ge-
leistet wird. Diese Entschädigung variirte
seit 1883 zwischen 1*65 und 1*91 kr. per
Postwagen-Achskilometer.
Für das Jahr 1895 hat die Post an die
Staatsbahnverwaltung* aus obigem Titel
eine Vergütimg von 796.139 fl. bezahlt.
Stellt man die bahnseitige Leistung
für den Posttransport nur mit den Selbst-
kosten in Rechnung, was offenbar zu
niedrig gegriffen ist, so bewerthet sich
das durch die Benützung der Staatsbahnen
zu ermässig^em Preise der Postanstalt
erwachsene jährliche Ersparnis auf rund
800.000 fl. Bezüglich der Privatbahnen
ist die Schätzung des gleichartigen flsca-
lischen Vortheils durch die Verschiedenheit
der concessionsmässigen Verpflichtungen
erschwert. Eine approximative Verglei-
chung der von den grossen Hauptbahnen
bezogenen Vergütungen [i 895 : 580.000 fl.
mit den Selbstkosten der geleisteten Post-
wagen-Achskilometer führt zu dem Ergeb-
nisse, dass letztere durchschnittlich mit
nur 62*7 Percent zur Vergütung gelangen.
Auf die Gesammtsumme der von den
österreichischen Privatbahnen gefahrenen
Postwagen - Achskilometer angewendet,
würde sich das Ersparnis der Post bei
den Privatbahnen mindestens auf etwa
420.000 fl. jährlich bewerthen lassen. Im
Ganzen ist das jährliche Ersparnis des
Staates bei der Postbeförderung demnach
auf mindestens 1,200.000 fl. zu schätzen.
Die sonstigen Leistungen der Eisenbah-
nen für die Postanstalt, als unentgeltliche
Beförderung der Postorgane, Mitwirkung
des Bahnpersonals beim Postdienste, Bei-
stellung von Amtsräumen, Instandhaltung
der ärarischen Postambulanz wagen etc.,
entziehen sich einer ziffermässigen Bewer-
thung. Ebenso sind die Leistungen ftlr die
Staats -Telegraphenanstalt, welche
theoretisch in der Pflicht zur unentgelt-
lichen Ueberlassung der Säulen des
Bahntelegraphen zur Anbringung von
Staatstelegraphen-Leitungen und in deren
Obsorge sowie in der Beförderung des
wStaatstelegraphen -Materials zu wesentlich
ermässigtenTarifsätzen bestehen, einerseits
kaum zu bezift'ern, anderseits finanziell
nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Von grcisserer finanzieller Tragweite
sind dagegen die Leistungen der Bahnen
in Bezug auf den Militär-Transport.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft
47
Die Differenz zwischen den für die Beför-
derung von Militärpersonen und Militär-
gutem nach dem Militär-Tarife eingeho-
benen ermässig^en Beförderungsgebühren
und jenen des normalen Givil-Personen-
und Gütertarifs stellt das Ersparnis dar,
welches der Staat infolge der einschlägigen
freien oder concessionsmässigen Verein-
barungen erzielt. Nach einer schätzungs-
weisen Berechnung kann dieses Ersparnis
bei den k. k. Staatsbahnen und vom Staate
betriebenen Privatbahnen für das Jahr 1895
in folgender Weise beziffert werden:
Differenz bei den im Dienste
reisenden Militärpersonen .
Differenz bei den ausser Dienst
reisenden Militärpersonen .
beim Reisegepäck . . . .
bei den Militärgütern . . .
zusammen . .
fl. ö. W.
681.150
355-740
138.867
397.366
1,573.123
Nachdem die durchschnittliche Be-
triebslänge der bezeichneten Bahnen im
Jahre 1895 rund 8900 km betragen hat,
entspricht obige Ziffer einer kilometri-
schen Differenz von 176-8 fl. Nach dem
Verhältnis der Kilometerzahl der selbst-
ständig betriebenen Privatbahnen [7361]
ergibt sich für dieselben die Jahressumme
von 1,301.425 fl.
Diese Ziffer ist offenbar viel zu niedrig
gegriffen, da die normalen Givil-Tarife der
Privatbahnen zumeist weit höher sind als
jene der Staatsbahnen. Es wird deshalb
für alle Bahnen zusammen das dem Staate
aus diesem Titel zu gute kommende
Jahreserspamis mit dem Betrage von
3 Millionen fl. nicht zu hoch angenommen
sein. Post- und Militär-Transport allein
geben somit eine jährliche Erspamis-
summe, die allermindestens 4 — 5 Mill. fl.
beträgt.
VII. Gesammt-Bilanz der staatlichen
Eisenbahn-Gebarung.
In den vorausgehenden Abschnitten
wurde versucht, die finanziellen Wirkun-
gen, welche die Eisenbahnen auf den
Staatshaushalt vermöge der Garantie, des
Staatsbaues und Staatsbetriebes und der
flscalischen Leistungen ausüben, im Ein-
zelnen möglichst übersichtlich darzustellen.
Es erübrigt daher noch, diese Darstellung
durch die Uebersicht des Gesammteffectes
zu ergänzen, den die gleichzeitige Bethäti-
gung dieser Einzelwirkungen zur Folge hat.
Hierbei ist von den Schlussergebnissen
auszugehen, welche im Abschnitte IV
bezüglich des finanziellen Erfolges des
Staatsbetriebes als des wichtigsten Zweiges
der staatlichen Eisenbahn-Gebarung er-
mittelt wurden. Da es sich jedoch bei
dieser Darstellung nicht um eine theore-
tische Beurtheilung der Ergebnisse des
Staatsbetriebes, sondern um die wirklichen
Gebarungsziffem handelt, wie sie in der
Gegenstands-Periode den Staatshaushalt
factisch beeinflusst haben, ist nicht die
Schlusscolonne der Tabelle VII, sondern es
sind jene der in Tabelle VIII enthaltenen fac-
tischen Gebarungs- Abgänge als der wirk-
lichen Zuschüsse auf den Staatseisenbahn-
Betrieb zum Ausgangspunkte zu nehmen.
Dabei sind, wie hier zu erinnern ist, die
dem Staate erwachsenen Lasten infolge
der für den Staatseisenbahnbau verwen-
deten Beträge durch jähr weise Zurech-
nung der 4V4percentigen Zinsen derselben
zu den Capitalslasten [Tabelle VIII, Col. 3]
bei der Ermittlung der Gebarungs- Abgänge
berücksichtigt. An diese Zuschüsse reihen
sich sodann die Netto-Ergebnisse der
Staatsgarantie-Gebarung, wobei — abwei-
chend von der im Abschnitt III behufs
reiner Ermittlung der Garantie- Vorschuss-
Verhältnisse befolgten Methode — nebst
den bei der Netto-Garantie-Leistung in
Abzug gebrachten Vorschuss- auch die
Zinsen-Rückzahlungen zu berücksichtigen
sind sowie die als Subvention bezahlten
Annuitäten. Der hieraus resultirenden
Gesammtlast sind die Eingänge aus den
Eisenbahnen, soweit sie jahrweise zifi"er-
mässig bekannt sind, wie Antheile am
Reingewinn und Steuerleistung der Pri-
vatbahnen, gegenüberzustellen, woraus
sich sodann die Gesammt-Bilanz der
staatlichen Eisenbahn-Gebarung exclusive
Bau ergibt.
Dr. H. Ritter v. Wittek.
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Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
49
Die Zahlenreihen dievSer Tabelle geben
zu mancherlei Betrachtungen Anlass.
Neben dem constant in ansehnlicher Höhe
auftretenden Gebarungs-Deficit des Staats-
betriebes, dessen Höhe indess, wie bereits
im IV. Abschnitt erwähnt, zum grossen
Theile durch die Einbeziehung des In-
vestitions-Aufwandes in die ausserordent-
lichen Ausgaben bedingt war und durch
die seit 1897 geänderte Budgetirungs-
methode sich fortan wesentlich vermin-
dert *), fallt sofort die stetige Besserung
der Garantie-Gebarung in's Auge, welche
im Jahre 1885, infolge der Rückzahlung
der Garantieschuld der mährisch-schlesi-
schen Nordbahn, mit fast 6 Mill. fl. und
1895 mit nahezu 2 Mill. fl. activ war.
Die Erklärung liegt in dem successiven
Uebergang der dauernd passiven Garantie-
Bahnen in den Eigenbetrieb für Rechnung
des Staates imd in der günstigen Entwick-
lung der selbstständig gebliebenen garan-
tirten Unternehmungen. Die Gesammt-
lasten des Staates für Eisenbahnzwecke
haben hiemach seit 1882, von vorüber-
gehenden Schwankungen abgesehen, keine
Verminderung erfahren und beziffern sich
am Schlüsse der Periode mit rund
24 Millionen fl.
Trotzdem ist — wie das Sinken des
Passiv-Saldos der Gesammt-Bilanz seit
1892 von 20 auf 9 Mill. fl., trotz der
vielen neu hinzugekommenen schwachen
Linien zeigt — die finanzielle Besserung
der Gesammtgebarung unverkennbar. Die
anlässlich der Neu-Goncessionirung der
Kaiser Ferdinands-Nordbahn bedungene
Betheiligung des Staates an dem Rein-
gewinn dieses ertragreichen Unternehmens
— ein Vorgang, der späterhin bei der
Xeu-Ordnung der Capitalsverhältnisse der
Aussig-Teplitzer Bahn Nachahmung fand
und bei der Südbahn neuestens infolge
der schiedsgerichtlichen Entscheidung
über den Kaufschillingsstreit wieder auf-
gelebt ist — hat dem Staate seither Jahr
*) Im Budget pro 1897 sind für ausser-
ordentliche Ausgaben beim Staatseisenbahn-
Betriebe und der Bodensee-Dampfschifffahrt
8,012.98011. [gegen 1 1,672.760 fl. undincl. Staats-
eisenbahnbau nebst Betheili^ng am Privat-
bahnbau 18,485.410 fl. im Vorjahre] eingestellt
und 18,063.910 fl. im Erfordernisse des In-
vestitions-Präliminars für Eisenbahnzwecke
bewilligt.
Geschichte der Eisenhahnen. II.
für Jahr namhafte Eingänge verschafft,
welche zuzüglich der bei den Ein-
nahmen des Staatsbetriebes verrechneten
und daher in Col. 8 ausgeschiedenen Zah-
lungen der Aussig-Teplitzer Bahn in
den Jahren 1894 — 1^9(> von 17 auf fast
3 Millionen fl. gestiegen sind. Diese Zu-
flüsse, welche den Werth einer umsichtigen
finanziellen Eisenbahnpolitik auch unter der
Vorherrschaft des Staatsbetriebes ausser
.Zweifel stellen, haben im Vereine mit
der trotz der Verstaatlichung fast constant
steigenden Steuerleistung der Privat-
bahnen zu dem Schlussergebnisse geführt,
dass die Gesammtbilanz der staatlichen Ei-
senbahn-Gebarung der Jahre 1893 — 96 mit
massigen Passiv-Saldoziffern abschliesst.
Denn eine Unterbilanz von durchschnitt-
lich 8*4 Millionen fl. kann bei einem
im Ganzen, Staats- und Privatbahnen
zusammengenommen, rund 17.000 knt
[Ende 1896] umfassenden Bahnnetze,
welches so viele ertragsschwache Linien
in sich begreift, gewiss nicht als eine
unverhältnismässige bezeichnet werden.
Diesem Passivum stehen übrigens die
im Abschnitte VI besprochenen Erspar-
nisse gegenüber, welche die verschiedenen
Staatsdienstzweige infolge der unentgelt-
lichen oder zu ermässigten Preisen statt-
findenden Leistungen der Eisenbahnen
geniessen. Jene bei der Postbeförderung
und dem Militärtransport allein bewerthen
sich auf 4 — 5 Millionen fl. jährlich. Es
würde hiernach also, die übrigen Leistun-
gen dieser Art ungerechnet, der bilanz-
mässige Netto-Zuschuss des Staates für
das Eisenbahnwesen mit Ausschluss des
Linien-Neubaues, für welchen in den Jahren
1893 — 96 rund je 6 Millionen fl. aufgewen-
det wurden, nicht höher als auf etwa
3 — 4 Millionen fl. jährlich zu schätzen
sein. Mit dieser Zuschussleistung schliesst,
da die indirecten Vortheile, welche die
Eisenbahnen in Bezug auf die Hebung
der Steuerkraft dem Staatsschatze gebracht
haben, nicht ziffermässig nachweisbar
sind, die Gebarungsbilanz des Staates
in Bezug auf die Eisenbahnen mit 1896
ab. Die ganze Entwicklung im Zusammen-
hange betrachtet, kann wohl behauptet
werden, dass die Eisenbahnen in Oester-
reich sich für die Staatswirthschaft und
den Staatshaushalt trotz der grossen Opfer,
50
Dr. H. Ritter v. Wittek.
welche ihre Entwicklung zeitweilig den
Staatsfinanzen auferlegte, doch anderseits
als eine dem Staatsschatze ansehnliche
Zuflüsse und mannigfache Vortheile brin-
gende Institution bewährt haben. Wenn
daher der Ausbau des österreichischen
Eisenbahnnetzes in den letzten 50 Jahren
und der heutige Stand des heimischen
Eisenbahnwesens geeignet ist, mit patrio-
tischem Stolze zu erfüllen, so bieten die
staatswirthschaftlichen und finanziellen
Ergebnisse dieser Entwicklung wahrlich
keinen Grund, sich dieses Gefühl durch
pessimistische Beurtheilung des materi-
ellen Werthes des Geschaffenen ver-
kümmern zu lassen.
VIII. Der Eisenbahn-Etat in der Gegenwart.
Die im vorigen Abschnitte an der
Jahres-Reihe 1882— 1896 verfolgte Ein-
wirkung der Eisenbahnen auf die Ge-
staltung des Staatshaushaltes ist, inso-
weit es sich um das Budget handelt,
mit dem Jahre 1896 in doppelter Hin-
sicht zu einem Abschlüsse gelangt. Durch
die in den Beginn dieses Jahres fallende
Errichtung des Eisenbahnministeriums,
welches nunmehr mit einem eigenen Etat —
Nummer XII — [Capitel 28 der Staats-
ausgaben, 34 der Staatseinnahmen] be-
dacht ist, erscheint das Eisenbahnwesen
als selbstständiger Verwaltungszweig in
den Rahmen des Staatsvoranschlages
eingegliedert. Anderseits ist das Finanz-
gesetz für das Jahr 1896 das letzte vor der
schon oben besprochenen, in das orga-
nische Gefüge unseres Budgets tief ein-
greifenden und namentlich für das Eisen-
bahnwesen bedeutungsvollen Ausschei-
dung der Investitions-Auslagen, welche
bisher mit den laufenden Staatsausgaben
vermischt waren und vom Jahre 1897
an in einem II. Theile des Staatsvoran-
schlages zur Darstellung gelangen. Im
Staatsvoranschlage für 1896, woselbst
diese Trennung noch nicht stattgefun-
den hat und die Staatsausgaben mit
664,569.573 fl., die Staatseinnahmen mit
666,006.190 fl. festgesetzt sind, nimmt
das Eisenbahnministerium für die Zwecke
seines Ressorts inclusive Bodensee-Schiff"-
fahrt im Ganzen [Capitel 28, Titel 1 — 7]
93,722.360 fl. in Anspruch, wovon auf aus-
serordentliche Ausgaben 1 8,485.4 lofl. [dar-
unter für Staatseisenbahnbau 6,094.000 fl.
für Betheiligung an der Capitalsbeschafi"ung
zum Baue von Privatbahnen 680.970 fl.]
und auf ordentliche Bahnbetriebsauslagen
exclusive Localbahnbetrieb [Titel 7, § i,
lit. a] 63,207.184 fl. entfallen. Dem
Ressortaufwande, welchem der Voll-
ständigkeit halber noch die im Budget-
Capitel 34, Titel 3 [XVII. Subventionen
und Dotationen B an Verkehrsanstalten]
eingestellten 4®/oigen Vorschüsse an ga-
rantirte Bahnen mit 1,407.900 fl. zuzu-
rechnen sind, so dass die Eisenbahn -
Ausgaben im Ganzen 95,130.260 fl. aus-
machen, stehen als Bedeckung die im
Capitel 34, Titel i — 6 präliminirten Staats-
einnahmen des Eisenbahnministeriums
mit 108,445.860 fl. gegenüber. Darunter
sind begriff'en der Staatsantheil an dem
Reingewinne der Kaiser Ferdinands-Nord-
bahn mit 1,300.000 fl. und einschliesslich
desselben ausserordentliche Einnahmen
9,197.710 fl. sowie ordentliche Trans-
port-Einnahmen 94,851.500 fl. Zuzüglich
der bei den Subventionen für Verkehrs-
anstalten präliminirten Zinsen-Einnahme
von 4700 fl. erreicht der Staats-Ein-
nahmen-Etat des Eisenbahnwesens die
Gesammtsumme von 108,450.560 fl.
Das Eisenbahnwesen participirt also
an den Staatsausgaben mit ^7 = '47o»
an den Staatseinnahmen mit Vg ^ 16%
des gesammten Staatshaushaltes und er-
scheint im Budget pro 1896 als ein mit
dem Betrage von 13,320.300 fl. activer
Dienstzweig — letzteres allerdings nur
Dank dem Umstände, dass die grossen
( '.apitalslasten für den Bau und die Er-
werbung der Staatsbahnen mit Ausnahme
der beim Staatseisenbahn-Betriebe [Ca-
pitel 28, Titel 7, § I lit. c] präliminirten
vertragsmässigen Zahlungen für Ver-
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
51
zinsung und Amortisation per 8,224.400 11.
nicht im Eisenbahn-Etat eingestellt sind,
sondern in jenem der Staatsschuld ihre
Wirkung äussern.
Wird hingegen das gesammte Er-
fordernis für die Bestreitung der Lasten
des in den Staatsbahnen investirten An-
lagecapitals einschliesslich der Verzinsung
des durch Ausgabe von Staatsrenten-
titeln beschafften oder aus den Cassen-
beständen bestrittenen Aufwandes für den
Staatseisenbahnbau und für nachträgliche
Investitionen dem Betriebsüberschusse der
Staatsbahnen entgegengehalten, so zeigt
sich, dass letzterer das Lasten-Erforder-
nis nicht erreicht, vielmehr hinter dem-
selben um einen namhaften Differenz-
betrag zurückbleibt. Diese Differenz stellt
den Zuschuss dar, welchen der Staat
auf den Staatsbahnbetrieb zu leisten hat.
In den Erläuterungen zum Staatsvoran-
schlage der Staatseisenbahn- Verwaltung
für das Jahr 1896 *) ist die Höhe des Staats-
zuschusses in folgender Art berechnet:
Vertragsmässige Zahlungen für Verzin-
sung und Amortisation:
a) im Etat der Staatsbahn- fl.
Verwaltung 8,092.080
b) im Etat der Staatsschuld 33,235.891
c) Annuität für ^/^ der Wie-
ner Verbindungsbahn 132.320
zusammen 41,460.291
Aufwand für Staatsbahnbau
und Nachtrags - Investitionen
[inclusive jener für 1896
mit 6,628.479 ff.] zusammen
284,443.219 fl. zum Zins-
fusse von 47*% .... 12,088.837
Gesammmterfordemis . . . 53,549.128
Hievon ab Betriebsüberschuss
im Ordinarium 32,548.720
Präliminirter Staatszuschuss
für 1896 21,000.408
Derselbe erhöht sich bei Einbeziehung
des präliminirten Netto-Erfordemisses im
Extraordinarium in die laufenden Aus-
gaben auf 27,071.700 fl.
Das Anlagecapital sämmtlicher im
Staatsbetriebe stehenden Bahnen [excl. Lo-
calbahnen] ist für 1 896 auf 1 1 75,782.55ofl.*)
berechnet und die Verzinsung desselben
durch den Betriebsüberschuss mit 2*77 ®/q.
Infolge der mit dem Finanzgesetze
für das Jahr 1897 bezüglich der Inve-
stitions-Gebarung eingeführten Budget-
Reform bietet der Staatsvoranschlag die-
ses Jahres, soweit er das Eisenbahn-
wesen betrifft, ein etwas verändertes
Bild.
Die Staatsausgaben mit 689,08 1 . 1 70 fl.
und die Staatseinnahmen mit 690,030.996 fl.
zeigen gegenüber dem Vorjahre eine mas-
sige Steigerung. Die gleiche aufsteigende
Bewegung tritt bei dem Einnahmen-Etat
des Eisenbahnministeriums [Capitel 34,
Titel 4 des Staatsvoranschlages] zu Tage,
welcher einschliesslich der ausseror-
dentlichen Einnahmen per 4,846.480 fl.
[darunter 1,300.000 fl. als Reingewinn-
Antheil von der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn] und der ordentlichen Transport-
Einnahmen des Staatsbahnbetriebes per
98,851.500 fl. die Gesammt- Bedeckungs-
ziffer von 113,806.260 fl. aufweist, die
sich durch die im Subventions-Etat präli-
minirten Eisenbahn-Garantie-Rückzahlun-
gen von 155.300 fl. auf 113,961.560 fl.
erhöht. Der Eisenbahn - Ausgaben - Etat
beim Eisenbahnministerium in der dem
Vorjahre nahezu gleichen Ziffer von
93,801.410 fl. [darunter 8,456.910 fl.
ausserordentliche Ausgaben, 67,093.090 fl.
ordentliche Bahnbetriebsauslagen incl.
Localbahnbetrieb, 8,203.010 fl. vertrags-
mässige Zinsen- und Amortisations-
zahlungen] ist um jene In vestitions- Aus-
lagen im Betrage von 18,063.910 fl. [hie-
von für Staatseisenbahnbau 5,741.760 fl.,
für Betheiligung an der Capitals-
beschaffung zum Bau von Privatbahnen
5,268.000 fl., für Betriebs-Investitionen
7,054.150 fl.] verringert, welche im Er-
fordernisse des Investitions-Präliminares
[Beilage II zu Artikel IX des Finanz-
gesetzes] für das Eisenbahnministerium
eingestellt sind. Wird jedoch zum Zwecke
der Vergleichung mit dem Vorjahre
dieser Betrag gleichwie jener der Ga-
rantie - Vorschusszahlungen für Eisen-
*) XI. ursprünglich Handelsministerium ! *) Laut ^Bericht über die Ergebnisse
Heft 2, sodann geändert in XII. Eisenbahn- der k. k. Staatseisenbahn-Verwaltung für das
Ministerium S. 195 ff. Jahr 1896^, S. 132, nur 1.139,887.884 fl.
Dr. H. Ritter v. Wittek.
bahnen im Etat XVII »Subventionen
und Dotationen« per 1,654.500 fl. den
oben ausgewiesenen Ausgaben zuge-
rechnet, so erreichen die Staatsausgaben
für Eisenbabnzwecke den Gesammtbetrag
von 113,519.820 fl., d. i. i5'87o oder
fast \/- der sämmtlichen Staatsausgaben
incl. Investitionen, wogegen den in der
Bedeckung des Staatsvoranschlages [Bei-
lage I zum Finanzgesetze] ausgewiesenen
Eisenbahn-Einnahmen jene des Investi-
tions-Präliminares mit 4,782.820 fl. zu-
zurechnen sind, so dass im Ganzen die
Bedeckungssumme von 118,744.380 fl.,
d. i. 17^/0 oder mehr als 7g der ge-
sammten Staatseinnahmen incl. Investi-
tions - Bedeckung aus dem Eisenbahn-
wesen resultirt.
Nach der neuen Gruppirung des
Budgets dagegen, in welcher die Inve-
stitionen von der laufenden Gebarung
getrennt eingestellt sind, stehen in letzterer
den Eisenbahn-Einnahmen [incl. Garantie-
Rückzahlimgen] mit 113,961.560 fl.
Ausgaben aus gleichem
Titel [incl. Garantie-
Vorschüsse] mit . . . 95,455-910 >
gegenüber, so dass der
Eisenbahn-Etat mit dem
Betrage von .... 18,505.650 fl.
activ erscheint.
Der Staatszuschuss für den Staats-
eisenbahn-Betrieb stellt sich nach der
Berechnung in den Erläuterungen zum
Staatsvoranschlage der Staatseisenbahn-
Verwaltung für das Jahr 1897*), in wel-
chem die Betriebslänge mit durchschnitt-
lich 9443 km angenommen ist und mit
Jahresschluss auf rund 9800 km steigen
dürfte, in folgender Schlussziffer dar:
Vertragsmässige Zahlungen für Ver-
zinsung und Amortisation:
a) im Etat der Staatsbahn- fl.
Verwaltung 8,203.010
b) im Etat der Staatsschuld 32,837.560
zusammen 41,040.570
Aufwand für Staatsbahn- Bau
und nachträgliche Investitionen
[inclusive jener für 1897
mit 5,444.057 fl.] zusammen
308,291.864 fl. zu 4 V470 ^3? 102.404
*) XII Eisenbuhnministerium S. 202 fl".
Transport 13,1 02.404
Annuitäten für Fahrparksver-
mehrung 1,484.840
Gesammt- Erfordernis . , .55,627.814
ab Ueberschuss im Ordinarium
[nach Zurechnung der im obi-
gen Erfordernisse bereits be-
rücksichtigten vertragsmässi-
gen Zahlungen für Verzinsung
und Amortisation] . . . .31,795170
Präliminirter Staatszuschuss
für 1897*) 23,832.644
Das Anlagecapital für sämmtliche im
Staatsbetriebe stehenden Bahnen, ex-
clusive der Bodensee-Dampfschiffahrt und
der für fremde Rechnung betriebenen
Localbahnen, ist abzüglich der durch Ver-
losungen oder Convertirungen in Abfall
kommenden Beträge mit 1.161,265.228 fl.
ermittelt. Die Verzinsung durch den
Betriebs-Ueberschuss stellt sich auf
274%-
Zur Vervollständigung des Gesammt-
bildes mögen hier noch die für den Gegen-
stand charakteristischen Ziffern aus dem
kürzlich im Abgeordnetenhause einge-
brachten Staatsvoranschlage für das Jahr
1898 beigefügt werden, dem Jahre, in wel-
chem das Staatsbetriebs-Netz die Längen-
ausdehnung von 10.000 km überschreiten
wird. Die gesammten Staatseinnahmen
sind mit 719,900.282 fl., die gesammten
Staatsausgaben mit 715,920.827 fl. ver-
anschlagt, so dass ein Ueberschuss
von 3,979.455 fl. sich ergibt. Das
Investitiohs-Präliminar zeigt im Erforder-
nis 29,179.780 fl., in der Bedeckung
1,524.050 fl. Die Eisenbahn-Einnahmen
[einschliesslich der Garantie - Rückzah-
lungen mit 104.300 fl., des Gewinn-
Antheils bei der Kaiser Ferdinands-Nord-
bahn mit i,6oo.ooo fl. und der Kauf-
schillings-Restzahlung der Südbahn mit
1,846.100 fl.] sind auf 120,780.200 fl.
beziffert. Das Ausgaben -Erfordernis ist
einschliesslich der Garantievorschüsse im
Betrage von 1,963.000 fl. mit 98,488.500 fl.
veranschlagt. Der hiernach resultirende
Ueberschuss von 22,291.700 fl. übersteigt
*) Bei Behandlung des präliminirten
Xettü-Erfordernisses im Extraordinarium als
laufende Ausgabe des Jahres 1897 würde der
Staatszuschuss sich erhöhen auf 27,035 720 fl.
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staats wirthschaft.
53
jenen des laufenden Jahres [18,505.650 fl.]
um 3,786.050 fl. Im Investitions-Präli-
minare für 1898 sind zu Eisenbahnzwecken
I Staatseisenbahn-Bau 6,808.000 fl., Be-
theiligung an der Capitalsbeschaffung
zum Baue von Privatbahnen 1,652.000 fl.,
Betriebs- Investitionen 11,033.000 fl.] zu-
sammen 19,493 .000 fl. [ 1897: 18,063.9 10 fl.
als Erfordernis und aus gleichem Tite
1,424.050 fl. [1897: 4,782.820 fl.] als Be-
deckung eingestellt.
Der Staatszuschuss zum Staatseisen-
bahn-Betriebe ist in den Erläuterungen*)
mit nachstehender Berechnung entwickelt:
Vertragsmässige Zahlungen für
Verzinsung und Amortisation :
£t) im Etat der Staatsbahn- fl.
Verwaltung 8,204.100
b) im Etat der Staatsschuld 32,986.580
Aufwand für Staatseisenbahn-
bau und Nachtrags - In vesti-
tionen [exclusive Investitions-
iVäliminar 1897 u. 1898] zu-
sammen 311,749-253 fl. zu
47*% i3>249-343
Investitionsaufwand 1897 und
1898 17,852.800 fl. zu 3*8®/o 678.407
Gesammt-Erfordernis . . .55,118.430
Präliminirter Betriebs-Ueber-
schuss 33)876.300
Staatszuschuss für 1898**) . 21,242.130
Der Anlagewerth der ijn Staats-
betriebe stehenden Bahnen ist nach
gleichem Vorgange wie im Vorjahre mit
1.181,518.043 fl. ermittelt***) und die
Verzinsung desselben durch den Betriebs-
überschuss auf 2*87^/0 berechnet.
Auf Grund der vorstehenden Präli-
minar-Ansätze ergibt sich folgende Ent-
wicklungsreihe :
*) Erläuterungen zum Staatsvoranschlage
und Investitionspräliminare für das Jahr 1898
XII. Eisenbahn-Ministerium, S. 185 ff.
**) Bei Einbeziehung der Investitionen
in die laufenden Ausgaben würde sich der
Staatszuschuss erhöhen auf 25,222.510 fl.
*♦•) Für 1898 veranschlagtes Anlage-
Capital 1.208,728710 fl., hievon ab getilgte
Beträge 27,210.667 fl. bleibt Anlagewerth
1181,518.043 fl.
1896*) 1897 1898
Staatszuschuss zum Mill. fl. ö. W.
Staatsbahnbetriebe 27*0 23*8 21*2
Verzinsung des An-
lagewerthes % . . 277 274 2*87
Ueberschuss im Eisen-
bahn- und Subven-
tions-Etat . . . I3'3 18-5 22*3
Es wäre voreilig, Schlüsse aus diesen
AnschlagsziflFern ziehen zu wollen, deren
Erfolg erst bezüglich des Betriebs-Ueber-
schusses und der Capitalsverzinsung für
das Jahr 1896 bekannt ist. Immerhin
tritt die günstige Wirkung der neuen
Budgetirungs-Methode für den Eisenbahn-
Etat durch Entlastung desselben von den
in das Investitions-Präliminar überstellten
Extraordinarial-Ausgaben klar zu Tage.
Auch die Zifl'er des Staatszuschusses
ist von dem niedrigen Zinsfusse des In-
vestitions-Aufwandes günstig beeinflusst.
Ihre noch immer ansehnliche Höhe —
in den letzten 3 Jahren mit durchschnitt-
lich 24 Millionen fl. veranschlagt —
sowie die Perspective einer weiteren
Steigerung der staatsfinanziellen Zu-
schüsse für Eisenbahnzwecke infolge der
mit dem Jahre 1898 im Etat der Staats-
schuld hinzutretenden Beitragsleistung
für die Wiener Verkehrsanlagen**) müssten
zu den ernstesten Betrachtungen Anlass
geben, wäre das Eisenbahnwesen nicht
zugleich ein im höchsten Grade produc-
tiver Factor im Staatshaushalte. In dieser
Hinsicht darf hier an die im VI. und
VII. Abschnitte enthaltenen Ausführungen
und zifl'ermässigen Daten über die Steuern
und sonstigen öffentlichen Leistungen
der Eisenbahnen erinnert werden, deren
Jahres werth schon für 1896 mit 24 —
25 Millionen fl. geschätzt wurde. Diese
Leistungen stellen, den Staatshaushalt
im Ganzen betrachtet, ein den Staats-
zuschüssen für Eisenbahnzwecke nahezu
gleichwerthiges Aequivalent dar, welches
mit der Entwicklung des Verkehres und
der Steuergesetzgebung in fortwährender
Zunahme begriff'en ist. Ein Beispiel
•) Erfolg: Betriebsüberschuss 34*4 Mil-
lionen fl., daher Staatszuschuss bei sonstigem
Zutreffen des Präliminars um rund 05 Mil-
lonen fl. geringer. Capitalsverzinsung 302°/o.
[Vgl. Geschäftsbericht S. 132 und 179]
♦♦) Für 1S9S mit 1,978.128 fl. veranschlagt.
54
Dr. H. Ritter v. Wittek.
hiefür bietet die Steuersumme der Staats-
bahnen, die nach dem Staats - Voran-
schlag für 1898 mit rimd 5 MilHonen fl.
sich gegen das laufende Jahr um fast
500.000 fl. [=ii%] erhöht. Hiernach
erscheint die Behauptung wohl nicht als
eine allzu optimistische, dass die Eisen-
bahn-Gebarung des Staates, Alles in Allem
genommen, sich allmählig dem Punkte
nähert, in dem das Eisenbahnwesen be-
ginnt, nicht blos der budgetären Form
nach, sondern in Wirklichkeit ein activer
Dienstzweig zu werden. Das Ziel, reine
Gebarungs-Ueberschüsse aus dem Eisen-
bahnwesen für die allgemeinen Staats -
bedürfnisse heranzuziehen, ist ein so hohes
und angesichts der auf allen Gebieten,
namentlich auch bei den nicht unmittel-
bar productiven Dienstzweigen rapid
steigenden Anforderungen an den Staats-
schatz ein so actuelles, dass seine Er-
reichung als eine der nächsten und wich-
tigsten Aufgaben der staatlichen Eisen-
bahn- und Finanzpolitik bezeichnet werden
muss.
Ketrospective Betrachtungen, sofern
sie über das Gebiet der Thatsachen
hinausführen und auf jenes der Hypothese
übergreifen, sind ziemlich nutzlos. Und
doch drängt sich jedem, der die wech-
selnden Entwicklungsphasen der Bezie-
hungen zwischen den Eisenbahnen und
der Staatswirthschaft in den letzten fünfzig
Jahren rückschauend überblickt, die Frage
auf, ob diese Beziehungen sich nicht ge-
deihlicher hätten gestalten lassen. Die
starken Schatten, die das Bild der
finanziellen Einwirkungen der Eisen-
bahnen auf den Staatshaushalt vorüber-
gehend trüben, fordern fast zu dieser
Frage heraus. Dabei liegt es nahe, im
Vergleiche mit den günstigen staats-
finanziellen Ergebnissen des Eisenbahn-
wesens, die anderwärts als Früchte einer
durch lange Zeit consequent festgehaltenen
Richtung staatlicher Verkehrspolitik heran-
gereift sind, den in Oesterreich wieder-
holt eingetretenen Wechsel der eisenbahn-
politischen Systeme als veranlassende
Ursache für die minder günstigen finan-
ziellen Resultate verantwortlich zu machen.
Es muss im Sinne dieser Auffassung
zugegeben werden, dass die ungestörte
Aufrechthaltung des Staatsbahnsystems
der Fünfziger-Jahre, falls sie staatsfinanziell
durchführbar gewesen wäre, dem Staats-
schatze namhafte Capitalsverluste erspart
und die natürliche Ertragssteigerung der
alten Staatsbahnlinien zugeführt hätte. Die
Erweiterung des Netzes aber, die das da-
mals mit den Privatgesellschaften herein-
gekommene fremde Capital, wenn auch
unter drückenden Bedingungen übernahm,
hätte mit den Mitteln des Staates, dessen
Finanzlage während der Sechziger-Jahre
durch hohe Gebarungsdeficite und eine
Zinsenreduction der Staatsschuld ge-
kennzeichnet ist, nie bewirkt werden
können.
Nicht minder gewiss ist es, dass das
Garantie-System, wenn man rechtzeitig
vermocht hätte, dasselbe unter Vermei-
düng seiner Auswüchse auf entwicklungs-
fähige Privatbahnen einzuschränken, früher
oder später zu finanziell befriedigenden
Ergebnissen geführt haben würde. An
wohlgemeinten und sachkundigen Bemü-
hungen, den Privatbetrieb als alleinige
Betriebsform aufrechtzuhalten, hat es in
der Mitte der Siebziger-Jahre nicht ge-
fehlt. Aber sie konnten die dem Privat-
bahnsystem anhaftende Lücke bezüglich
der ertraglosen Linien nicht ausfüllen,
deren Bau und Betrieb aus höheren staat-
lichen Rücksichten geboten, nothwendig
dem Staate zufallen musste.
Mit dieser ganz unvermeidlichen Be-
thätigung des Staates im Eisenbahn-
wesen wäre unter allen Umständen für
die aus socialpolitischen Unterlagen er-
wachsene mächtige Strömung zu Gunsten
des Staatsbetriebes der Angriffspunkt ge-
geben gewesen, um die Alleinherrschaft
des Privatbahnsystems aus den Angeln
zu heben.
Die aus diesem Umschwung hervor-
gegangene österreichische Eisenbahn-Ver-
staatlichung reicht mit ihren jüngsten
Entwicklungsphasen so tief in die Gegen-
wart herein, dass eine zusammenfassende
Besprechung des Gegenstandes an dieser
Stelle aus naheliegenden Gründen unter-
bleiben muss.
Soweit indess diese nach Ursprung und
Endziel vorzugsweise staatswirthschaft-
Oesterreichs Eisenbahnen und die Staatswirthschaft.
liehe Action in ihrem anfangs verzögerten
Beginne heute wohl schon als der Ge-
schichte an gehörig betrachtet werden
kann, darf daran erinnert werden, dass
das principielte Verstaatlichungsgesetz
vom 14. December 1877 zeitlich mit der
ansteigenden Curve der sogenannten
• Coupon- Process et zusammenfällt, die in
den nächstfolgenden Jahren fast auf der
ganzen Linie der österreichischen Eisen-
bahn - Prioritätsobligationen entbrannten.
Eine lähmende Unsicherheit über das
Mass der mit den Prioritätsschulden zu
übernehmenden Lasten war die unmittel-
bare Folge dieser den Eisenbahnverkehr
störenden Calamität. Unter diesen Um-
ständen begegnete die erste unserer
grossen Verstaathchungen — jene der Kai-
serin Elisabeth-Bahn Ende 1880 — den
erheblichsten Schwierigkeiten. Dieselben
konnten nur mittels einer künstlichen
Spaltung des Erwerbungsgeschäftes um-
gangen werden, indem der Staat zunächst
bloss den Betrieb für eigene Rechnung
übernahm, das Eigentbum an der Bahn
aber, sowie die Erfüllung der Schuldver-
bindlichkeiten gegenüber den Prioritäts-
gläubigem unverändert der Gesellschaft
beliess. Erst dann, als dem Coupon-
streite durch den in Deutschland den
österreichischen Bahnen gewährten völ-
kerrechtlichen Schutz gegen Waggon- und
Guthaben-Pfändung der Nährboden ent-
zogen war und ein weiteres Auskunfts-
mittel in der Convertirung der streitig ge-
wordenen Anlehen gefunden wurde, war
vom staatsün anzielten Standpunkte die
Succession des Staates in das Schuld-
verhältnis und damit eine glatte Erwer-
bung der Bahnen ermöglicht. Dies führt
' sofort auf die Frage, ob der eingetretene
I Aufschub in dem Vollzuge der Verstaat-
I lichung die Bedingungen derselben für
, den Staat erschwert hat. Man wäre ver-
! sucht, diese Frage auf Grund der hohen
' Capitals lasten zu bejahen, welche — wie
! unsere Tabellen zeigen — schon die
I ersten österreichischen Eisenbahn -Ver-
staatlichungen begleiteten. Auch pflegt ja
gemeinhin jedes Hinausschieben der Er-
werbung einer in aufsteigender Entwick-
lung begriffenen Bahn den bleibenden
Verlust des inzwischen erzielten Ertrags-
Zuwachses für den Erwerber zu bedeuten.
Bei den ersten wie bei den meisten später
verstaatlichten österreichischen Eisen-
bahnen lag die Sache aber anders, Sie
wurden nicht auf Grund der Erträgnisse,
sondern nach dem concessions massig als
.Minimal-Einlösungsrente geltenden garan-
tirten Reinerträgnisse erworben. Ob sie in
der zweiten Hälfte der Siebziger-Jahre,
zur Zeit des Tiefstandes des gesellschaft-
iichen Credits, billiger erhältlich gewesen
wären, bleibt schon deshalb zweifelhaft,
weil auch der Staatscredit damals unter
hohen Gebarungsabgängen zu leiden
hatte.
Immerhin lässt wohl schon dieser
nur an die äussersten Umrisse der Ent-
wicklung anknüpfende Rückblick, mit
dem wir unsere Erörterung abschliessen,
klar erkennen, dass die eisenbahn-
flnanziellen Ergebnisse nicht isohrt,
sondern nur im Zusammenhange mit
der ganzen Finanz- und Wirthschafts-
geschichte richtig erfasst und gerecht
beurtheilt werden können. Wenn irgend-
wo, gilt hier der alte Satz: »Tout com-
prendre, c'est tout pardonner«.
1
i
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kAML PM>CHAJ(KA. IfcftU4CN
i
I
Unsere Eisenbahnen
in der
Volkswirthschaft.
Von
Alfred Ritter von Lindheim,
Mitgriled des Staats-Elsenbahnrathes, Landtas^s-Abgreordneter etc.
NICHT viel mehr als 70 Jahre sind
vergangen, seitdem eine Eisen-
bahn, wie sie ungefähr unseren
heutigen Vorstellungen entspricht, dem
öffentlichen Verkehre übergehen wurde,
aber in ungeahnter Weise und jedes Bei-
spiel weit hinter sich lassend, hat das neue
Verkehrsmittel die gesammte Welt erobert
und einen so massgebenden Einfluss auf
allen Gebieten der Cultur und des Verkeh-
res gewonnen, dass eine erschöpfende
Darstellung dieser Einfiussnahme nahezu
unmöglich ist.
Viel leichter vermag der Forscher die
Consequenzen grosser historischer Ereig-
nisse zu schildern, die Folgen darzustellen,
welche denkwürdige Kriege und Revolutio-
nen auf die menschliche Entwicklung her-
vorbrachten. Man kann ergründen, welche
Folgen beispielsweise die französische
Revolution nach sich zog. Sie brach Vor-
rechte und Privilegien, sie stellte die
bisher streng gesonderten Kasten auf
ein gleiches Niveau, sie zeitigte einen
Zustand, in welchem Rechte und Pflich-
ten des Staatsbürgers untereinander ab-
gewogen und ein möglichst gleiches
Recht fQr alte Bürger des Staates aufge-
stellt wurde. Das sind Ereignisse, welche
in einer Studie nach ihren Consequenzen
möglichst erschöpfend geschildert werden
können. Man kann die Folgen der Refor-
mation klar erkennen und den Einfluss
richtig darstellen, den sie auf die poli-
tische Entwicklung des Mittelalters und
der Neuzeit nahm. Die Grenzlinien
sind sichtbar für die Wirkungen der
evangelisch - christlichen Kirche auf die
Politik der Staaten, und noch zu Lebzeiten
Martin Luther's wusste man durch sein
Vorgehen gegen den Bildersturm, dass
der Entwicklungsgang, den die evange-
lische Kirche nehmen würde, nicht die
politische Revolution bedeute, sondern
dass sich ihre Bahnen im ruhigen Geleise
der alten christlichen Kirche bewegen
werden. Die Wirkung solcher Ereignisse
schildert die Geschichte, sie sind erkenn-
bar für den Forscher, sie sind entweder
schon abgeschlossen oder die Folgen sind
für den menschlichen Geist bereits wahr-
nehmbar.
Viel schwieriger ist es, eine Analyse
vorzunehmen über die Wirkungen einer
Erfindung von der epochalen Bedeutung
der Eisenbahn. Die grossen Erfindungen
der Neuzeit, und vor Allem die Dienst-
barmachung des Dampfes und der Elek-
tricität greifen so sehr in alle Gebiete
des Lebens ein, dass das Studium dieser
Wirkungen bis in ihre letzten Conse-
quenzen ein unglaublich schwieriges
ist. Namentlich sind es die Eisen-
bahnen, die in wahrhaft stürmischer
Weise die Welt erobert haben und über
deren Wirkung, namentlich in Bezug
auf die Volks wir th schaft, ein ab-
schliessendes Urtheil fällen zu wollen
immerdar nur ein schwacher Versuch
bleiben wird. Die Schwierigkeit einer
solchen Darstellung wurde an anderer
Stelle von massgebender Seite bereits
6o
A. Ritter v. Lindheim.
richtig gewürdigt. Sehr treffend hat Dr.
Ritter V. Wittek*) darauf hingewiesen,
dass man, um die einzelnen Beziehungen
der Eisenbahnen zu erfassen, sich diese
„Gradmesser der gesammten wirthschaft-
lichen Entwicklung" aus dieser Entwick-
lung wegdenken müsste, wollte man ein
vergleichbares Bild finden, wie sich un-
sere Volkswirthschaft ohne Eisenbahn ge-
staltet haben würde.
Die Culturvölker des Alterthums, deren
Bedeutung nach keiner Richtung hin
verkleinert werden soll, haben sich im
grossen Ganzen in ihren Forschungen
darauf beschränkt, das Thatsächliche fest-
zustellen, und wie gross auch das Ver-
dienst dieser Völker sein mag, sie machten
es sich in erster Linie zur Aufgabe, die
Natur und ihr Wesen in tiefster Tiefe zu er-
fassen, sie brachten es in den schönen
Künsten zu hoher Vollendung, sie ver-
standen es, interessante Systeme der Phi-
losophie zu begründen und weiter zu
bilden; die Natur kräfte aber dem
menschlichen Geiste unterthan zu
machen, ist ihnen nicht gelungen. Wohl
lässt es sich nicht leugnen, dass auch bei
den Alten der Mathematik viel Aufmerk-
samkeit zugewendet wurde, aber wiederum
war es mehr eine abseits des Lebens lie-
gende Forschung, welche diese Wissen-
schaft förderte, die Astronomie. Und
weisen auch die Riesenbauten in Syrien,
die Bauwerke Aegyptens, Griechenlands
und Roms darauf hin, dass man die Bewe-
gung schwerer und grosser Massen mit
einer gewissen Leichtigkeit bewältigte,
deuten femer die kunstvollen Strassen-
und Brückenbauten und die ganz ausser-
gewöhnlich schwierigen und grossen
Kirchenbauten darauf hin, dass man auch
auf mechanische Hilfsmittel zur Lösung
dieser Aufgabe bedacht gewesen sein
musste, so kommt hiebei in Betracht, dass
die Arbeitskraft des Menschen damals
eine sehr billige gewesen, das Unter-
thänigkeitsverhältnis zur Verwohlfeilung
beitrug und religiöser Enthusiasmus oft
und leicht das Fehlende ersetzte. Nach
alledem kann man wohl sagen, dass der
Gebrauch der einfachsten Maschinen,
'*) V§r Bd. IL, Dr. H. v. Wittek:
»Oesterreichs Eisenbahnen und die Staats-
wirthschaft.« S. 3 u. ff.
wie Hebel, Schraube, Welle und Rad,
ziemlich das Einzige ist, was uns aus
den mechanischen Hilfsmitteln der Alten
übrig geblieben ist.
Unserem Jahrhundert war es
vorbehalten, hierin vollkommen Wandel
zu schaffen, die Nutzbarmachung der Na-
turkräfte, die Erschliessung dieser Jahr-
tausende hindurch unbenutzten Quellen
hat erst unsere Zeit bewirkt; eine neue
und ungeahnte Aera brach damit an und
das ganze lebende Geschlecht steht wahr-
scheinlich erst an der Wiege derselben.
Die Nutzbarmachung der Dampfkraft,
namentlich für die Fortbewegung von
Menschen und Gütern, ist unbestritten
die allerwesentlichste Erfindung unserer
Zeit. Welcher bewegenden Kraft künftige
Geschlechter sich bedienen werden, ist
hiebei einerlei, die Motoren der Zukunft
werden immer die Fortsetzung der Aus-
nützung des mit den Wasserdämpfen zu-
erst gelösten grossen Princips sein, »die
Naturkräfte zum Zugsdienste willkürlich
nach Raum und Zeit unter das Joch zu
beugen, das vom Alterthum herab bis zu
uns mit der einzigen überdies beschränkten
Ausnahme des Windes und des fallenden
Wassers nur das Thier oder vereinzelt der
Mensch trug«.
Als die Locomotive ihren Siegeslauf
begann, waren die Verhältnisse auf dem
Continente keineswegs darnach, einer
neuen Erfindung eine günstige Aufnahme
zu sichern, dass es aber den Eisenbahnen
gelang, selbst unter den widrigsten wirth-
schaftlichen Verhältnissen sich verhält-
nismässig rasch Durchbruch zu verschaf-
fen, ist ein treffender Beweis für die
Macht ihrer Wirkungen.
Oesterreich war nach den napoleo-
nischen Kriegen ganz besonders isolirt,
sowohl in politischer als auch in commer-
zieller und industrieller Hinsicht. An
seinen Grenzen unterlagen nicht nur die
Producte der Industrie einem grossen
Schutzzoll, sondern eine strenge Censur
hielt auch noch in den Dreissiger- und Vier-
ziger-Jahren jede Entfaltung der Literatur
von den Grenzen Oesterreichs ferne. Aller-
dings, lässt es sich nicht leugnen, dass
unter der Regierung des Kaisers Franz
mancher bemerkenswerthe Fortschritt ge-
rade auf dem Gebiete des Verkehrswesens
Unsere Eisenbahnen in der Volkswirthschaft.
6l
geschah. Der Bau der Ampezzanerstrasse,
des Franzenscanals zur Verbindung der
Theiss mit der Donau, der Strasse über
das Stilfser Joch, die Einrichtung der
sechs Hauptcommerzialstrassen von Wien
nach Triest, Salzburg, Prag, Krakau und
Zara, die Einführung der Eilwagen, Cou-
rierwagen, Separatwagen und Extrafahr-
posten sind immerhin bemerkenswerthe
Bethätigungen einer auch in dieser Rich-
tung hin sorgfältigen und umsichtigen
Regierung. Die Bedeutung des Verkehrs-
wesens, insbesondere der zu seiner Ent-
wicklung noth wendigen Freizügigkeit des
Individuums war nicht voll erkannt.
Denn selbst zur Reise mit einem Post-
wagen musste man sich schon tagelang
vor der Abfahrt einen Vormerkschein und
einen Reisepass lösen, den man dem
Conducteur einzuhändigen hatte.*) So zei-
gen Polizeivorschriften, die noch in den
Kinderjahren unserer Eisenbahnen in
Geltimg standen, eine so engherzige Auf-
fassung, dass uns manche derselben heute
mit gerechtem Staunen erfüllen. Eine
Amtsinstruction aus jener Zeit, die von
den Rechten der öffentlichen Polizei han-
delt, besagt unter Anderem in Bezug auf
den Fremdenverkehr:
»Dem Staate liegt daran, dass die
innere Ruhe und Sicherheit durch sich
einschleichende gefährliche Leute nicht
gestört werde. Jeder Ortsvorsteher muss
daher zu erfahren suchen, was für Fremde
sich von Zeit zu Zeit in seinem Districte
aufhalten; widrigen Falls ist er ausser
Stande, auf selbe die pflichtmässige
Obsicht zu tragen, und wenn Bedenkliche
darunter sind, sie zu entdecken. Um
dieses zu bewirken, muss jeder Inwohner,
bei welchem jemand auf kurze oder längere
Zeit in Afterbestand tritt, ernstgemessenst
angehalten werden, die einkehrende Partei
alsogleich nach ihrem wahren Namen,
Stand, Geschäft bei dem Ortsvorsteher
zu melden. Dieser hat über den ange-
zeigten Fremden ein förmliches Protokoll
zu führen, um auf allmähliches Verlangen
von höheren Orten, Auskunft ertheilen
zu können. Es muss aber nicht dabei
bewenden, was der Bestandgeber eines
Fremden von demselben anzeigt, sondern
es sind die Pässe oder andere Ausweise
einzusehen, um zu bemerken, ob selbe
mit der Angabe übereinstimmen. Nebst-
dem muss auf solche Fremde, bei denen
das geringste Verdächtige auffällt, mit
Aufmerksamkeit gesehen, und jede erheb-
lichere Entdeckung, zumal gegen wirkliche
Ausländer, mittels der Kreishauptleute an
den Landeschef, oder in sehr dringenden
und besonderen Fällen unmittelbar an
letzteren in geheim berichtet werden, um
diesfalls die Belehrung, wie sich be-
nommen werden soll, einzuholen. Es
gibt eine Gattung von Leuten, die man
Emissarien nennt, wovon einige Aus-
kundschafter oder falsche Werber von
anderen Mächten sind, und andere, welche
die Unterthanen von der wahren Religion
ab und auf Irrwege in geheim zu ver-
leiten suchen; andere, sowohl In- und
Ausländer, die in der Stille sich mit
Schreibereien abzugeben pflegen, von
welchen nicht bekannt ist, wer sie eigent-
lich seien, oder was für eine Arbeit sie
eigentlich haben mögen, von denen sich
auf keine Ursache muthmassen lässt,
warum sie sich im Orte aufhalten. Wieder
andere geben sich damit ab, dass sie den
Unterthansklagen nachgrübeln, sich
zu Verfassung der Beschwerdeschriften
aufdringen, den Unverständigen Geld ab-
locken, und ganz widerordentlich die
Hof- und Länderstellen mit unstatthaften
Dingen behelligen. Münz- und öffentliche
Papier- Verfälscher gehören in die Classe
vorgedachter Menschen, welche alle die
genaueste Aufmerksamkeit umsomehr ver-
dienen, als dieselben für mehr oder weni-
ger staatsgefährliche Leute anzusehen
sind. Die Beobachtung dieser Gattung
Menschen fordert besondere Industrie
und Behutsamkeit.«*)
Der Briefpostverkehr fand nicht täglich,
sondern beispielsweise nach Czernowitz
blos Sonntag, Montag und Freitag statt,
während ein Packwagen nach Innsbruck
nur einmal in der Woche abging, eine
Briefpostverbindung mit Mailand fand nur
jeden Montag und Donnerstag statt.
*) Vgl. Bd. L, H. Strach, »Einleitunjr.«
S. 85 ff.
*) Vgl. K r e m e r, Praktische Darstellung
der in Oesterreich unter der Enns für das
Unterthansfach bestehenden Gesetze. Wien,
1824.
62
A. Ritter v. Lindheim.
Es war, wie gesagt, vor Allem der
Bau von Strassen, auf welchen die öster-
reichische Regierung schon frühzeitig
grosse Sorgfalt verwendete, und dies war
umso anerkennenswerther, da sich diesen
Bauten grosse technische Schwierigkeiten
entgegenstellten.
Durch den Bau der Eisenbahnen hat
der Strassenbau einen mächtigen Ansporn
erhalten, und schon darin liegt eine
wichtige volkswirthschaftliche Bedeutung
derselben, — da sie den Anschluss eines
reich entwickelten Strassennetzes geradezu
bedingen. Die Wechselwirkung zwischen
der Eisenstrasse und dem gewöhnlichen
Landwege brachte aber noch den wich-
tigen Vortheil der Verwohlfeilung der
Transportkosten. Namentlich die Massen-
transporte haben eine oft über ioo^Iq
betragende Ermässigung der Transport-
spesen durch die Eisenbahn erfahren.
Diese Ersparnisse, deren ziffermässige
Berechnung wenigstens annäherungsweise
wiederholt versucht wurde, belaufen sich
jährlich auf viele Millionen Gulden. Man hat
auch versucht, den volkswirthschaftlichen
Nutzcoöfficienten der Eisenbahnen fest-
zustellen, d. h. jene Zahl zu finden, mit
der man die Roheinnahmen der Eisenbahn
multipliciren muss, um deren volkswirth-
schaftliche Nutzleistung zu erhalten. Die
Berechnimg ergab, dass im Allgemeinen
für entwickeltere Bahnen 2 als Coefficient
angenommen werden kann. Auf Oester-
reichs Bahnen angewendet, würde der
solcherart berechnete volkswirthschaft-
liche Nutzen pro 1897 die enorme Summe
von 810 Millionen Gulden darstellen.
Freycinet berechnete sogar, dass man
die gesammte Bruttoeinnahme einer Bahn
mindestens vierfach nehmen müsste, um
deren wirklichen, d. h. directen und in-
directen Vortheil in einer Ziffer zusammen-
zufassen.
Jenen volkswirthschaftlichen Nutzen
aber ziffermässig zu berechnen, den uns
die Eisenbahnen durch Ersparnis an Zeit
bieten, kann nur auf dem Wege vager
Schätzungen versucht werden, doch liegen
auch hier Zahlen vor, die, weil sie den
volkswirthschaftlichen Nutzen der Eisen-
bahnen wenigstens andeuten, Erwähnung
finden sollen. Ein französischer Schrift-
steller berechnete unter Zugrundelegung
der Annahme, dass die Stunde eines fran-
zösischen Bürgers 5 Pence werth sei, die
jährlich durch die erhöhte Geschwindig-
keit der Eisenbahnen erlangte Ersparnis
auf 8 Mill. Pfd. Sterling. Ein deutscher
Gelehrter berechnete, dass die Reisenden
in Deutschland bis zum Jahre 1878 eine
Zeitersparnis im Werthe von 955 Mill.
Mark erlangt haben.
Die Wirkung der Transport- Verbes-
serung der Eisenbahnen auf das ge-
sammte Wirthschaftsleben lässt sich jedoch
keineswegs in Ziffern ausdrücken. Den
gesammten Einfluss der Eisenbahnen, der
sich keineswegs ausschliesslich in Vor-
theilen kundgibt, zu ermessen, wird die
schwere Aufgabe einer umfangreichen
Culturgeschichte unseres Jahrhunderts
bilden. In dem engen Rahmen dieser
Abhandluno^ müssen wir uns begnügen,
nur jene Gebiete der Volks wirthschaft
hervorzuheben, in welchen die specifischen
Wirkungen der Eisenbahnen, die allge-
mein wohl in allen Ländern sich wesentlich
gleich bleiben, in unserem Vaterlande
besonders kräftig hervortreten oder wo
sie die Verhältnisse vollständig umge-
staltet haben.
Es würde auch zu weit führen, wollten
wir bei jedem einzelnen wichtigen Zweige
volkswirthschaftlicher Betriebsamkeit den
wohlthätigen Einfluss der Eisenbahnen im
Allgemeinen oder gar ziffermässig dar-
stellen. Wir müssen uns auch darauf be-
schränken, jene Gebiete hervorzuheben,
in welchen die Wirkungen der Eisen-
bahnen unverkennbar gross, ja geradezu
lapidar hervortreten. Diese Auswahl ist
schon deshalb bedingt, weil es kein Ge-
biet der Volkswirthschaft gibt, auf dem
nicht in irgend welcher W^eise sich der
Einfluss der Eisenbahnen geltend machen
würde. Steht ja doch unser gesammtes
Leben und unsere allgemeine culturelle
Entwicklung noch heute unter diesem
mächtigen Einflüsse.*) Es dürfte bei-
spielsweise wenige Gewerbe geben, die
schon bei der Schaffung und Herstellung
der Eisenbahnen nicht irgendwie bethei-
ligt sein würden. Aber gewiss gibt es
*) Vgl. Bd. IL, Dr. Friedrich Reicbs-
freiherr zu Weichs-Glon, »Einwirkung der
Eisenbahnen auf Volksleben und culturelle
Entwicklung«.
Unsere Eisenbahnen in der Volks wirthschaft.
63
kein einziges, das nicht Vortheile aus
diesem grossartigen Verkehrsmittel er-
langen würde.
Gerade Oesterreich hat unter der Ein-
wirkung der Eisenbahnen seinen wirth-
schaftlichen Charakter vollständig ändern
müssen.
Oesterreich ist durch seine
Eisenbahnen aus einem Ackerbau
treibenden Staate ein Industrie-
staat geworden.
In die Epoche der ersten Eisenbahnen
fällt die Erkenntnis, dass ein Staats-
gebilde in Europa nicht den Charakter
einer Insel tragen könne. Der mächtige,
weltbezwingende und weltbeherrschende
Gedanke, welcher der Eisenbahn zugrunde
liegt, ist der Gedanke der Frei-
zügigkeit für die Person und des
möglichst raschen, bequemen und
billigen Güteraustausches.
Auf diesen beiden Grundlagen beruht
für ein Land die Möglichkeit, die Schätze
der Natur zu heben und zu verwerthen,
welche sein Boden birgt, und nie wird
eine Industrie möglich sein, solange diese
Vorbedingungen für dieselbe nicht ge-
schaffen sind. Oesterreich aber ist hin-
sichtlich seiner natürlichen Reichthümer
eines der gesegnetsten Länder und es war
daher eine unbedingte Consequenz, dass
diese Reichthümer durch erleichterten Ver-
kehr zur höheren Geltung kommen mussten.
Die verkehrschaffende und
p r eis regulir ende Wirkung der Eisen-
bahnen kam in Oesterreich besonders
mächtig zur Geltung. Vornehmlich die
Land wirthschaft hat durch die Wohl-
feilheit und Schnelligkeit der Transporte
sowie durch die Möglichkeit der Ver-
frachtung von Gütern, deren Versandt
früher gar nicht oder nur im beschränkten
Umfange stattfinden konnte, gewonnen.
Wir verweisen in dieser Richtung beispiels-
weise auf die Bedeutung der Viehtrans-
porte aus Galizien nach Niederöster-
reich sowie überhaupt auf die durch die
Eisenbahnen ermöglichte Massenbeförde-
rung der leicht verderblichen Nahrungs-
mittel, wie: Milch, frisches Fleisch
u. v. A. nach den Hauptstädten, wodurch
die Bedeutung der Bahnen für die
Approvisionirung der Grossstadt noch
besonders hervortritt.
Dadurch, dass ein Kronland leicht in
die Lage versetzt wird. Bedürfhisse eines
anderen zu decken, sind die Wechsel-
beziehungen der einzelnen Länder unter-
einander wenigstens in wirthschaftlicher
Beziehung etwas inniger geworden. Die
Regulirung der Frachtpreise, deren Fest-
stellung früher mehr der willkürlichen
Vereinbarung Einzelner anheim gegeben
war, hat auch eine grössere Stabilität der
Handelswerthe geschaffen ; die nivel-
lirende Wirkung der Eisenbahnen ist
durch den Umstand bedingt, dass sie
den schnellen Transport von Gütern zu
jenem Markte gestatten, wo erhöhte
Nachfrage einen besseren Absatz ver-
bürgt. Für Oesterreich war insbeson-
dere der Umstand von hoher Bedeu-
tung, dass seine Rohproduction ein
mächtiger Factor der Weltwirthschaft
wurde, und die Umlaufsfähigkeit vieler
Rohproducte, insbesondere aber auch
jener, die durch die Eisenbahnen erst
transportfähig wurden, deren Werth stei-
gerte. Der österreichische Landwirth, der
früher bezüglich des Absatzes seiner
Bodenproducte mehr auf den Localmarkt
angewiesen erschien, braucht bei der
Wahl der anzubauenden Feldfrüchte
auf denselben keine Rücksicht zu neh-
men, er kann vielmehr anpassend an die
Natur des Bodens und der klimatischen
Verhältnisse dasjenige anbauen, was er
auf dem Weltmarkte besser zu verwerthen
in der Lage ist. Und hier kommt beim
Mitbewerbe mit dem Auslande unserer
Landwirthschaft die günstige Boden-
beschaffenheit zu gute.
Infolge dieser Verhältnisse wurde der
Werth von Grund und Boden auf dem
flachen Lande vervielfacht. Die wirth-
schaftliche Besserung unserer Agricultur
fällt genau mit der Regierungszeit
unseres Kaisers zusammen. Der Agri-
culturstaat Oesterreich war im Jahre 1 848
selbst auf dem Gebiete der Landwirth-
schaft keineswegs in erfreulichen Ver-
hältnissen. Die Grossgrundbesitzer be-
dienten sich in der Bewirthschaftung
ihres Bodens der Frohnen. Der Bauer
konnte nicht frei über seine Arbeitskraft
verfügen, das Capital zur besseren Bewirth-
schaftung des Bodens fehlte, die Zwischen-
zolllinie trennte den ertragreichen Osten
64
A. Ritter v. Lindheim.
von dem consumirenden Westen. Die
niedrigen Getreidepreise der letztvergan-
genen Jahrzehnte Hessen die Landwirth-
schaft kaum noch lohnend erscheinen.
Mit der Aufhebung des Patrimonial-
wesens und des Robots trat die Landwirth-
schaft in die Reihe der freien Beschäfti-
gungen. Die Eisenbahn eröffnete den
Bodenproducten neue Absatzgebiete. Die
Verträge mit den fremden Regierungen
erleichterten den Verkehr und Oesterreichs
Landwirthschaft vermochte sich immer
kräftiger zu entfalten ; mit der politischen
Neugestaltung Oesterreichs ging demnach
auch seine wirthschaftliche Umgestaltung
Hand in Hand.
Auf dem speciellen Gebiete des Forst-
wesens ist der mächtige Einfluss des
Eisenbahnwesens nicht zu verkennen.
Abgesehen von der erhöhten Transport-
fähigkeit der Forstproducte hat der
schon durch den Bau von Eisenbahnen
bedingte erhöhte Bedarf an Holz einen
wohlthätigen Einfluss auf die Forstwirth-
schaft ausgeübt. Andererseits haben aber
auch die Eisenbahnen durch den erhöhten
Consum viel zur Devastirung unserer
Wälder beigetragen.
Der Consum von Eisenbahnschwellen,
von zubereiteten Bau-, Möbel- und Schiffs-
hölzem ist ein ungemessen grosser und
hat in einer ausserordentlichen Weise
zugenommen, seitdem die Eisenbahnen
eine billige Verführung dieser Hölzer im
Inlande und nach dem Auslande ermög-
Hchen.
Man war früher bei Verwerthung
und Beförderung dieser Artikel meisten-
theils nur auf die wenigen schiffbaren
Ströme angewiesen, welche schon wegen
der klimatischen Verhältnisse ein unsicheres
und un verlässliches Transportmittel dar-
stellen. Heute ist es beispielsweise mög-
lich, aus den fernsten Gegenden Galiziens
Holz auf die verschiedenen Seeplätze zu
schaffen und so sind grosse Schätze,
welche Jahrhunderte hindurch brach lagen,
nur durch die Eisenbahn zu nutzbringender
Verwerthung gebracht worden und er-
höhten so das Volksvermögen in ganz
ausserordentlicher Weise.
So eingreifend auch auf allen Gebie-
ten der Volkswirthschaft die Wirkung
der Eisenbahnen zu Tage tritt, so dürfte
es kaum ein Gebiet derselben geben, wo
dieser Einfluss einen tiefergreifenden Auf-
schwung herbeigeführt hätte, als auf dem
Gebiete des Montanwesens. Erst durch
die Eisenbahnen hat das Montanwesen
Oesterreichs eine erhöhte Bedeutung in
der Volkswirthschaft des Reiches über-
haupt erlangt. Die aus den ältesten Zeiten
herrührenden gesetzlichen Bestimmungen
hatten bis zum Jahre 1854 jeden Auf-
schwung auf diesem Gebiete gehindert.
Hier hat der eherne Coloss gründlich
Wandel geschaffen. Wir müssten zu
allgemein bekannte Thatsachen wieder-
holen, wenn wir auf die durch die Eisen-
bahnen gesteigerte Kohlenproduction, auf
die Verwerthung der Braunkohle, des
Cokes hinweisen wollten.
Nur wenige Ziffern sollen diesen Auf-
schwung, insbesondere während der Re-
gierungszeit unseres erlauchten Monarchen
illustriren.
Noch im Jahre 1 830 wurden in Oester-
reich im Ganzen nur 3*8 Millionen Centner
Kohle gefördert. Im Jahre 1848 betrug die
Förderung der Kohle kaum 16 Millionen
Metercentner, während sich dieselbe schon
im Jahre 1886 auf 193 Millionen Meter-
centner, also auf das mehr als Zwölffache
gehoben hat. — Im Jahre 1895 aber stieg
die Production auf 97 Millionen Meter-
centner Steinkohle und 183 Millionen
Metercentner Braunkohle. Im Jahre 1896
hat das Ostrauer Kohlenrevier allein über
47*5 Millionen Metercentner gefördert.*)
Die Kohle aber ist das Um und Auf jeder
industriellen Bewegung; Licht, Wärme
und Dampf sind von ihr abhängig und
es würde diese eine Thatsache schon ge-
nügen, um die eminente Wirkung der
Eisenbahnen auf unsere volkswirthschaft-
Hche Entwicklung darzulegen.
Nicht in dem Umstände allein, dass
so viele Millionen bisher todt und brach
gelegener Werthe neu erschlossen wur-
den, nein, darin, dass die Benützung bil-
ligerer Betriebskräfte der neu erwachen-
den Industrie durch die Eisenbahnen zur
Verfügung gestellt wurden, liegt deren
grosse volksvvirthschaftliche Bedeutung.
Vgl. Bd. I., H S t r a c h, »Die ersten Privat-
bahnen«, S. 192, wo die Fortschritte der Kohlen-
production dieses Reviers seit 1782 nachge-
wiesen werden.
Unsere Eisenbahnen in der Volks wirthschaft.
65
Die Industrie ist auf diese Betriebs-
kräfte angewiesen und es muss her-
vorgehoben werden, dass die Kohle für
Oesterreich noch eine ganz besondere
Bedeutung hat. Die österreichische In-
dustrie war früher in erster Linie auf die
ausgiebige Benützung der Wasserkräfte
angewiesen, die scheinbar billig, aber
doppelt unzuverlässig sind.
Was wir im vergangenen Jahrhundert
und bis zum Beginne der erhöhten
Kohlenproduction an Industrie besassen,
benützte diese Wasserkraft. Es haben
Volkswirthschaftslehrer in ihren Unter-
suchungen über die Zweckmässigkeit und
die Entwicklung der einzelnen Betriebs-
stätten darauf hingewiesen, wie oft das
Vorhandensein selbst einer nur massigen
Wasserkraft das Inslebentreten ganz un-
zweckmässiger Betriebsstätten zur Folge
hatte.
Mitten in den Alpenländem, entfernt
von allen Strassen und Verkehrswegen,
ohne den Kern einer intelligenten und
bildungsfähigen Arbeiterschaft entstanden
früher grosse, mit reichen Mitteln ausge-
stattete Industrieen, die den Keim des
Untergangs in sich trugen und dem-
selben verfallen mussten, sobald eine ge-
änderte Zollpolitik oder auch nur eine
geänderte staatsrechtliche Politik zur Gel-
tung gelangte.
Was wir heute noch an solchen be-
dauemswerthen Unternehmungen besitzen,
ist die Erbschaft jener Zeit, und wenn
heute die Unterstützung der massgeben-
den Körperschaften für Länder, die solche
Industriezweige besitzen, angegangen
wird und im Interesse einer verarmten
Bevölkerung auch mit Recht angegangen
werden muss, so liegen die Ursachen
hauptsächlich darin, dass dort die Vor-
bedingungen für die Gründung einer In-
dustrie zu jener Zeit unzureichend waren.
Das eben war und bildet auch heute
die grosse volkswirthschaftliche Aufgabe
der Eisenbahnen, dass sie sich mit der
Kohlenindustrie auf das Innigste ver-
banden und dass es dadurch mög-
lich geworden ist, solche Pro-
ductionsstätten für die Industrie
aufzufinden und zu vervverthen,
welche in aller und jeder Rich-
tung ihren Vorbedingungen ent-
Geschictate der Eisenbahnen. II.
sprachen und so das Gedeihen
der Industrie sicherten.
Ein weiteres Bergproduct, das in
Oesterreichs Volkswirthschaft eine bedeu-
tende Rolle spielt, ist das Eisen.
Dass die Entwicklung der Eisen-
industrie mit den Eisenbahnen zusammen-
hängt, versteht sich von selbst. Der gross te
Qonsument für das Eisen wie für die
Kohle ist ja die Bahn selbst, es ist das
einzige Metall, welches für das Geleise
und für die Fahrbetriebsmittel brauchbar
erscheint. Dieses Metall musste daher in
der gesammten Welt zu einer ungeahnten
Bedeutung gelangen. Jahrtausende sind
vorübergegangen, ohne dass es zu jener
Wichtigkeit gelangen konnte, und selbst
in jener Epoche, die seinen Namen trägt,
war die Verwerthung quantitativ ja kaum
der Rede werth. Man muss billig zu-
gestehen, dass erst die Eisenbahnen dazu
führten, den Werth des Eisens höher
zu schätzen. Man ging daran, ihm seine
Fehler zu nehmen und es durch Ver-
besserung Zwecken dienstbar zu machen,
die es sonst nie hätte erfüllen können.
Das war besonders für Oesterreich von
geradezu unschätzbarem Werth, denn
Oesterreich besitzt neben qualitativ fast
unerreicht vorzüglichen Eisenerzen auch
grosse Erzmassen, die nützlich, billig
und zweckmässig niemals zur Ver-
werthung hätten gebracht werden können,
wenn es nicht gelungen wäre, die-
selben durch neuerfundene Methoden
verarbeitungsfähig und nutzbringend zu
machen. In dieser Beziehung hat die
Eisenindustrie in Oesterreich durch die
Anwendung des Thomas- Verfahrens und
durch eine Reihe der sinnreichsten Raf-
finirungsprocesse ganz ausserordentliche
Erfolge erreicht und die Entwicklung der
Eisenindustrie soll in dieser Hinsicht ganz
besonders betont werden.
Wenn es sich um Darlegung des Nutzens
der Eisenbahnen und um ihren Einfluss auf
die Eisenindustrie handelt, so darf man
sich nicht allein mit einigen statistischen
Ziffern begnügen, wonach z. B. die Roh-
eisenproduction im Jahre 1848 sich auf
1,293.000 Metercentner, im Jahre 1886
auf 4,853.000 xMetercentner, im Jahre 1895
aber auf circa 7,800.000 Metercentner
bezifferte. Man soll auch nicht allein den
66
A. Ritter v. Lindheim.
Preis in Vergleich ziehen, der im Jahre
1 848 für I Metercentner Eisenbahnschiene
25 fl. betrug und heute, wo dieselbe aus
Stahl erzeugt, pro Metercentner auf 10 fl.
zu stehen kommt; volkswirthschaftlich ist
es wichtig, festzustellen, dass die Eisen-
bahnen den Erfolg hatten, den Gebrauch
des Eisens in ausgedehntestem Masse
einzuführen auch dort, wo dies früher
ganz unthunlich erschien.
Bei solchen Untersuchungen soll der
Volks wirth seine Sonde anlegen und darf
sich nicht begnügen, nur einige todte
Ziffern zu nennen, die der Statistiker
ihm an die Hand gibt. Wenn colossale,
früher fast ganz unbenutzte Erzmassen in
Böhmen nunmehr für die Production eines
vorzüglichen Roheisens verwendet werden
können, oder wenn es möglich ist, die
vortrefflichen Erze Steiermarks mit schle-
sischer Kohle im Herzen Niederösterreichs
zu verwerthen, so verdient diese Thatsache
die Aufmerksamkeit jedes wirthschaftlich
denkenden Kopfes. Hier haben Talent und
Fleiss grosse volkswirthschaftliche Auf-
gaben erfüllt, den Reichthum des Landes
erhöht, der Bevölkerung Brot und Arbeit
verschafft und wir haben auch in dieser
Richtung hin den Eisenbahnen dankbar
zu sein.
Unermesslich aber erscheint die all-
gemeine Einwirkung der Eisenbahnen
auf die Ausgestaltung unseres Handels
und unserer Industrie, zweier volks-
wirthschaftlicher Factoren von höchster
Bedeutung, die zum Eisenbahnwesen heute
in innigsten Wechselbeziehungen, ja im
absoluten Abhängigkeitsverhältnis stehen.
Die Eisenbahnen haben nicht nur neue
Handelsbeziehungen ermöglicht, sie haben
nicht nur die Industrie gefördert, sie
haben ganze Industriezweige auch neu
geschaffen.
Dieser Satz ist durch Thatsachen
reich bekräftigt. Nicht allein die Wagen-
bauanstalten und Locomotivfabriken, die
Schienenwalzwerke stehen in der Reihe
jener Industrieen, die der Eisenbahn ihr
Entstehen zu danken haben, eine Menge
von Werkstätten, welche die zahllosen
Bedarfsartikel zu decken haben, die
zur Ausrüstung und zum Betrieb der
Bahnen erforderlich sind, ergänzen diese
Reihe.
Die Handelsbeziehungen Oesterreichs
wurden durch seine Eisenbahnen mehrfach
umgestaltet. Sie haben die schon gefährdet
gewesene Stellung Oesterreichs im Welt-
handel wieder gefestigt*) und durch ihren
Einfluss auf Export und Import un-
mittelbar intensiv eingewirkt.
Inwieweit die Verkehrsverhältnisse
durch die Wirkungen der Eisenbahnen
eine Steigerung erfahren, sollen wenige
Ziffern zeigen, die den Aufschwung
während der Regierungszeit unseres
Monarchen nachweisen.
Im Jahre 1 848 umfasste der gesammte
Güterverkehr unserer Monarchie 1*5 Mill.
Tonnen, im Jahre 1897 ist derselbe mit
146 Millionen Tonnen nachgewiesen.
Etwa 3 Millionen Reisende hatte der
Personenverkehr des Jahres 1 848 umfasst,
die Statistik des Jahres 1897 gibt diese
Zahl mit 197 Millionen an.
Als treffliche Illustration für die Ent-
wicklung unseres Verkehrswesens dient
die Thatsache, dass die Zahl der Briefe
in den letzten 50 Jahren von 20*8 Mil-
lionen auf 580 Millionen stieg.
Welcher Umsatz in dem National-
vermögen durch die Eisenbahnen geschaf-
fen wurde, lehrt die Ziffer des heute in
unserem Eisenbahnwesen investirten Ca-
pitals, das rund mit 4.100,000.000 fl. an-
genommen wird [gegen 90,000.000 fl. im
Jahre 1848].**) 405,000.000 fl. betragen
die Einnahmen der Eisenbahnen unserer
Monarchie im vergangenen Jahre [1897]
und 215,000.000 fl. hat die Erhaltung und
der Betrieb derselben erfordert. Summen,
deren Bedeutung in der Volks wirthschaft
unseres Reiches nicht erst betont werden
muss. ***)
Wie weit sich der Einfluss der
Eisenbahnen auf einzelne Gebiete öster-
reichischer Industrieen besonders be-
merkbar machte, soll an der Hand un-
widerlegbarer Thatsachen nachgewiesen
werden.
*) Vgl. Bd. II. Dr. A. Peez >Die Stel-
lung unserer Eisenbahnen im WelthandeU.
**) Vgl. die Entwicklung des österr.-
ungar. Verkehrswesens von 1848 — 1898 in
G. F'reitag's Verkehrskarte von Oesterreich-
Ungarn, Wien.
***) Ueber die Leistungen der Eisenbahnen
Cisleithaniens, vgl. Seite 79 u. ff.
Unsere Eisenbahnen in der Volkswirthschaft.
67
Hier sind es besonders die öster-
reichische Zucker- und die Mahl-
industrie, die den Eisenbahnen viel zu
verdanken haben.
Die seit 1809 entstandene Rüben-
zucker-Erzeugung fand erst 1830 Ein-
gang in die Monarchie, und zwar zuerst
in Böhmen durch die adeligen Gross-
grundbesitzer. Im Jahre 1840 waren
113 Runkelrübenzucker - Fabriken ent-
standen, von denen aber mehrere kleine,
mit unzweckmässigem Betriebe wieder
eingingen, während seit dem Jahre 1 848
die Errichtung grossartiger Etablissements
dieser Art bedeutende Fortschritte machte.
Im Jahre 1857 bestanden in Oesterreich
108 Zuckerfabriken, die 77« Millionen
Centner Rüben zu 450.000 Centner Zucker
und 230.000 Centner Melasse verarbeiteten.
Die Menge der verarbeiteten Rübe betrug
im Jahre 1895 über 76 Millionen Meter-
centner.
Es muss hiebei bemerkt werden,
dass der Einfluss der Eisenbahnen auf
die Zuckerindustrie und zugleich auf
die Land wirth Schaft auch darum ein
so grosser sein musste, weil es nunmehr
möglich war, dass eine Zuckerfabrik
auch entfernter angebaute Rübenquanti-
täten bezog, und weil namentlich die
Ausfuhrbewegung eine so überraschend
grosse Entwicklung genommen hat.
Die Österreichische Zuckerindustrie,
deren Situation zum grossen Theil durch
gute Productions- Bedingungen gefördert
wird, ist besonders auf die Ausfuhr
angewiesen und es ist selbstverständ-
lich, dass dieselbe ohne Eisenbahnen
niemals einen solchen Entwicklungsgang
hätte nehmen können. Erwähnt soll
hiebei noch werden, dass im Jahre 1895
1854 Dampfkessel und 3135 Dampf-
maschinen mit circa 60.000 Pferdekräften
und über 70.000 Arbeiter von der
Zuckerindustrie beschäftiget wurden, und
dass nahezu 97 Procent der gesammten
Zucker-Erzeugung auf die Kronländer
Böhmen und Mähren fiel. Der Boden
dieser Länder ist ganz besonders für
diese Industrie geeignet. Der Zu-
sammenhang der Industrie mit der
Landwirthschaft findet sich nirgends so
innig, wie auf diesem Gebiete in Oester-
reich.
Der Jubiläums-Festschrift der Kaiser
Ferdinands-Nordbahn*) ist zu entnehmen,
dass die Anzahl der an ihren Betriebs-
strecken errichteten Zuckerfabriken bis
zum Jahre 1880 um 550^0 zunahm, ein
enormer Percentsatz, der so recht ins
Licht stellt, welchen Einfluss diese Eisen-
bahn ausübte, die hierin für ganz Oester-
reich charakteristisch ist. Aber um die be-
sondere volkswirthschaftliche Bedeu-
tung dieser Thatsache voll zu erfassen,
muss noch weiter hervorgehoben wer-
den, dass der Ausfuhrhandel des ganzen
Landes dadurch beträchtlich gehoben
und ein wesentlicher Factor für die
Activität der Handelsbilanz geschaffen
wurde.**)
Dass beispielsweise auch die Mahl-
Industrie durch die Eisenbahnen in
Oesterreich wesentlich gefördert wurde,
liegt auf der Hand. Die Lohnmüllerei ist
ein längst überwundener Standpunkt, der
Bezug billiger Rohmateriale wird mass-
gebend für die Concurrenzfähigkeit der
Betriebe. Es soll nicht verkannt werden,
dass die grosse Verbesserung des Commu-
nicationswesens auch der Concurrenz des
Auslandes zur Verfügung steht und dass
mehr wie jede andere Industrie auch der
österreichischen Müllerei trübe Erfahrun-
gen nicht erspart blieben. Indessen muss
gerade hier erwähnt werden, dass den öster-
reichischen Eisenbahnen eben im Dienste
*) »Die ersten 50 Jahre der Kaiser Fer-
dinands-Nordbahn«, 1836 — 1886, Verlag der
Nordbahn.
**) Die Entwicklung der Grossindustrie
an den Nordbahnlinien in den ersten 40 Jahren
ihres Bestandes beleuchtet a. a. O. nachste-
hende besonders bemerkenswerthe Zusammen-
stellung : Die Summe der Fabriken wuchs von
384, die bereits bei Eröffnung der Bahn bestan-
den, bis zum Jahre 1880 auf 983, also um rund
156 ^'/o. Das percentuelle Anwachsen der ein-
zelnen Industriezweige erfolgte im folgenden
Verhältnisse :
1. Bergwerks-Producte 833 %
2. Maschinen, Werkzeuge, Transport-
mittel 550 «/o
3. Metalle und MetuUwaaren • • • 90 %
4. Minerale [Nichtmetalle] und Arbeiten
aus denselben 344 %
5. Chemische Producte 435 •/o
6. Nahrungs- und Genussmittel . , 181 "/o
7. Textilindustrie 83 %
8. Producte aus anderen organ. Stoffen 222 "/o
68
A. Ritter v. Lindheim.
dieser Industrie eine besonders wichtige
Rolle zugefallen ist. Es ist vorher erwähnt
worden, dass für industrielle Betriebe die
Wasserkraft immer ein unzuverlässiger
Factor ist, bei den zahllosen noch auf
Wasserkräfte angewiesenen Mühlen macht
sich dies besonders bemerkbar. Es ist
erstaunlich, wie sehr durch das Ver-
schwinden und Ausroden der grossen
Wälder unsere Wasserkräfte abgenom-
men haben und ganz beträchtlichen
Schwankungen ausgesetzt sind. Traurig
stimmt es den Volkswirth, der die Gebirgs-
länder Oesterreichs durchschreitet, sieht
er hart an die Wildbäche angebaut,
kaum für den Fussgeher erreichbar,
eine Dorfmühle, ausgestattet mit den arm-
seligsten mechanischen Einrichtungen, der
jeder kleine Frost die ohnedies ärmliche
Wasserkraft raubt. — Und diese Mühlen
sollen doch in -gewisser Beziehung die
Concurrenz gegen die grossen Dampf-
mühlen bestehen, die, unmittelbar mit den
Eisenbahnen verbunden, mit ausgezeich-
neten neuen Maschinen arbeiten und schon
durch die grosse Menge der Erzeugung
billige Gestehungskosten erlangen.
Die Eisenbahnen erleichtern aber nicht
nur die Anwendung besserer Motoren,
sie ermöglichen auch die Versorgung
einer weiter abliegenden Kundschaft mit
besonders begehrten Qualitätsmarken.
So haben die Eisenbahnen, wiewohl
sie im Grossen und Ganzen den grösseren
Betrieben selbstverständlich mehr zu
Diensten stehen, als den kleineren, na-
mentlich in Verbindung mit einer weisen
und wohlwollenden Tarifpolitik, anderer-
seits auch den Erfolg gehabt, dass kleinere
Betriebe sich erhalten konnten, während ge-
rade aus der letzten Zeit manche Beispiele
lehren, dass grosse Betriebe, die zum Theil
auf gewagte Speculationen angewiesen
sind, im Concurrenzkampfe unterlagen.
Einen besonders grossen Einfluss
haben die Eisenbahnen auf die öster-
reichische Brauerei geübt. Hier kann
man in der That sagen, dass die Ent-
wicklung einer Brauindustrie, wie Oester-
reich sie besitzt, unmöglich gewesen
wäre, wenn ihr nicht eine billige und
sichere Communication zur Verfüsruncr
gestanden wäre. Dies ist glücklicher-
weise der Fall gewesen und die Eisen-
bahnen haben dazu beigetragen, um
namentlich den Export der österreichi-
schen Biere auf das Kräftigste zu unter-
stützen. Wenn auch nicht allen Anfor-
derungen entsprechend, so sind doch die
Tarife im Grossen und Ganzen ziemlich
wohlwollend gestellt. Ueberdies wurden für
Zwecke dieser Industrie trefflich geeig-
nete Transportmittel construirt. Wenn
der Ruf der österreichischen Biere ein
wohlbegründeter ist und sie sowohl in
Europa als in überseeischen Ländern
geschätzt und begehrt sind, so ist das
mit ein Werk der Eisenbahnen und
der mit ihnen in Verbänden zusammen-
wirkenden Dampfschifffahrts-Gesellschaf-
ten. Wenn man heute in Alexandrien
oder Smyma oder wo immer im Aus-
lande nach Wiener oder böhmischen
Bieren verlangt und wenn dieses Be-
gehren die Production unserer Brauereien
verdoppelt und verdreifacht hat, wenn
dadurch der Landwirthschaft, namentlich
aber der Viehzucht, bedeutend gedient
ist, so ist dies ein Erfolg der Eisenbahnen
und ein neues und gewiss nicht unwesent-
liches Moment für ihre volkswirthschaft-
liche Bedeutung. Gerade diese Industrie
erzeugt ein Genussmittel, welches nur
durch einen raschen und sicheren Trans-
port in fernen Gegenden zum Absätze
gebracht werden kann, und es ist fast so,
als wenn in dem Aufschwünge der Brau-
industrie dem Lande ein kleiner Ersatz
gegeben werden sollte für die Verwü-
stungen, welche die Phylloxera in unseren
gesegneten Weinbergen angerichtet haf
und noch immer anrichtet. Es ist aber
auch von volkswirthschaftlicher Bedeutung
überhaupt, dass der Geschmack der Be-
völkerung sich einem gesunden Getränke
zuwendet. Der Branntweingenuss ist all-
seitig als ein grosses Unglück betrachtet
worden, stellt den Menschen auf die
niederste Stufe, lässt ihn seine Würde
vergessen und es ist als ein Glück zu
betrachten, wenn das Bier hier erfolgreich
in Concurrenz tritt. Gute und billige Biere
preiswürdig zu transportiren, ist daher eine
wirthschaftlich befriedigende und daher
besonders wünschenswerthe Leistimg.
Und so Hesse sich eine Industrie nach
der andern, ein Gewerbe nach dem andern
anführen und überall könnte der Volks-
Unsere Eisenbahnen in der Volkswirthschaft.
69
wirth den greifbaren Nutzen nachweisen,
den unsere Eisenbahnen auf den ver-
schiedenartigsten Gebieten hervorgebracht
haben und noch täglich schaifen.
Der volkswirthschaftliche Nutzen der
Eisenbahnen steht im geraden Verhält-
nisse zur Dichtigkeit ihres Netzes und
nicht leicht findet sich ein untrüglicheres
Kennzeichen für die wirthschaftlicheWohl-
fahrt eines Landes als die Dichte seiner
Schienenverzweigungen.
In den weiteren Maschen der Haupt-
linien müssen die reich entwickelten
Localbahnen als die eigentlichen Begrün-
der eines regeren Verkehres auftreten und
dieses Saugadersystem des Verkehres ist
es vorzüglich, auf dessen hohe volkswirth-
schaftliche Bedeutung ebenfalls Rück-
sicht genommen werden muss. Vieles
ist in unserem Vaterlande für die Ausge-
staltung dieser Bahnen bereits gesche-
hen, so Manches bleibt aber noch auf
diesem Gebiete zu schaffen übrig. Freu-
dig muss es jeder Volkswirth begrüssen,
wenn eine kluge Staatsverwaltung die rich-
tigen Mittel anzuwenden trachtet, diese
wichtigen Factoren volkswirthschaftlichen
Aufschwunges zu fördern und zu schaifen.
Man muss, um gerecht zu sein, darauf
hinweisen, dass die Landwirthschaft, na-
mentlich aber die unter schwierigen Ver-
hältnissen arbeitende Landwirthschaft in
den Alpenländem noch nicht den ge-
hörigen Vortheil von den Eisenbahnen
hatte. Diese Länder seufzen unter den er-
höhten Arbeitslöhnen, unter den Folgen,
den die Concentration der Industrie für
einzelne Gegenden gebracht, doch darf
man allerdings nicht vergessen, dass die
ganz wesentliche Verbesserung im Ab-
satz landwirthschaftlicher Producte einen
nicht unbedeutenden Ersatz für diese
Uebelstände bietet.
Die Vermehrung der Eisenbahnen, die
Verbesserung localer Eisenbahnnetze, das
Eindringen der Schiene in die entfernteste
Ortschaft und den entlegensten Weiler
sind für diese verlassenen Gegenden das
einzige Mittel zur Verbesserung ihrer
wirthschaftlichen Verhältnisse.
Auf die speciellen günstigen Wirkun-
gen der Localbahnen Oesterreichs einzu-
gehen, hiesse Eulen nach Athen tragen.
Ihre nationalökonomische Bedeutung ist
vollerkannt, und wenn in der Ausgestal-
tung unseres Kleinbahn wesens noch
manche Wünsche bis heute oifen blieben,
so sind es wahrlich andere Ursachen als
die Verkennung der wirthschaftlichen Be-
deutung, die hier Schuld tragen. Immerhin
kann der österreichische Volkswirth mit
gerechter Befriedigung auf das blicken,
was bisher auf dem Gebiete des Local-
bahnwesens im Interesse einer gesunden
Staats- und Volkswirthschaft in Oester-
reich geschaffen wurde.*)
Die 350774 km Localbahnen Oester-
reichs [Stand im Jahre 1895] haben kräftig
zur Verkehrsentwicklung des Reiches bei-
getragen.
Ueber die gesammte Verkehrsentwick-
lung auf den Eisenbahnen Oesterreichs
geben uns die von der k. k. statistischen
Central commission veröffentlichten Ziffern
Aufschluss.
Im Jahre 1895 wurden auf den Eisen-
bahnen [excl. Dampftramways] innerhalb
der im Reichsrathe vertretenen Königreiche
und Länder befördert:
Personen . . 106,442.545
Güter. . . . 93,878.720 f
Auf den Hauptbahnen im österreichi-
schen Staatseisenbahnbetriebe wurden im
Jahre 1896 allein über 27 Millionen Ton-
nen Waaren befördert, darunter haupt-
sächlich Frachtgüter : ♦*)
Braunkohlen .... 5,501.000 t
Steinkohlen 3,011.000»
Cokes 357.000 »
Holz 3,244.000 »
Getreide 2,108.000 »
Verschiedene andere Bo-
denproducte .... 1,231.000 »
Steine 2,625.000 ^^
Erze 1,080.000 »
Mahlproducte .... 695.000 »
Eisen 1,008.000 »
Zucker 401.000 >
Bier 351.000»
Salz 276.000 >>
Hornvieh 169.000 »
Wein 166.000 »
*) Vgl. Bd. III., C. Wurmb, »Oesterreichs
Localbahnen«.
**) Wie sich die verschiedenen Fracht-
güter auf sämmtlichen österreichischen
Eisenbahnen percentuell vertheilen, erscheint
auf Seite 79 angegeben.
70
A. Ritter v. Lindheim.
Für die volkswirthschaftliche Be-
deutung der Eisenbahnen Oesterreichs
gibt aber die auf den Eisenbahnen trans-
portirte Gütermenge keineswegs allein
einen Anhaltspunkt, man muss vielmehr
in Betracht ziehen, dass die Eisenbahn
nicht nur auf die Schaffung, Erweiterung
und Blüthe einzelner Industriezweige
massgebenden Einfluss nahm,*) sondern
man muss den Ungeheuern Einfluss wenig-
stens andeuten, den sie auf das Bau-
und Inge nie urwesen im Allgemeinen
ausübte und wie sie dort wahrhaft stür-
mische Impulse zu einer Reihe der wich-
tigsten Institutionen gab. Werke, wie der
Ausbau des Triester Hafens, die
Donauregulirun g, der Bau der Wie-
ner Stadtbahn, die Wienregulirung,
die Wasserversorgung von Wien
wären kaum je zustande gekommen, wenn
die Institution, wie die Eisenbahn sie
darstellt, diesen gigantischen Zwecken
nicht zu Gebote gestanden wäre. Hier
zeigt es sich am allerdeutlichsten, dass
die Eisenbahn und das durch die Eisen-
bahn gelöste Problem die treue Dienerin
jener grossen schöpferischen Gedanken
ist und dass jener charakteristische Un-
terschied zwischen den Werken des Alter-
thums und denen aus dem Zeitalter der
Eisenbahnen der ist, den M. von Weber
mit nachstehenden Worten so richtig
gekennzeichnet hat:
»Die Mechanik hatte seit Archimedes
wenig Fortschritte gemacht, aber das
Ansehen aller Disciplinen der Technik,
die mit der Bau- und Kriegskunst in Be-
ziehung standen, war in raschem Steigen
begriffen, denn mit den vorhandenen
primitiven Mitteln wurden Wunder ge-
than, welche die Welt erfüllten. Die
Wölbung der Peterskuppel, Bnmelleschi's
Arbeiten zu Florenz, der Transport des
♦) Wir verweisen in dieser Hinsicht auf
den Einfluss, den beispielsweise die Nord-
bahn, als erster bedeutender Consument, auf
die Gewinnung des galizischen »Naphthas«
nahm und so eigentlich eine österreichische
Petroleumindustrie begründen half. Dem
ehemaligen Material Verwalter dieser Anstalt
Anton Pro ke seh gebührt das Verdienst, den
Werth des galizischen Naphthas schon im
Jahre 1853 nchtig beurtheilt zu haben. Erst
im Jahre 1 862 kam das amerikanische Petroleum
nach Oesterreich.
Obelisken Caligula's durch Fontana, die
Verschiebung des 80' hohen Thurmes von
Magione zu Bologna, die Gradrichtung
des gesunkenen Glockenthurmes zu Cento
durch Hodi und Feravante, hatten die Welt
geblendet, während die bescheideneren
Ingenieurarbeiten der Canalisirungen und
Flussregulirungen und Bewässerungen
sichtlich Wohlstand verbreiteten.«
Die Eisenbahnen haben nicht allein
einen auf die Entwicklung unserer In-
dustrie und auf die grossartigen Schöpfun-
gen der Ingenieurkunst hohen Ein-
fluss genommen, sie waren es auch zu-
nächst, welche auf die praktische An-
wendung elektrotechnischer Einrich-
tungen hinwirkten und so die erste
Anregung zur Entwicklung einer Arbeits-
sphäre gaben, welche sich zwar heute
noch selbst in einer gährenden Jugend-
periode befindet, deren grosse Bedeutung
aber heute auch nicht annähernd fest-
gestellt werden kann.
Bekanntlich zählt Oesterreich zu den-
jenigen Staaten, welche der Erfindung
der Telegraphie zuerst erhöhte Aufmerk-
samkeit schenkten.
Der bekannte Fachmann J. K a r e i s
hat in einer trefflichen Darstellung mit
Recht hervorgehoben, dass die Anwendung
der Elektricität auf das Eisenbahnwesen
sowohl für den Nachrichtendienst als auch
für andere Zwecke von der höchsten Wich-
tigkeit war und dass die Wechselwirkung
für beide Verkehrszweige von grösster
Bedeutung sei. Auch hebt er hervor, dass
es ganz besonders österreichische Firmen
und österreichische Gelehrte waren, welche
hier die wichtigsten Dienste leisteten, so
dass es ganze Bände füllen würde, diese
Leistungen, welche in der ganzen Welt
bekannt sind, gebührend zu würdigen.
Die Signalisirung mannigfacher Verkehrs-
momente auf Eisenbahnen kann wirksam
nur auf elektrischem Wege bewirkt werden
und so hat auch die Elektrotechnik der
Entwicklung der Eisenbahn die wichtig-
sten Dienste geleistet, andererseits aber
auch die Eisenbahn die Entwicklung der
Elektrotechnik hervorragend gefördert.
Inwieweit die Zukunft die Zuhilfe-
nahme elektrischer Betriebskraft für unsere
Eisenbahnen noch bedingen wird, müssen
wir einer, vielleicht nicht ganz fernen Zeit
Unsere Eisenbahnen in der Volkswirthschaft.
71
überlassen. Schon heute sind in Amerika,
in Deutschland und auch bereits in unserem
engeren Vaterlande eine Reihe kleinerer
Bahnlinien, namentlich in Städtegebieten
zum elektrischen Betriebe übergegangen,
imd vielleicht wird in absehbarer Zeit auch
an die grossen Eisenbahnen die Frage
des elektrischen Betriebes herantreten.
Auf die Wechselwirkung zwischen
Eisenbahn und Elektrotechnik ist hoher
Werth zu legen, und wer den Einfluss
erkennt, den die Eisenbahnen auf die Ent-
wicklung der Volkswirthschaft nehmen,
dem muss das veränderte Bild vor Augen
treten, welches in Jahrzehnten durch Elek-
tricität und Eisenbahnen zur Wirklichkeit
werden wird.
Erst durch die Eisenbahn ist die Welt
überhaupt, daher auch Oesterreich sich
seiner wirthschaftlichen Kraft bewusst ge-
worden. Nicht allein in dem bereits Emm-
genen, nicht in grösserer Schnelligkeit
imd Billigkeit des Transports sieht es den
Aufschwung, mit Feuereifer betritt es das
Gebiet jener Forschung, welche wir Elek-
trotechnik nennen. Ungeahnt sind noch die
Kräfte der Natur, die sich uns da erschliessen
sollen, jeder Tag bringt eine neue wichtige
Erfindung, deutet einen neuen Weg zu
weiteren Erfolgen an.
Es würde auch zu weit führen, all die
wirthschaftlichen Consequenzen zu er-
örtern, die die Elektricität und Eisenbahn
gemeinsam herbeiführten oder noch her-
beiführen werden.
Für unsere Aufgabe möge der Nach-
weis genügen, dass die Entwicklung der
Elektrotechnik in einer innigen Verbin-
dung mit dem Eisenbahnwesen stand und
steht, und dass dies sich nicht nur auf
die Telegraphie und auf den Motor be-
zieht, sondern dass alle Gebiete, die
Beleuchtung, die Femsprechung, die
Kraftübertragung im Zusammenhang mit
dem Eisenbahnwesen sich befinden.
Wir erkennen bereits den Werth der
Schätze, welche da noch zu heben sind, und
wir vergessen nicht, dass es die österrei-
chischen Eisenbahnen waren, welche hiezu
die erste Anregung gaben und zugleich
es auch ermöglichten, jenes Gebiet mit
Erfolg zu bebauen.
Fast noch wichtiger und eingreifender
in das Leben des Volkes als die Bewegung
der Güter auf den Eisenbahnen ist die
durch sie bewerkstelligte Beförderung
der Personen. Die Schnelligkeit und
Präcision, mit der dieselbe geschieht, die
Billigkeit des Fahrpreises, der hier nicht
allein in Betracht kommt, sondern die da-
durch bewirkte Ersparung an Zeit und
Reisekosten überhaupt, schafften einen
grossen Wandel im Leben der Völker so-
wie im Leben jeder einzelnen Familie. Man
hatte auch, als die ersten Eisenbahnen ent-
standen, weit mehr an die Personen- als
an die Frachten-Beförderung gedacht. Der
Personen-Beförderung war ja auch in
gewisser Richtung von Seite der Staaten
eine rege Sorgsamkeit zugewendet wor-
den, und wieder waren es die Erblande
des Kaiserstaates, Tirol und Steiermark,
wo die Anfänge der so bedeutungsvoll
gewordenen Thurn und Taxis'schen Post
sich entwickelten.
Aber so bemerkenswerth, so be-
herzigenswerth die Fortschritte sind,
welche die Entwicklung der Post bis
zum Beginne unseres Jahrhunderts ge-
macht haben, die Eisenbahnen mussten
sie doch weit in den Schatten stellen,
und es liegt gerade in der grossen, fast
ohne Uebergang vermittelten Erfindung,
dass sie die Gegnerschaft nicht etwa der
kleinlichen, zaghaften Gemüther, sondern
die Gegnerschaft der grössten Geister der
Nation anstachelte.
Sagte doch der erste Verkehrsbeamte
des preussischen Staates, General-Post-
meister von Nagler, als ihm der Entwurf
der Bahn nach Potsdam vorgelegt wurde:
»Dummes Zeug, ich lasse täglich diverse
sechssitzige Posten nach Potsdam gehen
und es sitzt Niemand darinnen, nun wollen
die Leute gar eine Eisenbahn dahin bauen ;
wenn sie ihr Geld absolut los werden
wollen, so -mögen sie es doch lieber gleich
zum Fenster hinauswerfen, ehe sie es zu so
unsinnigen Unternehmungen hergeben. « *)
Und Thiers, der berühmte Staatsmann,
eiferte in den Dreissiger-Jahren wiederholt
in öffentlichen Reden gegen die Bahn wie
folgt: »Wie sollen denn die Eisenbahnen
die Concurrenz gegen Messagerien be-
stehen — wenn man mir die Gewissheit
♦) Vgl. Bd. I, F.F. Kupka, »Allg. Vor-
geschichte«, S 50.
72
A. Ritter v. Lindheim.
bieten könnte, dass man in Frankreich
jährlich 5 Meilen Eisenbahnen bauen wird,
so würde ich mich sehr glücklich schätzen,
und schliesslich, weil eine Eisenbahn fährt,
wird auch kein Reisender mehr als bisher
fahren.« Der Bau der Eisenbahn wurde
als eine Tagesmode, als ein Luxusartikel
betrachtet, und es ist bezeichnend, wenn
einer der ersten Männer der Wissenschaft
in allem Ernst den einzigen Nutzen der
Bahn darin fand, dass bei den Ausgrabun-
gen bisweilen wichtige antike Funde ge-
macht werden können.
Wer wird, wenn man sich solche Zu-
stände, die kaum 60 Jahre hinter uns
liegen, vergegenwärtigt, nicht an den
volkswirthschaftlichen Nutzen der Eisen-
bahnen glauben, w-elche den ganzen Welt-
ball umspannen und deren Entwicklung
einem einzig dastehenden Siegeslaufe
gleicht Nirgends wie hier haben die
Fortschritte der Technik so grossartige
Dienste geleistet; die Alpenbahn, die
Tunnelbauten, die Anwendung des Zahn-
rades und des Seiles machten es möglich,
auch die Gebirgsländer mit in den Kreis
der allgemeinen Bewegung zu ziehen,
und wiederum war es Oesterreich, welches
mit seinen vielgestaltigen Bodenverhält-
nissen auch hier an die Spitze des Fort-
schrittes trat.
Die Errichtung der Bahn über den
Semmering, den Brenner und den Arlberg
bilden überaus wichtige Momente in der
Eisenbahnbau-Geschichte, und will man
den Einfluss der Eisenbahn auf die Volks-
wirthschaft ermessen, so muss man an
erster Stelle der Energie alles Lob zollen,
welche der österreichische Techniker oft
zuerst in ganz Europa zur Bewältigung
schwieriger Probleme aufbot.
Wir legen auf dieses Moment einen
grossen W^erth, denn hier liegen die Be-
rührungspunkte der Volkswirthschaft mit
der Wissenschaft und namentlich mit den
technischen Wissenschaften. Man kann
sagen, dass es Gründe der Politik waren,
warum man die Schienen über die Höhen
des Semmering führte, da vielleicht eine
Verbindung im Thale billiger herzustellen
gewesen wäre, aber die österreichische
Volkswirthschaft weiss den Ingenieuren
Dank, die hier im Beginn des Eisenbahn-
baues Probleme zur Lösung brachten, die,
wenn sie damals ungelöst geblieben,
wahrscheinlich Jahrzehnte lang ein Hin-
dernis für die industrielle und culturelle
Entwicklung gebildet hätten.
Die EisenlDahn allein hat uns klar
gemacht, dass wir mit unserem Streben
und unserer Arbeit nicht an die enge
Scholle gebunden sind. Die Kräfte der
Menschen müssen sich ergänzen, und
ebenso wie geographische und klimati-
sche Verhältnisse auf dem Erdballe nicht
die gleichen sind, so sind auch die Ta-
lente und Kräfte der Menschen nicht immer
dieselben. Sie ergänzen sich, schmiegen
sich den vorhandenen Grundlagen an,
und wir sehen mit grosser Befriedigung
an manchem Orte die nützliche Ver-
werthung der menschlichen Kraft, die viel-
leicht anderwärts vollkommen brach lie-
gen würde.
Die erhöhte Concurrenz aui dem
Arbeitsmarkte, nicht nur auf dem
manuellen, sondern auf dem geistigen
Arbeitsgebiete, ist ebenfalls ein Erfolg der
Eisenbahn, sowie diese selbst ihre Entwick-
lung dieser Concurrenz zuschreiben darf,
denn nie würden die grossen und mächtigen
Eisenbahnen des Jahrhunderts ohne diese
Concurrenz zustande gekommen sein.
An der Neige des Jahrhunderts ange-
langt, ziemt es sich wohl zu untersuchen,
welcher Stand den eigentlich grössten Vor-
theil aus den Erfindungen und Fortschritten
desselben eroberte. Nach unserem Dafür-
halten ist es der Arbeiterstand. Seit
der französischen Revolution ist der-
selbe zum Bewusstsein seiner Kraft ge-
langt, aber diese Errungenschaft allein,
wenn sie auch für die politische Stellung
eine sehr werthvolle war, verschaffte den
arbeitenden Ständen noch nicht den mate-
riellen Erfolg. Dieser trat erst ein, als
die wachsende Industrie zur Herrschaft
kam und trotz der Concurrenz, welche die
Maschine auf der einen Seite der Hand-
arbeit bot, nahm die Industrie doch eine
solche Unmasse von Menschenkräften in
Anspruch, dass hierdurch von vornherein
erhöhter Verdienst geboten und dem Ar-
beiterstand auch gewährt wurde.
Im Allgemeinen haben sich, trotzdem
ja die Eisenbahnen ganz wesentlich dazu
beitragen, fremde billige Arbeitskräfte, so
namentlich aus Italien auf den Arbeits-
Unsere Eisenbahnen in der Volkswirthschaft.
73
markt zu bringen, dennoch die Lohn-
bedingungen der arbeitenden Bevölkerung
im ganzen Reiche wesentlich verbessert.
Es ist allerdings richtig, dass auch
die Einkünfte der gelehrten Stände, des
Militärs u. v. a. nicht unwesentlich gestie-
gen sind, dagegen muss darauf hinge-
wiesen w^erden, dass durch die Erhöhung des
Bildungsniveaus überhaupt die Concurrenz
in den gebildeten Ständen sich geradezu
ins Unermessliche gesteigert hat. Heute
trachtet fast in jeder Familie, auch in
der ärmsten, mindestens ein Mitglied
höhere Studien durchzumachen, um eine
höhere sociale Stellung zu erringen. Was
nützen da die Gehaltserhöhungen, wenn
nur ein Bruchtheil der Befähigten sie zu
erringen vermag und Bewerber jahrelang
auf eine bezahlte Stellung warten müssen.
Der fleissige Arbeiter allein, und nur
von einem solchen kann die Rede sein,
hat von den grossen friedlichen Umwäl-
zungen des 19. Jahrhunderts den grössten
Vortheil gezogen und fragt man, wer
ihm dazu verholfen, so waren es wieder
die Eisenbahnen, denn sie ermöglichten
den Aufschwung der Industrie und Land-
wirthschaft, direct aber erhöhten sie eine
gesunde Freizügigkeit, und sie sind es,
die dem Arbeiter jeden Augenblick das
Mittel bieten, den Arbeitsmarkt aufzu-
suchen und seine Kraft dort zu ver-
werthen, wo es ihm am lohnendsten er-
scheint.
Schon der Umstand, dass in Oester-
reich über 90^/^ der fahrenden Personen
die niedrigste Wagenclasse benützen, und
weil man annehmen kann, dass der über-
wiegend grosse Theil dieser Reisenden aus
Arbeitern oder wenigstens im weiteren
Sinne aus den dieser Kategorie angehören-
den Personen besteht, beweist in welch um-
fassender Weise die Eisenbahn von der är-
meren Bevölkerung in Anspruch genommen
wird. Es wird hierbei von grossem Nutzen
sein, sich die bezügliche Stellung des Fahr-
preises durch einige aus dem Leben ge-
griffene Beispiele zu vergegenwärtigen.*)
Dem gemäss möge angenommen wer-
den, es handle sich um vier Reisende
von verschiedenen Lebensansprüchen und
verschiedenem Einkommen, die eine Reise
von Wien nach Prag und zurück machen
und sich drei Tage in Prag aufhalten.
Der eine befinde sich in beschränkten
Verhältnissen und dürfe nicht mehr als
I fl., der andere besser gestellte 5 fl.,
der dritte in guten Verhältnissen lebende
10 fl., und der vierte 20 fl. täglich ausgeben.
Es ergibt sich dann ungefähr folgende
Rechnung, bei welcher die Auslagen
während der Fahrt auf dem Hin- und
Rückwege zusammen mit der Hälfte
der angenommenen Tagesausgabe [beim
vierten Reisenden jedoch höchstens mit
5 fl.] eingestellt werden.
♦) Nach Rank.
Tabelle L
1
Auslagen
de
s
3
en in fl.
I.
1
2.
Reisend
4.
1
Ausgabe bis zum Bahnhofe in Wien [Ein-
spänner, bezw. Fiaker für zwei Zonen] . .
Fahrpreis nach Prag mit Personenzug III. Classe
Auslagen während der Fahrt nach Prag und
zurück
I 3.50
0.50
350
0.60
350
2.50
0.60
15-
060
3.50
090
0.80
3-50
5-
0.60
30-
0.60
3.50
110
0.80
350
5-—
0.60
60.
0.60
350
I.IO
*
Fahrt vom Bahnhofe in Prag
* Ausgabe während des dreitägigen Aufenthaltes
Fahrt zum Bahnhofe in Prag
Fahrpreis von Prag nach Wien wie oben . .
Fahrt vom Bahnhofe in Wien
Summe aller Auslagen
Davon beträgt der Fahrpreis in Procenten . .
; 10.50
67»/,
27.20
26%
45.10
16%
7510
9"/o
74
A. Ritter v. Lindheim.
Tabelle II.
beim I, Reisenden
1
Bei einem Aufenthalte
von 3 Tagen und einem Fahr-
preise von
Bei einem Aufenthalte
von 8 Tagen und einem Fahr-
preise von
3-5
<
56
7— 14 —
3.5
5-6
7 —
I4-- 1
julden, ergibt der Fahrpreis einen Procentsatz der
Gesammtausgabe von
50%
627.
677.
807.
1
29% 40%
457.
577.
> 2. »
15% 22%
267.
417.
77.
"7.
137.
24%
» 3 »
87.
137.
167.
277.
47.
67.
77.
14./. 1
> 4. »
57,
87.
97.
177.
27.
37.
47.
87.
Das Verhältnis zwischen Fahrpreis und
Gesammtausgabe schwankt also in den
vorgeführten Fällen
beim i. Reisenden zwischen 29 und 80^0
»2. » » 7 » 4I®/q
» 3. » » 4 » 270/0
» 4. » » 2 » 17%
Der Arbeiter benützt oft auch die Eisen-
bahn zu den ermässigsten Bedingungen,
wenn er täglich zur Arbeit fährt, wobei
die Nebenkosten selbstverständlich nicht
in Betracht kommen, hat also demnach
verhältnismässig den grössten Vortheil,
ihm ist jedoch die Eisenbahnnur
Zweck für Verbesserung des Be-
rufes, selten oder fast nie Ver-
gnügungszweck.
Alles, was die Eisenbahnen gekostet
haben und kosten, im Bau sowie zum
grössten Theile im Betriebe, kommt in
erster Linie Millionen Arbeitern zugute,
welche jahraus jahrein darin beschäftigt
sind. Berechnet man den durch die Eisen-
bahnen verursachten grossen Aufschwung
der Industrie, so kann man sagen, dass
der Arbeiter den Löwenantheil
an den wirthschaftlichen Vortheilen der
Eisenbahn erlangte. Thatsächlich ergaben
die eingehendsten Untersuchungen eine
wesentliche Verbesserung der Lage des
Arbeiterstandes. Die Arbeitszeit des
gewerblichen Arbeiters ging von 12 auf
höchstens 10 Stunden, in sehr vielen
Fällen auf 8 Stunden zurück ; im Durch-
schnitte ist der Lohn eines männlichen
Arbeiters seit 25 Jahren von 50 kr. auf
mindestens i fl. gestiegen, des weiblichen
von 30 auf 60 kr. Das sind Minimal-
sätze. Jedermann weiss, dass die Arbeiter
in grossen Städten über i fl. 50 kr. per
Tag verdienen. Bevorzugtere auch 2 bis
3 fl. und noch mehr. Nun kommen aber im
Durchschnitt 757o ^^^ Bevölkerung auf
ein Durchschnitts-Einkommen bis zu 600 fl.,
und erwägt man, dass mindestens der-
selbe Percentsatz die III. Eisenbahnclasse
benützt, so kann man wohl behaupten,
dass diese beiden Zifl'em sich decken
und dass drei Viertheile der Vortheile
der Eisenbahnen überhaupt der arbeiten-
den Bevölkerung zugute kommen.
Es betragen nach langjährigen Er-
fahrungssätzen die Ausgaben für Nah-
rung, Kleidung, Wohnung, Feuer und
Licht eines Arbeiterhaushaltes 90^0 der
Einnahmen und circa 80^0 bei einer wohl-
habenden Familie. Nahrung, Kleidung,
Wohnung, Feuer und Licht werden aber
im Preise von der Eisenbahn ungemein
beeinflusst. Sie hat dazu beigetragen,
dass ganze Arbeiterviertel in der Nähe
grosser Industrieen angelegt wurden, weil
der Fabrikant es für nothwendig hielt, sich
gute und constante Arbeitskräfte zu sichern.
Die Lebensbedingung dieser Niederlas-
sungen ist eine gute und billige Beför-
derung und ohne diese würden sie kaum
entstanden sein.
Unsere Eisenbahnen in der Volkswirthschaft.
75
Die billige Versorgung mit Lebens-
mitteln und Bekleidungsstoffen, ebenso die
Beschaffung billiger Kohle und Holzes ist
mit dem wohlfeilen Transport verknüpft und
so sehen wir, dass es gerade der Arbeiter-
stand ist, der fast alle seine Bedürfnisse
verwohlfeilt sieht durch die Eisenbahn.
Wir halten es für werthvoll, diese Sätze
hier auszusprechen, denn die Volkswirth-
schaft ist aufs Engste verknüpft mit einer
gesunden Socialpolitik, und bei
einer Schilderung des volkswirthschaft-
lichen Werthes der Eisenbahnen durfte
diese Betrachtung nicht unterbleiben.
Einerder festesten Pfeiler unserer
Wirthschaft ist ja ein be-
friedigter Arbeiterstand.
*
Es ist unzweifelhaft, dass auch die
Zunahme der Bevölkerung in Oesterreich
mit der Entwicklung der Eisenbahnen in
einem gewissen Zusammenhang steht. *)
Oesterreich hatte im Jahre 1818 i3,38o.cx)0
Einwohner, im Jahre 1895 24,668.000 Ein-
wohner. Während im Jahre 1818 45 Men-
schen auf I \3km kamen, war die Be-
völkerung im Jahre 1890 auf 80, mithin
um 35 Einwohner per DA w gestiegen.
Aus der Berufsstatistik geht nun
wieder hervor, dass die grosse Zunahme
der Bevölkerung aus gewerblichen und
industriellen Kreisen bestand.
Die rasche Vermehrung der Bevöl-
kerung macht sich naturgemäss durch das
Anwachsen der grossen Städte geltend und
es lässt sich nicht leugnen, dass hiezu eben-
falls die Eisenbahnen beigetragen haben.
Es ist natürlich, dass der erleichterte
Verkehr, der billigere Fahrpreis, die
Sicherheit des Transportes einen Anreiz
zum Reisen gaben. Wie viele Menschen
gab es früher in Oesterreich, welche die
Stadt Wien nicht einmal kannten, wie
viele Menschen gab es in Böhmen, die
niemals in Prag waren, wie viele Gebirgs-
bewohner Tirols werden heute noch vor-
handen sein, welche ihre Hauptstadt
Innsbruck noch niemals mit eigenem
Auge erblickt haben?
♦) Vgl. Bd. II. Dr. Reichsfreiherr zu
Weichs-Glon, »Einwirkung der Eisenbah-
nen auf Volksleben und culturelle Entwick-
lunge, S. 87 u. ff.
Der Landbewohner weiss, dass er heute
viele Bedürfnisse billiger und leichter in
der Grossstadt befriedigen kann. Tausende
von Menschen finden dort leichteren und
besseren Verdienst, die wachsende Menge
der Zuströmenden erzeugt neue Bedürf-
nisse, die Grossstadt wirkt wie ein Magnet,
und zieht immer weitere und weitere
Kreise an sich.
Prof. Dr, Mischler in Prag hat sich
viel mit dieser Frage beschäftigt und in
einer Studie über die Entstehung von
Reichthümem ist er zu der Schlussfolge-
rung gelangt, dass die rapide Ver-
grösserung der Grossstädte wesentlich zur
Erhöhung des Volksreichthums bei-
trägt.
Die Beispiele in Oesterreich sind
vielleicht nicht gar so flagrant, wie in
Amerika, wo in wenigen Jahren Millionen-
städte aus einfachen Dörfern entstanden
sind und zwölfstockhohe Häuser aus dem
Boden wuchsen, aber die Entstehung von
Reichthümern durch das Anwachsen der
Städte ist doch auch in Oesterreich keine
Seltenheit, und derselbe Gelehrte hat dies
in einer sehr lehrreichen Studie über das
Anwachsen der Stadt Prag bewiesen. So
hat sich daselbst die Bevölkerung der Vor-
städte seit 1850 von 6000 auf ungefähr
126.000, jene der umliegenden Dörfer in
circa 40 Jahren um 170.000 Menschen ver-
mehrt.
Es betrug die Anzahl der Häuser in
1848 1857 1869 1880 1890
Karolinenthal 174 218 249 310 381
Smichow . . 200 237 302 503 697
Kgl. Weinberge
Zizkow
69 105
77
137
343
377
716
728
Zusammen .443 560 76515332522
Die Vermehrung der Häuser seit 1848
[von 443 auf 2522 und in der Zeit vom
Jahre 1869 bis 1890, also in 21 Jahren
auf das Dreifache und seit 50 Jahren
auf das Sechsfache] ist eine enorme und
es erscheint naturgemäss, dass die
Werthsteigerung von Grund und Boden,
sowie die Schaffung der neuen Werthe
in den Häusern selbst den Volksreich-
thum auf eine ganz aussergewöhnliche
Weise erhöhen müssen. Das Stichjahr
1850 ist ausdrücklich angeführt, weil es
mit dem Ausbau der Eisenbahn [Prag-
L
H
76
A. Ritter v. Lindheim.
Dresden] zusammenhängt, gerade wie das
Jahr 1869 mit einer zweiten sehr wich-
tigen Aufschwungsepoche der Eisenbah-
nen in Oesterreich in Zusammenhang zu
bringen ist.
Sowie dies Beispiel von Prag sehr
lehrreich ist, so Hessen sich unsere Grund-
sätze auch auf Lemberg und Graz und
namentlich auf Wien anwenden. Aber
wir haben die Residenz absichtlich nicht
als Beispiel angeführt und führen auch
London und Paris sowie Berlin absicht-
lich nicht an, weil die Entwicklung einer
Reichshauptstadt auch noch von ganz
anderen Factoren abhängt, die fem ab-
liegen von dem Thema, welches wir
behandeln. Lehrreicher ist in dieser
Richtung hin die Entwicklung jener
Städte Deutschlands, welche, wie Hanno-
ver, Kassel, Frankfurt a. M., Hauptstädte
und Sitze einer Centralregierung waren,
während sie seit dem Jahre 1871 in
Bezug auf ihre Ausdehnung und Macht-
stellung lediglich auf die natürliche Ent-
wicklung des Verkehres angewiesen waren.
Heute sind z. B. Hannover und Kassel
aus Residenzen grosse Industriecentren
geworden, ihre Einwohnerzahl sowie die
Zahl ihrer Häuser und der Werth von
Grund und Boden sind oft auf das Dop-
pelte gestiegen und niemand wird leugnen
können, dass die Eisenbahnen diesen
Zuwachs und diese Wohlhabenheit ver-
mittelt haben.
In Oesterreich selbst finden wir zahl-
reiche Orte, die erst durch die Eisenbahn
eine Bedeutung erlangt haben. Was ist
aus den früher kaum gekannten Ortschaf-
ten Gänsemdorf, Lundenburg, Prerau,
was ist aus Floridsdorf, Ostrau, Oderberg
durch die Nordbahn geworden? Und so
lassen sich an jeder Bahnstrecke Orte
aufweisen, die ihre Entwicklung fast aus-
schliesslich dem Schienenweg zu danken
haben, an den sie geknüpft wurden.
Es lässt sich nun allerdings darüber
streiten, ob das rasche Anw-achsen der
grossen Städte auch ein volkswirth-
schaftli eher Vortheil ist. Wo grosser
Reichthum vorhanden ist, tritt die dicht
daneben wohnende Armuth besonders er-
schreckend hervor, das Verbrechen, der
Leichtsinn folgen immer der grossen An-
sammlung der Menschen und wo solche
auf einem Punkte stattfinden, macht sich
oft eine schädliche Leere an anderen
Punkten des Reiches geltend.
Indessen besitzen die Eisenbahnen
die gute Eigenschaft, wie sie auch die
Presse besitzt, sie heilen die Wunden,
welche sie schlagen, und so führt die-
selbe Eisenbahn, welche vom flachen
Lande zur Hauptstadt geht, auch wie-
der bis in die fernsten Schluchten der
Gebirge, sie vertheilt sich in alle Ge-
genden der Monarchie und es gibt in
ganz Oesterreich nur wenige Ortschaften,
die seit 50 Jahren nicht ebenfalls we-
sentlich in ihrer Bevölkerungszahl zu-
nommen haben, vielleicht keinen Ort,
wo nicht der Werth von Grund und
Boden um mindestens 25 Percent ge-
stiegen ist. Zahllose Industrieen, denen
die Arbeitskraft in den Hauptstädten zu
theuer ist, wandern von dort aus in die
Provinzen und Städte, wie Reichen-
berg, Gablonz, Bielitz, Jägern-
dorf, Lundenburg, St. Polten;
Industrieplätze, wie Berndorf, Kladno,
Warnsdorf, Witkowitz beweisen,
dass es hier wiederum die Eisenbahnen
sind, welche allein es ermöglicht haben,
dass der Wohlstand nicht allein in den
grossen Städten der Monarchie, sondern
auch an den entferntesten Orten seinen
Sitz aufschlägt und dass überall die Eisen-
bahnen es gewesen sind, die in dieser
Richtung hin der Volkswirthschaft des
gesammten Landes hervorragende Dienste
geleistet haben.
Man muss eben, will man die Frage
der Volks wirthschaftlichen Bedeutung
unserer Bahnen richtig beurtheilen, die-
selbe von einem höheren und allgemeinen
Standpunkte beurtheilen, und man wird
dann zur Ueberzeugung kommen, dass
die Eisenbahnen in erster Linie es waren,
welche es ermöglichten, dass die Schätze
unserer Erde den ^Menschen in höherem
Grade und in gleichmässiger Weise zutheil
werden. Sie haben es mitbewirkt, dass das
Nationalvermögen ein grösseres gewor-
den ist, dass auch der Minderbemittelte
in der Lage ist, sich ein besseres und
menschenwürdiges Dasein zu schaifen
und dass trotz aller Klagen Handel und
Verkehr miteinander wetteifern, die schrof-
fen Abstände zu verkleinem, welche
Unsere Eisenbahnen in der Volkswirthschaft.
77
noch vor 50 Jahren nicht nur in geistiger,
sondern auch in materieller Richtung
die Schichten der österreichischen Ge-
sellschaft von einander trennten.
Ein schwerer Vorwurf aber wird stets
den Eisenbahnen gemacht. Die auf den-
selben vorkommenden Unfälle werden in
der schärfsten Weise kritisirt und be-
sprochen und daran wird häufig die Be-
hauptung geknüpft, die Gefahr des Rei-
sens sei durch den Eisenbahnverkehr
überhaupt wesentlich vergrössert worden,
und noch immer herrscht in gewissen
Bevölkerungskreisen eine gewisse Abnei-
gung gegen die Benützung der Eisen-
bahn. Der erwähnte Vorwurf ist gewiss
nach allen Richtungen hin unbegründet,
denn die Zunahme des Personentranspor-
tes ist ja eine so riesige, dass diese
Behauptung sich von selbst widerlegt.
Wenn einzelne Personen, man nennt z. B.
den berühmten Componisten Rossi, eine
solche Abneigung empfanden, so bilden
sie eben Ausnahmen und Sonderlinge
gibt es ja überall.
Dass Unfälle auf Eisenbahnen lebhafter
besprochen werden wie andere Unfälle,
namentlich solche, die mit anderenVehikeln
sich ereignen, ist ja selbstverständlich.
Es ist gewöhnlich die Grösse des Un-
glücks und des durch letzteres erzeugten
Jammers, was in der ganzen Welt Auf-
sehen erregt. Ein noch so bedeutender
Unfall erregt nicht viel Furcht, wenn
kein Menschenleben zu beklagen ist, wenn
aber bei einem Eisenbahnunglück Hun-
derte Menschenleben zu Grunde gehen,
so erregt es auf der ganzen Welt eben-
soviel Furcht und Mitleid wie der Ring-
theaterbrand in Wien oder die vorjährige
Brandkatastrophe in Paris. Ueberdies
sind die Eisenbahnen weit mehr wie
andere Verkehrsmittel unter die öffent-
liche Con trolle gestellt, eigene Behörden
nach eigenen Gesetzen üben ihre Ueber-
wachung und wenn ein Unglück auf einer
Eisenbahn sich ereignet, so spricht davon
nicht nur der Ort, welcher der Schau-
platz dieses Unglückes war, sondern alle
Orte an der grossen Verkehrslinie, mit
welcher dieser Ort in Verbindung steht.
Die Presse thut ein Uebriges und so
kommt es, dass über ein Eisenbahnunglück
naturgemäss viel mehr gesprochen wird,
als über jeden anderen Unfall.
Wir entsetzen uns mit Recht, wenn
solche Unfälle in ziemlich rascher Auf-
einanderfolge vorkommen und vergessen
doch, dass alle diese Unfälle, so traurig
sie auch sind, im Percentual Verhältnis zu
dem enorm gesteigerten Eisenbahnverkehr
eigentlich doch minimal sind.
Für die Zeit, welche vor den Eisen-
bahnen liegt, sind wir bezüglich der
Statistik, betreffend Unfälle auf Strassen
und Wegen, auf sehr unsichere Daten
angewiesen. Chroniken, Polizeiregister,
alte Postbücher sind so ziemlich die
einzigen Quellen, die uns zu Gebote
stehen, doch sind auch diese schon ge-
nügend, um mit Sicherheit zu erkennen,
dass die Unglücksfälle der Reisenden
in früheren Jahrhunderten wesentlich zahl-
reicher waren, als auf unseren Eisen-
bahnen. Nach den Angaben der k. k.
statistischen Central-Gommission betrug
im Jahre 1895 die Zahl der Bahnun-
fälle 1578. Es wurden I3 Reisende
getödtet und 177 verletzt. Dagegen wur-
den im gleichen Zeiträume 80 Bahn-
bedienstete getödtet und 1 104 verletzt. Auf
»dritte Personen« entfallen 70 Todesfälle
und 134 Verletzungen. Auf 1 Million
Reisende entfallen im Ganzen 179 Ver-
letzungen. Zieht man dagegen jene Un-
glücksfälle in Beträcht, welche im Rayon
der Stadt Wien während der Jahre
1891 — 1895 durch Fuhrwerke verschuldet
wurden, so erfahren wir, dass im Jahre
1891: 1427, 1892: 1617, 1893: 1743,
1894: 1769, 1895: 2467 Unfälle con-
statirt wurden, wovon circa 200 — 250
schwere oder tödtliche Verwundungen
betrafen. Es wurden mithin in Wien
allein eine erheblich grössere Anzahl
Personen durch gewöhnliche Fuhrwerke
getödtet oder tödtlich verletzt, als in der
österreichischen Monarchie durch die
Eisenbahnen. Eine Thatsache, die sicher
eine hohe Beachtung verdient.
Wenn man nun erwägt, dass die
Sicherheit des Reisens ebenfalls einen
günstigen Einfluss auf die Entwicklung
der volkswirthschaftlichen Verhältnisse
eines Landes ausübt, und feststellt, dass
die Eisenbahnen das Reisen nicht nur
78
A. Ritter v. Lindheim.
nicht unsicher, sondern im Gegentheil
bedeutend sicherer gemacht haben, so
wird man auch in dieser Richtung hin
den volkswirtschaftlichen Werth unserer
Eisenbahnen höher anzuschlagen haben,
umso mehr als die Unfallsstatistik für
unsere Eisenbahnen im Vergleich zu
anderen Ländern eine günstige Ver-
hältnisziifer nachweist.
Es wird auch sehr oft behauptet,
dass die Eisenbahnen, weil sie sich mit
ganzer Kraft in den Dienst der Kriegs-
verwaltung stellen, und durch diese Mit-
hilfe die Kriegsführung erleichtem, Zu-
stände unterstützen, welche die volks-
wirthschaftliche Entwicklung eines Landes
nicht fördern, sondern stören.
Es ist selbstverständlich, dass die
Eisenbahnen als die wichtigsten Verkehrs-
factoren sich nicht ausschliessen können,
in den Dienst zu treten, wenn es sich
darum handelt, die Interessen des Vater-
landes zu vertheidigen. Was war aber
nach den bisherigen Erfahrungen der
Erfolg dieser Dienstleistung?
Die Eisenbahnen ermöglichten, grosse
Truppenkörper in rascher Zeit auf weite
Entfernung zu befördern, sie kürzten so
die Beschwerden der Kriegführenden
wesentlich ab, sie erleichterten und ver-
besserten die Verproviantirung, sie ge-
statteten, die Verwundeten rasch in gute
Spitalspflege zu bringen und sie stellten
sich mit allen Mitteln und Kräften in den
Dienst der Humanität. Der Hauptvortheil
aber, den sie gewährten, war die grosse
Abkürzung des modernen Krieges.*)
Wir brauchen nur auf die Geschichte
des 30jährigen und des 7jährigen Krie-
ges hinzuweisen, ja wir dürfen nur an die
Freiheitskriege vom Jahre 18 13 bis 181 5
erinnern, um die Leiden zu vergegen-
wärtigen, durch welche damals ein Krieg
die Wirthschaft eines Landes auf viele
Jahrzehnte hinaus vernichtete, während
unsere modernen Kriege wohl grosse
Opfer an Menschen und Geld fordern,
*) Vgl. hierüber Band II, »Unsere Eisen-
bahnen im Kriege«, sowie Dr. Reichsfreiherr
zu Weichs-Glon »Einwirkung der Eisen-
bahnen auf Volksleben und cult. Entwick-
lung.« S. 92.
aber doch noch lange nicht so grosse
Verheerungen anrichten wie die früheren
Jahre lang dauernden Kriege. In dieser
Richtung hat namentlich der Krieg des
Jahres 1 870 ein denkwürdiges Beispiel ge-
zeitigt, denn in drei Tagen war die Mobil-
machung der gesammten deutschen Armee
vollendet und wenige Tage nach der Kriegs-
erklärung fanden die ersten Gefechte an der
französischen Grenze statt. An denselben
waren nicht nur Truppen aus den Rhein-
provinzen, sondern aus den entferntesten
Provinzen Preussens betheiligt, während
noch im Krimkriege die russische Armee
viele Monate lang zu ihrer Aufstellung
brauchte und die Entwicklung der krieg-
führenden Theile eine ausserordentlich
grosse Zeit beanspruchte, ehe der erste
Schuss fiel. Wer denkt nicht an den
napoleonischen Feldzug im Jahre 181 2
in Russland, an alle die Grausamkeiten
und Unbilden des Klimas, der elenden
Verproviantirung, der mangelhaften Be-
quartirung, ja wer erinnert sich nicht
an die unsäglichen Strapazen, denen selbst
unsere Truppen in der letzten Hälfte dieses
Jahrhunderts während des Krimkrieges
und während der italienischen und unga-
rischen Feldzüge ausgesetzt waren?
Die Eisenbahnen haben auch hier der
Volkswirthschaft wesentliche Dienste ge-
leistet: sie kürzen die Kriege ab, sie
schaffen rasch wieder geordnete Zu-
stände, in denen Handel und Industrie
neu aufblühen können, sie schonen und er-
halten durch bessere Versorgung das
Menschenmaterial, sie üben heilsamen
Einfiuss durch rasche Dislocation auf die
Gesundheit der Truppenkörper und so
kommt es, dass durch die Eisen-
bahnen selbst eines der grössten
Uebel aller Zeiten gemildert
wird — der Krieg.
In dem Augenblicke, wo diese Blätter
unter die Presse gehen sollen, sind wir noch
in die glückliche Lage versetzt, die officielle
Statistik des Eisenbahn-Ministeriums bis
zum Schlüsse des Jahres 1896 benützen
zu können und nach diesen Daten das Bild
zu ergänzen, welches die Bedeutung
unserer Eisenbahnen in volkswirthschaft-
licher Beziehung darlegen soll.
Unsere Eisenbahnen in der Volks wirthschaft.
79
Das dem öffentlichen Verkehre die-
nende Netz sämmtlicher auf österreichi-
schem Staatsgebiete befindlichen mit
Dampf und sonstigen mechanischen
Motoren betriebenen Eisenbahnen hatte
am 31. December 1896 eine Länge
von x6,805'576 km erreicht. Hieven
standen 9,024*475 km oder 5377o ^^
Betriebe der k. k. Staatseisenbahn- Ver-
waltung.
Das für sämmtliche k. k. Staatsbahnen
und für die vom Staate für eigene Rech-
nung betriebenen Privatbahnen bis Ende
1896 aufgebrachte Anlage - Capital be-
zifferte sich mit 1.163,890.600 fl. Das
Anlage-Capital der Bahnen im Privatbe-
triebe [einschliesslich der vom Staate auf
Rechnung der Eigenthümer betriebenen
Localbahnen] beträgt 1.616,611.297 fl.
Was den Eisenbahnverkehr betrifft,
so betrug die Anzahl der im Gegenstands-
jahre auf sämmtlichen Eisenbahnen be-
förderten Personen 105 '2 Millionen, wo-
von 43*1 Millionen auf die Eisenbahnen im
Staatsbetriebe und 62*1 Millionen auf die-
jenigen im Privatbetriebe entfallen. Auf
den Kilometer Betriebslänge berechnet,
stellt sich die durchschnittliche Anzahl
der beförderten Personen auf 6425. Von
der Gesammtzahl der beförderten Per-
sonen entfallen auf die erste Glasse i'O^^ Iq
» » zweite » 7'92®/o
* » dritte » 88-05^/0
und auf die vierte Glasse [nur bestehend
bei der Eisenbahn Lemberg-Belzec und
der Kaschau - Oderberger Bahn] 0*22^/0
und auf Militärpersonen 2*78%.
Die Beförderungsstrecke für eine Per-
son, d. i. die auf jede Fahrkarte durch-
schnittlich entfallende Wegstrecke, betrug
bfei den Eisenbahnen im Staatsbetriebe
40*83 km^ bei den Bahnen im Privatbe-
triebe 35 km und für alle Eisenbahnen im
Durchschnitte 37*39 ^w. Auf sämmtlichen
Eisenbahnen wurden rund 100 Millionen
Tonnen befördert. An dieser Menge
waren die im Staatsbetriebe befindlichen
Bahnen mit 32*3 Millionen Tonnen und
die Privatbahnen mit 67*7 Millionen
Tonnen betheiligt.
An der Gesammtm enge der auf sämmt-
lichen Eisenbahnen beförderten Verkehrs-
gegenstände participiren : Kohlen mit
43*6%, Steine, Erden, Kalk etc. mit 8^0,
Bau- und Nutzholz mit T^^Jq^ Getreide
mit 6%, Rüben mit 3'97o> Eisen und
Eisenwaaren mit 3*8%, Erze und Mine-
ralien mit 2"J^Iq. Der Antheil der grössten
Privatbahnen an der Güterbeförderung
sämmtlicher Eisenbahnen stellt sich, wie
folgt:
Kaiser Ferdinands-Nordbahn . .
Oesterr. - ungar. Staatseisenbahn-
Gesellschaft . .
Aussig-Teplitzer Bahn .
Oesterr. Nordwestbahn .
Südbahn . . . , .
Buschtöhrader Eisenbahn
i4-i7e
10
%
9'n
7-5%
6-87o
6-6%
Die Gesammtausgaben der Eisenbah-
nen betrugen 153*9 Millionen fl. [hievon
entfielen 68*4 Millionen auf die Bahnen
im Staatsbetriebe]. Der Betriebs - Goeffi-
cient für jede einzelne Bahn, d. i. das
percentuelle Verhältnis der eigentlichen
Betriebsausgaben zu den Betriebsein-
nahmen, stellt sich für die wichtigsten
Eisenbahnen, wie folgt:
Aussig-Teplitzer Eisenbahn . . 34*3®/o
Böhm. Nordbahn 39' i%
Buschtöhrader Eisenbahn . . . 32*0%
Kaiser Ferdinands - Nordbahn
[Hauptbahnen] 44*47o
Kaschau - Oderberger Eisenbahn
[österr. Linien] 40'97o
Oesterr. Nordwestbahn [Ergän-
zungsnetz] 41*8^/0
Oesterr. Nordwestbahn [garantirte
Linien] 45'^^io
Oesterr.- Ungar. Staatseisenbahn-
Gesellschaft 41 '9%
Südbahn [österr. Linien] . . . 41 '8^0
Südnorddeutsche Verbindungs -
bahn 62*9%
K. k. Staatsbahnen und vom Staate
auf eigene Rechnung betrie-
bene fremde Hauptbahnen . 57*8%
Die Anzahl der bei sämmtlichen Eisen-
bahnen Angestellten [Beamten, Unter-
beamten, Diener, weiblichen Bediensteten]
betrug 73.394; Arbeiter im Taglohne
waren im Jahresdurchschnitte 82.718 be-
schäftigt. Die für das Personal ausbe-
zahlten Besoldungen, Löhne und sonstigen
Bezüge beliefen sich auf 837 Millionen fl.
An Wohlfahrtseinrichtungen für das
Personal bestanden je 23 Pensions- und
8o
A. Ritter v. Lindheim.
Krankencassen, sowie ausserdem 35 son-
stige Humanitätscassen , welche einen
Vermögensstand von 57*3 Millionen fl.
aufweisen.
Der verfügbare Jahresertrag sämmt-
licher österreichischer Eisenbahnen wird
pro 1895 in Aufstellungen der k. k.
statistischen Centralcommission mit mehr
als 134*3 Millionen fl, angegeben.
*
Gross, fast überwältigend sind die
vorangeführten Ziff'em ; sie geben ein Bild
von der Machtstellung, welche das Eisen-
bahnwesen in Oesterreich errungen, und
welchen massgebenden Einfluss das-
selbe auf unser gesammtes Culturleben
hat nehmen müssen. Und da die eigent-
liche Entwicklung des österreichischen
Eisenbahnwesens in die Regierungs-
periode unseres geliebten Monarchen
fällt, so kann man mit Recht behaup-
ten, dass unter dem Walten seiner ge-
segneten Regierung, und von derselben
nach allen Richtungen hin gefördert und
gehoben, die Eisenbahnen Ocster-
reichs aus den kleinsten Anfän-
gen sich in diesen 50 Jahren zu
einem mächtigen Factor nicht
nur in der Cultur des Reiches,
sondern auch in der Wirthschaft
des Staates und des Volkes heran-
bildeten. Namentlich war die Einfluss-
nah me auf die Volks wirthschaft eine un-
gemein grosse, und bis in den intimsten
Kreis der Familie hat der Eisenbahnver-
kehr seine Wirkungen erstreckt, die Er-
haltung: der Familie erleichtert und ver-
bessert, in den Haushalt der Gemeinde
eingegriffen und sie zu höheren Aufgaben
befähigt, das Vermögen des Volkes ver-
grössert und gehoben, verborgene Schätze
an das Licht des Tages gebracht und ver-
werthet, die vorhandenen Kräfte gesam-
melt und vermehrt, das Volk zum Wett-
bewerb mit anderen Nationen befähigt.
Ein Werk unserer Eisenbahnen ist es,
wenn Oesterreich aus einem Agricultur-
staat ein mächtiger Industriestaat wurde,
wenn Jahrhunderte lang nutzlos vorhan-
dene Urproducte lohnend verwerthet,
Arbeitskräfte billig befördert werden
konnten.
Aber auch der Ackerbau hatte keines-
wegs auf die Hilfe der Eisenbahnen zu
verzichten; ihr Ausbau und ihre Ver-
dichtung ist der sehnlichste Wunsch
der ackerbautreibenden Bevölkerung im
schweren Concurrenzkampf. Im Gefolge der
Eisenbahnen entstanden die mächtigsten
Bauwerke. Mit Hilfe der Eisenbahnen
entwickeln sich die Centren der Monar-
chie, werden die Häfen des Reiches dem
Verkehr dienstbar gemacht.
Am Schlüsse unserer Arbeit angelangt,
wollen wir die besonders hervortretenden
Wirkungen des österreichischen Eisen-
bahnwesens auf dem Gebiete der Volks-
wirthschaft nunmehr im Folgenden noch
kurz zusammenfassen:
Oesterreich ist durch seine Eisen-
bahnen aus einem ackerbautreibenden
Staate ein Industrie- Staat geworden ; sie
haben Handel und Gewerbe der Mon-
archie in günstigster Weise beeinflusst
Die Eisenbahnen blieben trotzdem
eines der wichtigsten Förderungsmittel
der österreichischen Agri cultur, welche
nur dann der überwältigenden Concurrenz
des Auslandes wird Stand halten können,
wenn das Tarif wesen sich den vorhandenen
Bedürfnissen anpasst, und wenn das vor-
handene Netz insbesondere durch Klein-
bahnen noch weiter ergänzt und ver-
dichtet wird.
Indem die Eisenbahnen auf die erhöhte
Inanspruchnahme eines hochwichtigen
Naturproductes, des »Holzes«, ein-
wirkten, haben sie die österreichische
Forstwirthschaft zu höherer wirth-
schaftlicher Bedeutung gebracht.
Oesterreichs Montanwesen dankt
den Eisenbahnen einen mächtigen Auf-
schwung. Unsere Eisenbahnen verbanden
sich rechtzeitig mit der Kohlen -Industrie,
wodurch es ermöglicht wurde, für die in-
dustrielle Production in Oesterreich Be-
triebsstätten dort anzulegen wo alle
Vorbedingungen für das Gedeihen einer
Industrie vorhanden waren; sie ermög-
lichten es der für Oesterreich so wichtigen
Eisen- Industrie, unsere vortreff'lichen
qualitativ fast unerreichbaren Eisenerze
bei billigem Brennmateriale lohnend zu
verhütten, andererseits grosse Massen
minderwerthiger, aber sehr leicht ge-
1 der Volkswirthschaft.
winnbarer Eisenerze nutzbringend zu ver-
werthen.
Der Aufschwung unserer Zucker-
Industrie und der dadurch erwachsene
un gemessene Vortheil insbesondere für
die schlesische, böhmische und mährische
Agricultur ist zum grössten Theile ein
Erfolg der österreichischen Eisenbahnen.
Unsere Eisenbahnen gewähren insbe-
sondere der Mahl- und Brauindustrie
wesentliche Vortheile; in Bezug auf die
letztere dienten sie den Ruf des Öster-
reichischen Bieres im Auslande dauernd
zu begründen.
Sie haben zur Ausbildung der Inge-
nieurlcunst mächtig beigetragen und
den Ruhm österreichischer Techniker
begründet, üie Entwicklung der öster-
reichischen Eisenbahnen stand und steht
noch immer in einem unmittelbaren Zu- j
sammenhange mit der epochalen An-
wendung der Elektricität. |
Die österreichischen Eisenbahnen
unterstützten in wohlthuender Weise die !
Principien der Freizügigkeit, ohne dabei ,
dem AnhänglichkettsgefOhle an die vater-
ländische Scholle Eintrag zu thun.
Die angemessene Inanspruchnahme
der menschlichen Kraft und Geschicklich-
keit bei gleichmässiger Erweiterung des
Arbeitsmarktes ermöglichte es mit Hilfe
der Eisenbahnen, dass der Arbeiter-
stand in den letzten 50 Jahren unseres
Jahrhunderts in materieller Richtung,
allen anderen Staaten voraus — grosse
Vortheile erlangte. — Die Eisenbahnen
erhöhten das Nationalvermögen. Sie ver-
schafften auch dem Minderbemittelten ein
besseres und bequemeres Dasein.
Die Eisenbahnen erhöhten zwei-
fellos unsere Wehrkraft und verstärkten
deren Wirkungen. Sie gestatten gleich-
zeitig die grösstmöglichste Abkürzung
der Kriege, die weitaus bessere und
humanere Transportirung und Verpfle-
gung der Truppen sowie der Kranken
und Verwundeten. Die österreichischen
Eisenbahnen erfüllen also auch auf diese
Art eine Arbeit der allgemeinen Wohl-
fahrt.
Einwirkung der Eisenbahnen
auf
Volksleben und culturelle Entwicklung.
Von
Dr. Reichsfreiherr zv Weichs-Glon.
OB es in der Welt besser oder
schlechter geworden sei seit der
Zeit, da der Gross vater die
Grossmutter nahm, ist eine Frage, die
immer und immer wieder das einfache
Gemüth, wie den Denker, den Philosophen,
wie den Historiker beschäftigt.
Es ist nicht besser, es ist nicht
schlechter, es ist einfach anders ge-
worden! Alle menschliche Entwicklung
geht nothwendig in Extremen und Aeusser-
lichkeiten vor sich, so dass die Besserung
nach der einen Seite fast immer eine Ver-
schlechterung nach der anderen Seite
enthält.
Darum ist es nicht leicht, in allen
Fällen mit Sicherheit zu entscheiden, ob
die Entwicklung einer Periode in civili-
satorischem Sinne vor sich ging oder
nicht.
Ganz zweifellos hat jedoch mit der
Dampfmaschine und mit der Locomotive
eine neue Epoche in der culturelien Ent-
wicklung der Menschheit im Allgemeinen,
und auch in unserem Vaterlande begonnen.
Nur hält es schwer, die grossartigen
Wirkungen und bedeutenden Verände-
rungen, welche durch die modernen Ver-
kehrsmittel hervorgerufen wurden, auch
immer im Einzelnen festzustellen. Denn
diese Wirkungen erfolgen vielfach in
engstem Zusammenhange und stehen in
unlösbaren Beziehungen mit einer ganzen
Reihe anderer Erscheinungen des so viel-
gestaltigen gesellschaftlichen Lebens. Sie
kommen als specitische Wirkungen des
Verkehrswesens nur selten rein zum Aus-
drucke; sie werden durch Nebenwirkungen
und Gegenbewegungen zum Theile abge-
lenkt und abgeschwächt, zum Theile auch
ganz aufgehoben.
Wir dürfen auch nicht übersehen, dass
durch alle technischen Umwälzungen, die
der Welt fast ein ganz neues Antlitz
verliehen haben, die Stetigkeit des Ent-
wicklungsprocesses, den unser Geschlecht
zu durchlaufen hat, keineswegs unter-
brochen ist. Die scheinbar so mächtigen
Veränderungen, welche die jüngste Zeit
unserer Cultur eingeprägt hat, betreffen
doch zumeist nur die Oberfläche. Der
Hauptkem unserer Natur und Cultur ist
zweifellos das Ergebnis der Einwirkung
früherer Jahrhunderte.
Um nun jene specifischen Wirkungen
des modernen Verkehrswesens im Allge-
meinen, und der Eisenbahnen im Be-
sonderen zu erkennen, muss nach der
Isolirmethode vorgegangen werden, d. h.
es muss zu erforschen gesucht werden,
wie die Eisenbahnen wirken könnten,
und wie sie ohne das Walten von Kräften,
ohne den Einfiuss von Institutionen wirken
würden, welche diese Wirkungen that-
sächlich beeinträchtigen oder gar nicht
in Erscheinung treten lassen.
Auch sind wir fin-de-siecle- Menschen
mit den verfeinerten Gewohnheiten und
gesteigerten Ansprüchen einer Uebercuttur
häufig gar nicht in der Lage, den Ein-
fiuss, den die Eisenbahnen auf alle Seiten
und Beziehungen unseres Daseins nehmen.
86
Dr. Reichsfreiherr zu Weichs-Glon.
zu überblicken, und aus der Fülle der
uns umgebenden Erscheinungen, des uns
Gebotenen und des von uns als etwas
Selbstverständliches Empfangenen heraus-
zulösen. Denn die Erinnerung derWenigsten
unter uns reicht zurück bis zur eisenbahn-
losen Zeit. Wir werden uns gar nicht
mehr bewusst, dass es anders sein könnte,
als es eben ist ; wir übersehen, was und
wie viel wir entbehren müssten, wenn es
keine Eisenbahnen gäbe.
Um den Unterschied von Sonst und
Jetzt in seiner ganzen Bedeutung zu be-
greifen und vor Augen zu haben, müssen
wir uns nur die früheren Verkehrsverhält-
nisse gegenwärtig halten. Wie bewegten
sich zur »guten alten« Zeit, zur Zeit der
Post- und Landkutschen sowie der Last-
karren mit 6 bis lO vorgespannten Pferden
das Leben und der Verkehr in engen,
gemessenen Grenzen, bis es der modernen
Technik gelang, die Fesseln plötzlich zu
sprengen, die auf aller grossartigen Be-
wegung bis dahin gelastet hatten.
Am bedeutendsten und am sichtbarsten
ist der ungeheuere, sich an die Wirkungen
der heutigen Verkehrsmittel anknüpfende
Umschwung der Gegenwart im wirth-
schaftlichen Leben des Volkes gewesen;
dieser Umschwung hat auch von tief-
gehender Einwirkung auf das gesammte
gesellschaftliche Leben, auf den Complex
der individuellen und socialen Bedürfhisse
sein müssen.
Die Eisenbahnen in Verbindung mit
der Schifffahrt beziehen immer neue Theile
der Erde in den Bereich des Güteraus-
tausches ein, und erweitem beständig,
auch innerhalb der Culturländer selbst,
das Absatzgebiet. Die Erzeugnisse ferner
fremder Länder, die früher nur den Wohl-
habenden erreichbar waren, wie z. B.
Thee, Kaffe, Gewürze u. v. a. m. sind
jetzt zum Theile unentbehrliche Nahrungs-
und Genussmittel des Volkes und Gegen-
stände des Massenverbrauches geworden.
Seefische werden in das Inland befördert,
im Winter erhalten wir frische Gemüse,
Früchte und Blumen aus sonnigen Strichen;
unsere eigenen vorzüglichen Biere und
Weine und zahlreiche andere Güter, die
wir erzeugen, wurden durch die Eisen-
bahnen in ganz Europa, in der gesammten
Culturwelt heimisch gemacht. Der Ver-
sandt von Vieh und Fleisch, von Eiern,
Fetten, Käsen, Milch u. a. m. nimmt von
Jahr zu Jahr grösseren Umfang an. Man
ist hinsichtlich der Ernährung nicht mehr
an die Erzeugnisse eines kleinen Gebietes
gebunden; die Eisenbahnen lassen es als
möglich erscheinen, die Wahl nach dem
besten und billigsten Erzeugungsorte vor-
zunehmen. *)
Auch die Ermässigung der Preise von
Kleidungsstücken ist theilweise auf die
verbilligte Zufuhr von Rohstoffen aus oft
weit entfernten Erzeugungsstätten zurück-
zuführen.
Wesentlich sind die Wirkungen hin-
sichtlich der Verbesserung von Wohnungs-
und anderen Bauten, infolge Verwendung
soliden Materiales auch in solchen Gegen-
den, die ferne vom Gewinnungsorte liegen,
so Bautheile von Eisen an Häusern und
Brücken, die Eisen- und Thonröhren für
Wasserleitungen und Canäle, die Steine
zum Pflastern der Strassen u. a. Die
Kohlen, mit denen wir heizen, das Petro-
leum in der Lampe sind alles Dinge, die
selbst dem Aermsten unentbehrlich ge-
worden sind, und deren allgemeine Ver-
breitung wir den Eisenbahnen verdanken.
Eine ungeheuere Summe von Ver-
besserungen des menschlichen Daseins,
von Erleichterung in Befriedigung der
wichtigsten Bedürfnisse, von Erhöhung
und Erweiterung der Genüsse vermag
durch die Eisenbahnen herbeigeführt zu
werden, und ist durch die im Allgemeinen
zu beobachtende Erhöhung des Standard
of life zweifellos auch in unserer Heimat
herbeigeführt worden.
Erst durch die Eisenbahnen ist es
möglich geworden, Bedarf und Ueberfluss
an Nahrungsmitteln selbst auf die grössten
Entfernungen hin mit Leichtigkeit auszu-
gleichen, während früher Mangel und
Ueberfluss häufig fast nebeneinander
wohnten und rein örtlich festgelegt waren,
so dass bei ungleichem Emteausfall in
verschiedenen Landstrichen an der einen
Stelle empfindlicher Nothstand herrschte,
während gleichzeitig an der anderen die
UeberfüUe der Früchte wegen mangelnden
Absatzes zugrunde ging.
♦) Vgl. Bd. IL, Li n d h e i m, »Unsere Eisen-
bahnen m der Volkswirthschaft«, S. 63 u. ff.
Einwirkung der Eisenbahnen auf das Volksleben.
87
Hand in Hand mit diesem Ausgleiche
an Bedarfs- und Vorrathsmengen, der für
Oesterreich mit seinen, so grosse Unter-
schiede aufweisenden klimatischen und
Froductionsverhältnissen im Hochgebirge,
südlich und nördlich der Alpen sowie im
Osten und Westen der Monarchie von
besonderer Bedeutung war, wirken die
Eisenbahnen an sich auch auf einen Aus-
gleich in den Güterpreisen, indem an
Stelle der örtlichen, grosse Unterschiede
und Schwankungen aufweisenden Preise
für eine immer wachsende Zahl von
Gütern Wehmarktpreise treten, was aller-
dings wieder in anderer Hinsicht Nach-
theile im Gefolge hat.
Die gesammte Güter-Erzeugung eines
Landes erfährt durch die Eisenbahnen in
zahlreichen Fällen nach Menge, Art und
Güte eine ungeheuere Steigerung, unter
deren Einfluss sich auch die Grossindustrie
heranbildet. Der ganze Charakter des
gewerblichen Lebens wird ein anderer,
ein lebendigerer und intensiverer.
Gehen wir von den rein wirthschaft-
lichen Folgen, von den Einwirkungen
auf unsere Nahrungs-, Kleidungs- und
Wohnungs-Bedürfnisse und Verhältnisse
zu jenen über, die schon auf andere
Grebiete des gesellschaftlichen Lebens
übergreifen, so steht da in erster Linie
die Erscheinung einer geänderten Ver-
theilung der Bevölkerung, der »Zug vom
Lande«. Es ist dies jener Theil der
inneren Wanderungen einer Bevölkerung,
welcher seine Bewegung innerhalb eines
Staates vom Lande nach den Städten
nimmt, und auch in Oesterreich, wenn-
gleich noch in geringerem Masse als in
industriell fortgeschritteneren Ländern, zu
beobachten ist. Häufig, wenn auch mit
Unrecht, werden die Eisenbahnen als
Hauptursache und Erreger dieser in mehr-
facher Beziehung bedenklichen Beweglich-
keit bezeichnet. In Wahrheit ist dagegen
die Hauptursache jener Wanderungen das
Streben, bessere Lebens- und Erwerbs-
bedingungen zu erreichen; wo dieses
Wandermotiv fehlt, werden auch die
Eisenbahnen Niemand zur Ab- oder Aus-
wanderung veranlassen. Auch musste sich
die Bevölkerung schon mit den Standorten
und der Entwicklung der Industrie unter
allen Umständen allerwärts verschieben
und neu gruppiren. Fraglos bleibt es
jedoch, dass die Eisenbahnen ganz wesent-
lich auf Erleichterung dieser Massen-
wanderung und, wenn auch nur mittelbar,
sogar zur Steigerung derselben beigetragen
haben. Sie beseitigen das Moment der Ent-
fernung immer mehr aus der wirthschaft-
lichen Calculation, und leisten dem Zuge
nach Vereinigung mächtigen Vorschub.
Die Beweglichkeit der Massen ist ge-
sellschaftlich, wirthschaftlich und politisch
höchst bedeutsam. Neue Ortschaften ent-
stehen, andere verfallen. Die Städte
wachsen, hauptsächlich die Grossstädte,
deren Bildung und Erhaltung ohne Eisen-
bahnen ganz undenkbar wäre, die Industrie-
und Handelsstädte.
Welche Bewegung die Bevölkerung
Oesterreichs [Cisleithaniens] in der Zeit von
1843 bis 1890, also unter der Wirksamkeit
der Eisenbahnen, durchgemacht hat, ist
aus nachstehender Zusammenstellung zu
entnehmen.*)
♦) Rauchberg: »Die Bevölkerung Oester-
reichs«.
In der Grössencate-
gorie der Ortschaften
mit Einwohnern
1843
1890 1
Zahl der j
Ort-
schaften
Ein-
wohner
Ort-
schaften
Zuwachs
Ein-
wohner
Zuwachs
I
1
bis zu 2000
von 2.000— 5.000
T> 5.000—10.000
> 10.000—20.000
über 20.000
46.713
602
95
21
7
13,852.766
1,692.301
543.564
264.054
720.546
57.578
1.063
149
69
32
237»
777.
577o
2297o
3597o
16,128.205
3,011.074
966.769
919.106
2,870.259
167«
787.
787o
2487.
2987o
Im Ganzen . . . '
47.438 17,073.231
58.891
247o 1 23,895413
407.
88
Dr. Reichsfreiherr zu Weichs-Glon.
Von je looo Einwohnern des gegen-
wärtigen Staatsgebietes entfielen:
im Jahre
auf Ortschaften mit
Einwohnern: 1843 1890
bis zu 2000 811 675
von 2.000— 5.000 99 126
> 5.000-10.000 32 41
> 10.000—20.000 16 38
über 20.000 42 120
Zuwachs
- 17^
+ 27"/o
4- 28%
+ 138^0
+ i86°/o
Die Landstadt bewahrt nur noch jene
Bedeutung, die ihr eigene Production und
die Function als Markt für ihre ländlichen
Kreise verleihen; sie verliert aber die
Rolle, welche sie früher spielte.
Ueberblicken wir den gesammten
Gomplex der wirthschaftlichen, geistigen
und socialen Factoren, welche zusammen
die moderne Entwicklung ausmachen, so
kann es nicht wundernehmen, wenn der
Wanderzug, vornehmlich getragen von
den Eisenbahnen, die selbst weit mehr
eine Folge, als eine Ursache dieser Ent-
wicklung sind, vom Dorfe zur Stadt, von
der Kleinstadt zur Mittelstadt, von dort
zur Grossstadt gerichtet ist, wenn das
Anwachsen der Wohnplätze in den Gross-
städten desto rascher erfolgt, ihr Rekru-
tirungsgebiet sich desto rascher erweitert,
je grösser sie selbst sind, und je dichter
das Netz der Eisenbahnen wird. Es er-
scheint bei Erwägung dieser Factoren
erklärlich, dass die Beschleunigung und
die Wucht der Bewegung stetig, nicht nur
im directen, sondern vielleicht sogar im
potenzirten Verhältnisse zu ihrer Masse
zunimmt, dass die Nebenwirkungen ins
Ungemessene wachsen, und man verwirrt
von der Grösse und Mächtigkeit dieses
Vorganges kaum das Ende auszudenken
wagt. Und jeder neue Ring, der sich um
den alten Kern einer Stadt ansetzt, jedes
neue Element, das sie in sich aufnimmt,
wird zum Anlasse weiterer Entwicklung.
Dass diese Entwicklung ein Vortheil
für die Menschheit ist, dass sie zur
Maximisation des Wohlseins und zur
Minimisation des Uebels, sowohl für das
einzelne Individuum wie für die Gesammt-
heit hinführt, ^muss wohl ernstlich be-
zweifelt werden. Die nothwendige Folge
des dichten Zusammenlebens ist die Ver-
flachung des Individualismus, die Be-
schränkung seiner Producte, der persön-
lichen Freiheit und des Eigenthums. Wir
sehen dies klar am Leben in der Gross-
stadt, in der Kleinstadt, im Dorfe.
Die städtische Bevölkerung bekommt
mit ihren Interessen, ihren Anschau-
ungen, Gewohnheiten und Fehlem eine
ganz andere Bedeutung als früher. Das
war theil weise erst möglich, nachdem
die Gesetzgebung eine andere geworden
war. Aber unsere ganze Gesetzgebung
mit ihren ursprünglichen Zielen der Frei-
zügigkeit, der Gewerbefreiheit und des
Freihandels ist ja selbst zum grössten
Theile wieder nur ein Ergebnis der ge-
änderten Verkehrsmittel. Hier haben die
Eisenbahnen auch in der Hinsicht einge-
griffen, dass das Recht der Freizügigkeit
erst durch sie praktischen Werth erhielt.
Dem an die Scholle gefesselt gewesenen
Arbeiter ist durch die Eisenbahnen,
wenigstens ideell, allerdings nicht immer
in der Wirklichkeit, die Möglichkeit ge-
boten, andere Stätten aufzusuchen, wo er
seine Arbeitskraft besser zu verwerthen
hofft. Wir können dies an den Zügen der
italienischen, böhmischen, slovakischen
und polnischen Arbeiter wahrnehmen. So
waren in Oesterreich von je icxx) orts-
anwesenden Personen in ihrer Aufenthalts-
Gemeinde heimatsberechtigt: 1869 787,
1880 697 und 1889 639. Die alte Ordnung
der gewerblichen Verfassung ist vornehm-
lich auch hiedurch durchbrochen worden,
und der Arbeitsmarkt wurde in ähnlicher
Weise wie der Gütermarkt erweitert.
Nicht unerwähnt darf jedoch hier die
besondere Bedeutung bleiben, welche die
Eisenbahnen noch in anderer, der Con-
centration einigermassen wieder entgegen-
laufender Richtung für die modernen
Millionenstädte besitzen. Die Bedeutung
für die grossen Bevölkerungscentren
kommt den Eisenbahnen eben zu, nicht
allein im Hinblicke auf die Versor-
gung mit den noth wendigen Mitteln des
täglichen Bedarfs, die oft aus einem
viele hundert Kilometer weiten Gebiete
zusammengezogen werden müssen, und
mit grosser Pünktlichkeit und Regel-
mässigkeit an Ort und Stelle zu sein
haben, sondern insbesondere auch, weil
die Eisenbahnen das durchaus gesunde
Streben in der grossstädtischen Ent-
wicklung unterstützen und dessen Ver-
wirklichung überhaupt erst ermöglichen.
Einwirkung der Eisenbahnen auf das Volksleben.
89
die Arbeits- von der Wohnstätte zu
trennen, und letztere heraus aus den
engen Gassen und der verunreinigten
Atmosphäre, dem betäubenden Lärm, der
Gebundenheit und dem Gedränge in die
Aussenbezirke, an die Grenzen des Land-
gebietes zu verlegen. Derart können
selbst die armen Classen der Bevölkerung
nicht unwesentlich verbesserter Lebens-
bedingungen theilhaftig werden.
Und wie leicht wird auch sonst dem
Anreiz zum Reisen, den die Eisenbahnen
bieten, Folge gegeben. Man reist heute
mit geringeren Kosten durch einen halben
Erdtheil, wie früher eine Strecke von
wenigen Meilen. Man reist zwar in der
überwiegenden Zahl der Fälle geschäfts-
halber, aber auch um des Vergnügens
willen. Der wachsende Besuch der Bäder,
Sommerfrischen und Luftcurorte, die Ur-
laube der Beamten aller Categorien, die
früher nur in Krankheitsfällen ertheilt
wurden und jetzt fast ständige Einrichtun-
gen geworden sind, der von Jahr zu Jahr
zunehmende Strom von Touristen, die
sich im Gebirge, u. zw. in wachsendem
Masse in den österreichischen Alpen-
ländem Kräftigung holen, die Volks-,
Lieder-, Schützen- u. a. Feste, die Aus-
stellungen u. dgl. m., sie alle sind mittel-
bar oder unmittelbar Wirkungen der Eisen-
bahnen, oder werden doch allein durch
diese ermöglicht; sie alle sind Beweise
für die Reiselust des modernen Menschen,
für dessen tiefe Sehnsucht nach Loslös-
barkeit vom Boden sowie Beweise für die
Leichtigkeit, diese Reiselust zu befriedigen.
Damit sind jedoch die Wirkungen
der Eisenbahnen in den angedeuteten
Beziehungen keineswegs erschöpft.
Die Eisenbahnen, wie die modernen
Verkehrsmittel überhaupt, haben das Be-
streben, alle vorhandenen Productions-
quellen imd Arbeitskräfte in Thätigkeit
zu setzen, um Werthe zu erzeugen und in
Umlauf zu bringen. Sie sind die Achse,
um die sich der ganze Güteraustausch
der Gesellschaft und der Circulations-
process des Capitals dreht. Im Systeme
unserer Wirthschaft ringen sie nicht allein |
der Erde im Wege der Urproduction ge-
radezu die Lebensbedingungen künftiger
Generationen verschwenderisch ab, sie
haben zweifellos auch das Streben, die
Entlohnung der Arbeit und den Werth
der Urproducte möglichst herabzudrücken.
Die Verschwendung in Allem ist unleug-
bar auch ein Grundzug unseres wirth-
schaftlichen und sogar unseres gesell-
schaftlichen Lebens, den die Eisenbahnen
hervorzurufen geholfen haben. Alles lebt
in Uebertreibung der Bedürfnisse ohne
wahre Befriedigung. Die Lust nach Orts-
veränderung, wohl zw^eifellos auch eine
Quelle für Flüchtigkeit in der Pflicht-
erfüllung, ist bei vielen theilweise zur
krankhaften Sucht ausgeartet und greift
verwirrend in das tägliche Leben der
Gesellschaft ein.
So haben die Eisenbahnen wohl einer-
seits einen ausserordentlichen Fortschritt
in den culturellen Beziehungen der
Menschen geschaffen, — einen Fort-
schritt, der für die civilisatorische Ent-
wicklung der Menschheit nothwendig
war — aber andererseits die Quellen
aller Werthe, die Urproduction und die
Arbeit im Allgemeinen und vielfach doch
in eine nachtheiliffe Stellungr zu dem An-
theile an den Lebensbedingungen versetzt,
und dazu beigetragen, das wirthschaft-
liche Leben überhaupt auf die Schneide
drohender Catastrophen zu stellen.
Jedes Gulturmittel ist eben immer
auch andererseits zugleich ein Hemmnis
der Cultur. So bereitet der Telegraph
vielleicht ebensoviel Missverständnisse und
Verlegenheiten als er Vortheile gewährt.
Durch die Erfindung Gutenbergs ist die
Literatur wohl verallgemeinert, aber kaum
verbessert worden. Selbst die allerältesten
Erfindungen des Pfluges, des Schiffes,
des Wagens, sind in gewisser Hinsicht
höchst fragwürdig; sie sind auch Werk-
zeuge der Unterjochung, der Ausbeutung
gewesen, mehr vielleicht als der Freiheit
und des Glücks. Jede neue Erfindung macht
die Menschen noch abhängiger. Jede
Verbesserung auf der einen Seite ver-
schlechtert anderwärts etwas. Seit der
Erfindung der Papierfabrikation gibt es
kaum gutes Papier mehr, seit dem Auf-
schwung der Chemie keine haltbare Farbe,
keinen Glauben an die Echtheit des Weines ;
Gas und Elektricität verderben uns Lungen
und Augen u. s. f.
Die Factoren, die das öffentliche Leben
beherrschen, waren vor der Zeit der Eisen-
90
Dr. Reichsfreiherr zu Weichs-Glon.
bahnen gänzlich andere. Das Vereinsleben,
die öffentliche Meinung, die heute etwas
ganz Neues geworden ist, standen früher
unter vollkommen anderen Lebensbedin-
gungen. Wie langsam und träge flogen
die Nachrichten, wie war persönlicher
Austausch erschwert! Erst durch die
Eisenbahnen, diesen bereitwilligen, billigen
und zuverlässigen Trägern der Correspon-
denz, konnte die Post zu ihrer bewunderns-
werthen Organisation und ihren gross-
artigen Leistungen gelangen. Erst durch
die Eisenbahnen konnte die Presse ihren
auf das gesammte Volksleben so mass-
gebenden Einfluss ausüben, ihre heu-
tige Macht und Bedeutung gewinnen.
Die Eisenbahnen haben die Presse zum
Secundenzeiger der Weltgeschichte ge-
macht; sie haben es auch zum guten
Theile bewirkt, dass die Presse nicht die
sechste, sondern vielleicht die erste Gross-
macht geworden ist.
Versammlungen von Berufsgenossen-
schaften und Interessengemeinschaften
ganzer Länder und Reiche, wissenschaft-
liche, wirthschaftliche und politische Con-
gresse und »Tage« u. dgl. waren früher
einfach unmöglich. Heute lässt sich die
Fülle der Vereinsfreudigen und Congress-
bedürftigen kaum erschöpfen.
Zum grossen Theile mit der Eisenbahn
hängt auch der Umschwung in unserer
ganzen Bildung und geistigen Atmosphäre
zusammen. Mit dem Reisen ist unleugbar
eine bedeutende Bereicherung durch neue
Wahrnehmungen und Begriffe, Anschau-
ungen und Erfahrungen an Menschen und
Dingen, eine wesentliche Erweiterung des
geistigen Gesichtsfeldes, und eine Fülle von
Anregung und geistiger Arbeit verbunden,
selbst da, wo die Absicht gar nicht darauf
gerichtet war. Die Eisenbahn ist eine
»neue, grossartige Volksschule« [Knies].
Die Naturwissenschaften sind, vor-
nehmlich auch durch das häufige Reisen,
zum Lieblingsstudium der Zeit geworden.
Die Geographie und Reiseliteratur haben
die philosophische und historische theil-
weise verdrängt. Alle Vorstellungen, wel-
che den Kopf und das Herz der Menge
erfüllen, haben damit eine andere Richtung
genommen. Die Kenntnisse vermehrten,
die Vorstellungen klärten sich. Wir sind
über die elementaren Schranken unseres
Daseins, der Zeit und des Raumes, in
einer Weise Herr geworden, wie kein
anderes Geschlecht je zuvor. Wir erleben
und sehen das Hundert- und Mehrfache
von dem, was unsere Grossväter gesehen
haben, die auf ihren Ferienreisen den
heimatlichen Kirchthurm selten aus dem
Blicke verloren, während heute schon jeder
Mittelschüler in den Ferien in die Alpen
oder in sonst entfernte Gegenden reist.
Vorurtheile fallen, heimische Mängel
machen sich durch den Vergleich mit
Fremdem fühlbar; das als besser Erkannte
oder besser Geglaubte wird nachgeahmt
und übernommen. Die Engherzigkeit
schwindet, der Blick wird freier. Manche
phantastische Irrthümer, aber auch gar
viele Ideale sind wir mit Hilfe der Eisen-
bahnen losgeworden. Daneben gewinnt
auch der Wille. Wir handeln entschlosse-
ner, wie wir intensiver leben, geniessen
und arbeiten. Die Tugend der Präcision
ist vielleicht am meisten gestiegen und
ausgebildet worden. Die Eisenbahnen,
die wie grosse Nationaluhren wirken,
verlangen genaue Einhaltung der Zeit,
und zwingen Alle, die sich ihrer bedienen,
sich nach der bei ihnen geltenden strikten
Ordnung zu richten. Sie erziehen hie-
durch zweifellos in hervorragender Weise
zu Pünktlichkeit und Schätzung des Zeit-
werthes, zum raschen Entsch Hessen sowie
zum Vorgehen und Handeln ohne alle
Umständlichkeit; Eigenschaften, die sich
dann auf das Handeln im Leben über-
haupt übertragen. Nicht unerwähnt darf
hier die Einflussnahme bleiben, welche
die Eisenbahnen auf die für das ganze
Volksleben bedeutsamen Bestrebungen
hinsichtlich Einführung einer einheitlichen
Zeit genommen haben. Bereits eine
grosse Zahl von Städten und Orten hat
die für Oesterreichs Eisenbahnen mass-
gebende mitteleuropäische Zeit [d. i. die
Zeit des Meridians 22 Vg^ östlich von
Greenwich] angenommen.
Mit jener früher angedeuteten Wir-
kung der Eisenbahnen steht wohl auch
in Verbindung, dass man die Jugend
heute mehr fürs Geschäft und weniger
wie früher für das Leben und um der
Bildung selbst willen erzieht. Andrerseits
wird die durch die Eisenbahnen bewirkte
Leichtigkeit der Ortsveränderung und die
Einwirkung der Eisenbahnen auf das Volksleben.
91
damit gebotene Möglichkeit, Vorstellungen
und Kenntnisse gewissermassen im Fluge
zu erlangen und zu erweitem, leicht zur
Oberflächlichkeit der Beobachtung ver-
führen, die vielfach an Gehalt und Ernst
verliert, was sie an Ausdehnung ge-
winnt. Die Folgen davon sind Früh-
reife unserer Jugend, Voreiligkeit des
ürtheils. Viel- und Halbwissen, Mangel
an Innerlichkeit und tieferem Empfinden,
Nervosität und Blasirtheit. So lässt sich
auch die Eisenbahn dem Leben selbst
vergleichen: Je flacher, desto schneller
die Fahrt.
Schnell muss Alles vorwärts gehen!
»Keine Minute verlieren!« ist die Losung,
und das geflügelte Rad, das Sinnbild der
Eisenbahn, ist so recht auch zum Wahr-
zeichen unserer Zeit geworden. Kopf-
schüttelnd würden unsere Grossväter, die
in steifer Gravität noch die gepuderte
Perrücke, Zopf und Haarbeutel trugen,
am Wege stehen bleiben, wenn sie das
Bild der heutigen Welt sähen — —
Mit der Loslösung von der Scholle,
der wachsenden Beweglichkeit, geht die
Anhänglichkeit an die Heimat, und die
Werthschätzung heimischer Einrichtungen
verloren. Wo die Locomotive hindringt,
dort schwinden alte Gebräuche und Sitten,
die dem Zusammenleben in Gemeinde
und Familie vielfach Halt gaben. Die
Sesshaftigkeit, die seit jeher als (^ie Mutter
vieler wichtiger wirthschaftlicher und bür-
gerlicher Tugenden galt, wird geringer.
Die Eisenbahnen bewirken einen fort-
schreitenden und raschen Ausgleich zwi-
schen Stadt und Land; die Herrschaft
der wechselnden Mode verdrängt die alt-
gewohnten eigenartigen Trachten und
Hausgeräthe, an denen gerade wir in
Oesterreich eine so reiche und bunte
Fülle besassen. Den städtischen Bräuchen,
Sitten und Kleidern wird allenthalben
der Weg geebnet.
Aber auch die Demokratisirung der
Gesellschaft wird zweifellos, u. zw. mittel-
bar und unmittelbar,' durch die Eisenbah-
nen gefördert. Einerseits schon durch
den Eisenbahnbetrieb selbst. Alle, ob
hoch oder nieder, ob reich oder arm,
müssen sich der Ordnung des Betrie-
bes fügen. Wer den festgestellten Preis
zahlt, kann die betreffende Wagenclasse
benützen, und hat Anrecht auf die gleiche
Behandlung. Das häufige Nebeneinander-
treten verschiedener Stände auf der Eisen-
bahn ist gewiss auch geeignet, die Unter-
schiede derselben theilweise zu verwischen
und insbesondere in den Vorstellungen
der unteren Volksclassen allmählich auf-
zuheben. Diese Veränderung stärkt dann
den Anspruch auf Gleichberechtigung
auch auf anderen Gebieten und fördert
eine Bewegung, die zu den bezeichnend-
sten unserer Zeit gehört. Andrerseits sind
es die Eisenbahnen, auf die sich die Ent-
wicklung der Grossindustrie vornehmlich
stützt, und die dadurch mittelbar auf die
Entstehung der grossen Arbeitermassen
wirken, deren Heranziehung und Con-
centrirung möglich machen. Die Arbeiter
kommen zum Bewusstsein ihrer Macht,
die Leichtigkeit der Ortsveränderung und
Nachrichtenvermittlung erleichtert auch
ihre Organisation sowie die Verfolgung
gemeinsamer Ziele und Interessen. Dies
und die Beschleunigung des Gedanken-
austausches überhaupt begünstigen das
allenthalben zur Geltung kommende
Streben nach Vergesellschaftung und
führen zu einer gesteigerten Theilnahme
des ganzen Volkes am politischen Leben,
das heute schneller und kraftvoller sich
äussert. Die fortwährende Vermehrung
der Berührungspunkte zwischen den ein-
zelnen Individuen muss noth wendiger weise
bewirken, dass der Collectivismus immer
intensiver in Erscheinung tritt, immer
mehr zunimmt an Geltung, Vertiefung
und Ausbreitung.
Gerade in dieser HinsicRt zeigt sich
vielleicht am deutlichsten der hervor-
ragend sociale Charakter der Eisenbahnen,
die im Dienste des Strebens nach gesell-
schafthcher Hervorbringung, Vervielfälti-
gung, Verbreitung und Benützung aller
geistigen Verkehrsmittel stehen und
zusammen mit diesen die realen Bänder
gesellschaftlicher Verkörperung in Raum
und Zeit bilden.
Dem stehen auf der anderen Seite die
Macht und Gewalt gegenüber, welche
durch die Eisenbahnen in die Hand der
Verwaltung des Staates und der Polizei
gelegt sind. Die Kräfte des Staates können
nun in ganz anderer Weise concentrirt
und von Einer Stelle aus geleitet werden.
92
Dr. Reichsfreiherr zu Weichs-Glon.
Die Eisenbahnen stellen sich daher auch
als ein politisches und administratives
Machtmittel ersten Ranges dar. Indem
sie an sich auch auf Erhöhung des Be-
wusstseins nationaler und staatlicher Zu-
sammengehörigkeit wirken, die einzelnen
Glieder des Volkes einander nähern,
bilden sie ein festes Band für die staat-
liche Organisation. Schon zur Zeit, da
die Eisenbahnen noch in der Wiege lagen,
besang ein Dichter [Becker 1838] die
Eisenbahnactien als »Wechsel, ausgestellt
auf Deutschlands Einheit« und die Schie-
nen als »Hochzeitsbänder und Trauungs-
ringe«. Wo diese Wirkung nicht in Er-
scheinung tritt, wie gerade zeitweise in
unserem Vaterlande, da wird sie eben
durch stärkere Gegenbewegungen ver-
hüllt oder überwunden. Aber schliess-
lich kann der nachhaltige Einfluss der
Eisenbahnen auch in dieser Hinsicht nicht
verloren gehen.
Eine besondere Kräftigung erfährt die
Staatsgewalt natürlich dort, wo der Staat
den Betrieb der Eisenbahnen führt, und
damit ein ganzes Heer von treuen Die-
nern gewinnt, die sich in Erfüllung schwe-
rer Pflichten vor allen anderen ausge-
zeichnet und bewährt haben. Und diese
Zahl ist nicht geringe; nach der Volks-
zählung von 1890 beschäftigt der Eisen-
bahnbetrieb in Oesterreich rund icx>.cxx>
und ernährt bei 330.000 Personen. Aber
auch die Regelung des Eisenbahnbetriebes
durch den Staat, die Erstellung der Fahr-
ordnungen und Tarife mit ihrem weit-
gehenden Einflüsse auf Bestehen und
Entwicklung aller Wirthschaftszweige
bildet eine der Voraussetzungen, um die
Leitung der gesammten Volkswirthschaft
in die Hände der hiezu berufenen staat-
lichen Gewalt zu legen.
So stellen sich die Eisenbahnen als
ein wesentlicher Bestandtheil des Volks-
vermögens in dessen weitestem Sinne dar,
als ein wichtiges Glied jenes weitver-
zweigten Apparates für den organisch-
leiblichen Unterhalt, für die persönliche
Einzelthätigkeit und für die reale Ver-
knüpfung aller Personen zur unendlich
verzweigten Gemeinschaft geschäftlichen
Zusammenwirkens und geistiger Mitthei-
lung. Die Eisenbahnen sind das vornehmste
Organ jenes grossartigen Apparates des
äusseren Wirkens und des inneren
Verbandes für die Volksgemeinschaft.
Und wie im einzelnen Staate, so
wirken die Eisenbahnen auch in ganzen
Staatenwelten in tief einschneidender
Weise. Man wird nicht fehlgehen mit
der Behauptung, dass an dem Bestreben
zur Bildung von Grossstaaten und Staaten-
bünden die Eisenbahnen nicht unwesent-
lichen Antheil haben, indem gerade durch
sie jene Gleichartigkeit der wirthschaft-
lichen und gesellschaftlichen Interessen
weiter Gebiete erzeugt wird, welche der
Bildung von Kleinstaaten entgegensteht.
Jene Interessen verlangen möglichste
Gleichartigkeit in Gesetzgebung und Ver-
waltung und den Schutz einer starken
Macht gegen innere und äussere Feinde.
Aber auch in den friedlichen Beziehungen
der Staaten untereinander treten deutlich
die Einflüsse der Eisenbahnen zu Tage, die
den Verkehr von Volk zu Volk ver-
mitteln, die Interessen verknüpfen, die
gegenseitige Kenntnis vermehren, zum bes-
seren Verständnisse und zur gerechteren
Beurtheilung der beiderseitigen Eigenarten
beitragen, so als wahre Friedensträger
wirken, und als Hauptstützen einer Frie-
denspolitik dienen, wie solche Oesterreich
unter seinem weisen Herrscher mit so
grossem Erfolge und zum Segen seiner
Völker, wie der ganzen Culturwelt, verfolgt.
Wenn es dagegen gilt, das Vaterland
in schwerer Stunde der Gefahr zu ver-
theidigen, für den Thron zu kämpfen
und die Integrität der eigenen Volks-
wirthschaft zu schützen, da spielen die
Eisenbahnen auch wieder eine erste
Rolle. Auf dem Gebiete des Kriegs-
wesens haben sie grossartige Wirkungen
nach sich gezogen, und die Wehrhaftig-
keit der Völker in ungeheuerem Masse
gesteigert. Der wirthschaftliche wie der
sittliche Einfluss grosser Kriege ist ins-
besondere durch die Eisenbahnen ein
ganz anderer geworden. Die Wichtig-
keit der Eisenbahnen in dieser Hinsicht
liegt nicht allein darin, dass, wie an
anderer Stelle dargethan wird, *) den unge-
heueren im Felde stehenden Heeresmassen
Proviant und Munition, der erforderliche
! *) Vgl. Bd. IL, »Unsere Eisenbahnen im
■ Kriege«.
Einwirkung der Eisenbahnen auf das Volksleben.
93
Ersatz an Mannschaft, Pferden, Waffen
und sonst Noth wendigem zugeführt wird,
und die Kranken und Verwundeten in
Lazarethe oder die Gefangenen in die
Heimat zurttckbefördert werden. Durch
ihre ausserordentliche Bedeutung für die
Mobilmachung, als Mittel zur Durch-
führung von Aufmarsch und Angriff, zur
Vereinigung der Macht an bedrohten Punk-
ten des Kriegsschauplatzes und zu Be-
wegungen hinter der Front ermöglichen
sie einerseits auch eine beispiellose Schlag-
fertigkeit der modernen Armeen und
stellen eine strategische Waffe von ge-
waltiger Kraft dar, andrerseits jedoch be-
wirken sie eine wesentliche Verkürzung
der Kriege. Wenn es wahr ist, dass der
culturfeindliche verwildernde Einfluss der
Kriege sich hauptsächlich bei längerer
Dauer derselben zeigt, so liegt in der
Abkürzung der Kriege einer der grössten
Fortschritte menschlicher Cultur. Und
wenn früher die Gegenden, in denen der
Krieg gehaust hatte, auf Jahre hinaus
verarmten, so sind es heute wieder die
Eisenbahnen, die, dem Speere des Achilles
gleich, die Wunden, die sie schlagen
halfen, in Kürze auch wieder heilen.
Noch sei der Förderung gedacht,
welche die Wissenschaften als solche
durch die Eisenbahnen erfahren haben.
Zunächst die Elektrotechnik, Telegraphie,
und neuestens das Telephon, durch die
Bestrebungen, diese in immer ausgedehn-
terem Masse in den Dienst des Eisen-
bahnwesens zu stellen. Zweifellos wird
die Zukunft in dieser Beziehung noch
grosse Aufgaben zur Lösung bringen,
deren Anfänge wir in den bereits heute
elektrisch betriebenen Bahnen sehen.
Sämmtliche Ingenieur Wissenschaften ,
die Messkunst und Mechanik, die Statik
und Dynamik, sind durch den Eisenbahn-
bau in kürzester Zeit in ganz ausser-
ordentlicher Weise gehoben worden. Wir
sehen die bisherigen Ergebnisse dieser
Wissenschaften theilweise umgesetzt in
den Locomotiven, Waggons, Maschinen
und Werkzeugen aller Art, in den Brücken,
Viaducten, Tunnels, Aquäducten, in Sicher-
heits- und Signalvorrichtungen u. a. m.
Die Metallurgie ist durch die Eisenbahnen,
den Haupteon sumenten von Eisen, Stahl,
Kupfer und Bronzen, in ein ganz neues
Stadium getreten. Auch für Geographie
und Geologie, Ethnologie und Geschichte
haben die Eisenbahnen manchen grossen
Gewinn gebracht. Der Rechtswissenschaft
wurde durch die Eisenbahnen und deren
mannigfache Beziehungen zu Staat, Ge-
sellschaft und Einzelnen ein ungeheueres
und gänzlich neues Feld eröffnet. Infolge
der geänderten Verkehrsverhältnisse muss-
ten ganze Gruppen positiven Rechtes neu
geschaffen werden. Das private, öffent-
liche und Völkerrecht erfuhren durch
den Einfluss der Eisenbahnen weit-
gehende Umgestaltung und Ergänzung. Ja,
es wird überhaupt kein Wissenszweig zu
nennen sein, der nicht an diesem Gewinne
theilgenommen hat. Denn die Eisen-
bahnen vermitteln nicht nur den so wich-
tigen Austausch von Nachrichten, den
persönlichen Verkehr und Bücherversandt,
sie ermöglichen den Besuch der Brenn-
punkte des geistigen Lebens und erleich-
tem die Beschaffung des wissenschaft-
lichen Arbeitsmateriales. Einerseits wird
das letztere aus der ganzen Welt in die
Stube des Gelehrten zusammengezogen,
andrerseits eilt der Forscher hinaus an
die Stätten des Geschehens. So haben
sich auch Methoden und Hilfsmittel der
Wissenschaften verändert, erweitert, ver-
schärft und dementsprechend sind die
staunenswerthen Ergebnisse auf allen Ge-
bieten des Forschens und Wissens.
Durch Vermittlung der Eisenbahnen
ist die geistige Arbeit unserer Zeit viel
weniger wie früher blos eine Summe
logischer Einzelthätigkeiten und isolirt
betriebener Künste ohne Zusammenhang,
sondern Eine grosse historische Gesammt-
leistung geworden. Sie ist durch die
Eisenbahnen Collectivarbeit geworden,
ein grosses arbeitstheiliges System beson-
derer praktischer und theoretischer Er-
kenntnisacte auf Grund ununterbrochener
Tradition und nunmehr ermöglichter Com-
munication der einzelnen Vorstellungen.
Der Einfluss, den die Eisenbahnen aui
Kunst und Kunstschaffen genommen
haben, lässt sich zwar nicht in gleicher
Weise unmittelbar nachweisen und er-
kennen ; ^ber zweifellos hat auch hier ihr
Einfluss gewirkt, indem sie einerseits
zahlreichen Künstlern und Kunstfreunden
die Möglichkeit gewähren, die Stätten
94
Dr. Reichsfreiherr zu Weichs-Glon.
antiker Kunstdenkmale, die Sammlungen
und Ausstellungen von Kunstschätzen
alter und neuer Meister, die Theater und
Aufführungen von Tonwerken zu be-
suchen. Was früher nur ganz besonders
Auserwählten vergönnt war, ist heute —
ideell — fast Jedem zugänglich gemacht.
Die Eisenbahnen wirken in diesem Sinne
auf Popularisirung der Kunst; d. h. sie
würden an sich wohl ein Mittel bilden,
um das gesammte Kunstschaffen gewisser-
massen unter die Controle des ganzen
Volkes zu stellen. Den Eisenbahnen
einen unmittelbaren Einfiuss auf die Rich-
tung und Ideale der modernen Kunst zu-
zuschreiben, wäre vielleicht zu weitgehend.
Es kann jedoch kaum geleugnet werden,
dass die Eisenbahnen infolge ihrer weit-
reichenden Beziehungen und tiefein-
schneidenden Wirkungen auf allen Ge-
bieten des socialen Lebens, der physischen
Arbeit und des geistigen Schaffens nicht
unwesentlich zu dem Vordringen des
Materialismus auf ethischem Gebiete bei-
getragen und derart auch in dieser Hin-
sicht auf die Entwicklung der Kunst mit-
gewirkt haben. Die Ursachen dieses
Processes sind jedoch zu verwickelt, um
den besonderen Antheil der Eisenbahnen
daran bestimmen zu können.
Wohl hängt ja auch sonst ein grosser
Theil der ernsten Bedenken, die man
gegen unsere Zeit und die gegenwärtige
Entwicklung der menschlichen Gesell-
schaft und ihrer Cultur im Allgemeinen
in berechtigter Weise erheben kann,
mittelbar oder unmittelbar mit den Eisen-
bahnen zusammen. Aber vielleicht, ja
gewiss sind die vielfach schweren Uebel-
stände nicht nothwendig und nicht dauernd
mit unseren modernen Einrichtungen ver-
bunden. Vielleicht lassen sie sich durch
anderweitige, entgegenwirkende Organi-
sationen, durch geläuterte Sitten und An-
schauungen beseitigen; vielleicht ist ein
wesentlicher Theil dieser Uebelstände
nur eine Uebergangserscheinung und mit
einer bestimmten und zu überwindenden
Entwicklungsphase verknüpft. Aber vor-
derhand bestehen sie — und sie bestehen
auch bei uns, das ist nicht zu leugnen.
Andrerseits ist aber auch nicht zu ver-
kennen, dass wir auf der Bahn des Fort-
schrittes und der Culturentwicklung
gerade und vornehmlich durch die Eisen-
bahnen ganz ungeheuer rasch vorange-
kommen sind, wenn sich dieser Fortschritt
auch nicht auf allen Lebensgebieten
gleichmässig vollzogen hat, ja, dass w-ir
in der Technik, und insbesondere in der
Technik des Verkehrs viel schneller vor-
wärts gekommen sind, als in unseren
sittlichen Anschauungen und gesellschaft-
lichen Einrichtungen. Aber man muss sich
auch bewusst bleiben, dass sich die grossen
Fortschritte der Menschheit immer nur
in heissen, oft bis zur theilweisen Ver-
nichtung führenden Kämpfen und in Ein-
seitigkeit vollziehen, und dass es nicht
einem Zeitalter vergönnt sein kann, auch
alle die Früchte zu ernten, zu denen es
selbst die Saat gelegt hat.
Wir nennen unser Zeitalter stolz ein
prometheisches. Seien wir darum auch
eingedenk der Worte, welche die erhabene
Göttin des Lichtes Prometheus zurief:
»Gross beginnt ihr Titanen! Aber
leiten zu dem ewig Wahren, ewig
Schönen, ist der Götter Werk; die
lasst gewähren!«
So dürfen auch wir in Zuversicht
hoffen, dass eine Zeit kommen wird, in
der die Eisenbahnen als das uneinge-
schränkt wirken werden, was sie ihrem
eigentlichsten Wesen und dem ihnen
innewohnenden Streben nach sind: Als
eine der vornehmsten Waffen und W^erk-
zeuge für die Civilisation und für die
Cultur der Menschheit! — Dabei bleibe
uns jedoch stets bewusst, dass wir nicht
glücklicher und nicht besser werden durch
die Cultur, dass diese ja gar nicht dazu
da ist, unser Leben glücklicher zu ge-
stalten, unsere Moral zu verbessern, uns
pflichtgemässer, tüchtiger, gesünder zu
machen. — Die Cultur ist nichts als ein
grossartiges Kampfmittel des Geistes
gegen die Natur und gegen Mitbewerber.
Von diesem Gesichtspunkte aus müssen
auch die Eisenbahnen angesehen werden.
Die Stellung
Eisenbahnen im Welthandel.
Von
Dk. Alexander Peez.
I.
DIE alten Griechen pflegten das Land
ihrer Heimat mit einem Platanen-
blatte zu vergleichen. Das Bild ist
zutreffend. Denn wie das genannte Blatt
im Ganzen eine längliche Rundung be-
sitzt, wie aber sein Rand mannigfach ge-
brochen ist und einzelne Zacken und
Spitzen weit herausragen, dazwischen
Lücken und Einbuchtungen tief in den
Blattkörper eindringen — ebenso stellt
sich die griechische Halbinsel unseren
Blicken dar.
Allein wir können noch einen Schritt
weiter gehen. Griechenland ist nämlich
der Form nach ein Europa im Kleinen,
und das Gleichnis vom Platanen blatte
lässt auch auf den europäischen Welt-
theil seine Anwendung zu. Nur ist
dabei zu beachten, dass Griechenland
seine Spitze gegen Süden, Europa aber
gegen Westen kehrt. Dann aber ist die
Aehnlichkeit nicht abzuweisen. Beide
Länder sind Halbinseln und zeigen eine
stark ausgezackte, durch weite Buchten
eingerissene Küstenentwicklung. [Vgl.
Abb. 8, 9, lo.]
Fasst man nun unseren Welttheil
etwas genauer ins Auge, so gewahren
wir Folgendes:
Auf drei Seiten vom Meere umspült,
ist Europa eine Halbinsel, und zwar eine
in die Atlantis hineinragende, im Süden
vom Mittelländischen Meere, im Norden
von der NordseeundOstseefiankirteHalb-
insel Asiens. Im Gegensatze zur massigen
Gestalt Asiens, Afrikas und theilweise
auch Amerikas, erscheint Europa auf-
gelockert und durch Buchten gespalten,
gleichsam ein Stern von Inseln und
Halbinseln.
Unser Welttheil zeigt einen mittleren
Kern, der von Ost nach West an Umfang
abnimmt, und an diesen Mittel stamm
setzen sich dann rechts und links als
Glieder Inseln und Halbinseln an.
Den Stamm bilden das den Uebergang
zu Asien ausmachende Russland, dann
folgen als eigentliche Mittel! ander Oester-
reich-Ungam und das Deutsche Reich
sowie weiter Frankreich. An diesen
mittleren Leib setzen sich rechts an:
Grossbritannien, Dänemark, Skandinavien,
links aber Spanien, Italien und die
Balkan lande r.
Diese Gestaltung des Welttheil es
musste mächtigen Einfluss üben auf die
Entwicklung der Völker, auf die Zeit-
folge und Dichte ihrer Cultur, auf
die Entfaltung von Schifffahrt, Handel,
Gewerbe und Industrie sowie auf die
Stellung der einzelnen Länder im Welt-
handel.
Der Charakter Europa 's als eines
Sternes von Halbinseln von grosser
Küstenlänge, öffnete dem Handel sichere,
wohlzugängliche Buchten und verviel-
fältigte dadurch Anlage und Gelegenheit
zur Entwicklung von Handel und Verkehr
in einer Zeit, wo Jahrtausende hindurch
der Seehandel fast die einzige Form des
Grosshandels war und jedenfalls in Allem
und Jedem an Bedeutung den Landhandel
98
Dr. Alexander Peez.
übertraf, der so oft von Feinden beun-
ruhigt ward, am zähen Boden haftete und
nur von schwachen Menschen- oder Thier-
kräften besorgt werden konnte.
Demgemäss Hessen sich Verkehr und
Cultur am liebsten in Gegenden mit
grosser Küstenlänge nieder. Also auf
Inseln und Halbinseln. Das zeigt sich
im Laufe der Geschichte an den Küsten
des Mittelmeeres: im alten Phönikien,
in Jonien, Griechenland, Italien, der
Provence; später auch am Atlantischen
Ocean: in Flandern, den Hansestädten,
Holland und Grossbritannien.
Mit Entstehung der Eisenbahnen
hat sich dieser uralte Grundsatz der
Geschichte einigermassen geändert. Erst
durch die Eisenbahnen erweitert sich die
Verkehrsfähigkeit, die sonst nur an See-
gestaden oder schiffbaren Flüssen haf-
tete, über weite Ländergebiete; diese
werden gleichsam mit eisernen Ebenen
durchzogen, ihren Erzeugnissen wachsen
Flügel, jede Kraft gelangt zur Verwer-
thung, ein Austausch wird möglich und
gewinnbringend, es bilden sich Erspar-
nisse, die Production steigt, die Cultur
verdichtet sich, die Länder werden zu
einer gewissen verkehrspolitischen Ein-
heit verbunden und suchen ihre richtige
Stellung im Welthandel zu erstreiten.
Auch für die Länder mit starker
Küsten-Entwicklung haben die Eisenbah-
nen selbstverständlich hohe Wichtigkeit.
Aber noch viel grösser ist deren Bedeu-
tung für Binnenländer, wieOester-
reich-Ungarn.
In beiden Fällen ist die Wirkung der
Bahnen etwas verschieden. Zwei Bei-
spiele werden es zeigen, indem wir Gross-
britannien, welches loo^o Küstengrenze
hat, mit Oesterreich-Ungarn vergleichen,
welches nur 22®/q Küstenlänge und auch
diese meist in abgelegener Gegend
besitzt.
England, ganz Küstenland, wird durch
die Eisenbahnen zu einem einzigen, von
Nerven, Blutadern und Muskeln des Ver-
kehrs dicht durchzogenen Organismus
gemacht und dadurch in sich noch
schärfer zusammengefasst, als es dies
schon durch seine Eigenschaft als Insel
gewesen ist. Der Einfluss des Meeres
und seiner Häfen wird durch die Bahnen
noch mehr als bisher in das Innere des
Landes getragen. Der ganze Eisenbahn-
verkehr Englands ist Inlandsverkehr. Es
gibt keine Eisenbahnanschlüsse, oder,
richtiger gesagt, Englands Häfen sind
die Eisenbahnanschlüsse, und es bilden
[für kleine Entfernungen] Trajecte, für
grössere Entfernungen aber Schiffe, die
in alle Welt hinausgehen, die Fort-
setzung seiner Eisenbahnen. Ein Durch-
zugsverkehr besteht nicht, wenn man nicht
etwa das Umladen von Fremdwaaren in
den Häfen als solchen bezeichnen will.
Dagegen ist die reich fliessende Quelle
für das Gedeihen der englischen Eisen-
bahnen die ungeheure englische Industrie,
welche, insoweit ihre Werkstätten nicht
an der See liegen, von den Bahnen colos-
sale Gütermengen aufnimmt, und in ver-
arbeitetem Zustande wieder abgibt. Daher
ist denn auch die stete Concurrenzirung
der Bahnen durch die wohlfeile See-
fracht [abgesehen von Fluss und Canal]
für die Rentabilität der Bahnen minder
gefährlich, als in Ländern von geringer
Industrie, wo der Durchzugs verkehr und
überhaupt der Verkehr auf langer Linie
eine grosse Rolle spielt. Die Fühlung
mit der Aussenwelt sucht England nicht
durch seine Bahnen, sondern durch seine
Schiffe. Der grosse Austausch zwischen
Landwirthschaft und Industrie, auf wel-
chem alle schaffende Arbeit beruht, voll-
zieht sich in England nicht mehr durch
inneren Verkehr, sondern durch Welt-
verkehr. Seine Ackerfluren liegen in
den Vereinigten Staaten, in Indien oder
Argentinien, seine Wälder grünen am
Lorenzostrom oder am Orinoco, seine
Viehhöfe stehen in Australien oder am
La Plata, und die Bezahlung dieser land-
wirthschaftlichen Erzeugnisse erfolgt
durch Artikel der englischen Industrie
oder als Verzinsung von Capitalien, welche
von der Industrie geschaffen wurden. Bei
diesem unermesslichen Verkehre spielen
die Eisenbahnen nur die Rolle der Zubrin-
ger, oder — und auch dieser Ausdruck
wäre gerechtfertigt — das Inselland Eng-
land ist der grosse, dicht mit Geleisen
belegte Bahnhof, wo Schiflszüge aus aller
Welt über See eintreffen und von wo sie,
mit Erzeugnissen der englischen Indu-
strie beladen, auslaufen. England ist
daher eine Welt für sich. Es hat das
übrige Europa kaum nnthig, ja seine
Interessen bewegen sich oft in einem
gewissen Gegensatze zu den Interessen
Europas.
Ganz anders in Oesterreich-Ungarn.
Die Monarchie bildet das geographische
Gegenspiel zu England. Dort eine Insel,
bei uns das binnenländischeste Binnen-
land. Dort umspült das Meer die ganze
Grenze, hier nur '/s derselben. Dort
rechnend, hier, mitten unter Genossen,
und zwar concurrirenden Genossen, die
Stellung der Bahnen oft gebunden, ihre
Tarifpolitik schwierig, die Leitungen stets
gemahnt, dass sie bei aller Selbständig-
keit, doch einen Theil Europa's durch-
ziehen, und zwar einen Theil des euro-
päischen Mittelstammes, nicht aber eine
seiner Inseln und Halbinseln.
Die Parallele liesse sich noch weiter
durchführen, aber sie würde dann Gebiete
liegt die Hauptstadt unmittel-
bar an der See, hier zwischen
Hauptstadt und dem wich-
tigsten Seehafen des Reiches
eine grosse Entfernung. Dort
eine alte, consohdirte riesen-
hafte Industrie, gelehnt an
Kohlenfelder und See, also |
an die Quellen der Kraft Abt
und des leichtesten Trans-
portes; hier dagegen erst die Anfänge
der Industrie und vielfach, da vom Aus-
lande herein verpflanzt, excentrisch an
den Grenzen und durchweg weit von
der See, vielfach auch weit von den
Kohlen entfernt. Dort der U ebergang
vom biniienländischen Austausch zwi-
schen Landwirth Schaft und Industrie zum
Weltverkehr bereits vollzogen und mit
allen seinen Folgen durchgedrungen, hier
der Uebergang erst angedeutet und daher
die Rücksichtnahme auf das bestehende,
gemischte Verhältnis nothwendig. Dort,
auf der Insel, die Bahnen frei und nur
mit den Interessen des eigenen Landes
die Mög
der Mona;
in grosse
wurde.
berühren, die hier ferne blei-
ben müssen.
Das Gesagte jedoch mag
genügen, um darzuthun, dass
durch die Eisenbahnen
die Eigenschaft der
Monarchie als eines
Binnenlandes wesent-
lich verbessert und erst
durch die Eisenbahnen
chkeit einer Theilnahme
rchie am Welthandel
Stile geschaffen
Zu dem Gleichnisse des Platanen-
blattes zurückkehrend, zeigt sich uns
O esterreich -Ungarn als ein Land der
Mitte, den Südosten dieser Mitte des
Blattes bildend, und gleichzeitig ein
Land, welches, über der grossen Bucht
des Adriatischen Meeres aufgebaut, zwei
IC»
Dr. Alexander Peez.
Zacken des Blattes, nämlich die Balkan-
halbinsel und die Apenninische Halbinsel
verbindet.
Oesterreich-Ungarn ist so sehr Land
der Mitte, dass seine Hauptstadt von der
See entfernter ist, als die jedes anderen
europäischen Landes. Diese wichtige
Thatsache wird durch nachstehendes
Bild deutlicher:
Berechnet man lediglich auf Grund-
lage der Entfernungen die Frachtpreise,
so ergibt sich, dass die durchschnittlichen
Transportkosten nach oder von dem
nächsten Seehafen in folgendem Verhält-
nisse stehen : Beispielsweise bei Getreide
für Paris und Berlin pro Metercentner
etwa 30 Kreuzer ö. W., für Wien je-
doch 90 Kreuzer; pro Metercentner Stab-
a) London
b) St. Petersburg
c) Constantinopel
d) Rom
e) Berlin
f) Paris
j Madrid
Entfernung der europäischen Hauptstädte vom Meere.
London, St. Petersburg und Constan-
tinopel besitzen den grossen Vorzug einer
Lage unmittelbar an der See. Dann
folgen Rom, Berlin, Paris, zuletzt kommen
Madrid und Wien, zwei Binnenstädte,
die ungefähr gleichweit von dem Meere
entfernt liegen.
Durch die Eisenbahnen ist nun aller-
dings dieser Fehler der geographischen
Lage verbessert, aber darum noch lange
nicht aufgehoben.
Legt man die durchschnittliche Ge-
schwindigkeit eines Postzuges zu Grunde,
so braucht der Güterverkehr, um von der
Hauptstadt zur See zu gelangen:
London, St. Petersburg,
Constantinopel
Berlin -Stettin . .
» Hamburg .
* Kopenhagen
TrajectJ . . .14
Paris-Havre 7
» Calais 8^
» Brest 20
* Marseille • • • - Z3
Wien-Triest 21
» Hamburg . . . . 307»
[mit
o Stunden
7
9V2 ^
2
»
Der Charakter Wiens als Binnenstadt
tritt in dieser Vergleichung scharf hervor.
Der nächste Hafen, Triest, ist dreimal
so weit, als Stettin von Berlin und Ha vre
von Paris.
eisen für Paris und Berlin • 34 Kreuzer,
für Wien 102; bei Manufacten für
Paris und Berlin 50, für Wien 146 Kreu-
zer ö. W.
Die weite Entfernung Wiens von der
See erschwert demnach den Verkehr,
zumal den Ausfuhrverkehr, sehr bedeu-
tend. Noch grösser sind vielleicht die
moralischen und politischen Nachtheile.
Es weht in Wien zu wenig Salzwasser-
luft. Da, wo die See fluthet, da ist der
Handel zu Hause, da weiss man dessen
Werth und Bedeutung zu würdigen. Ein
Blick in die öffentlichen Blätter einer
See- und Hafenstadt zeigt, welche Stellung
die wirthschaftlichen Interessen in der
öffentlichen Meinung einnehmen. Von da
dringen sie in die leitenden Kreise, und
Gesetzgebung und Verwaltung lernen mit
ihnen zu rechnen, sie als unentbehrliche
Grundlage des Volkswohlstandes, der
Staatswirthschaft und des Gedeihens des
Reiches zu betrachten, woraus selbst-
verständlich auch dem Verkehre die beste
Förderung erwächst.
in.
Wenn in dieser Hinsicht die binnen-
I ländische Lage der Hauptstädte Wien
und Pest, sowie der ganzen Monarchie
nicht günstig zu nennen ist, so bringt
Die Stellung unserer Eisenbahnen im Welthandel.
lOI
doch auch wieder dieselbe Lage dem
Eisenbahnverkehre manche Vortheile.
Je weniger Seeküste, je weniger
schiffbare Flüsse und Canäle, um so
wichtiger und dankbarer die Rolle der
Eisenbahnen !
Ein wohlausgebildetes Eisenbahnnetz
verwandelt bis zu einem gewissen Punkte
das Binnenland in ein Küstenland. Gleich-
wie die Eisenbahn den Industriellen,
der für den Weltverkehr arbeitet, von
der Nothwendigkeit der Anlage seiner
Fabrik an der See- oder Wasserstrasse
unabhängig macht, so ist es umgekehrt,
die Industrie, die, wenn von den
Eisenbahnen entsprechend unterstützt,
das Binnenland von der Herrschaft der
Küstenländer frei macht. Indem sie
starke und regelmässige binnenländische
Verbrauchscentren ins Leben ruft, schafft
sie einen binnenländischen Massen-
verkehr, den einst nur die Küsten, nur
einige wenige begünstigte Flussthäler
kannten.
Die Kohle, der Masse nach der grösste
Verbrauchsartikel der Industrie, schafft
die bestrentirenden Bahnen. Der Kohle
folgt das Eisen. Wo Kohle und Eisen,
da ist auch die Maschinen-Industrie, die
chemische Industrie, die Zucker-Industrie
nicht ferne. Ein Waggon fertiger Eisen-
waaren, die der Bahn übergeben werden,
setzt schon lo Waggons Roh- und Hilfs-
stoff'e voraus, die zur Erzeugung noth-
wendig waren; wird dieser Waggon
fertiger Eisenwaaren nicht im Inlande
verbraucht, sondern exportirt, so tritt
noch das Porto zur Grenze hinzu, und
es bleibt dann noch Raum für einen
zweiten Waggon zur Deckung der Lücke
im inländischen Verbrauche. Daher der
Erfahrungssatz : wo die Industrie
ihre Standorte gewählt hat, da
gedeihen die Eisenbahnen.
Durch die Industrie werden die schwe-
ren Rohstoffe des Binnenlandes in leicht-
beschwingte Fabrikate umgestaltet, die,
in weniger voluminöser Form grösseren
Werth bergend, dem Exporte zustreben.
Bei einem Culturstaate ist es nicht
die Ausfuhr von Rohstoffen, sondern
die Ausfuhr von Fabrikaten, womit der
active Antheil am Weltmarkte errungen
wird.
IV.
Wie steht es nun mit unserem Export-
verkehre in Fabrikaten? Die Antwort
findet man in nachfolgender Tabelle:*)
Fabrikaten-Ausfuhr der Hauptländer
MIll.
Gold-
gulden
Grossbritannien . . .
Deutsches Reich . . .
Frankreich
Vereinigte Staaten .
Niederlande ......
Oesterreich-Ungarn .
Belgien
Schweiz
Britisch-Ostindien . .
Spanien
Italien
Russland
Andere Länder ....
I9i3r
II 53-0
852-2
4856
3310
2965
290-4
212-8
1727
1118
1078
984
453
Pcr-
cente
295
178
13-2
75
5-1
4-6
4-5
3'3
2-6
17
17
1*5
72
auf den
Kopf
Gold-
g^ulden
48-9
233
22-2
70
704
68
467
73'3
0-6
65
32
i-o
[
Ueberhaupt 64780
Damach steht Grossbritannien mit 29*5
Percent aller dem Welthandel übergebenen
Fabrikaten an der Spitze, woraus sich die
verhältnismässig gute Verzinsung der eng-
lischen Eisenbahnen erklärt, obwohl sie
keine Tonne Durchzugsverkehr haben.
Dann folgen das Deutsche Reich mit
17*8, Frankreich mit 13-2 und die Ver-
einigten Staaten mit 7*5 Percent. Man
sieht aber auch aus dieser Zusammen-
stellung, wie emsige, gut verwaltete
kleinere Staaten — die Schweiz, Nieder-
lande, Belgien — per Kopf höhere Werthe
schaffen, als selbst die grossen Industrie-
staaten. Was Oesterreich-Ungarn betrifft,
so beträgt sein Antheil am Gesammt-
export 4*6 Percent, die Erzeugung per
Kopf 6 '3 Goldgulden. Ausfuhr von Fa-
brikaten und Rohstoffen [Getreide] halten
sich in Oesterreich-Ungarn einstweilen
noch das Gleichgewicht. Doch liegt die
wirthschaftliche Zukunft in der Ausfuhr
der Fabrikate.
*) G. Raun ig, Mittheiluneen des »In-
dustriellen Club« vom II. Octooer 1895.
I02
Dr. Alexander Peez.
V.
Nachdem im Vorausgegangenen die
überragende Bedeutung der Industrie für
den inneren Verkehr der Eisenbahnen fest-
gestellt wurde, wenden wir uns nun einem
zweiten wichtigenNährelemente derBahnen
zu: dem Durchzugsverkehre.
Wenn im Handel im Allgemeinen die
Küsten und folglich die Halbinseln Eu-
ropas im Vortheile sind, so treten da-
gegen im Durchzugsverkehre der Eisen-
bahnen die mitteleuropäischen Binnen-
länder in den Vordergrund.
Dies gilt zunächst für den Handel der
europäischen Länder unter sich. Wenn
das mittlere Russland Weizen nach der
Schweiz schickt, bedient es sich in der
Regel der österreichischen und deutschen
Bahnen. Wenn die Balkanhalbinsel Bor-
stenvieh nach den Niederlanden sendet,
so führt der Transit durch Oesterreich-
Ungarn und Deutschland. Die nach Süd-
deutschland bestimmten Weine Spaniens
werden zu Lande sich der französischen
Bahnen bedienen. Kohlen und Eisenbahn-
schienen Belgiens suchen auf französischen
oder deutschen Bahnen die Schweiz und
Italien auf Italien und Skandinavien sind
klimatisch genug verschieden veranlagt,
um einen Austausch ihrer Erzeugnisse zu
begründen ; wenn Italien seine Südfrüchte
nach Skandinavien oder Skandinavien seine
geräucherten Fische nach Italien schickt,
so fallen ihre Waaren als Durchzugsgut
den Eisenbahnen Deutschlands und Oester-
reichs zu. In vielen Fällen wird die Seelinie
Concurrenz machen. Je nach Lage, Natur
des Artikels, Conjunctur der Fracht [die See-
fracht unterliegt viel grösseren Schwan-
kungen] wird bald die Landfracht, bald
die Seefracht besser conveniren, die Land-
fracht aber wird jedenfalls sich der mittel-
europäischen Bahnen bedienen müssen.
Auf beifolgender Karte [vgl. Karte
Abb. II.] sind die wichtigsten Handels-
linien Europas verzeichnet.
Wirft man einen Blick auf diese
Handelsrouten, so wird man finden, dass
sie sich im mittleren Europa kreuzen.
Dies ist der Grund, warum die drei Mittel-
länder Europas — Russland kommt noch
nicht in Betracht — warum Frankreich,
Oesterreich-Ungarn und das Deutsche
Reich einen beträchtlichen Durchfuhr-
Verkehr haben. Wenn im Ganzen die
Küsten und insbesondere die Halbinseln
Europas für den Handel sich als be-
günstigt erwiesen haben, so finden wir
dagegen eine gewisse Schadloshaltung
im Landhandel, im Durchzugsverkehre der
Eisenbahnen, wo die Mitte Europas,
die wir im Früheren als den Leib Europas
bezeichneten, entschieden in den Vorder-
grund tritt. Hier die Ziffern:
Durchfuhr durch:
Frankreich [1892] 4-85 MiU. MCtr.
Oesterreich-Ungarn [ 1 895] 5 '37 » »
Deutschland [1894] 24-53 » »
Hier zeigt sich das Deutsche Reich mit
einer Durchfuhr von über 24 Millionen
Metercentner als das eigentliche Land
der Mitte, wo die meisten Verkehrswege
sich kreuzen. Demgemäss besitzt das
Deutsche Reich die meisten Eisenbahn-
Anschlüsse [76] und ist in der Lage eine
TarifpoHtik zu üben, die durch ihre, aus
Verstaatlichung entsprungene Einheit, in
grossen Zügen zu arbeiten vermag.
Prüft man kurz, worin die Durchfuhren
von Frankreich, Oesterreich-Ungarn und
Deutschland bestehen, so zeigt sich, dass
in der französischen Durchfuhr die
Schweiz und England die Hauptrolle spie-
len. Die Schweiz als Ursprungsland [Prove-
nienz] liefert dem Werthe nach etwa 45^0
der Eintritts waaren zur Durchfuhr, während
England als Bestimmungsland mit 28 "/q
der abgehenden Durchfuhrswaaren voran-
steht. Mit andern Worten : Die Schweiz be-
dient sich Frankreichs als ihres Spediteurs,
I sie empfängt das Gros der überseeischen
. Roh- und Hilfsstoffe über Marseille und
Havre und übergibt diesen Häfen ihre
Fertigwaaren. Dies gilt, obschon seit
Eröffnung der Gotthardbahn Genua mit
dem Hafen von Marseille in Bezug auf
Vermittlung des Schweizer Verkehrs zu
wetteifern sucht.
Ausser diesen Schweizer Waaren neh-
men noch Belgiens Kohle und Eisen für
Italien, nach Spanien bestimmte deutsche
Fabrikate, italienische Früchte und Blu-
! men für England, ihren Weg durch
Frankreich. Der Werth dieser Durch-
fuhr von 4' 8 5 Millionen Metercentnern
Die Stellung unserer Eisenbahnen im Welthandel.
beträgt über eine Milliarde Francs oder
400 Millionen Gulden Gold.
Das Deutsche Reich verfrachtet
auf seinen Eisenbahnen 17729 Millionen
Metercentner, worunter eine Durchfuhr
von Landgrenze zu Landgrenze von
24-53 Millionen Metercentner. Die Haupt-
rolle spielen dabei Eisenerz, Steinkohle
Diese Durchfuhrgüter rollen in langer
Linie durch Deutschland und bilden des-
halb ein werthvolles Frachtgut für seine
Bahnen.
Was Oesterreich- Ungarn be-
trifft, so liefen im Jahre 1894 auf seinen
Bahnen 1182 Millionen Metercentner, die
Durchfuhr jedoch durch Oesterreich-
ropüiicl
und Cokes, Braunkohle und Eisen. Dann
folgen Getreide, Vieh, Zucker, Kalk, Mehl,
Holz u, s. w. Getreide und Vieh aus
Oesterreich-Ungam und den Balkan-
ländem sowie aus Russland transitiren
[insbesondere zur Winterszeit] durch das
Deutsche Reich, und ebenso wird letzteres,
wenn auch nur in kleinen Mengen, von
den westlichen Fabrikaten durchschritten,
die nach dem Osten bestimmt sind.
Ungarn betrug [im Jahre 1895] nur 5-37
Millionen Metercentner.
Oesterreich-Ungam ist in erster Reihe
das Transitland für den Verkehr zwischen
dem Deutschen Reiche und der Balkan-
halbinsel, indem es die Fabrikate des
ersteren gegen die Rohstoffe und Nähr-
mitte! des letzteren umwechselt. Ebenso
geht der Land verkehr zwischen Italien
und Russland durch Oesterreich-Ungam.
I04
Dr. Alexander Peez.
Nicht unbedeutend ist endlich für unseren
Durchzugshandel die Schweiz, und zwar
weniger als Herkunftsland — die Schweizer
Fabrikate werden, wie wir sahen, durch
Frankreich über Marseille, Havre und
Genua in den Welthandel gebracht, —
denn als Bestimmungsland, indem die
Schweiz aus den Balkanländern und
Russland Rohstoffe und Vieh bezieht.
Die Schweizer Durchfuhr durch
Oesterreich wäre steigerungsfähig, wenn
durch die Predilbahn und Tauembahn
kürzere Wege aus der Schweiz und
Süddeutschland nach Triest erschlossen
würden.
Für die bestehende Durchfuhr Oester-
reich-Ungams waren die wichtigsten Daten
[im Jahre 1895]:
Durchfuhr durch Oesterreich-Ungarn
in Mill. MCtr.
Herkunft
Mill.
MCtr.
Mill.
MCtr.
1 Dagegen darf eine ermunternde That-
; Sache erblickt werden in der Vielheit der
Länder — es sind nicht weniger als 53
I — mit denen wur im Durchzugsverkehre
' stehen. Diese Thatsache beweist, dass
Oesterreich-Ungarn, wie auch
der Blick auf die Landkarte zeigt,
die Anlage hätte, ein Durchzugs-
gebiet in grossem Stile zu werden.
, Kenntnis des Handels, genaues Studium
. der Industrieverhältnisse, Beobachtung der
statistischen Daten, stete Wachsamkeit,
grosse Umsicht und ein einheitliches,
vorurtheilsfreies Zusammengehen der be-
theiligten Bahnen werden in der Pflege
der Durchfuhr ein wichtiges Element er-
, blicken zur Stärkung unserer Stellung im
Weltverkehre.
I
Bestimmung
aus Deutschland 1*5 nach Deutschland 3*2
» Rumänien 0*9 » Rumänien 0*5
j» Russland 08 » Schweiz 0*5
* Italien 0*6 » Italien 0*3
» Serbien 0*4 » Russland 016 '
» Eg>'pten o*i8 » Serbien o*i6 |
[zur See]
» Griechenland o* 1 4 » Triest o* 1 1
[zur See]
» Türkei 01 3 * Bulgarien 0-07
» Türkei 0'o6 |
Diese Durchfuhrziff'em, die, Dank
unserer amtlichen Handelsstatistik, für
den denkenden kaufmännischen Leiter
und Tarifmann die wichtigsten Finger-
zeige bieten, sind noch recht bescheiden.
Auch ist die Durchfuhr in manchen Rela-
tionen grossen Schwankungen ausgesetzt.
So hat beispielsweise die wichtige Durch-
fuhr nach und aus Deutschland von und nach
den Balkanländern in den letzten Jahren
abgenommen ~- eine Thatsache, die vor-
wiegend der Concurrenz des Seeweges
durch die Meerenge von Gibraltar und dem
für diese Route aufgestellten wohlfeilen
Levante-Tarife der deutschen Handels-
dampfer nach dem östlichen Mittelmeere
beizumessen ist. Also auch hier wieder
der starke Wettbewerb der Peripherie mit
den Radien, des Seeverkehres um das
halbe Platanenblatt Europas herum mit
der kurzen Ader des Blattgerippes!
VI.
Das grosse Vorbild für jeden Verkehr
bleibt immer die Seeküste mit ihrer Frei-
heit der Bew^egung, mit ihrer Zugäng-
lichkeit für Jedermann und mit ihrem
über die ganze Erde sich erstreckenden
Zusammenhange.
Das letztere xMoment wird für die Eisen-
bahnen annähernd erreichbar durch die
Eisenbahnanschlüsse an das Eisen-
bahnnetz der Nachbarländer.
Die Anschlüsse der Bahnen bilden die
Brücken des internationalen Binnenver-
kehrs und zugleich die Klammem, wo-
durch Europas Einzelländer mit dem Ge-
sammtkörper verknüpft sind. Im Landver-
kehre spielen sie die Rolle, die im See-
verkehre den Häfen zufallt. Ihre bisher
noch wenig gewürdigte Bedeutung kann
daher kaum überschätzt werden.
Ihre Zahl beträgt in Oesterreich-Ungarn
jetzt schon nicht weniger als 46.
Stellt man die Eisenbahnanschlüsse
für die zehn europäischen Haupt- Verkehrs-
gebiete zusammen, so ergiebt sich folgen-
des Bild :
A, Inseln und Halbinseln:
Grossbritannien o Eisenbahnanschlüsse
Skandinavien o »
Dänemark 2 »
Spanien 2 »
Balkanländer 5 »
Italien 7 »
Die Stellung unserer Eisenbahnen im Welthandel.
105
B. Länder der Mitte:
Russland [einst-
weilen] 10 Eisenbahnanschlüsse
Frankreich 37 »
Oesterreich-Un-
gam 46 »
Deutsches Reich 72 ^
Hier zeigt sich klar, wie die Insel-
und Halbinselländer, die in Bezug auf
Seeverkehr günstiger gestellt sind als die
Alittelländer, in der Zahl der Eisenbahn-
anschlüsse von den letzteren weit über-
troffen werden!
Bei der Wichtigkeit der Anschlüsse
für die Verkehrsinteressen lassen wir
eine Zusammenstellung der Eisenbahn-
anschlüsse der europäischen Länder fol-
gen, wobei mit Berücksichtigung auch
der kleineren Länder und Staaten, das
angeschlossene Land und das Anschluss-
land verzeichnet sind [s. Tabelle].
Durch die Zahl und Richtung der
Eisenbahnanschlüsse wird die Stellung
der verschiedenen europäischen Verkehrs-
gebiete im Welthandel, zunächst im Welt-
handel zu I^ande, im Voraus angedeutet.
Prüfen wir zunächst die Inseln und
Halbinseln!
Grossbritannien und Schweden -Nor-
wegen haben keine Anschlüsse, ihr ganzer
zwischenstaatlicher Handel spielt sich zu
Schiffe ab.
Dänemark und Spanien-Portugal ver-
kehren zu Bahn nur mit einem einzigen
Nachbarstaate, u. zw. Dänemark mit dem
Zwischen
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Oesterreich-Ungam
Deutsches Reich
Belgien . .
Dänemark .
Frankreich .
Italien . .
Niederlande
Norwegen
Portugal
Rumänien
Russland
Schweden
Schweiz .
Spanien .
Balkanhalbinsel
io6
Dr. Alexander Peez.
Deutschen Reiche, und Spanien mit Frank-
reich. Beide Halbinseln verfügen über je
zwei Anschlüsse. Dabei ist Dänemark
mit seinem schmalen Leib und seinen
vielen Inseln in hohem Grade auf den
Seeverkehr angewiesen und gegenüber
dem grossen Nachbarlande Deutschland
immerhin freier gestellt, als Spanien, das
eine schwere Masse bildet und seinen
Landverkehr ganz durch Frankreich ver-
mittelt sieht.
Italien ist, Dank der Verbreiterung
seines Gebietes im Norden, insofern besser
daran, als es sieben Anschlüsse besitzt,
davon zwei nach Frankreich, zwei nach
der Schweiz und drei nach Oesterreich-
Ungarn.
Die Balkanhalbinsel wird durch fünf
Verkehrsknoten mit den übrigen Ländern
verbunden, wovon einer nach Russland
und vier nach Oesterreich- Ungarn zeigen.
Aus allen diesen Thatsachen kann
nicht nur die Volkswirthschaft, sondern
auch die Politik wohlbegründete Schlüsse
ziehen.
Was die Länder des Mittel-
stammes von Europa betrifft, so sind
von den zehn Anschlüssen Russlands
einer nach der Balkanhalbinsel, fünf nach
dem Deutschen Reiche und vier nach
Oesterreich - Ungarn gerichtet, während
Frankreich durch zwei Anschlüsse mit
Spanien und durch nicht weniger als
fünfunddreissig Anschlüsse mit dem Westen
verkehrt, und zwar durch zwei mit Italien,
sechs mit der Schweiz, neun mit dem
Deutschen Reiche und vollen achtzehn
mit Belgien.
Das Deutsche Reich zeigt sich als das
wahre Land der Mitte, indem es nach
Russland fünf, nach der Schweiz fünf,
nach Dänemark zwei, nach Frankreich
neun, nach Belgien sechs, nach den
Niederlanden zwölf und nach Oesterreich-
Ungarn dreiunddreissig, zusammen zwei-
undsiebzig Anschlüsse besitzt.
W^as endlich Oesterreich-Ungarn be-
trifft, führen von seinen sechsundvierzig
Anschlüssen vier nach Rumänien und den
Balkanländem, zwei nach der Schweiz,
drei nach Italien, vier nach Russland und
dreiunddreissig nach dem Deutschen
Reiche. Dass das Schwergewicht des
Handelsverkehres unseres Reiches im Aus-
tausche mit dem Deutschen Reiche liegt,
wird aus dieser einzigen Zahl sehr deutlich.
VII.
Die Anschlüsse der Eisenbahnen er-
möglichen, dass man jetzt von einem
» europäischen Eisenbahnnetze « reden kann.
Sie sind es, welche insbesondere dem
Durchzugs verkehre dienen und da-
her den internationalen Landhandel pflegen
und begünstigen. Dieser grosse,
internationale Durchzugsver-
kehr der Bahnen wird aber in
steter Concurrenz gehalten durch
die in alle grossen Buchten ein-
dringende Schifffahrt. Die Gestalt
Europas, das »Platanenblatt«, der Cha-
rakter eines ausgezackten und buchten-
reichen Halbinsellandes, macht sich hier
ftlr den Bahnverkehr nachtheilig geltend,
erschwert die Tarifirung, nöthigt zu
grosser Wohlfeilheit der Tarife sowie auch,
wegen der öfteren Schwankungen der See-
fracht, zu stets wachsamer Beobachtung
und zeitweisem Wechsel der Tarife.
In diesem Concurrenzkampfe hat über-
all die Seefracht die Führung. So grosse
Fortschritte die Eisenbahn auch gemacht
hat, so ist ihr der Seedampfer den-
noch an Billigkeit voraus. Mehr als
lo.ooo Dampfer und 25.cx>o Segelschiffe
Europas umgürten unsem Erdtheil mit
einer Zone von wohlfeiler Fracht, die
sich längs der schiffbaren Ströme mehr
oder weniger tief in das Binnenland
erstreckt. Je weiter die einzelnen Län-
der vom inneren Austausch zwischen
der einheimischen Landwirthschaft und
Industrie zum internationalen Austausche
zwischen überseeischer Landwirthschaft
und europäischer Industrie vorgeschritten
sind, umso grösser werden zunächst die
Vorzüge der Länder mit langer Küste,
schiffbaren Strömen und ausgebildetem
Canalwesen ; um so wichtiger, zugleich aber
auch desto schwieriger, wird die Rolle der
Bahnen, welche in den Binnenländern
jenem Wasser verkehre die Stange zu
halten berufen sind. Je näher an der
Küste die Bahnen liegen, je mehr sie
derselben parallel laufen, vun so grösser
die Concurrenz, die sie bestehen müssen.
Die Stellung unserer Eisenbahnen im Welthandel.
107
Die Schnelligkeit, die für die Eisen-
bahn spricht, kommt im grossen Güter-
verkehre nicht auf gegenüber der Wohl-
feilheit der Seefracht.
Daher trachtet die grosse Masse aller
Güter aus den binnenländischen Produc-
tionsstätten auf kürzestem Wege nach
den Seehäfen zu gelangen. Noch nie
ist es geschehen, dass russisches Mehl,
das nach Brasilien bestimmt ist, und
etwa in Moskau lagert, von dort über
den Leib Europas hin, auf den Eisenbahnen
nach Lissabon oder Cadix geführt worden
wäre, um auf das Seeschiff überladen zu
werden. Vielmehr sucht man von Mos-
kau, auf der kürzesten Linie, entweder
St. Petersburg oder aber Odessa auf.
Möglichst schnelles Erreichen der See
ist in diesem Falle für den Kaufmann
ausserordentlich viel wichtiger, als der aus
der Landversendung etwa entspringende
Zeitgewinn. Ebenso mag es noch nie
vorgekommen sein, dass nordamerika-
nische Baumwolle, für Russland be-
stimmt, in Cadix oder Lissabon abge-
liefert worden wäre, um von dort mit
der Eisenbahn in die Moskauer Spinne-
reien zu gelangen. Allerdings gab es
eine Zeit, wo indische Baumwolle, durch
den Suezcanal kommend, über Triest
nach Russland ging. Aber das währte
nicht lange. Sehr bald hatte die Con-
currenz den wohlfeileren Weg gefunden,
und die Baumwollsendungen von Suez
nach Moskau schlagen nunmehr den
Weg über Odessa ein. Also überall das
Bestreben durch Eindringen in die euro-
päischen Buchten, die Wohlfeilheit der
Seefracht möglichst auszunützen.
Die Seefrachten waren in jüngster Zeit
bedeutenden Schwankungen ausgesetzt,
sind aber im Ganzen stark herunter-
gegangen. Im Jahre 1895 führte man
[nach dem Jahresberichte des österr.-ung.
General-Consulates in Liverpool] Getreide
von der Sulina oder von Odessa nach
Liverpool oder London die Tonne [20
englische Centner] zu 9 Schilling 6 pence.
Dies ergäbe als Seefracht von der Sulina
durch den Bosporus, die Dardanellen,
die Meerenge von Gibraltar und den
Canal nach London oder Liverpool für
I Metercentner Getreide rund 47 Kreuzer
Gold.
Vergleicht man diesen Satz zur
See mit dem Porto einer vielbefahrenen
Eisenbahnstrecke, so erhalten wir folgen-
des Bild :
Fracht für i Metercentner Getreide in
Kreuzern Gold:
Seefracht Odessa-Liverpool . 47 Kreuzer
Bahnfracht Budapest- Wien . 49 »
Der ungarische Weizen kommt also
von Budapest mit ungefähr dem gleichen
Satze auf den Wiener Markt, wie der
' rumänische oder südrussische Weizen aus
den Seehäfen des Schwarzen Meeres
nach Liverpool. Die Entfernung in Rech-
nung gezogen, stellt sich für die Eisen-
bahn in diesem Falle etwa die zehnmal
höhere Fracht heraus.
Oder vergleichen wir die Donauroute.
Hier ergibt sich Folgendes:
Fracht für i Metercentner Getreide in
I Kreuzern Gold:
Seefracht Galatz- Liverpool . 47 Kreuzer
Donaufracht Galatz- Wien .104 »
Sowohl gegenüber der Bahn als auch
der Donaustrasse zeigt sich also die
weitaus grosse Ueberlegenheit der See-
strasse.
Solche Beispiele werfen ein über-
raschendes Licht auf die inneren Gesetze,
mit denen die Tarifpolitik unserer Bahnen
zu rechnen hat.
Der Halbinsel-Charakter Europas, aul
welchem wir diese Skizze aufbauten,
zeigt sich hier in voller Klarheit. Zahllose
Seedampfer schwärmen durch die Meeres-
wogen, die auf drei Seiten unseren Welt-
theil umgürten, dringen in alle Buchten
I ein und locken die Frachtgüter an sich.
Die Eisenbahnen können auf langer Linie
bezüglich Massengüter nicht mit jenen
, concurriren.
Die aus Amerika kommenden Waaren
betreten europäischen Boden nicht in
Cadix oder Nantes, sondern in Ham-
burg oder Genua und Triest. Das-
selbe zeigt sich auch im Handel mit
Asien. Wäre die Eisenbahn, und nicht
der Seedampfer, das wohlfeilere Trans-
portmittel, so würden alle für den Con-
tinent bestimmten und durch den Suez-
io8
Dr. Alexander Peez.
canal heranziehenden indischen und
australischen Waaren auf Vorgebirgen
oder in deren nächsten Häfen, also im
Piräus bei Athen, oder in Salonichi
oder Brindisi anlanden und auf die Bah-
nen tibertreten. Da aber die Seefracht
wohlfeiler ist als die Landfracht, bleiben
die nach Europa bestimmten Waaren so
lange wie möglich auf der See, vermeiden
die äusseren Häfen, um in die inneren
Häfen, wie Odessa, Fiume, Triest, Genua,
Marseille, Havre, Bremen und Hamburg
einzudringen. Dadurch werden die Land-
routen der Bahnen, sobald sie an den
Einflusssphären dieser Häfen vorüber-
rollen, in der Flanke gefasst und zurück-
geschlagen. Ihre Frachtrouten werden
dadurch, sofern sie Trans versallinien von
West nach Ost sind, verkürzt und zer-
stückelt.
Um so besser gedeihen einzelne
Nord-Süd-Linien, als Radien zur Küste
und den Häfen. Die Bahnen finden dann
ihren Vortheil darin, Zubringer für die
Seeschifffahrt zu werden.
In den Vorzügen der Seefahrt, unter
welchen kleineres Anlagecapital, günstige
Rückfrachtgelegenheit und fast völlige
Steuerfreiheit zu der grösseren Wohl-
feilheit mitwirken, liegt auch der Grund,
warum beispielsweise der Suezcanal
für die wirthschaftlichen Interessen
Oesterreich-Ungams, wie überhaupt des
südlichen Europas, so geringe Folgen
gehabt hat.
Wieviel Vortheile versprach man sich
einst von dieser Weltstrasse in allen
Häfen und Ländern des Mittelmeeres!
Welche Hoffnungen begleiteten das Unter-
nehmen, und mit wie zuversichtlichen
Reden ward dessen Vollendung gefeiert!
Wie freudig dachte man an die ostasia-
tischen, indischen und australischen Güter,
die, auf dem Wege nach Grossbritannien,
auf den weit nach Süden vorgeschobe-
nen Küsten von Italien, Dalmatien oder
Griechenland alle Häfen füllen und von
dort den Ueberlandweg gegen England
antreten würden ! Und heute? Was ward
erreicht ?
Der Suezcanal hat wenig oder nichts
an den früheren Verhältnissen geändert.
Die Eisenbahnen, welche Europa in der
Richtung auf England durchziehen, waren
nicht im Stande, die indisch-australischen
Güter, von den Dampfern weg, auf ihre
Linien zu locken. Grossbritannien sandte
seine Schiffe früher um das Cap der
guten Hoffnung, heute sendet es sie
durch den Suezcanal. Die Ersparung an
Zeit, Zins, Versicherung, folglich auch
an Fracht fallt allein Grossbritannien zu.
Die Mittelmeerhäfen Italiens, Frankreichs
und Oesterreich-Ungams haben das Ver-
gnügen, die nach Grossbritannien be-
stimmten Rohstoffe Indiens und Austra-
liens vorüberziehen zu sehen. Nur der
Personen- und Postverkehr, bei welchem
Schnelligkeit wichtiger ist als Wohlfeil-
heit, sucht den Schienenweg auf und be-
dient sich ItaUens als einer zwischen Eng-
land und dem Suezcanal vorgeschobenen
Landbrücke. Die indische Post schlägt
diesen Weg über Italien ein. Der grosse
Güterverkehr jedoch [und ein steigender
Percentantheil der Reisenden] bleibt auf
der grossen Seestrasse; er zieht aus
Indien und Australien durch das Rothe
Meer und den Suezcanal über Gibraltar
in die Atlantis nach Frankreich, Holland,
Belgien, Deutschland, vor Allem aber
nach England, wo das Gentrum der Welt-
industrie liegt.
Und diese ungeheure Entwicklung der
Industrie hat auch den Handel der Welt
nach Grossbritannien gezogen. Im Ver-
trauen auf den enorm aufnahmsfähigen
Markt, welchen die Industrie in England
geschaffen hat, strebt ein grosser Theil
der besten Frachtgüter, die Baumwolle,
die Schafwolle, die Cerealien fremder
Welttheile, auch wenn sie für den Ver-
brauch des Festlandes bestimmt sind,
zunächst nach den britischen Inseln, imd
doch ist es eigentlich unnatürlich, dass
so grosse Mengen von überseeischen
Waaren, wie noch immer geschieht,
in England vorerst absteigen und dann
erst, nachdem sie an Englands Schiffe,
Häfen, Speicher, Eisenbahnen, an Kauf-
leute, Finanzmänner und Arbeiter ihre
Tribute gezahlt haben, nach dem Conti -
nente übersetzen und in den Verbrauch
gelangen.
An dem mächtigen Zwischenhandel
Grossbritanniens sieht man deutlich, mit
welcher Gewalt der Seeverkehr, von eng-
lischem Capital und dem Massenverkehr
Die Stellung unserer Eisenbahnen im Welthandel.
109
der englischen Industrie unterstützt, die
aus fremden Welttheilen kommenden
Frachten festhält. Es kann aber keinem
Zweifel unterliegen, dass dieser Zwischen-
handel auf die Dauer sich schwer wird
halten lassen und dass der europäische
Continent sich mehr und mehr von dem
englischen Zwischenhandel befreit, indem
er directe Dampferlinien nach Uebersee
eröffnet. Hier zeigt sich der enge Zu-
sammenhang zwischen Seeroute und Eisen-
bahn, und nächst entschiedener Pflege
der Industrie gibt es für Förderung des
Gedeihens unserer Bahnen kaum ein wirk-
sameres Mittel, als die Pflege vieler und
guter Seeverbindungen.
Aber nicht blos der Seedampfer be-
drängt unaufhörlich die Bahnen, sondern
die Bahnen suchen auch ihrerseits dem
Seeverkehre Raum abzugewinnen. Das
grossartigste Beispiel für letzteres bietet
die Sibirische Bahn. Abgesehen von
ihrem »Local verkehre«, der sich freilich
über zwei Welttheile erstreckt, ist sie ein
gewaltiger Versuch, den ostasiatischen
Handel von China, Japan, allenfalls auch
von Tonking und den Philippinen mit
Europa wieder auf den Landweg zu
lenken. Wieweit der Seeweg [um Indien,
Arabien, durch den Suezcanal und die
Meerenge von Gibraltar] sich behaupten,
wie viel oder wie wenig Verkehr er ge-
zwungen sein wird, an die Ueberlandbahn
abzutreten, das wird die nächste Zukunft
zeigen. Aber, auch wenn dieser Con-
currenzkampf zunächst schwierig und der
Erfolg der neuen Bahn in Bezug auf
Ablenkung des Seehandels kein allzu
grosser sein sollte, würde dennoch die
Sibirische Bahn eines der merkwürdigsten
und folgenreichsten Unternehmen der
Neuzeit sein. Nachdem Amerika bereits
drei Ueberlandbahnen nach dem Stillen
Meere gezogen hat, war es hohe Zeit,
dass auch Europa seine eisernen Arme
nach Ostasien erstreckte.
Im Nordosten hat Russland dies grosse
Werk begonnen, — sollte da nicht die Zeit
gekommen sein, dass Oesterreich-Ungam
und das verbündete Deutsche Reich auch
im Südosten — vermittelst der Euf rat-
bahn — alte Landwege nach Ostasien
wieder zu eröffnen trachten? Wie durch
die Sibirische Bahn ein nordösthcher, so
würde durch die bereits von reichs-
deutschen Unternehmern ziemlich weit
geführten kleinasiatischen Bahnen, wenn
sie die Eufratlande und Indien erreichen,
ein südöstlicher Flügel Europas seine
Schwingen ausspannen. Die Balkanhalb-
insel würde dann in ihre natürhche geo-
graphische Aufgabe einrücken : die Land-
brücke nach Innerasien und Indien zu
sein, und Oesterreich-Ungam würde an-
nähernd wieder jene Gunst der Lage
vor sich sehen, die sich ihm verschloss,
als Vasco da Gama den Seeweg nach
Indien fand.
VIII.
Durch die scharf erkannte geogra-
phische Lage eines Landes in Verbindung
mit seiner Culturentwicklung wird das
Eisenbahnnetz des Landes bestimmt, ge-
fördert und getragen, und durch das
Eisenbahnnetz hinwiederum wird die
geographische Lage [zumal die binnen-
ländische] in ihren Schwächen ergänzt
und verbessert.
Durch das Eisenbahnnetz werden aber
auch die Länder und Reiche zu bestimm-
ten Individualitäten zusammengefasst. Man
hat Oesterreich-Ungarn oft einen Donau-
staat genannt. Mit Recht, denn die Donau
war in der Vorbahnenzeit für das Binnen-
land Oesterreich-Ungam eine höchst wich-
tige Verkehrsstrasse, eine Ader der Cultur,
ein Faden, an den sich die staatliche
Gestaltung reihte. Diese Bezeichnung er-
fährt jedoch durch die Eisenbahnen eine
Einschränkung und zugleich eine Erweite-
rung : die Einschränkung, indem das Eisen-
bahnnetz durch die natürlichen Vorzüge
seines Betriebes und seine Erstreckung bis
in die letzten Winkel des Reiches hinein die
Donaustrasse an Wichtigkeit w-eit über-
ragt; die Erweiterung, indem das Eisen-
bahnnetz sich vielfach an die Donau
anlehnt, sich des von der Donau ge-
schaff'enen ebenen Thalweges mit Vor-
liebe bedient, sie ergänzt und somit
auf der von der grossen, ehrwürdigen
östlichen Verkehrsstrasse Europas ge-
legten Grundlage weiter baut. Oesterreich-
Ungam bleibt Donaureich, bleibt das
Culturland des europäischen Südostens
mit der Richtung auf den Orient, ver-
HO
Dr. Alexander Peez.
bindet aber zugleich durch sein Hin-
einragen in das Gebiet der Elbe [Böh-
men], der Oder [Schlesien] und des
Rheines [Vorarlberg] eine beachtens-
werthe Stellung in Mitteleuropa; es hat
einen Fuss an der Weichsel und der
grossen osteuropäischen Ebene, und be-
trat mit der Occupation von Bosnien und
der Herzegowina die Balkanhalbinsel, wo-
zu noch kommt, dass es die günstigsten
Pässe nach Italien besitzt, und durch
Istrien, Tri est, Fiume und Dalmatien an
den Geschicken des Mittelmeeres mitzu-
wirken berufen ist. Hiemach ist Oester-
reich-Ungam ein Uebergangsland.
Um die Donau gereiht, dabei zwischen
dem eigentlichen Lande der Mitte, dem
Deutschen Reiche, und dem halborienta-
lischen Südosten sowie zwischen dem
grossen, productenreichen rauhen Nord-
osten und dem lauen Mittelmeer und den
hesperischen Gefilden gelegen, ausserdem
kein einheitlicher Nationalstaat, sondern
ein musivisch zusammengesetzter Völker-
staat, empfangt es Strömungen aus allen
diesen Richtungen, und seine schwierige,
aber auch lohnende Aufgabe ist es,
allgemeiner Ausgleicher, Puffer und Aus-
weichgeleise, Vermittler aller dieser
Strömungen, Wirbel, Stösse, aber auch
Interessen und Verkehrsbeziehungen zu
sein.
Das sicherste Mittel, bei dieser ebenso
wichtigen als schwierigen europäischen
Mission zu einem tröstlichen Ergebnisse
zu gelangen, liegt in der möglichsten Be-
friedigung der allen Völkergruppen ge-
meinsamen wirthschaftlichen Interessen,
in der Blüthe von Handel und Industrie,
in der kraftvollen Theilnahme am Welt-
handel und Weltverkehre ; und alle diese
Aufgaben weisen auf ein hochentwickeltes,
energisch und einheitlich geleitetes Eisen-
bahnnetz als eine Nothwendigkeit hin.
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
Vom
Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
DIE Commimicationen haben, wie
ungezählte Blätter in der Ge-
schichte bezeugen, bei den Kriegs-
zQgen aller Zeiten eine massgebende
Rolle gespielt. Diesem Umstände wurde
wohl nicht bei allen Völkern und nicht
immer im gleichen Masse Rechnung ge-
tragen, wir begegnen sogar in dieser
Beziehung in verschiedenen Zeitperioden
und Ländern schreienden Gegensätzen.
Während z. B. bei den Römern der
Strassenbau ein strategisches Postulat
erster Ordnung bildete, und vornehmlich
aus militärischen Rücksichten mit gross-
artigem Kraftauf wände und in für alle
Zeiten beispielgebender Art betrieben
wurde, sehen wir im Mittelalter den
Com municat Jonen eine entgegengesetzte
kriegerische Bedeutung beilegen, und
geradezu in der Vernachlässigung der
Verkehrsmittel beziehungsweise in der
dadurch erzielten Abschliessung, die
militärische Präponderanz suchen. Diese
Gegensätze finden in den Verschieden-
heiten der Kriegführung, in dem Vor-
herrschen des offensiven oder defensiven
Elementes, in der culturellen und speciell
technischen Entwicklung ihre Erklärung ;
übereinstimmend sehen wir aber, dass
allzeit und überall von militärischer Seite
den Communicationen volle Aufmerksam-
keit zugewendet wird.
Kein Wunder daher, dass mit dem
Augenblicke, als die Eisenbahnen als
neues Verkehrsmittel aus bescheidenen
und unsicheren Anfängen ihren Siegeslauf
durch die Welt beginnen, die militärischen
Geister sich der Frage bemächtigen, ob
und unter welchen Bedingungen, dann
in welchem Masse diese neue Errungen-
schaft der Technik in den Dienst der
Kriegskunst gestellt werden könnte.
Anfänge der Eisenbahnaera.
Bei den politischen und culturellen
Verhältnissen des deutschen Bundes vor
dem Kriege 1866 lässt sich eine militä-
rische Betrachtung de.s Eisenbahnwesens in
Oesterreich von jenem in Deutschland
nicht immer ganz trennen, und so sollen
im Nachfolgenden manche gemeinsame
Verhältnisse Erwähnung finden.
Die Entwicklung der Eisenbahnen hatte
anfangs der Vierziger-Jahre kaum be-
gonnen; die Frage ich die Vermehrung des
Maschinenwesens und der Eisenbahnen
überhaupt zum V ort heile oder Nachtheile
der Menschheit gereiche, da es schon jetzt
in vielen bevölkerten Gegenden an Arbeit,
folglich an Unterhalt fehle», war noch
actuell; — auf dem Continent hatte sich
nur Belgien, den anderen Staaten vor-
aneilend, ein ziemlich ausgebreitetes, zu-
sammenhängendes Bahnnetz auf Staats-
kosten geschaffen, in Frankreich war der
Eisenbahnbau wenig fortgeschritten.
In Oesterreich begann man gleich nach
Eröffnung der ersten Locomotiv-Eisenbahn,
der Strecke, Fl oridsdorf- Wagram der
>A. pr. Kaiser Ferd inands- Nord bahn > , am
23. November 1837, dem Baue von Eisen-
114
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
bahnen seitens des Staates volle Auf-
merksamkeit zu widmen.
Mit Cabinetsschreiben vom 25. Novem-
ber 1837 wurde erklärt, dass sich die
Staatsverwaltung das Recht vorbehalte,
selbst Eisenbahnen zu bauen.*) Mit Hof-
kanzleidecret vom 18. Juni 1838 wurden
bereits »Allgemeine Bestimmungen über
das bei den Eisenbahnen zu beobach-
tende Concessions-System« erlassen.
In den nächsten Jahren machte der Bau
von Eisenbahnen langsame Fortschritte,
so dass Ende 1841 die Nordbahnstrecken
von Wien nach Olmütz und Brunn, dann
die Linien Wien- Neunkirchen, Floridsdorf-
Stockerau und Mailand-Monza, zusammen
kaum 350 Am, in Betrieb standen. Im
übrigen Deutschland waren bis dahin nicht
ganz icxx) km Eisenbahnen eröffnet
worden. [Vgl. Karte Abb. 12.]
Trotz dieser Verhältnisse sehen wir
zur Zeit schon eine ansehnliche gegen-
ständliche Militär-Literatur heranwachsen.
Im Jahre 1836 erscheint in Friedrich
List's »Eisenbahn-Journal« ein Aufsatz
unter dem Titel » Deutschlands Eisenbahn-
system in militärischer Beziehung«, ferner
bei Mittler & Sohn in Berlin eine Schrift
»lieber die militärische Benützung der
Eisenbahnen«, welcher 1841 nach Pole-
miken in der »Allgemeinen Militär-
Zeitung«, eine zweite Schrift desselben
Autors folgt, unter dem Titel »Dar-
legung der technischen und Verkehrs-
Verhältnisse der Eisenbahnen, nebst darauf
gegründeter Erörterung über die mili-
tärische Benützung derselben, und über
die zur Erleichterung dieser Benützung
zu treftenden Anordnungen«.
Im gleichen Jahre publicirt der
hannoveranische Ingenieur - Hauptmann
von Dämmert einen Auszug aus seinem
Berichte über die von ihm besichtigten
englischen Bahnen, und der französische
General Graf Kumigny — General- Adjutant
des Königs Ludwig Philipp - - eine Ab-
*) Vgl. Bd. T, H. St räch, »Die ersten
Privatbahnen«, S. 162. Ueberhaupt sei hier
bezüglich der eisenbahnhistorischen Daten,
die zur übersichtlichen Darstellung des je-
weiligen Standes unserer Eisenbahnen in '
verschiedenen Zeitperioden aus der all-
gemeinen Kntwicklun^s-Geschichte hier kurz
wiederholt werden, auf die betretitenden C-a-
pitel des I. Bandes ein für allemal hingewiesen.
handlung über den Einfiuss des Dampfes
auf Land- und Seekrieg.
Im Jahre 1842 erscheint »Teutschlands
Vertheidigung und das sie befördernde Sy-
stem der Eisenbahnen < von »einem Officier
und Inhaber der österreichischen grossen
goldenen Verdienstmedaille«, femer das
auf Grundlage ernster Studien und mit
scharfer Voraussicht verfasste Werk :
»Die Eisenbahnen als militärische
Operationslinien, nebst Entwurf zu
einem militärischen Eisenbahnsystem für
Deutschland«, des vielseitigen Militär-
Schriftstellers Pönitz, welcher schon
früher mit einzelnen Aufsätzen über Eisen-
bahnen in den Federkrieg getreten war.
Wie überall bei weltbewegenden
Fragen, solange noch keine Klärung der
Ansichten eingetreten, sehen wir auch
in diesem Falle die widerstreitendsten
Meinungen hervortreten. Während über-
spannte Köpfe im Geiste bereits »zahl-
reiche feindliche Heerschaaren wie die
Windsbraut auf der Eisenbahn dahereilen
und plötzlich in die eigene, friedliche
Heimat einfallen sehen«, eine gänzliche
Umwälzung der Kriegskunst prophezeien,
oder gar das Kriegführen als durch die
Eisenbahnen unmöglich gemacht erklären,
dociren die militärischen Skeptiker, von
kurzsichtigen und willkürlichen Voraus-
setzungen ausgehend, »dass ein Truppen-
corps aus allen Waffen und von nam-
hafter Stärke ein sehr entferntes Operations-
ziel zu Fuss eben so schnell, ja selbst
noch schneller erreichen werde, als wenn
es sich der Eisenbahnen und Dampfwagen
bediene«, daher »dieses Beweg^ungsmittel
höchstens zur Fortschaffung von Kriegs-
material, nicht aber zu militärischen
Operationen« tauge.
Andere behaupten schlankweg, dass
»diese Verbindungsart ihrer Natur nach
fast ausschliesslich der Vertheidigung zu-
statten kommt, dagegen den Angriff
äusserst erschwert, folglich die Invasions-
kriege fast unmöglich macht«.
Zu diesen gehörte auch der Militär-
Schriftsteller, welcher 1836 in List's Eisen-
bahn-Journal Nr. 30 sich wie folgt äusserte :
»Nun erst kann man sich die Stellung
einer mit solcher Maschinenkraft ausge-
rüsteten Nation denken. In der kür-
zesten Frist kann sie aus den entfernte-
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
115
sten Gegenden im Centrum Streitkräfte
sammeln und dieselben nach den vom
Feinde bedrohten Punkten werfen. Mit
ebenso grosser Leichtigkeit wird sie Ar-
tillerie, Munition und Proviantvorräthe con-
centriren und den verschiedenen Armee-
corps nachsenden. Die Heerzüge werden
das Innere des Landes durch Einquartie-
rungen, Vorspann u. s. w. nicht erschöpfen
oder die Strassen ruiniren, bevor sie zur
Grenze gelangen. Die Truppen selbst
werden ihre besten Kräfte nicht auf
Märschen erschöpfen, bevor sie ins Treffen
kommen. Auf dem Wagen ausgeruht,
werden sie im ersten Moment ihrer An-
kunft am besten im Stande sein, sich mit
dem Feinde zu messen. Und haben sie
ihn auf ejnem Punkt lahm geschlagen,
so können sie am zweiten oder dritten
Tag nach der Schlacht auf einem anderen
50 bis 100 Meilen entfernten Punkt mit
gleichem Erfolge verwendet werden, denn
sie werden sich während des Trans-
portes von ihren Strapazen erholt haben. «
»Im schönsten Lichte stellen sich uns
aber diese Wirkungen dar, wenn wir
bedenken, dass alle diese Vortheile fast
ausschliesslich der Vertheidigung zu-
statten kommen, dass es zehnmal leichter
ist defensiv, und zehnmal schwerer als
bisher offensiv zu agiren.«
»Die erste und grösste Hauptwirkung
der Eisenbahnsysteme in dieser Beziehung
ist demnach die, dass die Invasionskriege
aufhören; es kann nur noch von Grenz-
kriegen die Rede sein.«
»So wird das Eisenbahnsystem aus
einer Kriegsmilderungs-, Abkürzungs-
und Verminderungsmaschine am Ende
gar eine Maschine, die den Krieg selbst
zerstört und alsdann der Industrie der
Continentalnationen dieselben Vortheile
gewährt, welche England seit vielen Jahr-
hunderten aus seiner insularischen Lage
erwachsen sind, und denen jenes Land
zum grossen Theil den jetzigen hohen
Stand seiner Industrie zu verdanken hat.«
In wohlthuendem Gegensatze zu vor-
stehenden Uebertreibungen steht eine
Aeusserung des Feldmarschalls Grafen
Radetzky aus dem Jahre 1 839, welche
wir aus einem Gutachten desselben betreffs
der projectirten Eisenbahn Venedig-
Mailand entnehmen.
»Vor allem andern« — führt der Feld-
marschall aus — » muss ich bemerken, dass,
wenn es sich um eine Unternehmung von
solchem Einflüsse auf die industriellen
Interessen, nicht blos einer Provinz, son-
dern der Monarchie handelt, alle klein-
lichen und einer ängstlichen Festhaltung
von Begriffen über Landesvertheidigung
entlehnten Rücksichten schwinden müssen,
die einer solchen Unternehmung nur eng-
herzige Fesseln anlegen würden« ....
»Ich habe nie eine Eisenbahn gesehen und
kenne diese grossartigen Beförderungs-
mittel der heutigen Industrie nur der
Theorie nach, ich glaube jedoch, dass
eine Eisenbahn, in deren Besitz wir uns
befinden, militärischen Zwecken
nur förderlich sein kann, weil sie
uns die Möglichkeit gewährt, grosse
Transportmittel mit unglaublicher Schnel-
ligkeit in Bewegung zu setzen.«
Der k. k. Hof-Kriegsrath sprach sich in
einer an die vereinte Hofkanzlei gerichteten
Note vom 17. Februar 1841 bei Begutach-
tung des in Aussicht genommenen Bahn-
netz-Programmes folgendermassen aus :
»Der Hof-Kriegsrath hat die Ehre,
die schon zum öfteren abgegebene Aeus-
serung zu wiederholen, dass Eisenbahnen,
welche Ausdehnung sie auch immer er-
halten mögen, auf Kriegsuntemehmungen
nie nachtheilig einwirken können, indem
der einzige, bei dem gesetzten Falle er-
folgenden Rückzuges der eigenen Armee,
durch die Ueberlassung an den Feind
entstehen könnende Nachtheil durch die
Leichtigkeit der Entfernung von Trans-
portsmitteln und Schienen, sowie durch
die Benützbarkeit des Bahnkörpers als
Strasse beinahe gänzlich verschwindet.
Dagegen ist es nicht in Abrede zu stellen,
dass Eisenbahnen, solange sie im Be-
reiche der eigenen Armee liegen, zur
Erleichterung und Beschleunigung des
Transportes von Lebensmitteln, Kriegs-
material und selbst Truppenkörpem mit
Vortheil zu benützen sind, und dass
transversale Eisenbahnen, im Fall sie
zwei Operationslinien verbänden, und man
die eine mit der anderen verwechseln
wollte, sich von entschiedenem militäri-
schen Nutzen bewähren müssten.«
Gleichfalls frei von sanguinischem
Optimismus wie von unfruchtbarer Skep-
8*
ii6
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
sis, sehen wir P Ö n i t z in seinem grund-
legenden Werke, von mehrjährigen, viel-
seitigen Beobachtungen ausgehend, eine
Reihe von scharfsinnigen Untersuchungen
über das Wesen des Militär-Eisenbahn-
Transportes durchführen, um, »künftige
Zeiten und Zustände ins Auge fassend«,
Grundsätze für den Einfluss der Eisen-
lagen : 1840 wurden 3000 Personen von 3,
ein Infanterie-Regiment — 1500 Mann
stark — von 2 Locomotiven auf der
Strecke Paris - Versailles mit je einem
Zuge befördert; 1841 brachte eine Loco-
motive das 12. Jäger - Bataillon —
800 Mann in 22 Wagen, — dann
1 1 Wagen mit Reisenden, Pferden und
o}fümhf\
Jassx
Bukarest
Stand Ende 184-1
Mafsstab -1-10.000.000.
100
f""i""j
aoo
aoo
500
Abb. 12.
bahnen auf die kriegerischen Operationen
aufzustellen, welche nach der Ansicht
des Verfassers »auch noch in fünfzig
Jahren ihre Geltung nicht einbüssen
durften«. — Und damit dies umso sicherer
der Fall sei, zieht Pönitz sogar die
Möglichkeit der Einführung elektrischer
Locomotiven und die Folgen derselben
in den Kreis seiner Untersuchungen.
Ciering waren die Erfahrungen, welche
bis dahin an grösseren, namentlich an
militärischen Transportbewegungen vor-
Gepäck — im Ganzen 66 Achsen —
von Hradisch nach Brunn. Daten über
Fortbewegung grösserer todter Lasten mit-
tels Eisenbahnen lagen aus England vor.
Es waren dies Kraftäusserungen,
welche — so wenig sie uns auch
gegenwärtig zu imponiren geeignet sind
— damals immerhin Maximalleistungen
darstellten und einen Schluss darauf
zuliessen, was die Eisenbahnen bei Vor-
handensein des erforderlichen Fahrparkes
und bei forcirtem Betriebe zu leisten
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
117
vermöchten. Auf diesen Erfahrungen
basirt, und bei Einhaltung einer richti-
gen Mitte zwischen übermässiger und
zu geringer Anforderung an die Bahnen,
entwickelte Pönitz Grundsätze für die
militärische Benützung des neuen Ver-
kehrsmittels, von welchen einige that-
sächlich auch noch in unseren Tagen
massgebend sind.
Was die Leistungen der Eisen-
bahnen im Allgemeinen anbelangt,
so gab man sich mitunter wohl über-
triebenen Illusionen hin. So gehörte Graf
Rumigny zu denjenigen, welche 50.000
Mann auf einer Eisenbahn 200 Lieus
[900 km] weit in 20 bis 30 Stunden
fortschaffen zu können glaubten. In jenen
nüchternen Kreisen hingegen, zu welchen
Pönitz gehörte, dachte man an die Mög-
lichkeit der Durchführung des strategi-
schen Aufmarsches mittels derselben
nicht; die Phantasie verstieg sich doch
noch nicht so weit, ein derartiges
Eisenbahnnetz zu denken, wie es zu
diesem Zwecke gehört. Auch andere
Bedenken lähmten den Flug der Phan-
tasie: der Fussmarsch aus den Garni-
sonen nach dem Kriegsschauplatze wurde
als ein unentbehrliches Abhärtungs- und
Disciplinirungs - Mittel für unerlässlich
erklärt; für grössere, namentlich rasche
Transportbewxgungen sollte eine Ent-
fernung von etwa 400 km die Maximal-
grenze bilden, denn »will man die Vortheile
der Eisenbahnen als Operationslinien
richtig würdigen, so muss man nicht
Armeen von 100.000 Mann aus allen
Waffen und mit allem Zubehör auf
Strecken von 100 Meilen fortschaffen
wollen« ; die Cavallerie würde — des
grossen Wagenbedarfes sow-ie der gesund-
heitsschädlichen Folgen der Bajinfahrt
auf das Pferdematerial wegen -— »auf
dieses Bewegungsmittel für immer ver-
zichten müssen«, u. A. m. — Immerhin
aber wurden den Eisenbahnen schon
grosse Aufgaben zugedacht: nicht nur
Zufuhr von Kriegsmaterial und Vorräthen
aller Art, Abschub der Impedimenta
sowie schnelle Beförderung von Nach-
richten und Befehlen, sondern auch haupt-
sächlich Massentransporte von Heeres-
körpem zu allerlei Vertheidigungszwecken
und selbst zu unerwarteten ^Offensiv-
Operationen«. Eine gänzliche Umgestal-
tung der Kriegskunst wollte man daraus
nicht ableiten, wohl aber erblickte man
in den Eisenbahnen einen mächtioren
Kraftfactor für die Vertheidigung, indem
durch dieselben »das Mittel geboten
wird, einzelne Linien und Punkte des
Kriegsschauplatzes schnell zu verstärken,
überhaupt die grossen Infanterie- Reserven
mit ihrer Artillerie früher als der Feind
es ahnen kann, dahin zu bringen, wo
sie den Ausschlag geben sollen«. Und
man stellte sich darunter schon grosse
Massen vor, der Ausbau eines wohl-
erdachten Eisenbahnnetzes sollte es er-
möglichen, »mit 160.000 Mann Infanterie
und 350 Geschützen zu fahren, wohin es
beliebt, und es würde nur weniger Tage
bedürfen, um das Doppelte dieser Streit-
macht an Ort und Stelle zu bringen«.
Dass den Militärbehörden im
Kriegsfalle das uneingeschränkte Be-
nützungsrecht aller Bahnen zufallen müsse
-- mögen Letztere auf Staats- oder auf
Privatkosten gebaut worden sein — wird
bereits als unerlässlich erkannt, speciell
sollte das gesammte Fahrbetriebsmateriale
vertragsmässig oder im Wege der Requisi-
tion zur Verfügung der Militär-Verwaltung
gestellt werden. So sehen wir in den
»Allgemeinen Bestimmungen über das bei
Eisenbahnen zu beobachtende Concessions-
System« den Satz enthalten, dass, »wenn
die Militär- Verwaltung zur Beförderung
von Truppen oder Militär-Effecten von
den Eisenbahnen Gebrauch zu machen
wünscht, die Unternehmer verpflichtet
sind, derselben hiezu alle zum Trans-
porte dienlichen Mittel gegen Vergütung
der sonst allgemein für Private be-
stehenden Tarifpreise sogleich zur Ver-
fügung zu stellen«.
Für die Feldarmee bezeichnet es
Pönitz als nothwendig, dass ein Stabs-
officier des General-Quartiermeisterstabes
dem Oberfeldherm für die Leitung der
Eisenbahntransporte beigegeben werde.
Was bezüglich der Anlage und
Einrichtung der Bahnen als mass-
gebend gelten sollte, lässt sich in wenigen
Worten zusammenfassen : Gleichmässigkeit
in Spur und Ausführung bei allen Bahnen,
doppelgeleisige Herstellung bei den Haupt-
linien, geräumige, mit zahlreichen Ge-
Ii8
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
leisen, Drehscheiben und anderen Aus-
weichungsmitteln versehene Bahnhof-
anlagen, Vermeidung von Kopfstationen,
leistungsfähige Wasserfördenmgsanlagen
[der Handbetrieb wurde dem »kost-
spieligen und nicht empfehlenswerthen
Dampfpumpenbetriebe« vorgezogen], kräf-
tige Maschinen und geräumige Wagen.
Die Einflussnahme der Militär- Ver-
waltung auf Eisenbahn- Projecte wurde
in Oesterreich von allem Anfange an
ausgeübt ; schon Ende der Dreissiger-Jahre
erscheinen Generalstabs-Officiere als Mili-
tär-Vertreter bei den zur Würdigung von
solchen Projecten zusammengesetzten
Commissionen ; speciell für Ungarn be-
stimmte die Allerhöchste Entschliessung
vom 5. März 1839, dass Bahnprojecte,
vor deren Behandlung dem General-
Commando zur Begutachtung zuzustellen
seien.
Für die Durchführung der Trans-
portbewegungen finden wir in Pönitz'
Werke bereits concrete Grundsätze aus-
gesprochen: Im Allgemeinen wurde der
Vorzug dem Echellon- Verkehre gegeben,
nämlich der Beförderung mittels rasch
aufeinander folgenden Zügen, ohne Ab-
warten der rückkehrenden Trains, was
dem Zwecke der raschen Verschiebung
kleinerer Körper eben entspricht. Man
zog zwar auch den Turnus- Verkehr in
Betracht, nämlich jene auf regelmässigen
Verkehr in beiden Richtungen berechnete
Beförderungsweise, bei welcher auf die
rückkehrenden Leerzüge reflectirt wird,
aber man hielt die Ausführung desselben
noch für eine »sehr schwierige Aufgabe«
— begreiflicherweise, weil die Nothwen-
digkeit und Zweckmässigkeit regelmäs-
siger und fester Fahrordnungen noch nicht
zum vollen Bewusstsein gelangt waren.
Die Dichte und Intensität des Bahn-
verkehres, die allein grosse Erfolge ver-
bürgen, bildeten noch keinen Factor im
Massentransporte. Die Fahrgeschwindig-
keit war wohl mit 3 Meilen [23 km] per
Stunde festgesetzt, aber schier idyllisch
stimmt es uns, wenn wir in den von Pönitz
ausjrearbeiteten Beispielen lesen: »Hier«
[nach fünfstündiger Fahrt] »wird ein
dreistündiger Halt gemacht. Die Mann-
schaft verlässt ihre Wagen, lagert batail-
lons- und batterieweise an schicklichen
Plätzen, verzehrt die mitgebrachten Lebens-
mittel und füllt die Feldflaschen mit
frischem Trinkwasser. Da die Mannschaft
fast fünf Stunden still gesessen hat, wird
ihr die kleine Bewegimg sehr wohl thun.
Die Pferde werden gefüttert und zur
Tränke geritten oder geführt . . . « . Dann
wird wieder aufgebrochen und bis 4, 5,
6 Uhr Nachmittags, ja bis 7 Uhr Abends
gefahren: »Das ist allerdings schon etwas
»spät«, denn es soll in der Station ge-
nächtigt werden, und dort *gibt es
noch Mancherlei zu thun«.
Auch verschiedene, scharfsinnige Com-
binationen werden da vorgeschlagen:
Vormittags marschiren die Truppen zu
Fuss, damit dem Momente der Abhärtung
Rechnung getragen werde, Nachmittags
wird die Bewegung per Bahn fortgesetzt;
bei Mangel an Locomotiven werden die
Bahnzüge durch Truppen- oder durch
requirirte Landespferde gezogen, oder
es wird ein gemischtes Tractions-Sj'stem
[Locomotive und Pferde] eingeleitet.
Der Fassungsraum der Fahrbe-
triebsmittel ist ein sehr zutrefl'ender,
u. zw. per Waggon 40 Mann oder 6 [ge-
sattelte oder beschirrte und gefesselte]
Pferde mit 3 Mann, oder ein Geschütz
mit der zugehörigen Bedienungsmann-
schaft, oder ein Fuhr\verk. Die Mann-
schaftswagen waren offen; für Pferde-
wagen bestand zwar keine zweckmässige
Type, doch wurde in Oesterreich die Mini-
malhöhe gedeckter Güterwagen seit Ent-
stehen der Eisenbahnen mit 6'i" [i"93 w]
festgesetzt und dadurch die Frage über die
Pferdeverladung principiell entschieden,
während noch 1858 der Deutsche Eisen-
bahnverein bei der Wagendimensionirung,
für die Güterwagen keine bestimmte Höhe
vorschrieb, und somit vorstehendem Be-
dürfnisse nicht Rechnung trug. An
Locomotiven wurden zwei auf eine Meile
[7 • 5 km] Doppelgeleise gerechnet.
Für dieZugsordnung war mass-
gebend, dass »eine in gutem Stande
befindliche Locomotive mit einem Zuge
von 10 bis 12 Wagen, welche mit
300 Personen und vielem Reisegepäck
belastet sind«, mehrere Tage hinterein-
ander bei einer Fahrgeschwindigkeit von
30 km die vStunde, einschliesslich Betriebs-
und Wasseraufenthalte, eine tägliche
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
119
Leistung von 230 km [7 — 8 Fahrstunden]
bewältigen könne. Da nun weiters die
Ansicht herrschte, dass »durch Kuppelung
zweier Locomotiven eine besondere Kraft-
erhöhung entsteht«, und da man Zugs-
intervalle ersparen wollte, so befürwortete
man sogenannte »Doppelzüge«, nämlich
Züge mit 2 Maschinen, und zwar zu
24 Wagen, welche so befähigt seien,
ein Infanterie-Bataillon [8cx)Mann sowie
die nöthigsten Wagen und Pferde] mit
der vorbezeichneten Leistung mehrere
Tage hintereinander zu befördern. Die
Doppelzüge sollten einander mit 1 200 w
Abstand folgen und zu 6 in taktische
Echellons für etwa brigadestarke Körper
zusammengefasst werden. Diese Grösse
der Echellons war nach den Speisewasser-
Verhältnissen bemessen. An Reserve-
Locomotiven rechnete man circa 30%,
an Reparaturstand 20^/q für Locomotiven,
und 25% für Wagen.
Es benöthigten : eine Infanterie-
Brigade mit 4800 Mann, 66 Pferden und
12 Fuhrwerken [der Train sollte mög-
lichst restringirt werden] 6 Doppelzüge;
eine 6pfündige Fussbatterie zu 150 Mann,
96 Pferden, 8 Geschützen und 12 Fahr-
zeugen 1V2, andere Batterien 2 bis 27«
Doppelzüge ; ein Corps von 20.cx>0 Mann
und 48 Geschützen 34 Doppelzüge mit
100 Locomotiven [darunter 32 Reserve],
84 Personenwagen, 168 Lastw^agen [für
Fuhrwerke], 160 Pferdewagen. Soviel
Betriebsmaterial besassen 1842 Oesterreich
sowie das ausserösterreichische Deutsch-
land noch nicht.
Bezüglich der Cavallerie rechnete
man folgend ermassen :
Ein Cavallerie - Regiment von 750
Reitern mit 830 Pferden benöthigt
150 Wagen oder 6 fünfzigachsige Dop-
pelzüge, d. i. soviel wie eine Infanterie-
Brigade von fast 5000 Mann oder 32
Geschütze. Da nun »selbst die genialste
Verwendung von 750 Reitern in keinem
Falle mit der Wirksamkeit von 5CX)0 Mann
Infanterie oder 32 Geschützen in Ver-
gleich kommen kann«, so ist der Bahn-
transport dieser Waffe in der Regel nicht
begründet. Dazu kommen noch die vor-
erwähnten Bedenken wegen der schäd-
lichen Einwirkung der Bahnfahrt auf die
Gesundheit der Pferde. In besonderen
Fällen sollte der Eisenbahntransport bei
der Cavallerie immerhin platzgreifen,
man erfand sogar eine combinirte Be-
förderungsweise, bei welcher die Mann-
schaft per Eisenbahn, die Pferde aber mit
Fussmärschen, instradirt werden sollten.
Die Einwaggonirung sollte nicht in
den Hauptbahnhöfen allein, sondern des
Raumbedarfes zur Aufstellung der Leer-
garnituren wegen — selbst bei nicht
sehr grossen Echellons — auch in den
kleineren Nachbarstationen stattlinden.
»Die Truppen marschiren dicht an der
Eisenbahnstrecke auf, die Generalstabs-
Officiere und Adjutanten, welche ein
genaues Verzeichnis von der Zahl der
Plätze jedes einzelnen Wagens besitzen,
theilen hiernach die Mannschaft ab, und
ernennen die Commandanten für jeden
Wagen. Eine halbe Stunde vor der Ab-
fahrtszeit marschiren die Bataillone an
ihre Wagenzüge und es formiren sich
nun die Abtheilungen ihren Wagen
gegenüber, wo sie Gewehr beim Fuss
nehmen und das Signal zum Aufsitzen
erwarten. — Da die Aufnahme der den
Truppen zugehörigen Pferde und Wagen
die meiste Zeit in Anspruch nimmt, auch
mancherlei besondere Vorkehrungen
nöthig macht« [Rampen werden nicht
speciell erwähnt], »so muss sie sobald
als möglich bewirkt werden.«
Um Militärbehörden und Truppen in
der Eisenbahninstradirung einzuüben,
wird empfohlen, die Zusammenziehungen
zu den grösseren Manövern mittels
Eisenbahn zu bewirken.
Dass bei der gewissenhaften Unter-
suchung aller massgebenden Factoren auf
das Personal nicht vergessen wurde,
ist begreiflich. Da die vorhandenen
Maschinenftihrer — einer auf 3 Maschi-
nen — für aussergewQhnliche Verhält-
nisse nicht genügen können, wird eine
Aushilfe durch im Frieden auszubildende
Mannschaft der Artillerie- und Genie-
Waife vorgeschlagen.
Hinsichtlich der Ausgestaltung
des Bahnnetzes war in Oesterreich
erst in letzter Zeit ein planmässiges Vor-
gehen in*s Auge gefasst worden. Während
noch die österreichischen Eisenbahn-Con-
cessions-Bestimmungen vom Jahre 1838
feststellten, dass »die Wahl der Rieh-
I20
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
tung und Reihenfolge der zu erbauen-
den Eisenbahnen den Privaten überlassen
wird«, allerdings »mit der Beschränkung,
welche wichtigere öffentliche Interessen
erheischen«, erscheint im December 1841
über Anregung des Freiherrn von Kübeck
— Präsidenten der k. k. Allerhöchsten
Hofkammer — ein Hofkanzleidecret, mit
welchem die Eintheilung der Bahnen in
Staats- und Privatbahnen erfolgt, und
als zur ersteren Kategorie gehörig, die
zu erbauenden Linien »von Wien über
Prag nach Dresden, von Wien nach
Triest, von Venedig über Mailand nach
dem Gomersee, dann jene in der Richtung
über Bayern«, erklärt werden.
In dem Gutachten über dieses Pro-
gramm sprach sich der Hofkriegsrath
dahin aus, dass militärischerseits dagegen
nichts einzuwenden sei, sondern dasselbe
»viel eher als militärisch nützlich aner-
kannt werden müsse«.
Viel weitergehend war naturgemäss
das Programm über ein strategisches
Bahnnetz, welches Pönitz als Grundlage
seiner Untersuchungen und concreten
Vorschläge aufstellte. Dasselbe war einer-
seits gegen Frankreich und andererseits
gegen Russland gerichtet, und bestand
in seinem österreichischen Theile aus
folgenden Linien:
1. »Als vordere Hauptopera-
tionsbasis« und zugleich auch als
künstliche »Hauptvertheidigungs-
linie* gegen Russland die Bahn Lem-
berg-Krakau-Oderberg, zum Anschlüsse
an die Oderbahn;
2. »als hintere Hauptopera-
tionsbasis« die Bahn Komom [oder
Raab]-Wien-Stockerau- im Donauthale
bis Grafen wörth-Gmünd-Bud weis- Prag-
Dresden [Berlin-Stettin] ;
dazwischen die Verbindungen:
3. Komom [oder Pressburg] bis Trent-
schin als Dampfbahn, dann als Pferde-
bahn mit der Einrichtung für leere
Dampfwagenzüge nach F'reistadt zur
Krakauer Bahn ;
4. Wien-Ohnütz-Oderberg, wovon die
Strecke bis Olmütz schon bestand;
5. Olmütz-Pardubitz-Kolin-Prag ;
6. Pardubitz-Josefstadt-Breslau [in der
Strecke Josefstadt-Schweidnitz als Pferde-
bahn].
Femer die Bahnen:
7. Wien-Linz;
8. Wien-Triest mit Abzweigung von
Strass nach Essegg;
9. Wien-Raab-Ofen.
Die Kosten dieses Bahnnetzes wurden
in Thalem zwischen 70.000 für schweren
und theueren und 25.000 für leichten
und wohlfeilen Boden, im Durchschnitte
mit 40.000 Thaler per Kilometer ver-
anschlagt.
Truppen sollten, in wenig bevölkerten
Theilen zum Bahnbaue verwendet, Mili-
tär-Colonien mit Standlagern an den
Eisenbahnen, zum Schutze der Grenzen
errichtet werden.
Auch das Zerstören von Eisen-
bahnen wurde in Betracht gezogen und
in einer objectiven, ebenso von leicht-
sinnigem Optimismus wie von klein-
müthigem Pessimismus freien Auffassung
gewürdigt. Die Zerstöning kann erfolgen
durch Entfernung oder Sprengung des
Geleises, durch Untergraben des Unter-
baues, durch Sprengung von Brücken,
endlich durch Vernichtung von Stations-
einrichtungen. Alle diese Zerstörungen
erfordern eine gewisse Zeit, und können
durch die Anlage der Bahn selbst sowie
durch entsprechende Bewachung vielfach
verhindert, mindestens aber rasch ent-
deckt und — wenn Vorsorgen hiefür
getroffen sind — aufgehoben werden,
denn »selbst der Bau einer hölzernen
Nothbrücke erfordert nur einen halben
Tag, wovon man Beispiele auf englischen
und amerikanischen Eisenbahnen hat«.
Die schärfste Bewachung — welche
nicht nur durch Bahnwächter — sondern
durch Truppenabtheilungen erfolgen sollte,
verlangte Pönitz für Bahnen, welche längs
der Grenze hinziehen, und er schlug hiezu
ein dichtes System von Doppelvedetten
und Feldwachen vor, welches mit circa
100 Mann per Kilometer berechnet
wurde. Für Bahnstrecken im Rücken der
Armee forderte er auch einen gewissen
Schutz, »weil die Zerstörung derselben
künftig eine Hauptaufgabe für Partei-
gänger werden wird« ; dieser Schutz
sollte am zweckmässigsten durch kleine
fahrende Colonnen erfolgen. Zum Schutze
gegen nachhaltigere Zerstörungen — so
von Bahnhofeinrichtungen, W^erkstätten,
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
121
Wasseranlagen etc. — an Eisenbahn-
knotenpunkten, dann von wichtigen Eisen-
bahnbrücken, sollte die Fortification die
Mittel an die Hand geben. Der Be-
schiessung fahrender Züge durch Artillerie
legte Pönitz der geringen Präcision wegen,
nicht allzu grosse Bedeutung bei; er
beantragte aber, die exponirten Bahn-
decretes vom 23. December 1841 zum
Theile auf den Ausbau der schon con-
cessionirten Privatbahnen, hauptsächlich
aber auf die Anlage der als Staatsbahnen
in Aussicht genommenen Linien ver-
wiesen. Auch war bereits mit der Ein-
lösung von Privatbahnen sowie mit der
Uebernahme des Betriebes durch den Staat
oy itmb^.\
Jassv
Bukarest
misch
o
Mafsstab -MO.000.000.
Sfand Ende 1850.
0 100
aoo
-4—
aoo
400
-4-
600
Abb. 13.
Strecken durch Anpflanzungen zu mas-
kiren. Im Allgemeinen sollte der Schutz
der Eisenbahnen die Aufgabe nicht der
Feldarmee, sondern der »Milizen oder
Landwehren« bilden.
184I 1850.
Im Decennium 1841 bis 1850 war
die Bauthätigkeit auf dem Eisenbahn-
gebiete auf Grundlage des Hofkanzlei-
begonnen worden. Im Ganzen war der
Fortschritt in der Ausgestaltung der
Eisenbahnen nicht auf der Höhe der be-
deutenden Anstrengungen der Staatsver-
waltung; die in der Terraingestaltung
sowie in den eigenthümlichen, politisch
administrativen Verhältnissen liegenden
Schwierigkeiten, später die Revolutions-
Ereignisse, hatten besonders seit 1846
ein Zurückbleiben in der Verkehrsent-
wicklung verursacht. Ende 1850 umfasste
das österreichische Bahnnetz [excl. Pferde-
122
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Eisenbahnen] nach einem durchschnitt-
lichen, jährlichen Zuwachs von circa
130 km im Ganzen 1500 km. [Vgl.
Karte Abb. 13.]
Die militärische Benützung
der Eisenbahnen war vorerst auf ein-
zelne Fälle beschränkt geblieben. Im
März 1846 fuhr ein Bataillon [900 Mann]
mit einem 28 Wagen zählenden Zuge in
14Y2 Stunden von Prag nach Wien, und
Tags darauf ein Regiment [1500 Mann]
sammt Gepäck und Pferden mittels zweier
Züge auf der seit wenigen Monaten er-
öffneten »nördlichen Staatsbahn« nach
Olmütz. Die Nordbahn beförderte mit
2 Zügen zu 64 und zu 15 W^agen 2000
Mann von Ostrau nach Wien, So gering
auch diese Leistungen erscheinen, so er-
munterten selbe doch zur Verallgemeinung
des Eisenbahntransportes für Truppen.
MitHofkammerdecretvom iQ.Mai 1846
wird im Einvernehmen mit dem k. k.
Hofkriegsrathe bestimmt, dass der Trans-
port von Militär- Assistenz - Commanden
künftig auf den Eisenbahnen zu bewirken
sei, und dass den Staatseisenbahnen hiefür
das mit der Kaiser Ferdinands-Nordbahn
schon 1842 vereinbarte Meilengeld von
3 Kreuzer C.-M. per Officier oder Mann
und 1^4 Kreuzer C.-M. per Centner
Gepäck zu vergüten sei.
Die ereignisreichen Jahre 1848 und
1849 zeigen keine Beispiele militärischer
Benützung der Eisenbahnen; alle Ver-
schiebungen finden mittels Fussmärschen
statt.
Dagegen bot die Belagerung von
Venedig im Jahre 1848 Gelegenheit, Er-
fahrungen bei Zerstörung grösserer Bau-
objecte der Eisenbahnen zu sammeln, da
es sich darum handelte, die grosse Eisen-
bahnbrücke über die Lagunen betriebs-
untauglich zu machen. [Vgl. Abb. 14.]
Im März 1850 wurde mit a. h. Ent-
schliessung eine Stelle creirt, welcher es
im Zusammenhange mit dem Studium
der Reichsbefestigungsfrage obliegen sollte,
alle Eisenbahnprojecte vom militärischen
Standpunkte zu prüfen und zu beurtheilen ;
es war dies die permanente Central-
Befestigungs-Commission.
Noch im Herbste desselben Jahres
sehen wir aus Anlass der drohen-
den Lage im Verhältnisse der
Monarchie zu Preussen die Eisen-
bahnen zum ersten Male eine bedeutende
strategische Rolle spielen. Binnen 26
Tagen wurden im Monate November
75.000 Mann, 8000 Pferde, 1800 Fuhr-
werke und Geschütze und 4000 Tonnen
Militärgut aus W^ien und Ungarn aut
der Nordbahn und der nördlichen Staats-
bahn über Brunn und Olmütz gegen die
nördliche Grenze der Monarchie befördert.
Durchschnittlich fuhren täglich von Wien
auf der damals eingeleisigen, wenig
leistungsfähigen Strecke 6 bis 7 Z\SigQ
mit zusammen 3000 Mann, 300 Pferden,
70 Fuhrwerken und Geschützen und 150
Tonnen Militärgut ab.
Die grösste Leistung war jene am
29. November: 8000 Mann, 550 Pferde
und 180 Fuhrwerke in 8, durchschnittlich
hundertzwanzig-achsigen Zügen.
Zur Anwendung gelangte der Tumus-
verkehr, welcher später von Frankreich
[1854] und Preussen [1859] adoptirt
wurde.
So sehr auch diese Leistung an und
für sich geeignet war, in und ausserhalb
Oesterreichs zu imponiren, so traten doch
dabei die Mängel der unausgebildeten
Massentransport-Technik zu Tage. Das
Resultat war schliesslich ein bedenkliches ;
denn trotz der hingebenden Aufopferung
des Personals, trotz des verhältnismässig
bedeutenden Fahrparks der betheiligten
Bahnen, wurde eine Beschleunigung des
Aufmarsches gegenüber einer Fussmarsch-
bewegung kaum erzielt. Zahlreiche Stock-
ungen, Verstopfung der Stationen, Auf-
enthalte und Unregelmässigkeiten aller
Art waren hemmend eingetreten, und der
Grund von alledem war die mangelnde
Vorbereitung, das Fehlen fester Fahrpläne,
das Instradiren von Fall zu Fall. Immer-
hin konnte diese Erfahrung nicht er-
mangeln, den militärischen Nutzen eines
rationellen Eisenbahnnetzes — namentlich
für Transporte auf weite Entfernungen —
aufs Neue zu bekräftigen, und so trat
denn schon im Mai des nächsten Jahres
die » Permanente Central - Befestigungs-
Commission« mit einem Entwürfe für die
systematische Ausgestaltung der Schienen-
wege der Monarchie hervor, welcher —
im Einvernehmen mit dem Kriegs-
ministerium verfasst — die Grundlage für
Unsere Eisenbahnen im K riegle.
den 1854 von der Regierung veröffentlich-
ten. Allerhöchst genehmigten Plan des
'Eisenbahnnetzes für den öster-
reichischen Kaiserstaat' bildete.
Der strategische Bahnnetzentwurf um-
fasste nachstehend verzeichnete Linien,
welche je nach ihrer Wichtigkeit vom mili-
tärischen Standpunkte, sei es auf Staats-
kosten oder durch Privatuntemehmungen,
zu erbauen waren, undzwar: i. Wien-Linz-
Salzburg; 2. Prag über Pilsen nach Bayern;
Klausenburg; 19. Pilsen-Eger und 20.
Kaschau-Przemysl.
Wenn man diese Projectslinien im
Zusammenhange mit den zur Zeit im
Betrieb gestandenen, im Bau befindlichen
und zur Concessionirung gelangten Linien
betrachtet, so zeigt sich das Bestreben
der Heeresverwaltung, aus dem Herzen
des Reiches je zwei bis drei Schienenwege
gegen die voraussichtlichen Kriegsschau-
plätze zu schalfen. Leider blieb die that-
Abb. M- Sprtngung d« EJeeDbabnbrUcke Über dl
2c[<:bnuDg Ton SandmuiD. Litboet. Ii
3. Debica-Lemberg-Czemowitz; 4. Lai-
bach-Nabresina-Triest; 5. Temesvdr-Arad-
Heimannstadt, mit einer Verbindungslinie
von Karlsburg nach Klausenburg; 6. Neu-
häusel-Komom ; 7. M an tua-Borgo forte ;
8. Szegedin - Baja - Mohäcs - Fünf kirchen-
Gr. Kanizsa-Agram; 9. Pest-Miskolcz-
Kaschau-Leutschau-Tamöw; 10. Sissek-
Agram mit einer Flügeliinie nach Karl-
stadt; II. Bozen-Innsbruck; 12. Budweis-
Pilsen ; 1 3. Pardubitz-Reichenberg ; 14. Her-
mannstadt-Kronstadt; 15. Temesviir-
Weisskirchen ; lö.Mohäcs-Essegg; ly.Sze-
gedin-Peterwardein; 18. Grosswardein-
eilae *
n L T. Neu
in Jahn iS<a (Nach einet
unn In Wien.]
sächliche Entwicklung der Eisenbahnen
hinter den militärischen Forderungen
zurück, was sich in späteren Tagen schwer
rächen sollte.
1851 1861.
In den vier Jahren 1851 bis 1854 fanden
nennenswerthe Erweiterungen des Bahn-
netzes nur in Ungarn und in Italien, zu-
sammen um 317 km statt. Im Hbrigen
Theile der .Monarchie wurden in dieser
Zeit blos 76 km [darunter allerdings die
124
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Semmeringbahn], d. i. durchschnittlich
19 ktn per Jahr eröffnet.
Die Ende 185 1 ausgegebene und noch
gegenwärtig giltige Eisenbahn-Be-
triebs-Ordnung brachte unter An-
derem auch die Bestimmung [§ 69], dassr
für den Transport von Truppen oder Mili-
tär-Effecten, der Militär-Verwaltung über
Verlangen »alle dienlichen Betriebsmittel
gegen eine angemessene, im wechsel-
seitigen Einvernehmen festzusetzende Ver-
gütung [welche jedoch die gewöhnlichen
Tarifpreise niemals übersteigen darf], so-
gleich und mit Bevorzugung vor jedem
anderweitigen Transporte zur Verfügung
zu stellen seien c. Weiters [§ 70], »dass
in Belagerungs- und Kriegszeiten der
hiezu berufenen Militärbehörde das Recht
zusteht, soweit es strategische oder sonst
militärische Rücksichten gebieten, gegen
angemessene Entschädigung den Bahn-
betrieb ganz oder zum Theile zu mili-
tärischen Zwecken zu benützen oder
auch einzustellen«.
Auf die Erfahrung von 1850 basirt,
hatte die Technik des Massentrans-
portes für militärische Zwecke
indessen Fortschritte gemacht.
Mit einer Circular- Verordnung vom
26. Juni 1851 [K. 4368] wurde angeordnet,
dass Mannschaftstransporte, wo Eisen-
bahnen oder Dampfschiife bestehen, auf
diesen dann zu befördern seien, wenn der
entsprechende Fussmarsch über drei Tage
beanspruchen würde. Zur ähnlichen Be-
förderung von Pferden und F'uhrwerken
sei hingegen jederzeit eine specielle Aller-
höchste oder Kriegs-Ministerial-Bewilli-
gung unbedingt nothwendig.
Die Verschiebung der Truppen ins
Olmützer Lager 1853 sehen wir mittels
Eisenbahn in einer bisher nicht gekannten
Ordnung durchführen. Siebzehn, auf Ma-
schinen-Wechselstrecken vertheilte Loco-
motiven beförderten anstandslos täglich
2000 Mann, 430 Pferde und 30 Fuhrwerke
— ca. drei hundertachsige Züge; eine
kleine, aber immerhin einen Fortschritt
bedeutende Leistung.
Umsomehr erscheint es daher be-
fremdend, in der 1854 zur Ausgabe ge-
langten »Provisorischen Vorschrift
für den Dienst des General-
Quartiermeisterstabes im Felde«
die Eisenbahnen mit keinem Worte er-
wähnt zu sehen.
Als im Jahre 1854 der Orientkrieg
Oesterreich zum Beziehen einer Armee-
Aufstellung in Galizien und Siebenbürgen
und zur Besetzung der Donaufürsten-
thümer veranlasste, da machten sich
die Mängel des Bahnnetzes [vgl. Karte
Abb. 15] schwer fühlbar. Die nur bis
Krakau reichende Linie nach Galizien war
von Oderberg bis Trzebinja unterbrochen
und fand ihre Verbindung nur über das
Ausland ; gegen Osten waren Szolnok und
Szegedin die Endpunkte; so musste man
sich entschliessen, die Massenverschiebun-
gen mittels Fussmärsche durchzuführen.
Eben so sehr litt unter dem Mangel an
Eisenbahnen die Verpflegung und das Sani-
tätswesen, was — nebst den wüthenden
Epidemien — mit eine Ursache der riesigen
Verluste an Mann und Pferd ward.
Diese Erfahrungen trugen zum Theile
bei, jene Massnahmen zu beschleunigen,
welche das Wiederaufleben der Eisenbahn-
Bauthätigkeit herbeizuführen bestimmt
waren. Im September 1854 erschien das
noch heute giltige Eisenbahn-Concessions-
Gesetz, welches von der Hoffnung auf
eine lebhafte Heranziehung des Privat-
capitals und der Privatthätigkeit inspirirt
worden war. Indem dieses Gesetz namhafte
Erleichterungen für das Zustandekommen
von Bahnverbindungen gewährte, schuf
es auch andererseits die Möglichkeit, im
Staatsinteresse besondere Forderungen an
die Bahnen zu stellen, indem es die
Bestimmung enthielt [§ 10], »in ganz
besonderen Fällen, z. B, wenn von
der Staatsverwaltung eine Zinsengarantie
für das Unternehmen übernommen wird
etc., die Erfüllung noch anderweitiger
Verbindlichkeiten zur Bedingung zu
machen«.
Der militärischen Einflussnahme auf
die Verwirklichung von Bahnprojecten er-
scheint in diesem Gesetze dadurch Rech-
nung getragen, dass vor der Bewilligung
zur Vornahme der Vorarbeiten das Ein-
vernehmen mit dem Armee- Obercom-
mando zu pflegen ist [§ 2], ferner in die
zur Prüfung der Projecte an Ort und
Stelle zu entsendende Commission auch
Vertreter der Militärbehörden zu be-
stimmen sind [§ 6].
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
Endlich verhält das Gesetz die
Unternehmer, für die Beförderung von
Truppen und Militäreffecten »alle zum
Transporte dienlichen Mittel« nach den
für diese Beförderung bei den Staats -
eisen bahnen festgesetzten Tarifen bei-
zustellen.
Im darauffolgenden Monate erging
im Zusammenhange mit dem Concessions-
zielle Lage bedingt war. Als letztes
Ghed in dieser Kette wurde der vorhin
[Seite 123] erwähnte «Plan eines Eisen-
bahnnetzes für den österreichischen Kaiser-
Staat« veröffentlicht. In demselben waren
bezeichnet: als vorwiegend strategi-
sche Linien in westlicher Richtung :
Wien -Linz- Salzburg-bayerische Grenze,
Linz- Passau und Prag -Pilsen-bayerische
Gesetze die a. h. Entschli essung, womit I
genehmigt wurde, »dass die auf Staats- ■
kosten erbauten oder eingelösten und I
bisher in eigener Regie betriebenen Eisen- j
bahnen gegen eine entsprechende Ab- '
lösungssumme an Privatunternehmer auf |
eine gewisse Reihe von Jahren zum |
Betriebe überlassen werden«, was aller-
dings nicht im militärischen Interesse lag, I
jedoch durch die ungünstigen Ergebnisse
des Staatsbetriebes und durch die finaii- '
Grenze; in östlicher Richtung: Dgbica-
Przemysl-Czemowitz und Lemberg-Brody;
in südöstlicher Richtung; Agram-Karl-
stadt, Agram -Sissek, Bergamo - Monza,
Mailand-Piacenza, Mailand- Pavia, Man-
tua-Borgoforte und vom Tagliamento nach
Nabresina; als strategiscb-commer-
ziell wichtig: Innsbruck Bozen, Mar-
burg-Klagenfurt-Villach-Udine; als poli-
tisch wichtig für die Östlichen Länder:
Oedenburg-Kanizsa-Fünfkircben, Agram-
126
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Kanizsa-Ofen, Pest-Tamöw, Mohäcs-Baja-
Szegedin und Temesvär-Hermannstadt.
Dieser hochbedeutenden Staatsaction
folgte eine Periode lebhaften Aufschwun-
ges, ja krankhafter Ueberspeculation, so
dass das österreichische Bahnnetz in den
sechs Jahren von 1856 bis 1861 um durch-
schnittlich 500 ^m jährlich anwuchs, leider
nicht in jenen Richtungen, welche die
militärisch dringendsten waren. Für den
Bau der eminent wichtigen Verbindung
Casarsa-Nabresina zwischen der lombardo-
venetianischen und der südlichen Staats-
eisenbahn wurde, laut eines im März 1856
abgeschlossenen Uebereinkommens des
Staates mit einem Gonsortium von Capita-
listen, erst das Ende des Jahres 1859 als
Eröffnungstermin festgestellt. Gleichzeitig
mit dem lebhaften Fortschritte in der Ent-
wicklung des Bahnnetzes spielt sich —
1855 bis 1858 — die Veräusserung nahezu
des gesammten Staatsbahnnetzes ab.
Mit dem eingetretenen Aufschwünge
hatte auch das militärische Interesse an
dem Eisenbahnwesen zugenommen, und so
sehen wir gegen Ende des Decenniums
jene gründliche Erkenntnis dieses Wesens
heranreifen, aus welcher in stetiger Fort-
entwicklung die rationellen Grundsätze
der modernen militärischen Benützung
dieses mächtigsten aller Verkehrsmittel
entspringen sollten.
Im Jahre 1857 wurde die per-
manente Central-Befestigungs-
Gommission wieder aufgelöst, und die
Agenden derselben — worunter sich be-
kanntlich auch die Prüfung und Beur-
theilung von Bahnprojecten befand —
dem Armee-Ober-Commando übertragen.
Im gleichen Jahre wurde den Bahnen
die Verpflichtung auferlegt, strategisch
wichtige Brücken mit permanenten
Demolirungsminen nach Angabe des
Kriegs - Ministeriums zu versehen. Die
Auferlegung dieser Verpflichtung schon
bei der Goncessions-Ertheilung wurde fest-
gesetzt, imd eine Instruction für die An-
lage dieser Minen ausgegeben. [Armee-
Ober-(2ommando-Erlass vom 23. April,
Abtheilung 11, Nr. 184.] Als Erläute-
rung zur letztgenannten Instruction er-
scheint 1858 in den Mittheilungen des
k. k. Genie-Gomitcs, 3. Band, ein Aufsatz
über Anlage von Demolirungsminen in
Brücken und Viaducten sowie über die
Sprengung dieser Objecte. Im gleichen
Jahre wurde eine Vorschrift über
die Anlage von Demolirungs-
minen bei Neubauten von Brücken
mit Eisenconstructionen ausgege-
ben. [Erlass des Armee-Ober-Commandos
vom 20. März 1858, Abtheilung 5,
Nr. 209.]
Der Standpunkt, welchen die Te c h n i k
der militärischen Eisenbahn-
benützung bis Ende 1858 erreicht
hatte, lässt sich in den Hauptpunkten
wie folgt charakterisiren:
Was zunächst die den Eisenbahnen
zukommenden Leistungen und Aufgaben
anbelangt, so hatte sich nach den ge-
machten Erfahrungen sowie nach der
Entwicklung, welche das Bahnnetz ge-
nommen hatte und weiters zu nehmen
sich anschickte, schon die Erkenntnis
Bahn gebrochen, dass die Eisenbahnen
zu Grossem berufen seien : zur Durch-
führung des strategischen Aufmarsches.
Hiebei w^urde aber auch die Rolle nicht
ausser Acht gelassen, welche die Eisen-
bahnen bei kleineren Operationen, gleich-
sam aut taktischem Gebiete zu spielen
berufen sein können. — Mit der Ansicht,
dass es nicht vortheilhaft sei, Caval-
1 e r i e mit Eisenbahn zu verschieben,
war zu dieser Zeit bereits gebrochen
worden.
Ueber die Leistungsfähigkeit
derBahnlinien hatten schon deutliche
Begriff'e Wurzel gefasst; man schätzte
bereits klar nach ihrem Werthe die hiefür
massgebenden Elemente, nämlich: die
Anzahl der Geleise in der laufenden
Strecke ;
den nahezu alle Vortheile der Doppel-
spur aufhebenden Einfluss von einzelnen
eingeleisigen Strecken innerhalb von sonst
doppelgeleisigen Linien ;
die Berechnung der Leistungsfähigkeit
eingeleisiger Linien nach der der Zeit
nach längsten Stationsentfemung, so dass
diese Entfernung im Zeitmasse ausge-
drückt, mit Rücksicht auf die zwei Gegen-
züge doppelt genommen, und mit Zugabe
eines kurzen Sicherheitsintervalles in der
Dauer eines Tages dividirt, die Anzahl
der binnen 24 Stunden im Maximum nach
einer Richtung möglichen Züge angibt;
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
127
die Berechnung der Leistungsfähigkeit
doppelspuriger Linien nach den Ein-
richtungen auf der Strecke, namentlich
jener zur Speisung der Locomotiven,
somit nach der Ergiebigkeit der Brunnen
imd Leistungsfähigkeit der Pumpen;
die Bedeutung der Ausgestaltung der
Stationen mit Geleiseanlagen für die Ein-
und Auswaggonirung und für den Ver-
kehr etc.
Die Unerlässlichkeit einer E i n f 1 u s s-
nahme der Militär -Verwaltung
aufdie Eisenbahnen im Frieden, um
selbe rechtzeitig kennen zu lernen und
noth wendige militärische Forderungen
geltend zu machen, war ausgesprochen.
Bezüglich der Verkehrsarten finden
wir die klare Unterscheidung der dem
Echellon- und dem Turnus verkehr zu-
kommenden Aufgaben herangereift. Er-
sterer erschöpft bald die materiellen und
personellen Kräfte der Bahn, ist daher
nur für kurze Beanspruchung und kleinere
Transportmengen geeignet; letzterer ist
die ausgiebigste Beförderungsart für
grössere und länger andauernde Trans-
portbewegungen. Demgemäss, und weil
die Regelmässigkeit die Seele des Eisen-
bahnbetriebes ist, so seien für den Tumus-
verkehr die Fahrordnungen bei Annahme
der Aufhebimg des Frachtenverkehrs
schon im Frieden zu entwerfen und
evident zu halten, im Kriege aber über
Aviso in Kraft zu setzen.
Dass bei grösseren Transportbe-
wegungen der Civilverkehr ganz oder
theilweise einzustellen, dass der Massen-
verkehr und die Einwaggonirung bei
Tag und Nacht — ersterer ohne Wagen-
wechsel bis zur Endstation — fortzusetzen
seien, wird schon bestimmt ausgesprochen.
Die Fahrgeschwindigkeit der
Militärzüge finden wir zu dieser Zeit, trotz
eines sechszehnjährigen Fortschrittes der
Eisenbahntechnik, gleich wie bei Pönitz
veranschlagt, 3 Meilen per Stunde.
Dasselbe gilt betreff des Fassungs-
raumes der Wagen für Mannschaft,
Pferde und Fuhrwerke; nur wird für die
Unterbringung des Gepäckes in den
Mannschaftswagen Y^q der Sitzplätze in
Abzug gebracht.
Bei Berechnung des Wagen-
bedarfes werden schon die Schwierig-
keiten, welche in der Ungleichheit der
Wagen und in der HerbeischafTung des
Leermateriales liegen, gebührend gewür-
digt ; ebenso der Einfluss des Reparatur-
standes.
Hinsichtlich der Zugsordnung wird
die Anwendung von Zwillingszügen zwar
in Betracht gezogen, aber der Nachtheil
derselben für die Anlage der Bahn sowie
für die Einfachheit und Sicherheit des
Verkehres erkannt.
Als eigentliche Militärzugsmaschine
wird die Lastzugslocomotive bezeichnet;
als zweckmässigste Verwendung der
Locomotiven nach den — auch 1853 —
gemachten Erfahrungen, die Stationirung
derselben an den Enden von Maschinen-
wechselstrecken erkannt.
Hinsichtlich der Einwaggonirung
werden stabile Verladevorrichtungen ge-
fordert. Die jetzt normirte Vornahme von
Einwaggonirungsübungen sehen wir schon
zu dieser Zeit beantragt.
Die Schwierigkeiten der Personalfrage,
der Verwendung fremden Materiales und
Personales, die Berücksichtigung des
Tumusdienstes für letzteres, werden schon
ins Calcul gezogen.
Gegenüber diesen wissenschaftlichen
Untersuchungen und Folgerungen der
Fachmänner waren die Massnahmen der
Heeresverwaltung gerade so weit zurück-
geblieben, wie in so umfassenden und
complicirten Dingen die Ausführimg von
der Erkenntnis entfernt ist, und so sehen
wir die Ereignisse desJahres 1859
hereinbrechen, ohne dass bezüglich der
militärischen Eisenbahnbenützung ent-
sprechende Vorsorgen getroffen worden
wären.
Tirol war mit dem Herzen der
Monarchie gar nicht verbunden, von
Böhmen, Mähren, Schlesien aber nur mittels
weiter Umwege, durch Bayern und Sachsen
über Kufstein bis Innsbruck, zu erreichen.
(Vgl. Karte Abb. 16.) Von Innsbruck nach
Bozen war eine Schienenverbindung kaum
erst sichergestellt worden; die weitere
Fortsetzung bis Verona befand sich im
Bau, und wurde die Strecke Trient- Verona
wohl am 23. März, jene Bozen-Trient
aber erst am 16. Mai 1859 [am 24.
April Ueberschreitung der Grenze seitens
128
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
der österreichischen Armee] eröffnet. In
der hochwichtigen Verbindung Wien-
Laibach -Verona -Mailand war die Lücke
Nabresina-Casarsa [102 km] noch nicht
geschlossen. Die durch die nothwendigen
Ein- und Auswaggonirungen, dann Ein-
und Ausschiffungen an den Zwischen-
punkten Innsbruck, Bozen, Nabresina,
Casarsa, Triest und Venedig hervor-
gebrachten Verzögerungen, dann die
Ueberfüllung solcher Bahnhöfe mit einem
unentwirrbaren Chaos von nicht weiter-
zubringenden Heeresbedürfnissen aller
Art waren nur natürliche Folgen dieser
Verhältnisse.
Diese Umstände, die dadurch her-
vorgebrachten Verpflegsschwierigkeiten
sowie das Verderben der in Casarsa und
Nabresina angehäuften Verpflegsvorräthe
waren die Veranlassung, dass vom Aller-
höchsten Armee-Ober-Commando die Auf-
stellung eines Eisenbahn-Comit6s ange-
ordnet wurde, welches den gesammten
Betrieb zu leiten hatte.
Da concrete Kriegsvorbereitungen für
die Bahnbenützung nicht bestanden hatten,
so wurden die Massenbewegungen ad hoc
durchgeführt, mit jenem Vorbedachte
und jener Ueberlegung, welche die durch
die momentane Lage gestattete Vorbe-
reitungszeit den Bahnen eben ermöglichte.
Die in der Zeit von Anfangs Januar
bis Ende Juli [am li. Juli Friedensprä-
liminarien von Villafranca] vollzogene
Eisenbahn-Transportbewegung erscheint
in der nachstehenden Tabelle angegeben.
Angesichts der damaligen Ausdehnung
des Gesammtnetzes der Monarchie —
ca. 4200 km [gegen ca. 33.600 ktn mit
Ende 1897] — ist diese Transportbe-
wegung eine imposante zu nennen. — Die
Transportkosten [einschliesslich Schiffs-
transport] beliefen sich auf nahezu 36 Mil-
lionen Gulden.
Besonders interessant und lehrreich
war zu Beginn dieses Feldzuges der
Transport des II I. [Schwarzenberg'schen]
Corps.
Bekannt ist, wie die herausfordernde
Neujahrskundgebung des Kaisers Napo-
leon III. am I. Januar 1859 das Alarm-
signal geworden war, welchem alsbald
die Kriegsfanfare nachfolgen sollte.
Schon am 6. desselben Monats 10 Uhr
Vormittag traf bei der Betriebsleitung der
Südbahn der Auftrag ein : am 7. Januar
einen Truppentransport in der beiläufigen
Stärke von 9000 Mann Infanterie von Wien
nach Laibach zu befördern; wahrschein-
lich würde der Transport von dort über
Weisung des II. Armee-Commandos aus
Verona weiter zu transportiren sein ; vor-
aussichtlich würden auch in den folgenden
Tagen grössere Transporte stattfinden.
Die Südbahn, obwohl durch diese Weisung
in hohem Grade überrascht, sagte zu,
unter der Voraussetzung jedoch, dass am
8. Januar keine Einwaggonirung statt-
finden, und dass auch mit Bänken ein-
gerichtete Güterwagen zum Mannschafts-
Transporte benützt werden dvurften.
Hinsichtlich der Fahrordnung konnte
fürs Erste nur der 7. Januar ins Auge
gefasst werden, und dann war die Vor-
bereitungszeit eine äusserst kurze — bis
zum ersten Transporte nur 20 Stunden.
Man griff daher zu dem Auskunftsmittel,
die zwei in der gewöhnlichen Fahrordnung
vorgesehenen Militärzüge [Früh und
Abends] durch Hinzufügung je zweier
1 t
Es beförderten Alles in i r^ ^
Allem, Hin- und Rück- ; Mann Pferde ^^^^'
1 fahrten eingerechnet werke
1
Rinder
Zu-
Tonnen sammen
Güter Wagen-
ladungen
. Die Südbahn 716.631 56.952 7.46S
1 •> Xordbalin 625 252 74.423 7.751
; » Staatsbahn 777-241 96.533 5.287
> Westbahn 117-387 12.IÖ2 I.797
' > Carl-Ludwigbahn . . . 119.657 11.S8S 1.508
20.042 ' 12.478
22.172 3.387
20.852 5.321
4-506 . 933
428
40.619
40.354
46.104
7.740
6.855
' Totale 2,356.168 251.95S 23.S11 67-572 ' 22.547 141.672
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
129
Nachtrains auf sechs zu ergänzen und
eine Fahrordnung für einen ebensolchen
Mittags-Drillingszug auszuarbeiten ; so
hatte man die für den Transport nöthigen
neun Züge beisammen. Damit der tak-
tische Verband nicht zerrissen werde,
hatten drei Züge je zwei, die übrigen
Züge je ein Bataillon aufzunehmen, wo-
durch sich eine grosse Ueberlastung ein-
Nachtheile von Zwillingszügen kannte
man wohl, wie fatal daher, dass man gar
zu Drillingszügen seine Zuflucht zu nehmen
bemüssigt war ; die Aufenthalte wuchsen
bedenklich; auf dem Semmering, wo die
Maschinen die überlasteten ZiXge nicht
fortbrachten, mussten die 9 Militärzüge in
29 Theile zerlegt werden. Der Umstand,
dass der Frachtenverkehr nicht schon am
oyümbf.\
Jassv
Bukarest
Mafsstab -MO.000.000.
Stand Ende I85B.
100
JOO
-f-
400
-4—
500
■H
Abb. 16.
zelner Züge ergeben musste. Der Frachten-
verkehr wurde erst vom 7. an — jedoch
nicht officiell — nahezu eingestellt.
Die Personenzüge [täglich drei in jeder
Richtung] sowie die Localzüge verkehrten
weiter. Ein Betriebs-Inspector wurde nach
Laibach entsendet, um wenigstens ein
Organ für die Einleitung des eventuellen
Weitertransportes an Ort und Stelle zu
haben. Die aus der übereilten und unregel-
mässigen Einleitung entspringenden Ucbel-
stände konnten nicht ausbleiben. Die
Geschichte der Eisenbahnen. II.
6. eingestellt wurde, bewirkte es, dass die
für den Abend-Echellon am 7. nöthigen
Wagen erst im letzten Momente —
zwischen 4 und 7 Uhr Nachmittags —
eintrafen; und als man auch in den
späteren Tagen die Einstellung nicht
officiell aussprach, verursachte dies manche
schwere Unzukömmlichkeit, — wie Be-
anspruchung des so dringend benöthigten
Wagenmaterials, Erschwerung der Be-
wegung auf der Strecke und Ueberfüllung
der Magazine.
I30
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Am 7. trafen der Auftrag für den Trans-
port am 9., und in ähnlichen Intervallen,
die Weisungen für die folgenden Tage
ein, so dass bei Mangel einheitlicher
Uebersicht über die Transportbewegung,
für die einzelnen Tage eine i bis 3tägige
Vorbereitungszeit erübrigte.
Am 9. verblieb man noch bei den
Drillingszügen, nur entfiel jener der
Mittagszeit; später sah man von selben
als höchst nachtheilig ab, und beförderte
nie mehr als zwei ZiXgc hintereinander.
Infanterie wurde innerhalb und zunächst
des alten Frachtbahnhofes, Cavallerie am
Matzleinsdorfer Bahnhof an einer 1 50 m
langen Militär-Rampe einwaggonirt.
Die Reihenfolge und Stärke der Trans-
porte zeigt die nachstehende Tabelle.
In Laibach musste die Weiterbeför-
derung sämmtlicher Züge neu eingeleitet
werden, was einen Aufenthalt von ^4
bis zumeist 7« Tag bedingte, während
dessen auswaggonirt und gerastet wurde.
Sieben Bataillone fuhren bis Triest, wo
sie eingeschifft wurden, Alles Uebrige ver-
liess die Südbahn in Nabresina oder
Sessana. Die Dauer der Fahrt bis dahin
[574 Aw], eingerechnet des Aufenthaltes
in Laibach sowie der i ^/^ bis 2-stündigen
Verpflegs- und der nöthigen Betriebsaufent-
halte, betrug nach den rationelleren Fahr-
ordnungen der späteren Tage 36 bis
42 Stunden.
Diese Zeit erscheint zwar mit Rück-
sicht auf den nun schon unvermeidlich
gewordenen bedeutenden Aufenthalt in
Laibach nicht übermässig lang, anders
aber ist das Resultat, wenn man den
Rücklauf der Leerzüge nach Wien be-
trachtet, auf welchen sich natürlich all
die Reibungen geltend machten. Die
Leergamituren langten nach 120 bis 140
Stunden in der Anfangsstation wieder
ein, obwohl der ganze Turnus für die
Hin- und Rückfahrt bei einer Revisions-
zeit von 12 Stunden für die Maschine
nicht länger als 80 bis 90 Stunden hätte
dauern sollen.
ctf ,
II.
12.
13
15.
16.
17
18.
19.
20.
Truppengattung
7. 9 Infanterie- und 3 Jäger- Bataillone
8.' - -
9.
IG.
6 Infanterie- und i Jäger-Bataillon
Corps - Hauptquartier, Sanitätscompagnie und
2 Batterien
2 Batterien
2 Batterien
Stab und 4 Escadronen Preussen-Husaren . . .
4 Escadronen Preussen-Husaren
Pulver-Transport und 3 grösstentheils Militär-
Frachtenzüge ,
Artillerie-Bespannungs-Transport von Wien und ,
Graz
Artillerie-Bespannungs-Transport von Wien und
Graz
5 Artillerie-Compagnien
4 Escadronen Civalart-Uhlanen
Stab und 4 Escadronen Civalart-Uhlanen . .
s
730
475
443
928
803
310
759
693
820
9)
u
I 0) V
N M
8568 107 31
5125 67
358
247
282
836
746
553
4
681
750
20
80
48
49
II
4
437 731 16
2
7
u
5
4
4
8
8
6
I
8
8
o CO
Summa
20.091 5362 27S 77
22
I
22
»
22
21
21
18
n
18
17
17
20
17
17
19
Unsere Eisenbahnen im Kriege
131
Der Transport spielte sich ohne Un-
fall ab. Es wurden binnen 14. Tagen
77 Militärzüge, oder täglich 5V2 Militär-
und 3 Personenzüge befördert, eine
Leistung, welche infolge der vorgeschil-
derten Begleitumstände die Inanspruch-
nahme der Bahnmittel und des von
Patriotismus und regstem Pflichtgefühle |
beseelten Personals fast bis zur äussersten
Grenze steigerte, während in den späteren
Perioden auf derselben Bahn bei regel-
mässiger Einleitung des Verkehres —
12 Militärzüge täglich [darunter 1 — 2
Verpflegszüge] anstandslos verkehren
konnten.
Von Eisenbahn - Zerstörungen wurde
in diesem Kriege vielfach Gebrauch
gemacht :
Bei der Vorrückung der österreichi-
schen Armee an die Dora baltea wurde
die Eisenbahnstrecke Vercelli-S. Germano
[gegen Turin] an zahlreichen Stellen ab-
gegraben vorgefunden; die Brücke über
den kleinen Naviglio [Langosco] war
von den Piemontesen schon am 26. April
gesprengt worden als diese gewahr
wurden, dass die Grenzbrücke über den
Ticino bei Buffalora von den Oester-
reichem zur Sprengung hergerichtet
wurde. Die Brücke über die Sesia bei
Vercelli war ebenfalls mit Minen ver-
sehen worden ; letztere wurden aber von
den Oesterreichern rechtzeitig entdeckt
und ausgeladen [3. Mai]. Die Po-Brücke
bei Valenza in der rechten Flanke der
Vorrückungslinie der Oesterreicher wurde
am 8. Mai von diesen gesprengt. Beim
Rückzuge in die Lomellina und an den
Ticino wurde die Eisenbahn . von Novara
gegen Vercelli und Mortara bis 30. Mai
zerstört, und die wichtige Bahn- und
Strassenbrücke über den Ticino bei Buf-
falora — jedoch nur unvollständig —
gesprengt. Beim Rückzug an den Chiese
wurde die Chiese-Brücke bei Ponte S.
Marco, nach Bergung des von da bis
Bergamo gestandenen Betriebsmateriales
nach Verona, am 12. Juni gesprengt.
Für eventuelle rasche Truppenver-
schiebungen hatte das Armee-Commando
in Itahen schon Anfangs 1859 verfügt,
dass in den an der Eisenbahn liegenden
Gamisonsorten mindestens eine, in Mai-
land, Venedig und Mantua wenigstens
2 geheizte Locomotiven mit einer ent-
sprechenden Anzahl Waggons in Bereit-
schaft gehalten werden.
Interessant ist auch die in diesem
Feldzuge vorgekommene Verwendung von
Locomotiven zu Aufklärungszwecken :
Nach der Schlacht von Magenta consta-
tirten zweimal Generalstabs-Officiere,
welche auf Recognoscirungsmaschinen
auf der Linie Peschiera-Mailand vorge-
sendet worden waren, die Anwesenheit
des Feindes zuerst in Senate, dann in
Desenzano.
Erwähnenswerth ist auch, dass beim
Transport des i . Armee-Corps aus Böhmen
nach Italien auf der Nord-Tiroler Bahn
die Hälfte der Züge mit fremden [bsLyri-
sehen] Maschinen befördert wurde. Die
Vorbereitung und Einübung des Personals
hatte zwei Tage beansprucht.
Infolge des Friedensschlusses gelang-
ten Eisenbahnen der Lombardei in der
Länge von 220 km zur Uebergabe an
Sardinien. Der Artikel 10 des Friedens-
Tractates mit Sardinien bestimmte die
Anerkennung und Bestätigung der von
der österreichischen Regierung auf dem
abgetretenen Gebiete ertheilten Eisen-
bahn - Concessionen durch den König
von Sardinien, und die Einsetzung der
sardinischen Regierung in alle, aus vor-
stehenden Concessionen hervorgehenden
Rechte und Verbindlichkeiten.
Im Jahre 1860 wurde endlich die so
schwer entbehrte Verbindungr Nabresina-
Casarsa vollendet.
1862 1866.
Während seit dem Concessions-Gesetze
vom Jahre 1854 bis Ende 1861 die Ent-
wicklung der Eisenbahnen im lebhaften
Tempo weiter schritt, begannen auf
diesem Gebiete schon mit dem Jahre 1862
die Nachwirkungen der europäischen
Geldkrise von 1857, dann der politischen
Ereignisse des Jahres 1859 sich äusser-
lich fühlbar zu machen, wozu noch widrige
Conjuncturen der Landwirthschaft traten.
Von 475 km im Jahre 1861 eröffneten
Linien fiel diese Ziffer 1862 auf 245,
9*
132
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
1863 aut 197 und im darauffolgenden
Jahre 1864 gar auf 38 km.
Angesichts dieser Sachlage dachte
die Regierung etwas zur Sanirung der
Verhältnisse zu unternehmen, indem sie
in der zweiten Hälfte des Jahres 1864
die »Denkschrift zum Entwürfe eines
Eisenbahnnetzes der österreichischen
Monarchie« veröffentlichte, zugleich den
Unternehmern die Unterstützung des
Staates als Beitragsleistung oder als
Garantie in Aussicht stellend. Bei dem
Entwürfe dieses Bahnsystems waren die
Linien nach nationalökonomischen, han-
delspolitischen und strategischen Gesichts-
punkten gewählt. Die wichtigsten der-
selben waren:
Wien-Bud weis -Pilsen- Grenze, Arad-
Alvincz-Rothenthurmpass, Alvincz-Karls-
burg, Kaschau - Oderberg, Locara - Le-
gnago, Szegedin-Essegg, Kanizsa-Fünf-
kirchen-Essegg, Essegg-Fiume, Essegg-
Semlin, Prag-Karlsbad-Eger, Innsbruck-
Feldkirch- Dombim, Brixen- Villach, Vil-
lach-Udine, Debreczin - Sziget - Suczawa,
Hom-Znaim-Brünn-Prerau, Brück a. Mur-
Steyer-Haag.
Im Ganzen waren 6913 ktn Eisen-
bahnen mit einem Kostenaufwande von
684 Millionen Gulden, bei Vertheilung
auf einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren
in Aussicht genommen.
Wohl noch nicht durch Einwirkung
dieser Massregel, gegenüber welcher die
Bevölkerung sich überhaupt theilnahms-
los verhielt, doch infolge der allnvählich
gebesserten wirthschaftlichen Verhältnisse,
sehen wir schon 1865 das Bahnnetz sich
um über 300 km erweitem, und blieb
dieser Zuwachs auch in den nächst-
folgenden zwei Jahren aut der gleichen
Höhe.
In militärischer Beziehung war diese
Periode eine ereignisreiche.
Im Jahre 1862 erschien die »Vor-
schrift für den Militär-Trans-
port auf Österreichischen Eisen-
bahnen« als Ergänzung und Erweiterung
der im Dienst - Reglement enthaltenen
diesbezüglichen Hauptbestimmungen.
Laut Einleitung bezweckte diese Vor-
schrift »den geregelten und gesicherten
Bahnbetrieb selbst bei Anforderung der
höchsten Leistungsfähigkeit einer Eisen-
bahn zu verbürgen «
Normirt wurden hiemit : Die Einstellung
von Militärzügen mit einer Fahrgeschwin-
digkeit von 3 Meilen per Stunde in die
Friedensfahrordnung nach Vereinbarung
mit dem General - Quartiermeisterstabe ;
die Einsendimg aller Fahrordnimgs-
behelfe und Mittheilung erheblicher Aen-
derungen derselben an das Kriegs-Mini-
sterium und an den General-Quartier-
meisterstab sowie an die instradirenden
Militärstellen; endlich die Ausarbeitung
von Maximal-Kriegsfahrordnungen im Ein-
vernehmen mit dem General - Quartier-
meisterstabe nach den zwei Annahmen:
Einstellung des ganzen gewöhnlichen
Verkehres oder Aufrechthaltung der Post-
und Eilzüge.
Einrichtungsgamituren für den Mann-
schafts-Transport sollten die Bahnen für
7io der vorhandenen geeigneten gedeckten
Güterwagen bereithalten, der Rest sollte
im Bedarfsfälle — eventuell mit Zuhilfe-
nahme von Militärkräften — eingerichtet
werden. [Vgl. Abb. 17.]
Der Fassungsgehalt der Wagen war
nach den Bahnen ein ganz verschiedener:
Personenwagen III. Classe 28 bis 64
Mann, Güterwagen 28 bis 56 Mann oder
6 Pferde nebst 3 Mann, Lowries i bis 3
Geschütze oder Fuhrwerke.
Für Kranke hatte man mit Stroh-
säcken einzurichtende Güterwagen in
Aussicht genommen.
Instradirende Stellen waren die Landes-
General-Commanden im eigenen, bei ent-
sprechendem Einvernehmen auch im
fremden Bereiche.
Zur Instradirung gewöhn-
licher Transporte waren Personen-
und gemischte Züge, Lastzüge [aus-
nahmsweise auch für Mannschaft], end-
lich für Transporte über 400 Mann
Militärzüge zu benützen, und die An-
ordnungen mittels tabellarischer Marsch-
pläne nach einem, der Vorschrift beige-
gebenen Muster zu treffen. Für die am
häufigsten vorkommenden 22 Routen war
in einer Beilage zur Vorschrift die Marsch-
eintheilung ausgearbeitet.
Für die »Instradirung grösserer
Transporte« gab die Vorschrift nach-
folgende Bestimmungen:
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
133
Bei Einstellung des öffentlichen Ver-
kehres hatten die in Bewegung befind-
lichen Züge ihren Lauf bis an den Be-
stimmungsort 2u vollenden; seitens der
Bahnen war — nach gehöriger Verlaut-
barung — die Annahme von Frachten
zu verweigern.
Zur Durchführung der Transporte
verfügte das Kriegs-Ministerium die Auf-
stellung einer »Central-Leitung für
Transporte auf Eisenbahnen« am
Ausgangsorte oder an einem Hauptknoten-
punkte der Transportlinien. Dieselbe hatte
zu bestehen: aus einem Officier des
port betreffenden Vorsorgen sein und nur
dem Kriegs-Ministerium unterstehen. Der
Militär-Commissär, welchem von den in-
stradirenden Stellen der Ausweis über
die zu befördernden Transporte nebst
einem Entwürfe über die beiläufige
tageweise Gruppirung einzusenden war,
hatte die Detaileintheilung der Truppen
für die ZVige zu treffen und den Be-
triebsleitern bekannt zu geben. Ge-
statteten aber die militärischen Rück-
sichten eine solche frühzeitige Eröffnung
nicht, so war die Detaileintheilung bei
der instradirenden Behörde selbst, im
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Abb. 17. Wa^eneinrichtuos^ für den Mannschafts-Transport oach der Eisenbahn-Transport- Vorschrift
vom Jahre
General-Quartiermeisterstabes als Militär-
Commissär, dann aus je einem Vertreter
der General- Inspection und der betheiligten
Bahnverwaltungen.
Die erste Aufgabe der Central-Leitung
war: Entscheidung ob Turnus oder
Echellonverkehr einzuleiten, dann ob ZügG
zu theilen und Umladungen vorzunehmen
seien; Feststellimg der täglich in Ver-
kehr zu setzenden ZiXge\ Bestimmung der
höchsten Zugsbelastung; Festsetzung der
Fahrordnung für sämmtliche Militär- und
leeren Gegenzüge auf Grundlage der vor-
erwähnten von den Bahnen vorbereiteten
Maximal- Fahrordnungen ; Vorkehrungen
hinsichtlich Einrichtung der Bahnhöfe und
Beistellung des Wagenparkes bei Rück-
sichtnahme auf die Verpflichtung der
Bahnen zur gegenseitigen Wagenaushilfe.
Die Central-Leitung sollte »die alleinige
Vermittlungsstelle« für alle, den Trans-
Beisein des Militär-Commissärs und wo-
möglich auch des Betriebsleiters der
Ausgangsbahn vorzunehmen. Dieser,
eine lange Vorbereitungszeit bedingende
Vorgang entsprach den damaligen Ver-
hältnissen hinsichtlich Mobilisirung und
Aufmarsch.
Das Beisammenbleiben ganzer Batail-
lone, Escadronen und Batterien durfte
nur nach Zulässigkeit der Belastimg ver-
langt werden, der taktische Verband war
aber innerhalb der etwaigen Theile zu
berücksichtigen.
Auf langen Eisenbahnstrecken war an
wichtigen Punkten je ein Officier als
» Local-Commissär « aufzustellen.
Für die Einwaggonirung gab die Vor-
schrift das Zeiterfordernis an, so zum Bei-
spiel für einen Bahnzug mit Artillerie-
oder Train abtheilungen, bei entsprechenden
Voranstalten, i Yj ^Js 2 Stunden
134
Vom Eisenbafanbureau des k. u. k. Generalstabes.
Die Eintheilung der verschiedenen
Wagengruppen bei Infanterie-, Cavallerie-,
dann Artillerie- und Trainzügen war
[nahezu ganz nach den heutigen Be-
stimmungen] fixirt.
Auf dem Kriegsschauplatze hatte
das Armee-Commando vom Beginne der
Operationen an das Verfligungsrecht über
die dortigen Eisenbahnen im Wege einer
>Eisenbahn-Transportleitung des
Kriegsschauplatzes« auszuüben,
welche ähnlich zusammenzusetzen war,
wie die Central - Eisenbahn - Tran sport -
leitung. Ebenso waren daselbst »Local-
Commissäre« aufzustellen.
Schon ein Jahr nach der Ausgabe der
vorbesprochenen Vorschrift veröffentlichte
der im Landesbeschreibungs-Bureau des
Generalstabes eingetheilte k. k. Haupt-
mann des General-Quartiermeisterstabes
Panz »Das Eisenbahnwesen vom
militärischen Standpunkte, Wien
1863«.
Dieses grundlegende Werk, welches,
alle bisher gemachten Erfahrungen er-
schöpfend und sorgfältig benutzend, selbe
in ein wissenschaftlich und praktisch
vollkommen ausgebautes System brachte,
hatte zur Aufgabe, Officiere, welche in
die Lage gelangen konnten, bei der
Durchführung grösserer militärischer
Eisenbahn - Transporte verwendet zu
werden, also namentlich Generalstabs-
Officiere, über den Gegenstand, in Er-
gänzimg der Vorschrift, gründlich zu
unterrichten.
Daraus wollen wir als besonders in-
teressante Nova Nachfolgendes hervor-
heben: Die Bahnen geben zehn Tage als
Termin für allmähliche Einstellung des
Frachtenverkehres, dann Sammeln und
Einrichten des Wagenmateriales an; im
Bedarfsfalle müssen — bei kleineren
Tagesleistungen zu Beginn — auch zwei
bis drei Tage genügen. Berechnung der
Leistungsfähigkeit der Locomotiven. Re-
paratiu*stand bei Maschinen 25®/^, bei
Wagen 15%. Berechnungsmodus betreffs
des erforderiichen Personals. Eingehend
befasste sich das Werk auch mit dem
Unbrauchbarmachen und Zerstören sowie
mit dem provisorischen Bau und der
Wiederherstellung, dann mit der militä-
i rischen Recognoscirung von Bahnen,
endlich mit der Telegraphie und dem
Signal wesen. Ein Capitel beschäftigte
sich mit den »militärischen Vorkehrungen,
um Bahnhöfe sowohl gegen feindliche
Angriffe im Kriegsfalle, als auch bei
Volksaufständen zu sichern und ver-
theidigen zu können«.
Die Kriegsbegebenheiten des
Jahres 1864 bedingten wohl keine sehr
bedeutenden Truppenverschiebungen. —
Für die Ende 1863 vereinbarte ge-
meinsame Action Oesterreichs, Preussens,
, Sachsens und Hannovers gegen Dänemark
wurden seitens Oesterreichs in erster
Linie die Brigade Gondrecourt, in zweiter
, Linie aber weitere drei Brigaden und eine
' Cavallerie-Brigade nebst Artillerie, dann
. technische Truppen und Trains bestimmt,
I welche zusammen mit der Brigade
Gondrecourt das 6. Corps [Gablenz]
, formiren sollten.
Einheitliche Bestimmungen über die
Beförderung von Truppen auf Eisen-
I bahnen innerhalb des Deutschen Bundes
gab es bei Ausbruch des Krieges nicht,
es wurde daher zwischen den Vertretern
der betheiligten Staaten und Bahnen am
10. December 1863 ein Protokoll abge-
schlossen, welches betreffs Oesterreichs
nachfolgende Punkte enthielt:
>i. Hinsichtlich der zuerst zur Ver-
wendung kommenden Truppen:
Die k. k. österreichischen Truppentrans-
porte erfolgen von Prag her mit 8 Zügen
derartig, dass der letzte Zug spätestens
am 19. Abends oder 20. Früh in Harburg
anlangt, so dass also die österreichischen
Truppen am 20. December in ihren
Quartieren auf Hamburgischem Gebiete
vereinigt sind.
Die Ausarbeitungen der speciellen
Fahrordnungen und Fahrtdispositionen,
insoweit sie noch nicht erfolgt sind, werden
Vorstehendem gemäss sofort erfolgen,
und erklären die anwesenden Herren Ver-
treter der betheiligten Eisenbahnen, dass
der Durchführung obigen Resultats keine
technischen Schwierigkeiten entgegen-
stehen. «
>2. Hinsichtlich des später etwa noth-
wendig werdenden Transportes wird es sich
auf der Strecke Lehrte - Harburg um einen
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
135
' Lehrte-Harburg
Transport von 50 — 60 k. k. österreichischen
Truppenzügen handeln, welche theils von
Prag über Magdeburg, theils durch das
Königreich Bayern über Kassel kommen.«
»Die Ausarbeitung der Fahrpläne für
die demzufolge in Betracht kommenden
Transportlinien :
Emmerich-
Linz-Bamberg-Kassel-
Prag-M agdeburg-
— und zwar zu 8 Zügen pro Tag auf jeder
Linie — wird, insoweit sie nicht schon
geschehen ist, sogleich in Angriff ge-
nommen werden, auch die Vertheilung
der Truppentheile auf die Wagenzüge
erfolgen, so dass es dann später nach
ergangenem Befehle nur noch der Be-
stimmung des Datums bedarf.
Die Herren Vertreter der Eisenbahnen
erachten für diesen Fall eine Frist von
5 Tagen zwischen der an sie ergehenden
Benachrichtigung und dem Beginne der
Transporte für ausreichend.«
Die Brigade Gondrecourt wurde am
17. und 18. December in Prag ein-
waggonirt, und war am 21. December
Vormittags in Hamburg vereinigt.
Die Bahnbefbrderung der übrigen
österreichischen Truppen, deren Aufstel-
lung schon Anfangs December angeordnet
worden war, konnte jedoch nicht auf den
im Protokolle bezeichneten Linien statt-
finden, weil Bayern und Sachsen den
Durchzug — der Weigerung des Deut-
schen Bundes zur Theilnahme an der
Besetzung Schleswigs gemäss — nicht
gestatten wollten. Es wiu'de demnach
festgesetzt, dass die Beförderung von Wien
und Ungarn aus am 21. Januar 1864 in
der Richtung auf Breslau beginnen und
von hier am 24. Januar nach Hamburg
fortgesetzt werden sollte. Thatsächlich
trafen die Truppen zwischen dem 25.
und dem 31. Januar über Breslau und
Wittenberg in Hamburg ein, setzten aber
zum grossen Theile die Vorrückung unter
theilweiser Benützung der Holsteinischen
Bahn bis Neumünster und Nostorf fort.
Im Ganzen wurden 693 Officiere,
19.785 Mann, 5079 Pferde und 673
Fuhrwerke in 46 Zügen ohne Unfall und
mit nur unwesentlichen Verspätungen
befördert.
Der Rückmarsch der österreichischen
Truppen in die Heimat wurde Mitte
November 1864 angetreten.
Im Jahre 1864 gelangte die Instruc-
tion für die Aufstellung von
Militär -Eisenbahn -Transport-
Behörden ziu- Ausgabe, mit welcher
eine namhafte Abänderung der Bestimmun-
gen des Jahres 1862 im Sinne der Er-
weiterung des Wirkungskreises sowie
die Vermehrung dieser Behörden erfolgte.
Die Central-Leitung wurde in
ihrer Zusammensetzung durch Officiere
und Mannschaft verstärkt, hiebei der
Militär-Commissär als »Geschäftsleiten-
der« ausdrücklich bezeichnet und an den
Vorstand der 5. Abtheilung des Kriegs-
Ministeriums gewiesen. Die Mitglieder
sollten schon im Frieden bestimmt wer-
den; als Sitz der Behörde war Wien
angegeben.
Das Verhältnis der Militär-Transport-
Behörden auf dem Kriegsschauplatze zur
Gentral-Leitimg vor und nach beendetem
Aufmarsche wird im Sinne einer einheit-
lichen Durchführung der Mobilisirungs-
und Aufmarsch-Instradirung bei der
letzteren schärfer präcisirt.
Den Transport -Entwurf sollte die
Central-Leitung nunmehr nicht von den
» instradirenden Stellen « [Landes-Gene-
ral-Commanden], sondern vom Kriegs-
Ministerium erhalten.
Der Central-Leitung obliegt auch die
Bestimmung der für die Transenen-Trans-
porte den instradirenden Behörden frei-
zustellenden Züge sowie die Instradirung
der Nachschübe und der rückzubeför-
demden Kranken.
Eine neue Unterbehörde der Central-
Leitung sollten die »Linien-Com-
missionen« bilden, welche aus je einem
General-Quartiermeisterstabs-Officier und
aus je einem höheren Bahnbeamten der
betreifenden Bahnanstalten nach Bedarf
zu bilden waren. Als etwaige Standorte
derselben wurden Brunn, Prag, Krakau,
Linz, Ofen, Pest, Gzegled, Laibach,
Mestre und Bozen bezeichnet.
Für den »Transport -Entwürfe, den
»Militär- Fahrplan« und die aus beiden
hervorgehende »Fahr-Disposition« waren
Muster beigelegt.
136
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Die »Eisenbahn-Transport-
leitungen auf dem Kriegsschau-
platze« wurden ähnlich verstärkt wie
die Central- Leitung und im Wege des
Generalstabschefs dem Armee-Commando
unterstellt. Auch für diese Behörde wurde
die Creirung von Linien-Commissionen
vorgesehen, welchen speciell auch die
Vorsorgen für die Sicherung, Zerstörung,
Wiederherstellung sowie für den Bau von
Eisenbahnen obliegen sollte.
Als Instradirungs-Behelfe sollten die-
nen: Fahrordnungen sammt Graphica,
Ausweise über Bahnverhältnisse und
Betriebsmittel, Evidenz- Rapporte über die
tägliche Vertheilung der letzteren, endlich
das Dispositions-Protokoll über die An-
meldimg und Auftheilung der Transporte.
Statt der >Local-Commissäre« wurden
»Etappen-Commissionen« — be-
stehend aus einem Oberofficier als Etap-
pen-Commandanten und einem Bahn-
beamten sammt deren Stellvertretern,
dann nach Bedarf aus sonstigem Per-
sonale [Kriegs-Commissäre, politische
Beamte, Koch-Commanden] — normirt.
Die Standorte der etwaigen, vom
Kriegs-Ministerium, beziehungsweise vom
Armee-Commando aufzustellenden Etap-
pen-Commissionen waren in einer Bei-
lage zur Instruction verzeichnet. Den
Bedarf an Commissionen hatte die be-
treffende »Transportleitung« festzustellen,
und zwar nach dem Grundsatze, dass auf
Entfernungen von circa 8 Stunden für Ver-
köstigung, und nach je 24 bis 48 Stunden
für Bequartierung zu sorgen sei. Die
Aufgaben der Commissionen auf einem
Abfahrt- oder Ankunftsbahnhofe, Knoten-
punkte oder einer Verpflegsstation etc.
waren genau präcisirt.
Im Februar 1866 gab das Kriegs-
Ministerium den »Anhang« zu den
vorbezeichneten Vorschriften vom Jahre
1862 und 1864 heraus, welcher nähere
Bestimmungen betreffs Verköstigung der
Transporte, .Gebühren des Personals der
Militär - Eisenbahn - Behörden, Transport
von Kranken, endlich Beförderung von
Verpflegs- Gegen ständen enthielt.
Für Transporte in »aussergewöhn-
lichen Fällen« wurde die Verköstigung
mit Frühstück, Mittagessen und Abend-
' kost, verschieden für die kalte und warme
Jahreszeit, fixirt.
Für Kranken - Transporte sollten
Kranken - Haltstationen mit imd ohne
Nachtunterkünften, mit eigenem ärzt-
lichen Personale, etablirt werden.
Das Jahr 1865 hatte eine Reorgani-
sation des General-Quartiermeisterstabes
[fortan »Generalstab«] gebracht. [A. V.
Bl. 25. Stück.] Bei diesem Anlasse wurde
ein eigenes Generalstabs-Bureau zur Be-
sorgung der in das Eisenbahn-, Dampf-
schifffahrts- und Telegraphenwesen ein-
schlagenden Geschäfte creirt und Major
Panz des Generalstabes zum Vorstand
ernannt. —
Den Kriegsereignissen des Jah-
res 1866 sollte es beschieden sein, die Un-
zulänglichkeit des Bahnnetzes der Mon-
archie in militärischer Beziehung abermals
vor Augen zu führen. [Vgl. Karte Abb. 18.]
Wohl besass man in der geschlossenen
Linie Wien-Nabresina- Verona endlich eine
durchgehende Verbindung nach dem ita-
I lienischen Kriegsschauplatze, welche in der
1 neuen Bahn Marburg- Villach eine hoch-
! wichtige Abzweigung erhalten hatte ; be-
; züglich des Landes Tirol aber waren die
Verhältnisse gleich wie 1859 geblieben.
Dem nördlichen Kriegsschauplatze
stand — entgegen dem reichgegliederten
Bahnnetze Preussens — nur die eine, fast
durchwegs eingeleisig fortlaufende Linie
Wien - Brunn - Prag - Bodenbach mit der
Abzweigung Lundenburg-Olmütz zur Ver-
fügung. Die Bahnverbindung von Olmütz
gegen die obere Elbe war von so geringer
Leistungsfähigkeit, dass man sie bei
der Vorrückung gegen die Iser nur für
den Transport einiger technischer Truppen
und für den Nachschub ausnützte. Die
längs der Grenze führende Theilstrecke
Oderberg - Krakau, die einzige durch-
gehende Verbindung nach Galizien, war
äusserst exponirt, und als im Verlaufe
des Krieges die Preussen die genannte
Strecke in Besitz genommen hatten, war
Galizien vom Centrum abgeschnitten,
so dass die Verbindung dahin über
Kaschau als letzte Eisenbahnstation ge-
sucht werden musste. Siebenbürgen end-
lich hatte keine Verbindung mit dem
Innern des Reiches.
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
137
So wenig nun das Bahnnetz den
strategischen Anforderungen entsprach,
so sehr muss anerkannt werden, dass
die Vorbereitungen sowie die Einleitung
der Massentransporte auf der Höhe der
Situation standen, welchem Umstände die
trotz des mangelhaften Netzes erzielten
erstaunlichen Leistungen der Bahnen in
dieser Epoche zu verdanken sind.
Dresäm
hierauf folgten die Anordnungen für die
Mobilisirung der Nordarmee.
Am I. Mai wurde beim Krieffs-Mini-
sterium die Central-Leitung für Eisenbahn-
und Dampfschifftfansporte unter Major
Panz des Generalstabes activirt.
Der Massentransport der Südarmee
— für den i. Mai festgesetzt — begann
thatsächlich an diesem Tage und war
Bukarest
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Abb. 18.
Die Heeresverwaltung hatte alle Mobili-
sirungs-, Marsch- und Transport- Entwürfe
bereits am 1 5. April ausgegeben ; dieselben
waren auf den gleichzeitigen Aufmarsch
beider Armeen basirt und derart berechnet,
dass der Aufmarsch binnen sieben Wochen
nach Ausgabe des Mobilisirungsbefehles
beendet sein konnte. Als nun aus poli-
tischen Gründen beschlossen wurde, die
Südarmee zuerst aufzustellen, wurden die
Entwürfe umgearbeitet und am 25. April
für die letztere neu ausgegeben ; erst
im grossen Ganzen bis 19. Mai be-
endet.
Die Eisenbahn -Transportleitung aui
diesem Kriegsschauplatze wurde aufge-
stellt, und der Major Adalbert Sametz
des Generalstabes zum Militär-Commissär
bestimmt.
Für die Nordarmee gelangten am
II. Mai die Transport-Entwürfe zur Aus-
gabe. Die Massenbewegung hatte am
20. Mai zu beginnen. Zur Leitung der
Transporte wurden in Prag, Brunn, Prerau,
138
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Pest und Wien Linien-Commanden activirt.
Etappen -Commanden waren weiters auf-
gestellt: in Lundenburg, Brunn, Olmütz,
Prerau, Ostrau, Böhm.-Trübau, Pardubitz,
Prag, Kralup, Reichenberg, Jungbunzlau,
Theresienstadt, Josefstadt, Gänsemdorf,
Neuhäusel, Miskolcz, Czegled, Szegedin,
Uj-Szöny und Steinamanger. Den Landes-
General-Commanden waren auf den Haupt-
linien i'/j Züge täglich zur Verfügung
gestellt.
Schon Mitte Mai wurden je zwei Briga-
den zur Deckung der Bahnstrecken Hohen-
stadt-Böhm.-Trübau und Ostrau-Oswi^cim
bereit gestellt ; die Bewachung der Strecke
Oswiecim-russische Grenze war der Garni-
son Krakau übertragen. Im Zusammen-
hange damit wurde die Bereithaltung
je eines Eisenbahnzuges für Infanterie
und 2 bis 3 Geschütze — vom 18. Mai an
— in den Stationen Krakau, Oswiecim,
Ostrau, Olmütz und Böhm.-Trübau ange-
ordnet.
Die Massenbewegung der Nord-
armee, programmmässig am 20. Mai
begonnen, war am 9. Juni beendet. Mit
10. Juni wurde die Transportleitung des
Kriegsschauplatzes, bestehend aus Oberst-
lieutenant Josef Edlen v. N^methy des
Generalstabes, dann aus zwei anderen
Generalstabs - Officieren und aus Ver-
tretern der betreifenden Bahnen — activirt,
und derselben die Eisenbahnlinien-Com-
missionen in Prag und Prerau mit den
zugewiesenen Etappen-Commanden unter-
stellt.
Die Ausnützung der Eisenbahnen in
diesem Kriege lässt sich der Zeit nach
in vier Perioden th eilen, von welchen in
die erste Periode, die Ansammlung der
Truppen auf den beiden Kriegsschau-
plätzen, in die zweite die mit den Kriegs-
operationen in Verbindung stehenden
Nachschubtransporte, in die dritte die
Transporte zur Concentrirung der Armee
bei Wien, und in die vierte die Ab-
schiebung eines Theiles der Armee auf
den südlichen Kriegsschauplatz fallen.
Erste Periode,
Dieselbe währte vom i. Mai bis
9. Juni und theilte sich :
a) In die Zeit vom i. bis 19. Mai, in
welcher Truppen, Ergänzungen undKriegs-
bedürfhisse auf den Linien der Südbahn
nach dem Kriegsschauplatze in Italien
gesandt und gleichzeitig aus den südlichen
Ländern die für die Nordarmee bestimmten
Truppen nach Kärnten, Steiermark und
Ungarn herangezogen wurden.
In diesen ig Tagen kamen in beiden
oberwähnten Richtungen 179.409 Mann,
7386 Pferde, 917 Geschütze und Fuhr-
werke und 25.228 Tonnen Verpflegsgüter
in ca. 427 Zügen zur Beförderung.
Die Tagesleistung [Verkehr nach beiden
Richtungen] betrug daher 22 bis 23 Z^gt^
welche circa 9440 Mann, 442 Pferde,
48 Geschütze und Fuhrwerke und
1328 Tonnen Verpflegsgüter beförderten.
Gleichzeitig wurden auch auf der
Nordbahn und der nördlichen Linie der
Staatseisenbahn-Gesellschaft65.88oMann,
7074 Pferde und 648 Fuhrwerke beiläufig
in 110 Zügen befördert.
6) In die Massenbewegung der Nord-
armee, welche vom 20. Mai bis 9. Juni
währte.
Während dieser 21 Tage wurden auf
der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, in welche
alle anderen Transportlinien einmündeten,
mit ca. 458 Zügen 191. 513 Mann,
28.641 Pferde, 4280 Geschütze und Fuhr-
werke und 15.174 Tonnen Verpflegs-
güter befördert.
Die Tagesleistung bestand daher im
Durchschnitte in der Beförderung von
9120 Mann, 1364 Pferden, 203 Geschützen
und Fuhrwerken und 723 Tonnen Ver-
pflegsgütem mittels 21 — 22 Zügen [nach
einer Richtung].
Die Cavallerie begab sich grössten-
theils zu Pferd an ihre Bestimmungsorte.
Beide Armeen waren in einem Zeit-
räume von 40 Tagen concentrirt und
mit allen Kriegsbedürfnissen versehen.
Diese Leistung erscheint umso gross-
artiger, wenn in Betracht gezogen wird,
dass bei der damaligen Organisation der
österreichischen Armee die Annahme der
neu zusammengesetzten Ordre de bataille
eine sehr complicirte Zusammenstellung
der Züge erforderte, da selbst einzelne
Bestandtheile von Truppenkörpem und
Armee-Anstalten erst beim Transporte
vereinif^t werden mussten.
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
139
Zweite Periode.
In der zweiten Periode wurden die
Eisenbahnen hauptsächlich zum Nach-
schübe von Heeresergänzungen und zum
Transporte grosser Massen von Ver-
pflegs-Gegenständen sowie zum Rück-
transporte von Verwundeten und theil-
weise auch zu Truppenverschiebungen
benützt Die Leistungen der Bahnen in
dieser Periode waren folgende:
Auf der Südbahn, theils für die Süd-
armee theils für die Nordarmee, vom
20. Mai bis inclusive 13. Juli: 1 1 1.2 28 Mann,
12.967 Pferde, 2430 Fuhrwerke und
43.401 Tonnen Militärgüter und Ver-
pflegs-Gegenstände.
Auf der Nordbahn und der nördlichen
Linie der Staatseisenbahn-Gesellschaft
vom 10. Juni bis inclusive 6. Juli:
30.700 Mann Ergänzungen und Transene,
28.500 Tonnen Verpflegs-Gegenstände für
die Xordarmee, und der Rücktransport
von 50.000 Kranken, Verwundeten etc.
In diese Periode fällt auch der am
23. Juni von Rovigo nach Verona be-
wirkte Eisenbahn-Transport der Brigade
Scudier, welche behufs Theilnahme an
der Schlacht [Gustozza] herangezogen
wurde.
Dritte Periode,
Diese umfasst den Transport eines
Theiles der Nordarmee hinter die Donau,
dann die Beförderung des Gros der Süd-
armee aus Italien nach Wien.
Bei der Nordarmee begann am 8. Juli
der Rücktransport des 10. Armee-Gorps
von Lettowitz gegen Wien, und es wurden
trotz der schwierigen Einladeverhältnisse
in der erstgenannten sehr kleinen Station
und des Nachdrängens des Feindes binnen
38 Stunden in 20 Zügen ca. 19.000 Mann,
880 Pferde, 220 Geschütze und Fuhrwerke
und ausserdem 1000 Kranke und Ver-
wundete und 2000 Transene, u. zw. das
Gros des Gorps nach Floridsdorf, eine
Brigade nach Lundenburg, die Kranken
und Transenen nach Brünn, Ungarn und
Wien befördert.
Jeder Zug fasste somit ca. 1000 Mann,
43 Pferde und 11 Geschütze oder Fuhr-
werke.
Am II. Juli begann der Rücktransport
des III. österreichischen und des säch-
sischen Armeecorps von Olmütz nach
Wien.
Mit dem Aufgebote von täglich 9 bis
10 Zügen [je über 200 Achsen] standen
das III. Armeecorps und der grösste Theil
der Sachsen, zusammen ca. 40.000 Mann,
4100 Pferde, 700 Geschütze und Fuhr-
werke binnen 37ji Tagen bei Wien.
Gleichzeitig wurden noch bei 2000
Kranke aus Olmütz, viele Hundert Tran-
sene und Privatreisende und grosse Ver-
pflegs-Vorräthe aus Prerau, Göding, Ung.-
Hradisch und Brünn, ferner eine grosse
Menge Eisenbahnbetriebsmittel der böhmi-
schen und sächsischen Bahnen [im Ganzen
1000 Locomotiven und 16.000 Wagen]
nach Wien und Ungarn zurückgeschafft.
Am 1 5. Juli Abends traf bei der Brigade
Mondel in Lundenburg der Auftrag ein,
per Bahn überGänsemdorf nach Marchegg
abzugehen. Um i Uhr derselben Nacht
war bereits der fünfte und letzte Zug mit
den Truppen der Brigade von Lundenburg
abgegangen — ihr nach das massenhaft
angehäufte, zur Bergung nach Pressburg
abgeschobene rollende Material.
Am 5. Juli waren die Preussen in den
Besitz der durchlaufenden Bahnverbindung
Dresden - Turnau - Kralup - Prag -Pardubitz
gelangt, weichefür dieselben grösstenWerth
besass, weil die Linie Dresden-Prag durch
die Festung Theresienstadt, und jene Dres-
den-Josefstadt-Pardubitz durch Königgrätz
gesperrt waren.
Unterdessen befand sich auch das
Gros der Südarmee auf .der Fahrt nach
W^ien.
Am 3. Juli war die Entscheidung bei
Königgrätz gefallen. Schon am Abende des
nächsten Tages erhielt die Südarmee den
telegraphischen Befehl, 4 Infanterie- und
eine Gavallerie-Brigade per Eisenbahn
nach Wien abzusenden. Am 11. folgte,
zugleich mit der Ernennung des Feld-
marschalls Erzherzog Albrecht zum Ober-
Commandanten der gesammten operiren-
den Armee, der Auftrag, alle noch dis-
poniblen Kräfte an die Donau nachzu-
senden.
Das V. Armeecorps, 25.000 Mann,
3000 Pferde, 267 Geschütze und Fuhr-
werke, kam vom 9. bis inclusive 13. Juli
1 Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabs.
von Verona nach Bozen, passirte in Eil- I
märschen den Brenner und wurde vom
15. Juli in sieben Tagen mittels 47 Zügen
von Innsbruck über Bayern nach Wien
befördert.
Gleichzeitig aber gelangten sächsische
Depots und Armee- An stalten von Linz
nach Wien zur Beförderung.
Das IX, Armee-Corps und 2 Brigaden
des VII. Corps, die Armee- Geschütz-
reserve, der Armee- Munitions park, eine
Ca valier ie- Brigade, der Armee- Brück en-
train und das Hauptquartier der Süd-
armee — im Ganzen 57.000 Mann,
10.500 Pferde, 2000 Geschütze und Fuhr-
Uj-Szöny-Oten als Rokadehnie längs der
Donau im ausgedehntesten Masse ver-
wenden zu können.
Vierte Periode.
Während die Nordarmee unter Benedek
aus OlmUtz, infolge Mangels einer Bahn-
verbindung, auf langem Umwege durch
das Waagthal an die Donau rückte, tiess
Erzherzog Albrecht bedeutende Trans-
portmittel auf allen Stationen zwischen
Wartberg und Dioszeg, dann bei O-Szöny
bereitstellen, um die Beförderung der
Abb. i». EiHnbabnb
Vclchicl (Strecka Oiwli;clin-MyaIawltz] n.
D aj. Jonl 1906 «tfoljten
werke ^ wurden auf den Südbahnlinien |
Wien-Triest, Villach-Marburg und Prager- ■
hof-Kanizsa-Oedenburg, in I18 Zügen '
vom 13. bis inclusive 26. Juli nach Wien
geschaift. Dabei verursachten die Be-
schränktheit des Fahrparkes [da ein 1
grosser Theil in Ungarn infolffe Unter-
brechung der einzigen Verbindung über '
Gänsemdorf durch den Feind abge- '
schnitten war], sowie das Zusammen- '
treffen der Züge von Villach und von
Görz in Marburg und die dadurch be-
dingte Absendung von Zügen von Prager-
hof über Oedenburg bedeutende Er-
schwernisse in der Transport - Durch-
führung. I
Der grösste Theil der beiden Armeen, 1
von Norden und Süden mittels Eisen- 1
bahn kommend, war innerhalb 18 Tagen i
an der Donau vereinigt,
.■\uf der Kaiserin Elisabethbahn und '
der Raaberbahn wurde alles Nöthige vor-
bereitet, um die Linie Passau-Linz-Wien- 1
Truppen nach Wien per Bahn durchführen
zu können. Doch kam es nicht dazu,
denn es wurde der Uebergang bei Press-
burg bewirkt
Ende Juli, als die Verhandlungen mit
Italien zu keinem rechten Erfolge führten,
beschioss man, einen Theil der Armee
wieder mittels Eisenbahn nach dem Süden
in Bewegung zu setzen, um den eigenen
Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Diese Tran Sportbewegung begann am
29. Juli und endete am 17, August. Am
29. Juli wurde eine Brigade in der Stärke
von 7835 Mann, 393 Pferden, 80 Ge-
schützen und Fuhrwerken in acht Zügen
von Wien über Salzburg nach Innsbruck
abtransportirt.
In den nächsten drei Tagen fuhren
vom Armee-Brückentrain 3348 Mann,
1194 Pferde, 274 Fuhrwerke in 18 Zügen
von Wiener-Neustadt nach Adelsberg.
Am 2. August begannen nach einer
36stündigen Vorbereitungsfrist die Haupt-
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
141
transporte auf der Südbahn, und zwar
des V. und IX. Corps nach Görz, des
III. Corps nach Villach, dann des II.
Corps, welches ebenfalls nach Görz
rücken sollte, aber infolge des inzwischen
eingetretenen Waffenstillstandes mit Ita-
lien uminstradirt wurde, nach Graz.
Die Beförderung dieser Truppenmasse
[155.808 Mann, 20.929 Pferde, 3.633 Ge-
schütze und Fuhrwerke nebst 1937 Ton-
nen Verpflegsartikeln] nahm 400 Züge
in Anspruch und dauerte bis inclusive
17. August, somit 15 Tage.
Die Südbahn wurde hiebei nach den
beiden Linien Wien-Neustadt-Graz-Mar-
burg-Villach und Wien-Neustadt-Kanizsa-
Pragerhof-Görz benützt
In den ersteren Tagen verkehrten auf
beiden Linien, deren tägliche Leistungs-
fähigkeit unter gewöhnlichen Verhält-
nissen damals nur zu 21 Zügen nach
jeder Richtung - angenommen werden
konnte, täglich 27— 29 Züge, und über
den Semmering, wo die Züge getheilt
werden mussten, täglich 80 — 90 Züge.
Dieser Transport war ein umso kühneres
Wagstück, als die Betriebsverhältnisse
der Südbahn ganz besondere Schwierig-
keiten darbieten.
Diesen Gesammtleistungen war es zu
verdanken, dass nicht nur der Aufmarsch
der Armeen im Norden und im Süden
mit Hilfe der Schienenwege vollzogen,
sondern auch das Erstaunliche aus-
geführt werden konnte, die siegreiche
Südarmee rasch zur Unterstützung der
geschlagenen Nordarmee heranzuziehen,
und dann zum zweitenmale rechtzeitig
am südlichen Kriegsschauplatze mit
einer imposanten Heeresmacht aufzu-
marschiren.
Nach Bahnen gegliedert, stellen sich
die Leistungen in dieser 372 monatlichen
Periode wie folgt dar:
ß a h n e n
Mann
Pferde
Ge-
schütze
und
Fuhr-
werke
Tonnen
Güter
Wagen-
ladungen
Züge
Südbahn
Nordbahn
Tiroler und Elisabeth-
bahn
Raaberbahn
Bahnen Deutschlands
und böhm. Westbahn.
Bahnen Deutschlands
und Elisabethbahn . .
546.130
490.803
52.800
9.000
4.230
21.763
55.030
53.607
3732
350
515
1331
8.958
7754
600
130
88
345
95.205
61.174
45-201
37.969
1.782
1.568
5.000
3.319
438
140
13
291
8
1.171
35
61379
88.389
3.546
SO
48
48
68
72
68
Zusammen .
1,124.726
114 565
50
Diese ganze Transportmasse wurde
bewältigt, ohne dass ein einziger Eisen-
bahn-Unfall vorgekommen wäre. Die
Einnahmen der Bahnen für den Massen-
transport betrugen nahezu 21,000.000 fl.
Für die Ausführung von Bahn-
Arbeiten hatte das Commando der
Nordarmee zu Beginn des Feldzuges
beantragt, eine eigene Abtheilung, be-
stehend aus 2 Ingenieuren, 6 Polieren
und 12 Arbeitern zu bilden und dem
Armee-Commando zu unterstellen. Das
Kriegs-Ministerium bestimmte hingegen.
dass für Bahnzerstörungen und Wieder-
herstellungen die Thätigkeit des bei
der Transportleitung des Kriegsschau-
platzes eingetheilten Vertreters der Ge-
neral-Inspection in Anspruch genommen
werde. Die betheiligten Bahnerhaltungs-
Chefs sollten Arbeitskräfte zur Verfügung
des bezeichneten Beamten bereit halten,
weiters sollten zu den Arbeiten auch das
ständige Bahnpersonale und technische
Truppen herangezogen werden. Ausser-
dem wurden Stationen bestimmt, wo
Wiederherstellungs-Materiale und Werk-
142
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k Generalstabes.
zeuge — zum Theile auf Lowries ver-
laden — bereitzustellen waren.
Bei beiden Armeen ergaben sich
vielfache Anlässe zu Bahnzerstörun-
gen; die Arbeiten wurden fast aus-
schliesslich durch die Genie-Truppe —
mitimter bei Mithilfe des Bahnpersonales
— bewirkt.
Die erfolgten Unbrauchbarmachungen
von Bahnen [vgl. Abb. 19 — 22] zeigt die
nachstehende Tabelle:
1
Datum
1
1
Bahnlinie
1
1
Object
[Strecke— Station] j
Art der
Unbrauchbar- 1
machung
' Veranlassung
1
' 1
1
1
Südarmee
,23-
1
Juni
Rovigo-Ferrara " ^^^^"IS ^''^Jf.^ ^^^"^ ^^"^
^ Canal bianco
1
1
1
gesprengt
1
1
1
zur Deckung 1
gegen Ferrara
[Corps Cialdinijj
9
10.
Juli
1
Rovigo-Padua
1
Eiserne Etschbrücke bei
Boara
1
1
Unterbrechung
der Communi-
cationen im
Rücken der an
die Donau ab- '
gehenden
Südarmee
1
Eiserne Brücke über den
Gorzone bei Stanghella
Eiserne Brücke über den
Bachiglione bei Padua
1
1
1
Treviso-Udine
Hölzerne Piave-Brücke
bei Conegliano [Ponte
j della Priula]
i
verbrannt
18.
1
24.!
1
1
Eiserne Tapliamento-
Brücke bei Casarsa
gesprengt
1
Udine-Görz ' ^^^^"^^Jf >;?!?^^-
j Brücke bei Görz
1
zur Sprengung
hergerichtet
2. Augustj
1
Görz— Nabresina
Tunnel von Sagrado
Nordarmee
23.
1
1
1
1
Oswi§cim-Mys-
lowitz
Szczakowa-Mys-
lowity
Eiserne Gitterbrücke über
die Weichsel [Grenzbrücke]
1
1
Drei Pfeiler ge-
sprengt. [Die
Freussen hatten 1
einen Pfeiler
schon am 18.
Juni gesprengt.] ^^ ^^^^^ ^^^
27.1
i —
i Juni
Hölzerne Weichsel-Inun-
1 dations- Brücke
I verbrannt
1
Feldzuges
Durchlass bei Dlugoczin
.28.
1
1 1
1 Oswiecim-Trze- 1
fcinia
1
Eiserne Gitterbrücke über
die Weichsel
1
gesprengt
18.1
bis
23.'
i
Reichenberg-
Turnau-Kralup
1
Einschnitt bei Liebenau
auf 45 m ver-
legt
1
gegen die
Vorrtickung
, des Prinzen
1 Karl von
1 Preussen
1 _J
1
' 24.
25.
Oberbau und I
Turnauer Bahnhof 1 Einrichtungen ,
1 il beseitigt
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
143
Datum
Bahnlinie
Object
^Strecke— Station]
Art der
Unbrauchbar-
machung
Veranlassung
26. Juni
bis
2. Juli
5.;
9.
10.
II.
12.
M-
16.
18.
17.
28.
Juli
Reichenberg-
Turnau-Kralup
Josefstadt-
Starkotsch
Pardubitz- Wilden-
schwert
Wildenschwert-
Olmütz
Prerau-Oderberg
Böhm.-Trübau-
Brünn
Brünn-
Lundenburg
Prerau-Oderberg
Lundenburg
Gänsern dorf-
Lundenburg
Marchegg-Press-
bürg
Olmütz
Tumau-Kralup
[damals im preus-
sischen* Betriebe]
Nordarmee
Eiserne
Gitter-
brücke
über die
Iser bei Podol
Iser bei Bakow
Elbe bei Neta-
towitz
Moldau bei
Kralup
Holzbrücke über die Elbe
bei Josefstadt
Tunnel bei
Wasser-Station
Chotzen
Hölzerne Marchbrücke bei
Hohenstadt [Müglitz]
Holzbrücke über
die Oder bei
D. Jassnik
""pöhT"
Tunnel bei Blansko
Offene Strecke
Viaduct von
Jessernik
Holinec
2 hölzerne Brücken
4 ■ ■ ■
3 hölzerne Brücken
Brunnen und Pumpen auf
der Strecke
Gemauerte Marchbrücke
bei Marchegg
Bahn-Einschnitt bei
Blumenau
Gemauerte Brücke vor
Lagerfort 7
Eiserne Gitterbrücke über
die Elbe bei Neratowitz
ungangbar ge-
macht. [Abneh-
men des Bela-
ges, der Lang-
schwellen und
Querträger.]
gesprengt
verbarricadirt
unbrauchbar
gemacht
verbrannt
durch Spren-
gung verlegt
Abtragung des
Geleises auf 240
w Länge u. meh-
rerer Brücken-
felder von 12 m
Spannung
gesprengt
verbrannt
unbrauchbar
gemacht
gesprengt
zur Sprengung
hergerichtet
gesprengt
gegen die
Vorrückung
des Prinzen
Karl von
Preussen
Rückzug der
Armee von
Königgrätz
nach Olmütz
Zurücknahme
der Brigade
Mondel von
Lundenburg
gegen Press-
burg
Vertheidi-
gungsinstand-
setzung der
Festung
im Rücken der
preussischen
Armee durch
die Festungs-
besatzung von
Theresienstadt I
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. General Stabes.
14. lull leu erfolEtcD SprcOEUne, m« dem von dea
heiBCMllttn Proviiordum,
[N»ch einer Photoeraphie aui dem hir— " '■
In den Friedenstractaten nahm die
Regelung der Eisen bahn Verhältnisse eine
besondere Stelle ein: In der Conven-
tion mit Preussen, betreffend die
bahn
Verbindungen [Prag, 23. August 1866],
verpflichtete sich O esterreich die Her-
stellung der Bahn Wilden seh wert —
preussische Grenze bei Mitte) walde zu
tördem. In dem zwischen Oesterreich und
Preussen abgeschlossenen Protokolle Ober
die gegenseitige Auslieferung der Kriegs-
gefangenen [Prag, 33. August 1866] wurde
unter Anderem festgesetzt, dass der
preussischen Armee zum Rücktransporte
die uneingeschränkte Verfügung tlber die
Eisenbahnen des Besatzungsrayons zu-
stehen solhe, nur hatte auf jeder Linie
ein Zug für den öffentlichen Verkehr
frei zu bleiben. Im Fried en stractat
mit Italien wurden unter Artikel X bis
Xir die Modalitäten hinsichtlich Ueber-
gabe der Eisenbahnen auf dem abgetre-
tenen Gebiete festgesetzt, mit Artikel XIII
aber vereinbart, gegenseitig den Bahn-
verkehr zu erleichtern und den Bau neuer
Verbindungen der bezüglichen Bahnnetze
zu begünstigen ; desgleichen versprach
die österreichische Regierung die Vollen-
dung der BrennerHniü soviel als möglich
zu beschleunigen.
Kurz nach Beendigung des Feld-
zuges, im Herbste 1866, wurde mit Aller-
höchster EntSchliessung
vom 15. September die
Aufstellung eines
Armee-Ober-Comman-
dos verfügt und hiebei an-
geordnet, dass die Central-
leitung für das Eisenbahn-
Transportwesen in Bezie-
hung auf das Letztere der
Operations- Kanzlei dieses
Commandos, in jeder an-
deren Hinsicht aber dem
General Stabe zu unter-
stehen habe. Es möge
schon an dieser Stelle be-
merkt werden, dass bereits
im Jahre 1868 infolge Auf-
lösung des Armee-Ober-
Commandos die bisherige
Operations>Kanzlei des-
selben in die 5. Abtheilung
des Reichs-Kriegs-Ministeriums einverleibt
wurde, und hiemit die Eisenbahn- Ange-
legenheiten an die letztgenannte Central-
stelle wieder übergingen.
im der k. k, StsiiibaliaeD.]
1867—1876.
Die Kriegsereignisse der letzten acht
Jahre, namentlich aber jene des Jahres
1866, hatten die strategische Wichtig-
keit eines guten Eisenbahnnetzes in einer
Weise hervortreten lassen, dass sich die
rationelle Entwicklung desselben als eine
nicht abzuweisende Staatsnoth wendigkeit
von selbst aufnöthigte. Dieser Umstand
sowie der Abschluss neuer Handelsver-
träge mit den darin bedingten Bahnan-
schlüssen und die durch die Verfassung
des Jahres 1867 erfolgte Neubelebung
des staatlichen Organismus brachten einen
bedeutenden Aufschwung des Eisenbahn-
wesens in Oesterreich-Ungam hervor,
welcher bis zum Jahre 1872 sich stets in
aufsteigender Richtung bewegte. So be-
trug die Länge der eröffneten Bahnen in
Oesterreich-Ungam 1867 —313 km; in
den folgenden Jahren 736, 843, 1577,
3i'6o, und im Jahre 1872 — 2131 km.
Die Krise des Jahres 1873 bewirkte
allmählich einen Rückfall. Nicht nur die
Einstellung von begonnenen Bauten und
die mangelnde Lust zu neuen Unterneh-
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
■nun gen, sondern auch eine förmliche
Nothlage bei den bestehenden Bahnen
waren die Folgen davon. Während noch
1873: 1714 km Bahnen eröffnet wurden,
sank diese Ziffer in den nächsten Jahren
auf 499, 669, 717, 537, 185, 331 und
endlich auf 75 km herab.
Die gleichen Verhältnisse, welche das
allgemeine Interesse nach den Jahren
1866 und 1867 für die Eisenbahnen luid
deren Ausbau in Anspruch nahmen, spä-
ter auch der durch zielbewusste Aus-
gestaltung und detaillirteste Vorsorge
musterhaft vorbereitete und dann er-
staunlich rasch durchgeführte Aufmarsch
der Deutschen im Jahre
1870 sowie die damit
verknüpften kriegeri-
schen Erfolge bewirk-
ten, dass der Eisenbahn-
frage auch militäri-
scherseits eine er-
höhte Aufmerksamkeit
zugewendet wurde.
Der Verfasser einer,
1870 anonym erschiene-
nen Schrift: »Das Jahr
1870 und die Wehrkraft
der Monarchie*, als wel-
cher kein Geringerer wie
Erzherzog Albrecht ge-
nannt wird, scheute es
nicht, den Finger auf die
Wunde zu legen, indem ^^^ j, Eiienbai
er auf die Mängel des h- Juu '«* erfolgt«
Bahnnetzes der Mon- [Nach einer pboiagiap
archie hinwies.
• In der Richtung einer Vorbereitung 1
des Bahnnetzes für den Kriegsfall* — I
führte die Schrift aus, — »ist bei uns noch |
unendlich viel nachzuholen. Es ist noch |
Alles zu viel Stückwerk. Namenthch sind
die Hauptbahnen nicht, wie es für den
grossen Verkehr und den Krieg unbedingt
nöthig wird, doppelspurig 1
Doppelgeleise aber verdoppeln nicht nur 1
die LeistungsiMigkeit einer Strecke, sie ,
sichern sie auch, was im Kriege noch f
mehr Werth hat, da sonst jede noch so
geringe Verspätung — Achsenbrüche, Ent- 1
gleisungen, Zusammenstösse u. dgl. gar ;
nicht gerechnet, — den ganzen Fahrplan
bei grossen Truppenbewegungen über
den Haufen wirft und dadurch jede Com-
bination unsicher macht. In Deutschland
und Frankreich sind alle Hauptbahnen
doppelspurig«. . . .
Ebenso wies der aus derselben Zeit
stammende Motivenbericht des Reichs-
Kriegs-Ministeriums zur Errichtung der
Territorial-Divisionen auf »die Unvoll-
ständigkeit des — auch noch meistens
einspurigen und zum Theile den strate-
gischen Bedingungen wenig entsprechen-
den Eisenbahnnetzes« hin, und im glei-
I eben Sinne forderten Fachmänner in
I mehrfachen Publicationen eine Vervoll-
i ständigung des Letzteren nach strategi-
[ sehen Gesichtspunkten.
i Sp«D(tung, mil dem von den prEusslicfaen Truppen
hie aut dem faltlaiiBCben Mugeom der k. k. Staailbahn.]
Das Jahr 1870 war insoferne für das
Mihtär- Eisenbahnwesen ein denkwürdiges,
als in diesem zum erstenmale in Oester-
reich-Ungam Eisenbahn- Truppen
organisirt wurden. Das Verordnungsblatt,
42. Stück, brachte die Creirung von 10
Feld-Eisenbahn-Abtheilungen, welche je-
doch erst im Kriege zur Aufstellung zu
gelangen hatten.
Im gleichen Jahre kam eine neue
Vorschrift für den Militär-Trans-
port auf Eisenbahnen zur Ausgabe.
Diese Neubearbeitung stellt sich als eine
Detail- Ausgestaltung jener Vorsorgen dar,
welche sich 1866 in ihren Grundsätzen so
trefflich bewährt hatten. In derselben er-
scheinen die Bestimmungen der gleichbe-
^
146
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
zeichneten Vorschrift vom Jahre 1862,
dann der Instruction ftlr die Militär-Eisen-
bahn-TransportsbehÖrden vom Jahre 1864,
endlich des Anhanges zu beiden aus dem
Jahre 1866 zusammengefasst. Wir finden
darin nachstehende, wesentliche Neue-
rungen:
Den von den Bahnen schon im Frie-
den für plötzlich eintretende grössere
Anforderungen auszuarbeitenden Maxi-
mal-Fahrordnungen ist nunmehr eine
dritte Alternative zugrunde zu legen,
nämlich Einstellung blos eines Theiles
der Frachtzüge.
Bei den Militär-Eisenbahn-Transports-
behörden erscheinen auch Vertreter der
beiden Landwehren.
Die Zusammensetzung* der Centrallei-
tung erfährt eine Erweiterung und wird
der Vorstand des Bureaus des General-
stabes für Eisenbahnwesen ausdrücklich
als Militär-Gommissär bezeichnet.
Die » Eisenbahn - Transportsleitungen
auf dem Kriegsschauplatze« erhalten den
Namen » Feld - Eisenbahn - Transportslei-
tungen« und wird auch bei diesen das
Personal vermehrt.
Für den Transport von Kranken und
Verwundeten wird die Einrichtung der
Güterwagen mit auf den Boden zu stel-
lenden Tragbetten normirt.
Zu den Beilagen der Vorschrift ge-
hören auch die Uebereinkommen der Bah-
nen betreff der gegenseitigen Aushilfe
mit Wagen [24. Mai 1864] und Locomo-
tiven [6. Februar 1866].
Von dieser Vorschrift wurde 1872 ein
»Auszug für die Truppen« auisgegeben.
Die Abb. 23 und 24 stellen die Ver-
ladungsweise von Feldgeschützen und
Fuhrv^^erken dar.
In den 187 1 hinausge^ebenen neuen
Organischen Bestimmungen für den Gene-
ralstab [N. V.-Bl. 13. Stück], wird
das Eisenbahn-Bureau desselben als * Bu-
reau für Eisenbahn-, DampfschifFfahrts-,
Post- und Telegraphenwesen im In- und
Auslande, zugleich Central-Leitung hei
Massentransporten auf Eisenbahnen oder
mittels Dampfschiffen« bezeichnet. —
Ueber die Fortschritte, welche in den
letzten Jahren die Technik der Benützung
der Eisenbahnen im Kriege gemacht
hatte, gibt uns das vom Major Hugo
Obauer und Hauptmann Emil Ritter von
Guttenberg des k. k. Generalstabes 187 1
veröffentlichte Werk »Das Train-, Com-
munications- und Verpfiegswesen vom
operativen Standpimkte« Aufschluss, in
welchem den Erfahrungen aus den letz-
ten Kriegsjahren — einschliesslich jener
aus 1870, Rechnung getragen ward.
Auch in diesem Werke wird das öster-
reichisch-ungarische Bahnnetz einer ein-
gehenden Würdigung unterzogen und
daraus abgeleitet, dass dasselbe auf
»jedem Kriegsschauplatze, mit Ausnahme
desjenigen gegen die Türkei, dem des
eventuellen Gegners nachsteht«. Als
besonders fehlerhaft werden hiebei be-
zeichnet : Die Verbindung mit Tirol durch
fremdländisches Gebiet, die Führung
der Nordbahn von Ostrau bis Trzebinia
unmittelbar an der Landesgrenze und
der Mangel einer Eisenbahnbrücke bei
Pest-Ofen.
187 a kam zwischen dem Reichs-
Kriegs-Ministerium und den Bahnverwal-
tungen ein Uebereinkommen [vom
15. Mai] zu Stande, mit welchem sich
dieselben verpflichteten, schon im Frieden
für I5"/q der Kastenwagen Einrich-
tungen für den Mannschafts- und eben-
soviel für den Pferde-Transport in Vor-
rath zu halten, im Bedarfsfalle aber diese
Einrichtungen binnen 3 Tagen [eventuell
mit Zuhilfenahme von Militär-Kräften]
auf je 45®/o ^^ ergänzen.
Im selben Jahre gelangte ein »Leit-
faden des Eisenbahnwesens« zur
Ausgabe [N. V.-Bl. 63. Stück], welcher
bei Benützung der besten neueren W^erke
über Eisenbahnen sowie der wichtigsten
Erfahrungen aus den letzten Feldzügen,
die technischen Offi eiere, namentlich jene
der Feld-Eisenbahn- Abtheilungen, mit den
Arbeiten vertraut machen sollte, die im
Kriege zur Zerstörung, Wiederherstellung
oder Neuanlage von Eisenbahnlinien nöthig
werden können.
Das Jahr 1873 brachte »infolge der
Erweiterung des Bahnnetzes« die Ver-
mehrung der 1870 creirten Feld-Eisen-
bahn-Abtheilungen von 10 auf 15, sowie
die Activirung von 5 derselben schon
im Frieden. [W V.-Bl. 15. Stück.]
Nachdem die Wiener Weltausstellung
1873 Vorbilder fllr Kranken -Transports-
Anstalten auf Eisenbahnen brachte, stellte
der souveräne Malteser- Ritter-Orden 1874
einen Eisenbahn- Sanitätszug als >Schiil-
jug. h=r.
Im Jahre 1875 erschienen [N. V.-
Bl. 24. StQck] die organischen Be-
stimmungen für die freiwillige Unter-
Wagen, d. j. 1 Zugs-Commandanten- und
Aerzte-, i Vorraths-, i KUchen-, 1 Speise-,
I Magazins-, dann i Monturs- und ROs-
tungswagen. Alles auf das Zweck massigste
und Fürsorglichste eingerichtet, Locomo-
tive und Conducteur wagen werden von
den Bahnen beigestellt. [Vgl. Abb. 25
und 26].
Im Frieden besteht nur ein vollkommen
[K-c
einer pbologra]
iilBefoiideneii Spreuguoc.
Stützung der Militär-Sanitätspflege
durch den souveränen Malteser-
Ritter-Orden, Grosspriorat von Böh-
men. Damach sollte der Orden im Kriegs-
fälle sechs Eisenbahn-SanitätszUge sammt .
Personal dem Reichs- Kriegs -Ministerium
zur Verfügung stellen, welches deren 1
Dirigirung auf den Kriegsschauplatz,
beziehungsweise Zuweisung an die Feld-
Eisen bahn -Transportsleitung der operi- 1
renden Armee zu veranlassen hatte. 1
Ein Zug besteht aus 10 Ambulanz- 1
Wagen für 104 Kranke und 6 Extra- :
eingerichteter Zug als »Schulzugäj für
die übrigen Züge ist die complete Ein-
richtung für die von den Bahnen beizu-
stellenden Wagen deponlrt.
Schon im darauffolgenden Jahre wurde
die Anzahl der Züge von 6 auf 1 2 erhöht
{Präs. 3310 vom 10. Juli 1876] und
zwischen dem Orden und den Bahnver-
waltungen ein Ue hereinkommen [vom
27. März] für die Beistellung dernöthigen
Wagen seitens der Letzteren abge-
schlossen, weiches im März 1SS2 ent-
sprechend ergänzt wurde.
148
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Gleichfalls im Jahre 1876 wurde auch
seitens des Reichs - Kriegs - Ministeriums
mit den Eisenbahnen ein Uebereinkommen
hinsichtlich Einrichtung imd Verwendung
von Eisenbahnwagen zu Militär-Sanitäts-
zwecken abgeschlossen. — Die Einrichtung
bestand hauptsächlich in der Anbringung
von Thüren auch an der Stirnseite von
Kastenwagen.
Bei der Neuorganisation des General-
stabes 1875 [N. V.-Bl. 49. St.] wurden die
dem neuerrichteten Telegraphen-Bureau
zugewiesenen Angelegenheiten aus den
Agenden des Eisenbahn-Bureaus ausge-
schieden und letzteres als »Eisenbahn-
Bureau, zugleich Bureau für DampfschifF-
fahrts- und Postwesen« bezeichnet.
1877 1896.
Die nach dem Krisenjahre 1873 ein-
getretene Stockung in der Entwicklung
derEisenbahnen,und namentlich die infolge
der Nothlage der staatlich garantirten
Bahnen immer unerträglicher werdende
Belastung der Staatsfinanzen brachten
die Erkenntnis zur Reife, dass ein Ein-
greifen des Staates zur Sanirung dieser
Verhältnisse nothwendig sei.
In Oesterreich entschloss man sich
zu einem entscheidenden Schritte in dieser
Beziehung im Jahre 1877, indem man mit
dem sogenannten Sequestrationsgesetze
die Staatsverwaltung .zur Betriebsüber-
nahme solcher garantirter Bahnen er-
mächtigte, welchen ein Vorschuss für die
Bedeckung eines Betriebskosten-Deficits
gewährt worden war, oder von welchen
durch fünf Jahre mehr als die Hälfte des
garantirten Reinerträgnisses beansprucht
wurde.
Hiemit war die Verstaatlichungsaction
eröffnet. Diese, mit der Sequestration der
Kronprinz Rudolfsbahn 1879 thatsächlich
begonnen, machte von da an ununter-
brochene Fortschritte, während gleichzeitig
auch der Bau neuer Linien auf Staats-
kosten betrieben wurde, so dass, während
1879 von dem Österreichischen Gesammt-
netze 8*35^/0 im Staatsbetriebe standen,
diese Ziffer 1880 auf 17*23, 1882 auf
25-20, 1884 auf 38-53, 1889 auf 43-44,
1892 auf 48-34 und 1896 auf 53*41%
stieg. Den Schlussstein dieses Gebäudes
bildete die in der Schaffung eines k. k. Ei-
senbahn - Ministeriums gipfelnde Neu-
organisation der staatlichen Eisenbahn-
Verwaltung, welche mit 19. Januar 1896 in
Kraft trat.
Von einschneidender Wichtigkeit auf
die Entwicklung der dem localen Be-
dürfnisse dienenden Eisenbahnen, von
welchen manche auch militärische Bedeu-
tung besitzen, war das im Jahre 1880 er-
schienene Localbahngesetz [vom 25. Mai].
Die durch dasselbe gewährten Erleich-
terungen bewirkten bis Ende 1896 ein
Anwachsen der Localbahnen auf 3128 /?fw.
In Ungarn ging man im Jahre 1 876
daran, in Ausführung der schon 1848
vom Grafen Szechdnyi aufgestellten
richtigen Principien, die begonnenen
Linien zum Anschlüsse an das Ausland
auszubauen [Fiume, Predeal, Ruttka,
Brück, Semlin], femer die schon 1868
begonnene Verstaatlichung der Bahnen
ernstlich fortzusetzen. Seither fand Ungarns
Bahnnetz eine gedeihliche Entwicklung;
die Länge desselben wuchs von 6671 kvr,
Ende 1876 auf 14.965 km Ende 1896,
wobei von den Letzteren 7903 ktn auf
die Staatseisenbahnen entfielen.
Gleichzeitig mit Oesterreich, wurde
auch in Ungarn die Gründung von Local-
bahnen gesetzlich [Art. XXI vom J. 1880]
geregelt und erleichtert, so dass der
Umfang derselben von 63 km mit Ende
1 880, auf 5997 ktn mit Ende 1 896 anwuchs.
Vieles wurde in dieser Periode auf
dem Gebiete des Militär-Eisenbahnwesens
geschaffen.
1877 erschien das »Normale für
Eisenbahn-Sanitätszüge«, womit die
Aufstellung von mindestens 26 solchen
Zügen für je 104 Kranke und Verwundete
behufs Abschubs vom Kriegsschauplatze,
geregelt wurde. Die ZWge bestehen aus
19 Wagen d. i. 13 mit Hängetragbetten
eingerichteten Krankenwagen, dann je
einem Arzt-, Personal-, Küchen-, Küchen-
vorraths-, Magazins- und Gepäcks-
[Sicherheits-] Wagen.
Im gleichen Jahre [N. V.-Bl. 66. St.]
gelangte ein einheitlicher Gebühren-
Tarif für Militär-Transporte auf
den österr.-ungar. Eisenbahnen
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
zur Ausgabe, wodurch die bis dahin 1
fallweise mit den einzelnen Bahnver-
waltungen abgeschlossenen Tarife ausser
Kraft traten. Festgesetzt wurden per
Kilometer nachfolgende Preise, u. zw.: I
Personen: I. GL lö kr., II. Cl. 12 kr., j
III. Cl. 08 kr. per Kopf; Pferde mit j
Personenzügen: 3'3 kr,, mit Lastzügen ]
27 kr. per Kopf. Fuhrwerke mit Personen- |
Zügen: 8 kr., mit Lastzügen 53 kr. |
per Stück ; Güter mit Personenzügen :
08 kr., mit Lastzügen 0-32 kr., bei Aus- '
nützung der Waggon tragfähigkeit ä 10 t: j
025 kr. per 100 kg,; Separatzug 3' 16 fl. ;
pro fem.
Anfangs 1S78
wurden in Ergän-
zung des Vorste-
henden die B e-
stimmungen
fürdieBenÜtz-
ungderWagen-
classen, durch
Mi 11 tär- P erson en
[N. V.-Bl. 1. St.]
sowie jene über
dieCredilirung
der Bahnaus-
lagen im Mo-
bilisirungsfalle [N. V.-BL 6. St.]
verlautbart. Im Monate Juli gelangte die
Instruction für die Zerstörung
der Eisenbahnen und Telegraphen
durch die Pionnierzüge der Cavallerie-
Regimenter zur Ausgabe.
Im gleichen Monate erschien eine
Neubearbeitung der Vorschrift für
den Militär-Transport auf Eisen-
bahnen [zweite und dritte Auflage].
An wesentlichen Abänderungen gegen-
über der Auflage vom Jahre 1870 be-
merken wir darin :
Für die Ausarbeitung der Kriegsfahr-
ordnungen werden nicht mehr drei, sondern
— analog wie in der Vorschrift vom
Jahre 1862 — blos zwei Alternativen nor-
mirt, nämlich gänzliche Aufhebung oder
theilweise Beschränkung des gewöhnlichen
Verkehres, begreiflicherweise eine we-
sentliche Verein-
fachung.
Der Fassungs-
raum der Güter-
wagen für Mann-
schaft erscheint
nicht mehr nach
] Bahnen specifi-
cirt, sondern mit
28 bis 40 Mann
pr. Wagen ange-
n, wobei für
den beiläufigen
Calcul mit 36
Mann pro Wagen
zu rechnen ist.
>Für aussergewöhnliche Ver-
hältnisse' wird ein neuer Functionär —
der Chef des Feld- Eisenbahnwesens — nor-
mirt, welcher anfangs als Präses der Cen-
tralleitung ein Organ des Reichs-Kriegs-
^'om Eisenbahnbureau des k. u, k. Generalstabes
Ministeriums, später ein Organ des Armee-
Ober- [Armee-] Commandos ist; eine in
dem Streben nach einheitlicher Leitung
der Eisen bahn- Angelegenheiten auf dem
Kriegsschauplatze begründete Massregel.
Präses der Central -Leitung ist ein
General oder Stabsofficier des General-
stabes [Chef des Feld -Eisenbahnwesens
oder dessen Stellvertreter],
Der Generalstabs-Officier bei den
Linien- Com missionen wird als »Linien-
Commandant< bezeichnet.
In den Haupt - Kranken -Abschub-
stationen werden die Etappen -Co mm is-
■ sionen durch Militär- Aerzte verstärkt und
fungiren dann erstere gleichzeitig als
■ Kranken-Transports-Commissionen«.
einander [vom i. März 1878], zur gegen-
seitigen Aushilfe mit Wagen, Locomotiven
und Personale. [Abb. 37 stellt die in
dieser Vorschrift angeordnete Verladungs-
weise der Feldgeschütze dar.]
Die Occupations -Ereignisse
des Jahres 1S78 brachten abermals eine
ausgiebige militärische Inanspruchnahme
der Eisenbahnen mit sich.
Am 13. Juli wurde der Berliner Ver-
trag abgeschlossen, zufolge dessen Artikel
XIV O esterreich -Ungarn das Mandat er-
hielt, die Provinzen Bosnien und Herze-
gowina zu besetzen und zu verwalten;
die Heeresleitung hatte aber schon vor-
her ihre Vorbereitungen getroffen.
Den Generat- und Militär-Commanden
wird auch im Kriege eine Instradirungs-
befugnis eingeräumt, u. zw. für Transporte
innerhalb des eigenen, oder für kleinere
Transporte aus dem eigenen in einen
fremden Bereich.
Für den Transport von Schwerkranken
ist durch die »SanitätszUge«, dann even-
tuell noch durch »Krankenzüge» vorge-
sehen, letztere mit der bisherigen Ein-
richtung [Tragbetten zum Stellen].
Unter den Beilagen befindet sich das
U eberein kommen mit den Bahnen vom
15. Mai 1872, betreff der Einrichtung
der Kastenwagen für den Mannschafts-
und Pferde- Transport, fem er ein neues
Ueherein kommen der Bahnen mit dem
Keichs ■ Kriegs - Ministerium und unter-
Derselben war es klar, dass operirende
Armeekörper jenseits derSave vorwiegend
auf den Nachschub ans dem Innern an-
gewiesen sein würden, deshalb wurde
auch der Ausgestaltung der Communi-
cationen ein Hauptaugenmerk zugewendet.
Die seit Jahren mijitärischerseits ange-
strebte Führung von Bahnverbindungen
zu den Save-Uebergangspunkten Alt-
Gradisca, Brod und Öamac wurde erneuert
angeregt. Der energischen Einwirkung des
Reichs- Kriegs- Ministeriums gelang eszwar
die Inangriffnahme des Baues der Eisen-
bahnlinie von Dalja über Vukovär nach
Brod mit einem Zweige (Schotterbahn]
von Vrpolje nach Samac, unter Mitwir-
kung militärischer Kräfte zu erzielen, doch
erfolgte dieselbe erst Ende August, während
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
der Uebergang der k. k. Truppen Über die \
Save schon am 39. Juli stattgeÄinden hatte, j
Behufs einheitlicher Durchführung des 1
Eisenbahn- und Dampfschifftransportes |
nach dem Aufmarschraume an der Save |
und in Dalmatien wurde in Wien die |
• Central- Leitung« unter Oberst Hilteprand |
des Generalstabs- Corps aufgestellt. Für i
Essegg, Sissek, Bares und SteinbrUck |
waren Eisenbahn-Etappen-Commissionen 1
activirt worden. |
Die Massentransporte, welche sich 1
stets ohne Störung des gewßhnlichen
Verkehres abspielten, theilen sich — ge- j
mäss der successiven Aufstellungen — 1
in drei Perioden: 1
Essegg, jenes der 7, Infanterie- Truppen-
Division [17.700 Mann, 3180 Pferde] vom
10. bis 14. Juli aus dem KUstenlande
und Krain auf der Linie Triest-Laibach-
Steiiibrück-Agram nach Sissek, endlich
der grösste Theil der Reserven und An-
stalten des 13. Corps vom 10. bis 18. Juli
auf beiden genannten Linien. Die Er-
gänzungen für die 20. Infanterie- Truppen -
Division waren schon zwischen dem
38. Juni und dem 3. Juli per Bahn nach
Vukovär und Essegg, jene für die 18. In-
fanterie - Truppen - Division in derselben
Zeit nach Tri est abgegangen.
Bei der 6. und 7. Infanterie- Truppen
Division konnte der Eisenbahn-Tran s-
I. 3«. ZuEB-CommaDdaDlci
Erste Periode.
In der Zeit bis 5. Juli wurden, um
für alle Eventualitäten bereit zu sein,
das 13. Corps mit der 6., 7. und 20.,
dann die 18. Infanterie-Truppen-Division
— letztere speciell für die Herzegowina —
mobilisirt, von welchen das Gros der
20. Infanterie-Truppen -Division in Croa-
tien-Slavonien, jenes der 18. Infanterie-
Truppen-Division in Dalmatien bereits
dislocirt waren.
Der Eisenbahn-Transport begann am
10. Juli. Befördert wurden: das Gros der
6. Infanterie -Truppen -Division [16.600
Mann, 2050 Pferde] vom 13. bis 18. Juli
aus Steiermark und Kämthen auf der
Linie Graz-Pragerhof-Gross-Kanizsa nach
port schon
ginnen.
, Mobilisirungstage be-
Zweife Periode.
Als sich bald nach dem Einmärsche
gezeigt hatte, welcher Widerstand zu be-
wälti(jen war, sah man sich genöthigt,
die Occvipations - Truppen bedeutend zu
verstärken; es wurden daher in der Zeit
vom 5. bis 19. August die an der Grenze
stehende 36. und 1., dann die 4. Infanterie-
Truppen-Division, endlich die 20. Infan-
terie-Brigade, letztere für die Herzegowina,
mobilisirt, weiters die 25. Infanterie-
Brigade zum Ersatz für die zum Ein-
märsche bestimmte 36. und I. Truppen-
Division an die Grenze verlegt. Von den
genannten Heereskörpern wurden per Bahn
152
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
befördert: die 4. Infanterie- Truppen -
Division aus Mähren nach Essegg und
Vukovär vom 22. bis 30. August [8. bis
16. Mob. -Tag], dann die 25. Infanterie-
Brigade aus Ungarn an die Save.
Dritte Penode,
Der Verlauf der Occupation in den
ersten Wochen August Hess die Noth-
wendigkeit einer imposanten Machtentfal-
tung erkennen; daher wurden auf Aller-
höchstes Befehlsschreiben vom 19. August
die Commanden des 3., 4. und 5. Ar-
mee-Corps, die 13., 14., 31. und 33. In-
fanterie-Truppen-Division und die 1 4. Ca-
vallerie-Brigade mobilisirt und das II. Ar-
mee-Commando aufgestellt. Als erster
Mobilisirungstag war der 21. August
angegeben.
Der Massentransport fand wie folgt
statt: 13. und 31. Infanterie-Truppen-Di-
vision aus Budapest und West-Ungarn auf
den Linien der Staatsbahn - Gesellschaft,
dann der Alföld-Fiumaner Bahn, endlich
mittels der Schiffe der Donau-Dampf-
schifffahrts-Gesellschaft vom 28. August
bis 4. September [8. bis 15. Mob.-Tag],
nach Essegg imd Vukovär;
14. Infanterie - Truppen - Division vom
28. August bis 7. September [8. bis
18. Mob.-Tag] aus Oedenburg [28. Inft.-
Brig.] über Zakany, Agram, Karlstadt
nach Touin und aus Pressburg nach
Sissek ;
33. Infanterie- Truppen-Division vom
29. August bis 4. September [9. bis
15. Mob.-Tag] aus Komorn, Gran imd
Raab mittels Bahn und Dampfschiff nach
Essegg und Vukovär.
Die dem Armee- und dem Armee-
General-Commando unterstehenden Kör-
per wurden in der ersten Decade des
September theils mit Bahn, theils zu
Wasser befördert. Das Transports-Quan-
tum betrug demnach während dieser Pe-
riode rund 68.500 Mann und 10.700
Pferde.
Beim IL Armee-Commando wurde
die Feld - Eisenbahn - Transportsleitung
aufgestellt und Oberstlieutenant Anton
Ritter von Pitreich des Generalstabs -
Corps zum Vorstande derselben bestimmt.
Grössere Transportsbewegungen
ergaben sich bei der Reduction der
Truppen im Occupations- Gebiete: die
4., 14., 31., 33., dann die 20. Infanterie-
Truppen - Division mit Ausschluss der
39. Infanterie-Brigade, die 14. Cavallerie-
Brigade, endlich einzelne Körper und die
meisten Ergänzungen wurden von Mitte
October bis Mitte November in das
Innere der Monarchie rückdirigirt.
Bei der Occupation spielten Bahn-
herstellimgen eine hervorragende Rolle.
Der Bau einer schmalspurigen
Schleppbahn von Brod über
Dervent, Doboj und Maglai nach
Zenica wurde einer Privat-Untemeh-
mung übertragen und Mitte September
in Angriff genommen. Ungünstige Ver-
hältnisse verzögerten den Bau und machten
die Mitwirkung von Militärkräften erfor-
derlich. Die Eröffnung konnte nicht —
wie präliminirt — 3 Monate nach Beginn,
sondern erst Anfangs Juni 1879 statt-
finden. Mit der Herstellung einer
Strassen- und Eisenbahnbrücke
über die Save bei Brod wurde An-
fangs October 1878 begonnen; im No-
vember und December trat wegen Hoch-
wasser eine vollständige Einstellung der
Arbeiten ein. Im Juli 1879 wurde die
Brücke zugleich mit der im September
1878 begonnenen, 3 knt langen, normal-
spurigen Broder Verbindungsbahn,
dem Verkehre übergeben.
Der Bau der Bahnstrecke Dalja-
Brod wurde mit aller Anstrengung be-
trieben, machte aber ebenfalls nur lang-
same Fortschritte, und wurde erst An-
fangs März 1879 vollendet. Bei diesem
Bahnbau waren die Feld - Eisenbahn -
Abtheilungen Nr. i, 2, 3, 6 und 11 ver-
wendet.
Die 102 ktn lange, normalspurige,
seit 1875 aufgelassene Bahn Banjaluka-
Doberlin, welche bei der Occupation
im deroutesten Zustande vorgefunden
worden war, wurde unter militärischer
Bauleitung durch neun Feld-Eisenbahn-
Abtheilungen [Nr. 4, 5, 7, 8, 9, IG, 12,
13 und 15] im September 1878 in An-
griff genommen. Die Strecke bis Prjedor
wurde — ausschliesslich durch militäri-
sche Kräfte — schon bis i. December des
Occupationsjahres, die restliche Strecke
; Eisenbahnen im Kriege.
bis 6. März 1879 in Stand gesetzt und
der Betrieb durch die Feld-Eisenbahn-
Abtheilungen aufgenommen. Die Eröff-
nung der Anschlussstrecke Doberlin-
Sissek fand erst am 10. April 1882 statt.
Für den Transport derKranken
und Verwundeten in das Innere der
Monarchie waren die Eisenbahn-Sanitäts-
züge Xr. I und 2 vom 27. Juli bis 2. De-
cember, jene Nr. 3 und 4 vom 16. Sep-
tember bis 10. Februar activirt; des-
gleichen richtete der souveräne Matteser-
Ritter-Orden im Laufe des Monats Juli
Die beschränkte Action zur Be-
kämpfung des Aufstandes im Süden der
Monarchie 1881/83 hatte keine besonders
erwähnenswerthe Benützung der Eisen-
bahnen für militärische Zwecke im
Gefolge.
Im Jahre 1883 [Allerhöchste Ent-
schliessung vom 8. Juli] wurde das
Eisenbahn- und Telegraphen- Re-
giment — im Frieden mit 2 Bataillonen
zu 4 Compagnien — errichtet.
Im gleichen Jahre [N. V.-Bt. 61. Stück]
wurden für die Creditirung der Bahn-
zwei Eisenbahn -Sanitätszüge [A und B]
für je 100 Kranke ein, welche bis Ende
October in Verwendung blieben. — Erstcre
standen im Durchschnitte 138 Tage in
Verwendung und beförderten zusammen
auf 65 Fahrten 1776 Verwundete und
462 1 Kranke ; die letzteren während
90 Tagen auf 33 Fahrten II99 Ver-
wundete und 2059 Kranke. Mit den,
den Sanitäts-, beziehungsweise Malteser-
Zügen angeschlossenen Personenwagen
wurden weiters 1084, beziehungsweise
590, mit Krankenzügen 8876 Kranke und
Verwundete transportirt. —
Im Jahre 1880 erschien die zweite
Auflage des »Normale für Eisenbahn-
Sanitätszüge*.
«enbahn-Trimpon-Vors^hri« vom Jahre i»?«.
ausiagen im Mobilisirungsfalle
neue, einheitliche Bestimmungen an Stelle
derjenigen vom Jahre 1 878 verlautbart.
Die letzte Ausgabe dieser Bestimmungen
erfolgte im Jahre 1891. [\. V.-Bl. 27.
Stück.]
Im Jahre 1886 wurde eine Vor-
schrift für die zu Eisenbahnpro-
jects-Commissionen als Vertreter
des Keichs-Kriegs-Ministeriums bestimm-
ten Officiere, an Stelle der analogen 1879
im Verordnungswege erlassenen Instruc-
tion, ausgegeben.
Im Jahre 1887 gelangten neue orga-
nische Bestimmungen für das Eisen-
bahn- und Telegraphen -Regi-
ment zur Ausgabe, welche 1892 durch
neuere Bestimmungen ersetzt wurden.
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes,
In Jedermanns Erinnerung steht die
hohe politische Spannung, welche im
Winter 1887/88 die Eventualität eines
Krieges mit unserem mächtigen nor-
dischen Nachbar nahe rückte. Dieses
Ereignis traf den Staat auch auf dem
Gebiete der Eisenbahnen nicht unvorbe-
reitet. In fürsorglicher Voraussicht hatte
die Heeresverwaltung die Verbesserung
auch unserer Verbindungen nach und in
Galizien in's Auge gefasst, und ihre
Bemühungen waren nicht ohne Erfolg
geblieben. Es waren vollendet worden :
Diese Thätigkeit wurde nach dem
Jahre 1888 fortgesetzt, und so gelangten
während der darauf folgenden Periode in
gleicher Berücksichtigung der volkswirth-
schaftlichen wie der militärischen Bedürf-
nisse zur Vollendung:
1889 das zweite Geleise in der Strecke
Oderberg-Oswiecim,
1890 die Linie JasJo-Rzesiuw,
1S91 das zweite Geleise auf der Linie
Krakau-Lemberg,
1893 jenes in der Strecke Gran-Waitzen,
I. 18. Mllitäi-Zue. [Original- Aurnlbm<
,. Hub«.]
1874 die Linie Miskolcz-PrzemyM,
1876 jene Kaschau-Eperies-Tamiw,
1884 die Linien Oswi^cim-Podgörze-Kra-
kau und Pressburg-Sillein-Krakau,
dann die galizische Transversal bahn,
1885 das zweite Geleise der Linie Wien-
Pressburg- Budapest [mit .'Ausnahme
der Strecke Gran-Waitzen],
1887 die Linie Munkacs-Stryj und das
zweite Geleise in der Strecke Neu-
Sandec-Ströze,
1888 die Städtebahn Hullein - Teschen-
Kalwarja, sowie das zweite Geleise
auf der Linie Budapest-Miskolcz-
Przcmyi^f und auf jener Oswiecim-
Podgörze-PIaszow.
I 1895 die Karpathenbahn Marmaros-Szi-
! get-Stanislau, endlich
I 1896 das zweite Geleise in der Strecke
I Lemberg-Zloczöw.
I Auch manche andere Vorsorge sehen
wir in dieser Zeit reifen :
I Mit 1. April 1889 wurden die »Eisen-
bahnlinien-Com mandanteni auch für den
Frieden normirt und zu diesem Zwecke
dem I. bis 14. Corps-Commando Officiere
j dauernd zugewiesen. —
I Der I.Januar 1890 brachte die Auf-
stellung eines 3. Bataillons des Eis enb ah 11-
I und Telegraphen-Regimentes.
: Eisenbahnen i
i8g2 gelangte die 4. Auflage der
Vorschrift für den Militär-Trans-
port auf Eisenbahnen zur Ausgabe,
welche folgende wesentliche Verschieden-
heiten gegen die Auflage vom Jahre 1878
[3. und 3. Auflage] zeigt;
Die Unterschiede zwischen der Bahn-
henützung im Frieden und im Kriege im Wirkungskreise.
Unter den im Kriegsfalle aufzustellen-
den Militär- Eisenbahn- Behörden finden
wir statt der Linien-, beziehungsweise
Etappen- Com missionen, die Eisenbahn-
linien-, beziehungsweise Bahnhof- Com-
manden , Übrigens ohne wesentliche
Aenderung in der Zusammensetzung und
I. ]». Einwaseonlning von FetilunK)-Gelebau. [Oilginal-Auf
von J. 1
werden — unter Vermeidung der früheren
Umschreibung : ibei aussergewöhnlichen
Verhältnissen« — direct ausgesprochen.
Die Einflussnahme der Militärbehör-
den auf die Eisenbahnen im Frieden wird
als in der Durchführung von Militär-
Transporten und in der Vorbereitung der
Ausnützung im Kriege bestehend, präcisirt.
Die Verpflichtung der Bahnen zur gegen-
seitigen Aushilfsleistung behufs Durch-
führung von Militär-Transporten wird
auch fir den Frieden ausgesprochen.
Die Fahrgeschwindigkeit der Mihtär-
züge erscheint von .19 bis 23« auf >20
bis 30 kmt in der Stunde — einschliess-
lich der kleinen, bis 5 Minuten währen-
den Aufenthalte erhöht.
Die Kriegs -Fahrordnungen sind nur für
einen Fall, nämlich für jenen der gänz-
lichen Aufhebung des Civil Verkehres,
auszuarbeiten und in reservirtester Weise
zu behandeln. Bei denselben verkehren
die Züge in gleich schneller Fahrt, u. zw.
einzelne davon regelmässig als »Post-
Vom Eisenbahnbureau des k, u. k. Generalstabes.
und Transenen-c, die anderen nach Be-
darf als »Militärzüge*. Ein Theil der
Züge wird als >Facultativzüge< für un-
vorhergesehene Bedarfsfalle und Regie-
zwecke reservirt.
Die auf militärische Ausnützung der
Bahnen bezughabenden Angelegenheiten
sind geheim zu halten.
Die neue Einrichtung der Wagen für
den Mannschaftstransport erscheint durch
die Anbringung von Thürvorlegern, so-
wie von Gewehrrechen und Gepäck s -
leisten verbessert.
vereinfacht; an Stelle der früher aus
Frühstück-, Mittag- und Abendessen be-
stehenden und für die kalte und warme
Jahreszeit verschieden bemessenen Ver-
köstigung tritt die Eisenbahn -Mittagskost
mit einer — binnen 34 Stunden minde-
stens einmaligen — »Zubusse«, bestehend
aus schwarzem Kaffee u.dgl., während aus
dem Relutum für das Frühstück und Abend-
essen kalte Esswaaren einzukaufen sind.
Für die Schulung im Ein- und Aus-
waggoniren werden eigene Uebungen
vorgeschrieben. [Vgl. Abb. 28 bis 31.]
Zur Auswaggonirung von Pferden,
Geschützen und Fuhrwerken auf offener
Strecke sind den Militär-Zügen nach
Bedarf transportable Rampen mitzu-
geben.
Der Benützung der Eisenbahnen für
Etappenzwecke im Kriege wird ein eige-
nes Capitel gewidmet.
Als neue Instradirungs- Behörde im
Frieden erscheint das Reichs-Kriegs-
Ministerium, u. zw. für grössere Trans-
porte, welche drei oder mehr Territorial-
bezirke zu berühren haben.
Das Formular für Marsch plane ist
abgeändert und durch eine graphische
Skizze vervollständigt.
Die Bestimmungen für die Kriegsver-
pflegung in natura erscheinen wesentlich
Für den Transport von Kriegsgefan-
genen sind specielle Bestimmungen auf-
genommen.
Für die baulichen Anlagen der Eisen-
bahn-Verköstigungs- und Trärtkanstälten
und für den Betrieb der Verköstigungsan-
stalten wurden hingegen die nöthigen > An-
leitungen» im folgenden Jahre ausgegeben.
Eine besondere Thätigkeit auf
militärischem Gebiete sehen wir die
Bahnen in letzter Zeit anlässlich der
grossen Herbst-Manöver ent-
wickeln, um die auf dem Manöverplatze
vereinten Truppen th unliebst rasch in
ihre Garnisonsorte zurUckzube fördern. So
wurden beispielsweise nach den Manövern
im Waldviertel 1891 bei Einhaltung des
t Eisenbahnen im Kriege.
ungemein lebhaften Civil - Personenver-
kehres 58.880 Mann, ins Pferde und
200 Fuhrwerke binnen 36 Stunden aus den
Stationen Göpfritz, Schwarzenau, Vitis
und Pürbach-Schrems der eingeieisigen
Staatsbahniinien [Wien]-Absdorf- Gmünd
und der Station Sigmundsherberg der eben-
falls eingeieisigen Localbahn Sigmunds-
herberg-Hom- Haders dorf abtran Sport irt.
Nach den grossen Armee-Manövern
bei GUns gelangten, bei Einhaltung des
vollen Personen- und nur theü weiser
Einschränkung des Frachten Verkehres,
zum Abtransporte :
a) 817 Officiere, 23.676 Mann, 1298
Pferde und 45 Fuhnverke binnen 21
terhäza und Kapuvär der Raab-Oeden-
burg- Ebenfurther Eisenbahn in der Rich-
tung gegen Pressburg.
Im Ganzen 3740 Officiere, 89,52 1
Mann, 5451 Pierde, 548 Fuhrwerke aus
13 Stationen von durchaus eingeieisigen
Linien in durchschnittlich 30 Stunden.
Auch diese Friedens-Transporte sind
Leistungen, welche angesichts der bei
denselben zu beobachtenden, im Kriege
ganz entfallenden Rücksichten, gewiss
volle Beachtung verdienen.
Ueberblickt man —
dieser Blätter angelangt -
am Schlüsse
die Entwick-
, ElDwaKgoalnme von lofanlei
. (0[<etial-Auf nähme vud J. Pabit.]
Stunden aus den Stationen Reschnitz, l
Kis-Uniom, V^p und Porpäc der k. ung.
Staatseisenbahnen in der Richtung gegen
Graz und Stuhlweissenburg ;
b) 954 Officiere, 21.779 Mann, 893 I
Pferde und 119 Fuhrwerke innerhalb 26
Stunden ans den Stationen Oedenburg,
Zinkendorf und Schützen der Südbahn !
in der Richtung gegen Wien; |
c) 1166 Officiere, 23.600 Mann, 1829 !
Pferde und 340 Fuhrwerke binnen 37 I
Stunden aus den Stationen Bück, Acsäd I
und Steinamanger der Sudbahn in der !
Richtung gegen Agrara, endlich |
dj 803 Officiere, 20.466 Mann, 1431 :
Pferde und 144 Fuhrwerke innerhalb 27
Stunden aus den Stationen Pinnye, Esz-
lung unseres Militär- Eisenbahnwesens, so
kann man in derselben drei deutlich aus-
gesprochene Phasen constatiren. Die
Periode bis gegen das Ende der Fünf-
zigerjahre kann als jene der theoretischen
Speculationen bezeichnet werden. In der
zweiten Periode, welche bis zum Jahre
1866 reicht, entwickeln die massgebenden
Factoren — durch die Erfahrungen des
Jahres 1859 veranlasst — eine intensive
und fruchtbringende organisatorische Thä-
tigkeit, um das vorhandene Bahn netz
Kriegszwecken dienstbar zu machen. Die
Erfolge dieser Bemühungen treten in der
geordneten Durchführung der .Massen-
transporte im Jahre 1866 zu Tage.
Später, und besonders nach Beginn der
158
Vom Eisenbahnbureau des k. u k. Generalstabes.
Siebzigerjahre, sehen wir die grosse Be-
deutung der Eisenbahnen für die mili-
tärische Machtstellung des Staates zum
vollen Bevvusstsein aller Kreise gelangen,
und findet dies darin seinen Ausdruck,
dass nicht nur die Vorsorgen für die
Ausnützung der Schienenwege erweitert
und vertieft werden, sondern auch die
Ergänzung des Bahnnetzes im strategi-
schen Sinne ernstlich in Angriff ge-
nommen wird, wodurch die dritte Periode
charakterisirt erscheint.
Je weiter nun in der Neuzeit die Ver-
vollkommnung des Militär - Eisenbahn-
wesens schreitet, desto mehr festigt sich
die Erkenntnis, dass die Eisenbahnen ein
strategisches Mittel erster Ordnung bilden,
welches im Kriege berufen ist, eine aus-
schlaggebende Rolle zu spielen. Dieses
Bewusstsein hat traditionell unsere Eisen-
bahnkreise durchdrungen und zur äussersten
Anspannung aller Kräfte angespornt,
wenn es galt, an der Vertheidigung des
geliebten Vaterlandes mitzuwirken. Möge
das gleiche stolze Gefühl auch in Hin-
kunft das Heer der Eisenbahnmänner
erfüllen und zur treuesten aufopfernden
Hingabe an seine militärischen Aufgaben
des Friedens und des Krieges im Dienste
unseres erhabenen Monarchen begeistern.
Unsere Eisenbahnen i
Zweck, Gründung und Wirksamkeit des k. u. k. Eisenbahn-
und Telegraphen-Reginventes.
Die ungeahnt rasclie Entwicklung der
Eisenbahnen in allen civilisirten Ländern
der Welt mussteauch einen entscheidenden
Einfluss auf die Kriegführung 'ausüben.
Das Jahrhundert ist noch nicht zur
Neige, seit die Heere Napoleon I, Monate
lang unter Strapazen und Mühen aller
Art marschiren mussten, bevor sie mit
dem Feinde in Fühlung traten, und heute
eilen zehnfache Mengen von Streitkräften
auf dem Schienenwege dem fernen Ziele
in wenigen Tagen entgegen. Wie ganz
anders musste sich hiedurch der Opera-
tionsplan gestalten, wie wesentlich wird
er durch das Bahn netz des eigenen
Landes beeinflusst; liegt doch in der
vollkommensten Ausnutzung dieses wich-
tigsten Verkehrsmittels das erste Moment
fUr ein glückliches Gelingen der eigenen
Untemehmurig.
Mit dem Bewusstsein des eminenten
Einflusses der Bahnen auf die moderne
KriegfÖhrung musste sich von selbst das
Bedlir^is herausstellen, eigene Truppen
zu besitzen, welche sowohl entsprechend
geschult, als auch gerüstet seien, um ein es-
theils dem Feinde das wichtige Hilfs-
mittel der Bahnen so nachhaltig als
möglich zu zerstören, anderntheils vom
Feinde zerstörte Linien so rasch als
j möglich wieder in Stand zu setzen, wenn
I nöthig auch Verbindungslinien eliestens
I zu erbauen, sowie den Verkehr auf derlei
feldmässigen Bahnen einzuleiten und zu
' führen.
I Wenngleich im engeren Sinne nur
eine Hilfstruppe, so ist dieselbe doch ein
wesentlicher Factor für das Gelingen der
Operationen eines modernen Heeres.
I Denn, iällt die möglichst rasche Concen-
I trirung eines Millionenheeres den bereits
t bestehenden Bahnen zu, so obliegt dieser
i Hilfstruppe die nicht minder wichtige
Aufgabe, die stete Verbindung der sieg-
i reich vordringenden Armee mit dem .
' Bahnnetze der Heimat, und den Nach-
1 schub air der Tausende von Gütern,
welche die Armee zu ihrem täglichen
Bedarfe nöthig hat, durch Wiederher-
stellung und Inbetriebsetzung zerstörter
Linien, Herstellung einzelner Vollbahn-
strecken, Bau flüchtiger Feldbahnen etc.
zu besorgen.
Dass heutzutage die Aufgabe der
Eisenbahn -Truppen keine leichte ist, und
ein unausgesetztes Studium und Ueben
seitens aller Organe derselben erheischt,
will selbe den stelig wachsenden An-
forderungen entsprechen, wird insbeson-
ders dem Faehmanne klar sein, wenn er
i6o
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
in Betracht zieht, dass nur aus dem voll-
kommenen Beherrschen des ganzen Eisen-
bahnwesens und vornehmlich der auf
den Bau bezughabenden Erfahrungen die
Möglichkeit eines raschen und sicheren
Bahnbaues gewonnen werden kann. Zum
Probiren und Studiren lässt eben die
heutige Kriegführung keine Zeit mehr.
Wie aber das gesammte Eisenbahn-
wesen erst in neuerer Zeit mit Riesen-
schritten der heutigen Vollendung ent-
gegeneilte, so waren auch in allen
europäischen Staaten die für den Eisen-
bahnbau eigens geschulten militärischen
Kräfte bis in die letzten Decennien gänzlich
unzulängliche. Erst die Erfahrungen der
letzten Kriege haben auch in dieser
Richtung Klarheit geschaffen und die
unbedingte Noth wendigkeit möglichst
starker und geschulter Eisenbahntruppen
dargethan.
In Oesterreich-Ungarn waren es vor-
erst nur die bereits bestandenen technischen
Truppen, welche angewiesen wurden,
einzelne Abtheilungen mit dem Wesen
des Eisenbahnbaues und Dienstes vertraut
zu machen.
Diese Anfänge datiren vom Jahre
1868; doch erst die Einführung der
allgemeinen Wehrpflicht in Oesterreich im
Jahre 1869 machte die Aufstellung eigener
Abtheilungen für den Bahnbau — der
Feld-Eisenbahn-Abtheilungen — möglich,
deren factische Creirung im Jahre 1870
durchgeführt wurde.
Diese Feld-Eisenbahn- Abtheilungen,
welche aus einem Militär-Detachement
und einem, bereits im Frieden nominativ
bestimmten und sichergestellten Civil-
Detachement bestanden, waren vorerst
nur für den Kriegsfall designirt, während
im Frieden nur einzelne technische
Officiere, welche für Posten bei diesen
Abtheilungen ausersehen waren, durch
Commandirungen bei Bahnbauten, beim
executiven Bahndienst etc. eine geeignete
Specialbildung erhalten sollten.
Im Jahre 1873 wurden die Militär-
Detachements der Feldeisenbahn - Ab-
theilungen Nr. I, II, III, IV und V that-
sächlich aufgestellt, und es kamen dieselben
vielseitig auch bei Friedens-Bahnbauten in
Verwendung, so z. B. beim Baue der
Bahnstrecken Braunau-Strasswalchen, der
Salzburg -Tirolerbahn, der Linie Chotzen-
Braunau, der Istrianerbahn, der Linie
Temesvar - Orsova, der Budapester Ver-
bindungsbahn, der Salzkammergutbahn
u. s. w.
Gelegentlich der theilweisen Mobili-
sirung anlässlich der Occupation von
Bosnien im Jahre 1878 wurden die Militär-
Detachements sämmtlicher 15 systemisir-
ten Feld - Eisenbahn - Abtheilungen mit
Ausnahme jener Nr. XIV nach und nach
aufgestellt. Die ressourcenarmen Länder
Bosnien und Herzegowina mit ihrem
gänzlichen Mangel an Bahnverbindungen
mit dem Hinterlande, mit ihren schlech-
ten, oft unpassirbaren Strassen und Wegen
erforderten die angestrengteste Thätig-
keit aller in Verwendung gestandenen
technischen Kräfte, wobei die Feld-
Eisenbahn- Abtheilungen infolge der eigen-
thümlichen Verhältnisse auch in sonstigen
Zweigen des technischen Dienstes vielfach
verwendet wurden.
An eigentlichen Eisenbahnarbeiten
führten dieselben aus:
1. die Linie Dälja - Brod,^ welche
inclusive des Flügels Vrpolje-Samac in
einer Länge von ca. 1 10 ktn von den
Feld-Eisenbahn- Abtheilungen Nr. I, II, III,
VI und XI im Vereine mit einer Civil-
unternehmung ausgeführt wurde;
2. die Wiederherstellung der circa
100 km langen, normalspurigen Bahn von
Banjaluka bis Doberlin, welche seinerzeit
unter der türkischen Regierung von dem
bekannten Bauunternehmer Baron Hirsch
gebaut worden war und zu Beginn der
Occupation gänzlich verlassen und ver-
wahrlost, theilweise zerstört vorgefunden
wurde, so zwar, dass diese Bahn beinahe
neu hergestellt werden musste. Diese
schwierige Arbeit fiel den Feld-Eisenbahn-
Abtheilungen Nr. IV, V, VII, VIII, IX,
X, XII, XIII und XV zu. Nachdem es mit
dem Aufgebote aller Kräfte gelungen war,
in kürzester Zeit Strecke und Fahrbetriebs-
mittel wieder in brauchbaren Zustand
zu setzen, übernahmen die genannten
Feld-Eisenbahn-Abtheilungen auch deren
Betrieb.
In diese Zeit der Thätigkeit der Feld-
Eisenbahn-Abtheilungen fällt auch der
Bau der Schmalspurbahn von Brod nach
Zenica [Bosnabahn], welche vom Reichs-
: Eisenbahnen im Kriege
Kriegs-Miiiisterium der Bauuntemehmung
Hügt.') und Sager unter Leitung und Be-
aufsichtigung einer Militär- Bauleitung
übertragen wurde und welche bis zu dem
Momente ihrer Abtretung an die bosnisch-
herzegowinische Landesregierung im
Jahre 1895 unter der Leitung des Reichs-
Kriegs- Ministeriums stand und sich in
dieser Zeit von einer, ursprOnghch nur
dem Nachschübe dienenden Schleppbahn
Regiment zu 2 Bataillonen ä 4 Com-
pagnien errichtet werden sollte. Nach
Beendigung der betreffenden Detailver-
handlungen erhielten die hienach aus-
gearbeiteten organischen Bestimmungen
am 8. Juli 1883 die Allerhöchste Sanction
und kann somit dieser Tag als der eigent-
liche Geburtstag des Eisenbahn- und Tele-
graphen-Regimentes betrachtet werden.
Das erste Bataillon sowie der Regiments-
stab wurden in Komeuburg
auch in unserem Vaterlande
die Heeresverwaltung nicht Abb. n Fiidmi
ruhen und nicht rasten, in
diesem Sinne vorwärts zu schreiten. Den
btaOglichen, auf Reorganisation abzielen-
den Arbeiten verdankt auch das heutige
Eisenbahn- und Telegraphen-Regiment
sein Entstehen.
Am 2. September 1882 wurde ein
Organ isations- Entwurf für dieses neu zu
errichtende Regiment Sr. Majestät unter-
breitet, wonach aus den bestandenne
Feld-Eisenbahn-Abtheilungen ein eigenes
Die technische Ausrüstung des Regi-
mentes, welche grosse Summen erforderte,
konnte nur successivedurchgeführt werden.
Die vielseitigen und schwierigen Ar-
beiten, welche dem jungen Regimente
einestheils durch die Errichtung eines fdr
die technischen L'ebungen geeigneten
Platzes, andemtheils durch die Schulung
der Mannschaft in einen ganz eigen-
artigen Dienst sowie durch die Bearbeitung
102
Vom ^senbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
vorläufig nur provisorischer Instructionen
im Anfange erwuchsen, erforderten die
ganze Thatkraft des aus den verschie-
densten Abtheilungen zusammengestellten I
Officierscor^^^Trptzdem erschieneii in
kurzer Zdf? die Verhältnisse gefestigt
und war ein wohlflurchdachtes, festes
Fundament für die ^gedeihliche Fortent-
wicklung des Regimentes geschaffen.
Noch im Jahre 1883 ging das erste
Arbeits-Detachement des Regimentes zu
einem Civilbahnbaue ab.N>pi^ Bauleitung .
der Localbahn Bisenz - Gaya hatte an
das Reichs-Kriegs-Ministerium die Bitte
um Commandirung einiger Leute des Re-
gimentes zur Aufstellung eiserner Brücken
und zum Legen von Oberbau gerichtet.
Mit dieser Commandirung war der
Anfang zu einer Reihe, später noch näher
zu erörternder Verwendungen einzelner
Detachements des Regimentes bei fac-
ti sehen Bahnbauten gemacht. Diese Com-
mandirungen können durch den bleiben-
den Charakter, durch welchen sich die
hiebei auszuführenden Arbeiten von den
analogen Uebungen auf dem Uebungs-
platze wesentlich unterscheiden, als eine
sehr erspri essliche Schulung von Offi-
cieren und Mannschaft angesehen wer-
den, welche namentlich den Eisenbahn-
Officier in die Lage versetzen, reiche
Erfahrungen zu sammeln, aus denen er
im Ernstfalle jeweilig das beste und vor
Allem das schnellste Mittel zur Lösung der
an ihn gestellten Aufgabe wählen kann.
Namentlich in der Uebung des Tra-
cirens von Bahnlinien erschien es vortheil-
haft, einen möglichsten Wechsel des
Terrains und der Verhältnisse anzustreben,
um dem Officier die Möglichkeit zu bieten,
sich den- freieren Blick, die rascheste
und zugleich genaueste Arbeit eines voll-
endeten Traceurs anzueignen.
Es wurde denn auch jede sich bietende
Gelegenheit wahrgenommen, um diesen
wichtigen Zweig der technischen Aus-
bildunj^: entsprechend zu üben. Zu diesem
Zwecke ordnete die Heeresverwaltung
sowohl jährlich gr()ssere Uebunt^straci-
riin<^en an, welche stets bis zur vollstän-
digen Fertigstellung eines Vorprojectes
durchgeführt wurden, sowie auch Traci-
runo^en von in Aussicht genommenen
Localbahnen durchgeführt wurden, wie
z. B. bereits im Jahre 1885 die Tracirung
einer Localbahn von Komeuburg nach
Emstbrunn.
Auch im Telegraphenbaue wurden
schon im Jahre 1884 grössere Uebungen
vorgenommen, indem eine Feld-Tele-
graphenleitung von Komeuburg über
Hainfeld nach Pressbaum in der Zeit
vom 16. bis 28. Juni durchgeführt wurde,
sl^ie Hauptübungen des Regimentes
bildeten vom Anfange an nebst der schon
erwähnten Vornahme von Tracirungen:
der Bau normalspuriger Bahnen, von
Stationsanlagen sammt dem für den Betrieb
unbedingt nöthigen Zugehör, der Bau
von Eisenbahn-Brückenprovisorien über
trockene und nasse Hindemisse, der halb-
permanente wie auch feldmässige Tele-
graphenbau [Abb. 35], sowie das Spreng-
wesen in allen seinen Details, an welche
Hauptanforderungen stets die rein mili-
tärischen Exercitien und Uebungen analog
der Infanterie angereiht werden mussten.
Für die ebenfalls wichtige Ausbildung
eines Theiles der Mannschaft im executiven
Verkehrsdienste, inclusive des Zugförde-
rungs- und Werkstättendienstes hatte
das 2. Bataillon auf der Militärbahn
Banjaluka-Doberlin zu sorgen. Da jedoch
der Verkehr auf dieser Bahn zufolge der
localen Verhältnisse im Anfange ein ganz
minimaler und zu geringer war, um
namentlich die Ausbildung einer ge-
nügenden Anzahl von LocomotivfÜhrem
zu ermöglichen, so wurden im Einver-
nehmen mit dem k. k. Handelsministerium
vom Jahre 1 884 angefangen stets acht Mann
des Regimentes auf die Dauer von sechs
Monaten bei verschiedenen Bahnen zu
diesem Zwecke in Zutheilung gegeben,
wo diese Lehrlinge auch die staatsgilti-
gen Prüfungen abzulegen hatten.
Das 2. Bataillon, welches, wie bereits
erwähnt, in Banjaluka aufgestellt worden
war, hatte den gesammten Dienst auf
der Militärbahn zu versehen, wobei die
Officiere, unbeschadet ihres militärischen
Compagnie-Dienstes, sowohl die Bahn-
erhaltung, als den Zugförderungs- und
den Stationsdienst zu versehen hatten,
während die Mannschaft theils zum Zug-
förderungsdienste, theils zur Strecken-
bewachung und als Oberbaupartieen, so-
wie in den Werkstätten verwendet wurde.
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
163
104
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Sowohl die hiedurch bedingte, zer-
streute Bequartirung, als auch die Art
des Dienstes machte die nicht ausser Acht
zu lassende, rein militärische Ausbildung
der Mannschaft sehr schwierig. Dieser
Umstand sowie der bereits berührte,
durch die localen Verhältnisse bedingte
minimale Verkehr auf der Militärbahn ver-
anlassten das Reichs-Kriegs-Ministerium,
im März 1885 das 2. Bataillons-Commando
mit 2 Compagnien von der Militärbahn
abzuziehen und ebenfalls nach Korneuburg
zu verlegen.
Nachdem Verhandlungen mit den
betreffenden beiderseitigen Ministerien
wegen Uebergabe der Militärbahn an
die Staatsbahnen zu keinem Resultate
führten, musste der Betrieb dieser Bahn
auch weiter von militärischen Kräften
geführt werden, und wurden hiefür die
in Bosnien verbliebenen 2 Compagnien
bestimmt und einem militärischen Com-
mandanten, als Director der Bahn, unter-
stellt ; diese Compagnien wurden zeitweise
gewechselt. Da mittlerweile beim Regi-
mente rastlos gearbeitet wurde, um die
Compagnien für ihren eigentlichen Zweck,
den feldmässigen Eisenbahnbau, auszu-
bilden, welchen Uebungen die in Bosnien
verwendeten Compagnien naturgemäss
entzogen waren, andemtheils der Verkehr
noch nicht derart gestiegen war, um
durch eine gründliche Ausbildung der
Compagnien im executiven Bahndienste
auf der Militärbahn eine Entschädigung
hiefür zu finden, zog das Reichs-Kriegs-
Ministerium im Juni 1888 noch eine
Compagnie [4.] von der Militärbahn ab
und ordnete an, dass die noch verbleibende
[5.] Compagnie Civilarbeitskräfte heran-
ziehe und für den executiven Bahndienst
schule. Mit vieler Mühe und mancher
vergeblicher Probe wurden die geeignetsten
Elemente aus der Bevölkerung zum Dienste
als Aufsichtspersonal, für den Strecken-
dienst und auch zum Zugförderungsdienst
ausgebildet, und hiebei nach kurzer Zeit
so überraschend gute Resultate erzielt,
dass schon im October 1888 die letzte
Compagnie aus dem Occupationsgebiete
einrücken konnte.
Die Militärbahn verblieb auch weiter-
hin dem Reichs-Kriegs-Ministerium unter-
stellt und unter militärischer Direction ; i
die Organe der Zugförderung, die Strecken-
ingenieure, Maschinenführer und ein Stamm
von Werkstättenarbeitem wurden noch
weiterhin vom Regimente beigestellt, die
übrigen Stellen jedoch mit Civilpersonen
besetzt, wobei mehrere ausgediente Unter-
officiere zu Unterbeamten ernannt wurden.
Nach und nach wurde der Stamm an
activen Officieren und Mannschaft immer
mehr reducirt, bis schliesslich nur der
Director und der Zugförderungs- und
Werkstättenchef, sowie ein kleines De-
tachement Arbeiter dem Regimente ent-
nommen wurden.
Hingegen wurd jährlich eine Compagnie
des Eisenbahn- und Telegraphen-Regi-
mentes an die Militärbahn commandirt,
um den alten Oberbau successive gegen
neuen Stahlschienen - Oberbau umzu-
wechseln, wobei gleichzeitig die gröbsten
Fehler des Unterbaues corrigirt werden.
Ebenso wurden nach und nach neue
moderne Hochbauten aufgeführt, die
Objecte ausgewechselt, ausser dem 3 ktn
von der Stadt Banjaluka entfernten Bahn-
hofe ein neuer Bahnhof im Weichbilde
der Stadt angelegt, Werkstätten gebaut,
so dass die k. k. Militärbahn trotz ihrer
noch manches zu wünschen übrig lassen-
den Frequenz sich heute in Beziehung auf
ihre moderne Ausgestaltung den Bahnen
des Inlandes anzureihen vermag:.
Kehren wir aber zurück zu dem
eigentlichen Entwicklungsgange des Re-
gimentes selbst.
Dank der Förderung, welche die Inter-
essen des Regimentes stets durch die
hohen und höchsten Vorgesetzten fanden,
dank dem unermüdlichen Eifer und dem
Streben der Commandanten und Officiere,
die Verhältnisse so rasch als möglich zu
consolidiren und vorwärts zu schreiten
in der kriegsmässigen Ausbildung einer
allen Anforderungen entsprechenden
Eisenbahntruppe — konnte das junge
Regiment schon in der kürzesten Zeit
mit Stolz auf eine Reihe von einschnei-
denden Verbesserungen und Erfolgen
blicken.
Es würde zu weit führen und den
engen Rahmen dieses Capitels zu sehr über-
schreiten, wollte man in Einzelheiten alle
die Versuche, die Uebungen und Stu-
dien anführen, welche für den Entwick-
; Eisenbahnen im Kriege.
■65
lungsgang des Regimentes von Wichtig-
keit waren, und es sollen im folgenden
nur jene einschneidenden Aenderungen
\iUTz erwähnt werden, welche nicht nur
von besonderer Bedeutung filr die Ge-
schichte des Regimentes selbst, sondern
auch von Interesse für den Eisenbahn-
techniker im Allgemeinen sein dürften.
In erster Linie strebten naturgemäss
die L'ebungen des Regimentes auf
die Erzielung einer möglichst grossen
Leistung im Baue feldmässiger, normal-
spuriger Eisenbahnen hin. In dieser
Im Sommer 1886 hatte das junge
Regiment zum erstenmale das Glück,
vor Sr. Majestät auch in technischer
Beziehung Proben von den bisherigen
Leistungen ablegen zu dürfen. Bei dieser
Allerhöchsten Inspicirung wurde neben
rein militärischen Exercitien das feld-
mässige Legen einer circa i km langen
Oberbaustrecke, der Bau mehrerer höl-
zerner Eisenbahnprovisorien sowie der
Bau und Betrieb einer Feldtelegraphen-
Linie vorgenommen.
Das huldvolle Lob des Allerhöchsten
Kriegsherrn gab Zeugnis
von dpn Fnrtsr.hrittpn dps
f
beitspartieen und Functio-
nen gipfelten, sondern es Atb. js- FcidteitKraphi
wurde auch jede Gelegen-
heit benutzt, um auch ausserhalb des
Uebungsplatzes Ofliciere und Mannschaft
beim Baue von Bahnen zu verwenden
und hiedurch weiter praktisch zu
schulen.
So ging beispielsweise im November
1886 ein Detachement unter Commando
eines Officicrs zum Baue der von der
Firma Soenderop & Comp, concessio-
nirten Zahnradbahn auf den Gaisberg
bei Salzburg ab, welches, mit den un-
günstigsten Witterungs Verhältnissen käm-
pfend, nicht nur die Fertigstellung des
Oberbaues bewirkte, sondern auch im
ersten Halbjahre des Bestehens dieser
Bahn theilweise den Betrieb besorgte.
auch eine einschneidende Aenderung in
der Organisation insofeme angebahnt,
als durch Errichtung eines eigenen Ofti-
ciers-Telegraphenc Urses eine grössere
Abtrennung des reinen Eisenbahndienstes
von dem Telegraphendienste [welche
Dienstesobliegenheiten bisher vollkommen
vereint waren], angebahnt wurde.
In rein technischer Beziehung brachte
das Jahr 1S87 einen bedeutenden Fort-
schritt in der kriegs massigen Ausbildung
und Ausrüstung. Die Erkenntnis der
grossen Schwierigkeit, welche die Ueber-
brückung grösserer Hindemisse mittelst
Holzconstructionen dem raschen Fort-
schritte eines feldmässigen Bahnbaues
i66
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
entgegenstellen, veranlassten die Heeres-
verwaltung, zerlegbare, möglichst einfache
eiserne Kriegsbrücken zu beschaffen. Die
Wahl fiel vorerst auf die von dem be-
kannten französischen Eisenconstructeur
Eiifel construirte Kriegsbrücke. Parallel-
versuche, welche in dieser Richtung in der
Eisenconstructions-Werkstätte der Firma
Schlick in Budapest zwischen diesem
Systeme und jenem des ungarischen In-
genieurs Feketehäza durchgeführt wur-
den, fielen zu Gunsten des ersteren aus
und es sah sich demgemäss die Heeres-
verwaltung veranlasst, vorerst eine »Eiffel-
brücke« zu weiteren Versuchszwecken
anzuschaffen. [Vgl. Abb. 36.]
Diese Brücke, ein Parallelträger, kann
bis zu einer Spannweite von 30 m ein-
gebaut werden, und setzt sich aus ein-
zelnen Elementen zusammen, welche mit
Ausnahme der Endelemente congruent
sind und je 3 w Länge besitzen. Die
einzelnen Theile der Brücken werden
durch Schrauben miteinander verbun-
den. Die, durch die hohen Patent-
gebühren bedingten, bedeutenden Kosten
dieses Systems sowie der Umstand, dass
die Construction einem zu geringen
Sicherheitscoefficienten entsprach, ver-
anlassten die Heeresverwaltung, den da-
maligen Lehrer der Mechanik und des
Brückenbaues am höheren Geniecurse,
Hauptmann Bock, zu beauftragen, sich
ebenfalls mit dem Studium einer zerleg-
baren eisernen Kriegsbrücke zu befassen.
Als Resultat dieser Studien wurde eine,
aus verschiedenen Elementen zusammen-
gesetzte Brücke in der Eisenconstructions-
Werkstätte der Firma Gridl in Wien er-
zeugt, welche, abweichend von dem Sy-
steme Eiffel, die Lage der Fahrbahn
variabel, als Bahn unten, oben und in
der Mitte gestattet. [Vgl. Abb. 37.]
Gleichzeitig trat der, als Constructeur
vielfach verdiente k. u. k. Pionnier-Haupt-
mann Herbert mit seiner vollkommen
originellen, eisernen zerlegbaren Strassen-
brücke hervor, welche, unwesentlich mo-
dificirt, als Gerüst- und Montirungsbrücke
sehr gut entsprach. [Vgl. Abb. 38.]
Die bereits erwähnten Nachtheile der
Eiffelbrücke veranlassten den die Brücken-
bauabtheilung der Firma Schlick leiten-
den Oberingenieur Kohn, sich ebenfalls
in der Construction zerlegbarer, eiserner
Kriegsbrücken zu versuchen.
Die von demselben construirte Brücke
lehnt sich im Allgemeinen dem Principe
Eiffel an, und entsprach, sowohl was
Festigkeit, als auch leichte Montirung,
Handlichkeit der einzelnen Elemente
anbelangt, vorzüglich, und wurde daher
nach vielfachen einschlägigen Versuchen
für die Ausrüstung der Eisenbahn- Com-
pagnien normirt.
Die Beigabe eines Lancierschnabels
ermöglicht deren Einbau ohne Monti-
nmgsboden. Die Abbildungen Nr. 40
und 39 zeigen diese Brücke während
des Baues und im fertigen Zustande.*)
Gleichzeitig mit den im Vorherge-
henden näher besprochenen Versuchen
wurde im Jahre 1887 auch mit der Er-
probung flüchtiger Feldbahnen
begonnen. Das Bewusstsein der unge-
heuren Schwierigkeiten, welche sich in
einem Zukunftskriege der Verpflegung
eines modernen Heeres entgegenstellen
werden, die Unmöglichkeit, dem Vor-
marsche einer Armee mit dem Baue
einer normalspurigen, wenngleich noch
so feldmässig erbauten Vollbahn auf
dem Schritt folgen zu können, ver-
anlassten die Heeresverwaltung über An-
regung des Chefs des Generalstabes,
ihr Augenmerk auf leicht transportable,
rasch herzustellende Schienenwege zu
lenken, welche geeignet wären, bei denk-
bar grösster Schnelligkeit des Vorbaues
eine genügende Leistungsfähigkeit zu
ergeben.
In dieser Hinsicht schienen schmal-
spurige Pferdebahnen die geeignetesten.
Nur durch den Umstand, dass durch den
Entfall von Maschinen verhältnismässig
nur geringe Achsdrücke zu gewärtigen
sind, ist es möglich, ein System zu
wählen, welches sich bei entsprechender
Biegsamkeit sowohl in der Horizontal-,
als auch Verticalrichtung allen Terrain-
formationen anschliesst und dadurch
einen langwierigen, Zeit und Arbeits-
kräfte absorbirenden Unterbau ent-
behren kann.
*) Die in diesem Abschnitte enthaltenen
Abbildun2;en sind sämmtlich nach photogr.
Original-Aufnahmen von A. Hub er m Wien
hergestellt.
Diese Feldbahnen repräsentiren somit,
weil dieselben soweit als möglich auf
militärisch minder wichtige Communica-
tionen einfach aufgelegt werden, im
gewissen Sinne die eiserne Spur der
Strassen.
Die Versuche mit den verschiedensten
Systemen solcher Feldbahnen wurden
beim Eisenbahn- und Telegraphen-Kegi-
lich der durchgeführten Versuche ergeben,
dass die Anschmiegungsfähigkeit dersel-
ben an das Terrain, namentlich in ver-
ticaler Richtung noch nicht den gestellten
Anforderungen entspreche.
Es wurden deshalb in der Folge mit
verschiedenen Systemen sogenannter
Wald- und Industriebahnen Versuche
durchgeführt, deren Endresultat zu Gun-
mente, welches ausschliesslich für deren
Bau in Aussicht genommen wurde, vor-
erst mit einem gewöhnlichen schmal-
spurigen Querschwellen-Oberbau durch-
geführt. Die einzelnen Felder, bestehend
aus 4-2 »( langen Schienen leichten Pro-
fils, waren vollkommen zusammengesetzt,
d, h. an den hölzernen Querschwellen
mittels Hakenschrauben befestigt, und
wurden durch einfache Lasch enverb in düng
mit einander verbunden. Die Spurweite
wurde aus praktischen Gründen mit 70 cm
gewählt.
Sowohl die Länge der Geleiserahmen,
als die Immerhin starre Längs Verbindung
dieses Systemes haben jedoch gelegent-
I sten des Systems Dollberg ausfiel, wel-
ches damals für Oester reich -Ungarn von
der Prager Maschinenbau- Actien-Gesell-
schaft [vorm. Ruston & Co.] palentirt
war.
Nach jahrelangen Versuchen und Ver-
besserungen, namenthch in Beziehung auf
Construction der Wagen, Weichen etc.,
entwickelte sich nach diesem Systeme
das heute normirte Feldbahnsystem.
Die Feldbahn -Elemente bestehen aus
Jochen, welche dem Principe nach aus
einem l'5w langen Geleisepaar zusam-
mengesetzt werden, welches an einem
Ende auf einer Holz seh welle mittels
Haken seh rauben montirt ist, am anderen
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
Abb. J7. Bockbrückc.
Ende mit einer eisernen Spurstange in
seiner Spurweite von 70 ctn erhalten
wird. [Vgl, Kopfleiste Abb. 32,]
An der Aussenseite der Schienen sind,
u. 2W. am Schwellenende, Stifte, am ent-
gegengesetzten Ende Haken angenietet.
Durch Ein heben der Haken unter die
Stifte eines schon liegenden Joches, wird
eine genügend feste Längs Verbindung
erzielt. Dank dem hiedurch entstehenden
Spielräume in der Längs Verbindung,
schmiegt sich diese Feldbahn allen Ter-
ra! nformationen wie eine Kette an, erfor-
dert somit verhältnismässig nur eine
geringfügige Planirung des Terrains.
Durch Hinzugabe verschiedener Nebenbe-
standtheile, als Bogenstücke, Weichen etc.,
wurde dieses System in jeder Beziehung
ausgestaltet.
Der Wagenpark besteht aus sogenann-
ten Doppel wagen, d. h. jeder Wagen
setzt sich aus zwei Unterwagen zusam-
men, welche mit einer grossen Plattform
durch einfache Reihbolzen verbunden
sind. Die Kader sind Rillenräder. Die
Wagen werden durch ein Paar seitwärts,
mittels eigener Ein spann ketten ange-
spannter Pferde vorwärts gebracht.
Diese Feldbahn , als erstes Nach-
schubmittel betrachtet, befriedigt sowohl
was die Schnelligkeit des Baues als auch
die Leistungsfähigkeit der fertigen Bahn
anbelangt, vollständig die in dieser Hin-
sicht gestellten Anforderungen.
Gleichzeitig mit den eingehenden
Versuchen mit den oberwähnten kriegs-
technischen Ausrüstungen
wurden unermüdlich die
verschiedensten Uebmigen
im normalen Bau von
Bahnen, Holzprovisorien,
Spreng versuche u. s. w.
durchgeführt.
Versuche mit einem
transportablen elektrischen
Bei euchtungs wagen, führ-
ten zur Anschaffung eines
solchen von der Firma
Kfizik in Prag gelieferten
Wagens, mit welchem seit-
her fast jährlich bei ver-
schiedenen Bahnverwal-
tungen gelegentlich der
Ein- und Auswaggoninin-
I gen zu den grossen Manövern auch
I ausserhalb des Standortes des Regimentes
Proben unternommen wurden.
Auch in betriebstechnischer Beziehung
wurde im Jahre 1888 ein sehr günstiger
Modus der Ausbildung von Officieren
und Mannschaft eingeführt. Wie schon
erwähnt, war die damalige Frequenz aut
der Militärbahn Banjaluka-Doberlin nicht
geeignet, eine genügend intensive Aus-
bildung für das Regiment in dieser Hin-
sicht zu gewährleisten. Dem freundlichen
Entgegenkommen der damaligen k. k.
General - Direction der österreichischen
Staatsbahnen war es zu danken, dass das
Reichs- Kriegs- Ministerium über Antrag
des Chefs des Generalstabes einen Ver-
trag zur Führung des Betriebes auf der,
unter Leitimg der k. k. General-Direction
stehenden Localbahn St. Pölten-Tulln
abschloss, zu welcher Linie später noch
die Abzweigung Herzogenburg - Krems
hinzukam. Zufolge dieser Abmachungen
hat ein Detachement des Eisenbahn- luid
Telegraphen -Regimentes mit Ausnahme
I des Stations- und Cassendienstes, den ge-
sammten Verkehr einschhesslich der Bahn-
erhaltung auf diesen frequenten Linien
unter Aufsicht der k. k. Staatsbahnen zu
besorgen. Die Stärke des Detachements
beträgt zwei Officiere, von welchen der
rangsältere gleichzeitig der militärische
Commandant des Detachements ist, und
88 Männer. Um eine möglichst grosse
Zahl von, im Verkehrsdienste ausgebil-
deten Personen zu erhalten, andenitheils
unsere Eisenbahn«
169
die Mannschaft nicht zu lange von den
übrigen Verrichtungen, vor Allem dem
rein militärischen Dienste zu entziehen,
verfilgte das Reichs -Kriegs -Ministerium
einen eigenen Ablösungsmodus derart,
dass stets der Ablösende durch eine ge-
wisse Zeit von seinem Vorgänger in die
speciellenObliegenheiteneingeführtwerde.
Ebenso werden alljahrHch zwei Offi'
eiere auf die Dauer von sechs Monaten,
und alle zwei Jahre ein Officier
zwei Jahre zur Erlernung des Betriebs'
dienstes, beziehungsweise des Werk-
stätten- und Zug-
fÖrderungsdien-
stes den k. k.
Staatsbahnen zu-
getheilt.nachwel-
chemTerminedie-
selben die öffent-
lichen Prüfungen,
analog den Bahn-
beamten abzule-
gen haben. Dank
dem ausserordent-
lichen Entgegen-
kommen, welches
die instruirenden
Bahn Organe die-
sen Officieren ge-
genüber stets an
den Tag legten,
ist das Resultat
dieser verhältnis-
mässig kurzen
Lehrzeit ein aus-
serordentlich gün-
stiges gewesen.
Auch die Commandirungen von Ab-
theilungen und Detachements zu aus-
wärtigen Verrichtungen, mehrten sich
jährlich. In Folgendem sollen die wich-
tigsten dieser Venvendungen von Theilen
des Regimentes angeführt werden : Im
Jahre 1885 betheiligte sich ein Detache-
ment an dem Bahnbaue der Dampftram-
way von Wien nach Floridsdorf; 1886
bis 1887 an dem Baue des zweiten
Geleises der Carl-Ludwigbahn. 1887 an
der Tracirung der Zahnradbahn von
Vordemberg nach Eisenerz, 1887 und
1888 an der Tracirung einer Schleppbahn
auf dem Gubaczer Hotter bei Budapest.
Im Jahre 1889 wurde die selbstständigc
Tracirung einer circa 100km langen Voll-
bahnlinie von Przeworsk nach Rozwadow
mit Variante von Jaroslau, 1889 der Bau
einer Waldbahn in Kis-Tapolczan durch-
geführt, 1889 und 1890 betheihgte sich ein
Detachement an der Tracirung der Linie
Schrambach- Neuberg, im Jahre 1 889
wurde ausserdem der vollständige Bau
einer circa 3 km langen Schleppbahn
zum Eisenwerke Komorau bewerkstelligt.
1890 wirkte ein Detachement beim Baue
der Localbahn Laibach-Stein mit, 1891
wurde selbstständig der Bau eines Brems-
berges und einer Telephonleitung in
Weissenbach a, d. Triesting durchgeführt ;
1891 ausserdem an der Detailtracirung
einer Schleppbahn bei Blansko, der Linie
Halicz-Tarnopol und der Linie KOrös-
mezö-Stanislau mitgewirkt. Im selben
Jahre wurde durch eine Compagnie der
Bahnhof in Banjatuka mit der 3 km entfern-
ten Stadt Banjaluka durch ein Geleise
verbunden und der Stadtbahnhof ange-
legt. Im Jahre 1892 führte ein Detache-
ment über Ersuchen der k. k. General-
Inspection selhstständig die Tracirung der
Linie Bischoflack-Görz aus.
Ausser diesen zahlreiclien Verwen-
dungen von Theilen des Regimentes
Vom Eisenbahnbureau des k, u k. Generalstabes.
wurden sowohl in diesen als den fol-
genden Jahren noch viele Detachements
zum Zwecke rein militärischer Recognos-
cirungen, Traciningen und Bauten ver-
wendet, deren detaillirte Anführung hier
zu weit führen würde. Es sei an dieser
Stelle nur der Schleppbahnen Erwähnung
gethan, welche von der Station Felixdorf
an der Südbahn sowohl zu der Pulver-
fabrik nächst Blumau, als auch, abzwei-
gend von dieser Hauptlinie zu den ein-
zelnen zerstreut auf dem sogenannten
■ Steinfelde« liegenden Objecten führen,
und fast ausschliesslich mit Kräften des
Regimentes tracirt und ausgeführt wur-
den. So kurz diese Linie auch ist, so
wichtig ist sie für den Betrieb der am
Steinfelde liegenden militärischen Ob-
jecte und so complicirt gestaltet sich
auch ein regelmässiger Betrieb auf dem
vielfach verästelten Schienennetze. Aus
letzterem Grunde wird demnach auch
darangegangen , eine eigene Betriebs-
leitung für diese Bahn vom Regimente
aufzustellen.
In rein militärischer und organisato-
rischer Beziehung, brachte das Jahr iSgo
einen wichtigen Wendepunkt in der Ge-
schichte des jungen Regimentes,
Von der Bedeutung und vielfachen
Verwendung des Regimentes überzeugt,
wurde in diesem Jahre ein drittes Bataillon
ans den im gleichen Jahre aufgelösten vier
Rcserve-Genie-Compagnienaufgestellt.
Da die bestehenden zwei Kasernen
Komeuburgs für die Unterbringung des
3. Bataillons keinen Raum boten, hing
die Frage über die Dislocirung dieses
Bataillons von dem Verhalten der Stadt-
gemeinde Komeuburg gegenüber dem
Neubau einer weiteren entsprechend
grossen Kaserne ab. Dank dem Ent-
gegenkommen der Stadt gemeinde, wurde
auch diese Frage zu Gunsten des Regi-
mentes gelöst und von der Stadt eine,
den weitestgehenden und modernsten
Ansprüchen genügende Kaserne mit einem
eigenen Stabsgebäude erbaut. Von diesem
Momente an hatte das Regiment eigentlich
erst seine eigene Scholle.
Während des Baues der neuen Kaserne
wurde das zweite
Bataillon proviso-
risch nach Kloster-
neuburg verlegt,
von wo es nach
Fertigstellung des
Baues 1892 wieder
nach Komeuburg
zurückkehrte.
.Mit der Aufstel-
lung eines 3, Ba-
taillons und Verei-
nigung des ganzen
Regimentes musste
naturgemäss auch
I eine Vergrösserung
des Uebungsplatzes
Hand in Hand ge-
hen. Durch den Bau grösserer Werkstätten
mit Gattersäge und Dampfbetrieb, durch
die Herstellung eines kleinen Heizhauses,
ferner durch die Errichtung von Baracken
für die Unterbringung des im Laufe der
Jahre sich immer mehr ansammelnden
Uebungsmateriales — entstand eine förm-
liche Ansiedlung auf dem Platze, wo
noch vor Kurzem Felder waren. Ein
eigener, permanent angelegter Bahnhof,
welcher sich mit seinen verschieden-
artigsten Oberbauconstructionen wie eine
Ge.schichte des Eisen bah nbaues der jüng-
sten Jahre ansieht, befindet sich an und
zwischen den erwähnten Hochbau- Objec-
ten und ist mit dem Bahnhofe der Nord-
westbahn durch ein Geleise in Verbin-
dung gebracht.
Von diesem Uebungsbahnhofe aus
beginnt alljährlich, wenn der Schnee
geschmolzen und die ersten Frühlings-
Unsere Eisenbahnen im Kriege.
172
Vom Eisenbahnbureau des k. u. k. Generalstabes.
stürme das Donauthal durchbrausen, ein
geschäftiges Treiben von Früh bis Abend.
Heute, wetteifernd mit der Infanterie im
strammen Exerciren, morgen Oberbau-
legen bis an die Donau und weit hinauf
längs dem Ufer, dann wieder der Bau
hölzerner und eiserner Eisenbahnbrücken
über die vielen Arme der Donau, welche
die Au durchziehen, oder über die künst-
lichen Hindemisse, welche in das Terrain
eingebaut wurden, ein Netz von Telegra-
phen- und Telephon-Linien — all dies
im bunten und doch streng geregelten
Durcheinander, das sich da täglich auf
dem Räume zwischen Donau und Nord-
westbahn abspielt.
Den Schluss der jährlichen Sommer-
übungen bildet eine grössere feldmässige
Uebung, welche, zumeist zusammen-
hängend, alle Zweige der Ausbildung
umfasst, und unter vollkommen feld-
mässigen Annahmen durchgeführt wird.
Die Vielseitigkeit dieser Uebungen
wird wohl am besten durch die Wieder-
gabe eines Uebungsprogrammes für die
Zeit der Sommerübungen illustrirt, wie
z. B. durch das nachstehende, für das
Jahr 1895 ausgegebene Programm.
C
I
2
3
4
5
Zeitraiun
Arbeitstage |
I.
2.
1
3-
4.
1
1
1 5.
6.
7.
8.
9.
10.
II. 12.
von
bis
1
c
I 0 m p a g n i
e
1
1/4
7/4
14/4
21/4
128/4
1
6/4
13/4
20/4
27/4
6
3
4
r6
Reisigarbeiten 1
1
1 1
Flüchtige j Eisenbahn-
Feldbahn , Oberbau
Hölzerne Brücken
1
1
1
1 Eisenbahn-
Oberbau
1
Eiserne
Brücken
1
Hölzerne
Brücken
4/5 6"
Eisenbahn-
Oberbau
1
Flüchtige
Feldbahn
1
erne
Eiserne
Brücken
6
5/5
II/5
18/5
25/5
1/6
8/6
1 6
1
6
|6
|5
ii £is<
«-• • « «
Eisenbahn-
Oberbau
7
8
9
10
12/5
19/5
26/5
2/6
ii Brücken i^isenoann-
1 Oberbau
flüchtige
Feldbahn
1
1
Eisenbahn-
! Oberbau
Eiserne Brück
1 .
Hölzerne Brticl
en
Eiserne
Brücken
Hölzerne
1 Brücken
Flüchtige
Feldbahn
11 9/6
12 16/6
15/6 i 5
22/6 6
cen
ahn
1 Flüchtige Feldbi
1
ahn
bau
Hölzerne
Brücken
13
14
23/6
i30/6
29/6
6/7
13/7
20/7
27/7
5
6
6
16
^6
6
6
Flüchtige Feldb
^1
Eisenbahn -Ober
1'
1
1 Brück
1
enbau
15' 7/7
16 14/7
17 21/7
1 _ _ .
1
Eisen
Bahi
bahn-(
ihofeir
Dberbau und
irichtungen
1 Brück
11
1'
enbau
, Bahnhofeir
irichtungen
18 1 28/7 3/«
19' 4/8 10/8
1
Flüchtige
1
Feldbahn
Brückenbau
1, rJannnoteinnüiuu
ahn
1
Eisenbahn
i-Oberbau
20 Ji/8
17/8 i 5 '
1 Flüchtige Feldb
21 1 18/8 24/8
6
1
1
V orberei
tungen für die grossen l
Jebungen
22 1 25/8
23 1/9
1
31/8
7/9
; 6
1
Gemeinschaftliche gi
1
össere Uebungen [feldmi
Programui.
issig] nach s
peciellem
Unsere Eisenbahn«
Es braucht nicht erläutert zu werden,
ilass für die im Vorhergehenden kurz
skizzirten Verrichtungen des Regimentes,
welche fast das gesammte Gebiet des
Eisenbahnwesens umfassen, eine gründ-
liche theoretische Schulung sowie eine
stete Weiterbildung von unbedingter Noth-
wendigkeit sind.
Dieser technischen Vorbildung ist
sowohl für die Officiere als auch ftlr die
Mannschaft der Winter gewidmet.
Nach beendeter Recrutenausbildung,
welche ganz analog wie bei der Infanterie
I so dass sie in Stand gesetzt werden,
i kleinere technische Arbeiten auch selbst-
ständig auszuführen, bei grösseren Ver-
richtungen einzelne Arbeitsparlieen zu
leiten und zu überwachen. Die Mann-
schaftsschulen müssen, da das Regiment
sich aus allen Theilen der Monarchie
j ergänzt, auch in der Muttersprache der
I Leute abgehalten werden.
I An diese, bei jeder Compagnie selbst-
j ständig aufgestellten Schulen schliessen
sich Specialschulen fUr den Bau und
I Betrieb der Telegraphen- und Telephon-
durchgefUhrt wird, öffnen sich die ver-
schiedenen Schulen des Regimentes,
welche bezüghch der Schulung des Mannes
je nach den geistigen Fähigkeiten und
Vorkenntnissen in Mannschafts- und Unter-
ofliciers-ßildungsschulen zerfallen.
Während in den ersteren — abgesehen
von den, jedem Soldaten zu wissen
nöthigen reglementarischen Kenntnissen
- die speciellen technischen Verrich-
tungen des Regimentes nur in jenem
Umfange beigebracht werden, welche den
Mann zu einer verwendbaren technischen
Hilfskraft befähigt, werden inderCliargen-
schule die fähigsten Leute zu Unter-
officieren und Partieführem ausgebildet,
linien, für den Verkehrsdienst, eine spe-
cteile Zimmermanns schule u. s, w. Bei
allen diesen Schulen gilt als erster päda-
gogischer Grundsatz eine möglichst aus-
gedehnte Anwendung des Anschauungs-
Untemchtes, zu welchem Zwecke das
Regiment sich im Laufe der Jahre eine
sehr reichhaltige Modellsammlung aus
eigenen Mitteln und zumeist mit eigenen
Kräften sowie ein nach dem Muster der
Kaiser Ferdinands-Xordbahn eingerich-
tetes Betriehszimmer [vgl. Abb, 41], ein
Telegraphenzimmer u. s. w. einrichtete.
Die Einjährig-Freiwilligenschule zer-
fallt in zwei Gruppen, u. zw. in eine
für den reinen Eisenbahndienst und in
174
Vom Eisenbahnbureau des k u. k. Generalstabes.
eine für den Telegraphendienst, wobei
die rein militärischen Gegenstände, deren
Kenntnis allen Officieren der Reserve
gleichmässig zu eigen sein müssen, ge-
meinschaftlich vorgetragen werden.
Wie auf diese Weise Alles aufgeboten
wird, um die Wintermonate möglichst
für die Schulung der Mannschaft aus-
zunützen, so wird auch für das Officiers-
corps nebst Fecht-, Schiess- und Reit-
übungen jährlich auch eine Reihe von
Specialcursen errichtet, während in allwö-
chentlichen Vorträgen specielle, theils rein
technische, theils militärische Fragen er-
örtert werden. Einzelne Officiere wer-
den auch an die technische Hochschule
nach Wien entsendet, um sich während
einer zweijährigen Dauer dieser Com-
mandirung in bestimmten Fächern noch
intensiver ausbilden zu können. Nach dem
allgemein giltigen Grundsatze »Reisen
bildet«, der wohl am zutreffendsten auf
jeden Techniker seine Anwendung findet,
werden jährlich Officiere auf 4 — 5 Wo-
chen ins Ausland entsendet, um hervor-
ragende technische Unternehmungen zu
Studiren, und wird überdies jede Gelegen-
heit benützt, um interessante Bauten des In-
landes, vor Allem die stets den Stempel der
Feldmässigkeit an sich tragenden Wie-
derherstellungen zerstörter Bahnstrecken
zu besichtigen und zu studiren.
Auf diese Weise schreitet das Regi-
ment unverdrossen auf den eingeschlage-
nen Bahnen vorwärts, von der Hoffnung
beseelt, dass dasselbe, sei es im Frieden,
sei es im Kriege, jene huldvollsten Worte
der Anerkennung seitens Seiner Majestät
abermals zu verdienen wisse, die ihm zu
seinem Glücke vmd zu seinem Stolze bei
den Allerhöchsten Inspicirungen bisher
zutheil geworden.
Tracirung.
Karl Werner,
Gepcral-Impecilan der Oitcii
WIE die Entwicklungs-Geschichte
der Eisenbahn- Technik über-
haupt, so steht auch die Tra-
ctrun^ in ihren einzelnen Stadien in eng-
ster Wechselbeziehung mit der jeweiligen
Wahl der Tractions mittel und mit den
auf diesem Gebiete erzielten successiven
Fortschritten.
Wenn wir jene elementaren Anfänge,
wo einzelne Vehikel mittels menschlicher
oder animalischer Kräfte bewegt, und zur
leichteren Ueberwindung der rollenden
Reibung die rauhe nachgiebige Boden-
oberfläche mit Brettern, Pfosten oder
Bohlen belegt und solcherart kürzere oder
längere Wegstrecken für specielle Privat-
zwecke geebnet wurden, übergehen, und
unsere Beobachtung erstmitjenemAugen-
blicke beginnen, wo unter Vorsteckung
eines allgemeineren Zieles die regel-
mässige Nutzbarmachung ausgedehnter
Wegstrecken für den öffentlichen Verkehr
angestrebt wurde, so dUrfen wir den Be-
ginn der Eisenbahn-Geschichte Oester-
reichs mit dem Jahre 1824 ansetzen, um
welche Zeit durch Seine Majestät Kaiser
Franz I. dem Professor Anton Ritter von
Gerstner ein Privilegium zum Bau einer
Holz- und Eisenbahn ertheilt wurde, welche
die directe Verbindung der Donau mit der
Moldau bezweckte. Wie schon die Be-
zeichnung »Holz- und Eisenbahn- deut-
lich sagt, sollte dieser Verkehrsweg nach
Art der in Bergwerken gebräuchhchen
Förderbahnen aus hölzernen, mit Eisen-
schienen belegten Langschwellen gebildet
werden; die Fahrbetriebsmittel sollten
von Pferden bewegt werden.*)
Dieses auf eine Zeitdauer von 50
Jahren lautende Privilegium concedirte
zunächst den Bau und Betrieb einer von
.Mauthausen bis Budweis reichenden Linie
und hatte ausser dem Transport von
Personen und Sachen aller Art auch die
leichtere Verfrachtung der Salinenpro-
ducte aus dem Salz kammergut gegen
Norden hin im Auge. Den technischen
Bedingungen dieser Urkunde zufolge
sollten bei Erbauung der Bahn imd den
hiebei wahrzunehmenden öffenthchen
Rücksichten, die allgemeinen Normen des
Strassenbaues zur Richtschnur genommen
werden.
Als Spurweite war das Mass von
3'/, Schuh [!■! m], als grösste Steigung
I : 100 und als kleinster Bogenradius der
von 100 Klaftern [iSg'ö m] in Aussicht
genommen, wobei die Absicht massgebend
war, den Pferdebetrieb später durch den
Locomotivbetrieb zu ersetzen.
Trotz der anspruchslosen und schlich-
ten Form, in der dieser erste Repräsen-
tant der Eisenbahnen auf dem Continent
uns entgegentritt, verdient derselbe gleich-
wohl in Bezug auf die Tracenfühning
unsere volle Aufmerksamkeit. Mit der
Meeres - Cöte von 257 tn an der
Donau beginnend, hatte die Linie die
•) Vgl. Bd. I, 1. Theil, H. Strach, Ge-
schichte der Eisenbahnen in Oesterreich-
Ungarn von den ersten Anfängen bis zum
Jahre 1867, S. 91 "■ ff-
^
178
Karl Werner.
Wasserscheide zwischen dem Schwarzen
Meere und der Nordsee, beziehungsweise
zwischen Donau und Moldau zu über-
steigen. Nachdem die zwischen den süd-
östlichen Ausläufern des Böhmerwald-
Gebirges und dem Weinsberger Walde
sich darbietende Einsattlung bei Kersch-
baum eine Meeres-Cöte von 675 w
aufweist und. das nördliche Endziel bei
Budweis in einer Meereshöhe von 390 #«
liegt, musste die Linie von ihrem
Anfangspunkte aus zuerst die Höhen-
differenz von 418 m ersteigen und
hierauf wieder bis Budweis 285 m
tief herabsinken. Zur Entwicklung der
Trace mit den oben genannten Steigungs-
verhältnissen boten auf der Südseite der
Kerschbaumer Einsattlung die mannigfach
gewundenen Seitenthäler und Mulden der
Aist, auf der Nordseite die wellenförmig
gegliederten Gelände des Maischfluss-
gebietes eine überaus reiche Auswahl.
Mit der im Jahre 1828 erfolgten Voll-
endung des Baues der Nordstrecke Bud-
weis-Kerschbaum war im ursprünglichen
Programm insofeme eine Aenderung ein-
getreten, als die südliche Fortsetzung
nicht mehr gegen Mauthausen, sondern
direct gegen Urfahr hin erfolgen sollte,
um eine bequemere Verbindung mit der
mittlerweile intendirten Pferdebahnlinie
Linz - Wels - Lambach - Gmunden zu ge-
winnen. Der südliche Tracentheil folgte
demnach nicht mehr dem Gebiete der
Aist, sondern entwickelte sich von Kersch-
bäum abwärts über Lest längs der Gusen
und über Gallneukirchen, TrefFling und
Sf. Magdalena bis Urfahr, wobei das
Gefällsverhältnis bis Lest auf i : 90, der
Bogenradius auf 30 Klafter [56*9 w],
zwischen Lest und Bürstenbach sogar
bis auf I : 46, respective auf 20 Klafter
[37*9 m] verschärft werden musste; hie-
mit war auch die Hoffnung auf seiner-
zeitige Einführung des Locomotivbetrie-
bes geschwunden. Die ursprünglich für
ein Pferd berechnete Nutzlast von 45 Cent-
nem musste streckenweise auf die Hälfte
reducirt werden.
Auf Grund des im Jahre 1832 an die
Handlungshäuser Geymüller, Rothschild
und Stametz ertheilten Privilegiums wurde
die Linie von Linz über Wels und Lam-
bach nach Gmunden miter ähnlichen
Anlage Verhältnissen gebaut. Die Länge
der Linie Urfahr-Budweis war 67.940
Klafter [128*847 ^^]^ 2^^^ ^^r Linie Linz-
Gmunden 35.820 Klafter [67*932 k^n].
Bekanntlich wurde diese »Erste öster-
reichische Eisenbahn« auf Grund der der
Kaiserin Elisabeth-Bahn im Jahre 1857 er-
theilten Concession successive in eine
Locomotivbahn umgestaltet. Die Strecke
Budweis-Kerschbaum bestand noch bis
zum I. April 1870 als Pferdebahn.
Den weiteren Fortschritt der Eisen-
bahn-Technik können wir nicht mehr auf
dem Gebiete der Pferdebahnen verfolgen,
wir müssen uns zurückwenden zu den
Anfängen des Locomotivbaues, denn mit
dem allmählichen Bekanntwerden und mit
der Vervollkommnung dieses Tractions-
mittels vollzog sich im gesammten Ver-
kehrswesen eine totale Umwälzung.
Wie schon früher erwähnt, datirt der
Gebrauch eisenbeschlagener Holzschienen,
auf welchen sich die bei Bergbauten ver-
wendeten Vehikel bewegten, in die frühe-
sten Zeitperioden zurück und lief auch
der schon im Jahre 18 14 von Stephenson
construirte erste Dampfwagen auf einer
ähnlich gebildeten Fahrbahn. Der eigent-
liche Beginn des Locomotivbaues und
somit auch der Beginn der modernen
Eisenbahn-Technik kann jedoch erst mit
dem Jahre 1829 angesetzt werden, um
welche Zeit Georg Stephenson mit seiner
nach dem Röhren-System gebauten Loco-
motive »Rocket« auf der Liverpool-Man-
chester Bahn einen so ungeahnten Er-
folg erzielte.
Aber nicht etwa nur für die englische,
sondern ganz speciell auch für die öster-
reichische Entwicklungs - Geschichte der
Eisenbahnen hat dieser Zeitpunkt als
Markstein zu gelten, denn jenen ersten
Erfolgen, welche in England gefeiert
wurden, war mit durchdringendem Blicke
und scharfem Verständnisse Schritt für
Schritt ein österreichischer Denker und
Gelehrter gefolgt: der seit dem Jahre
18 19 an das Wiener Polytechnicum für
die Lehrkanzel der Mineralogie und
Waarenkunde berufene Professor Franz
Xaver Riepl.
Schon damals, also im Jahre 1829,
erfasste Riepl angesichts der in England
erzielten Erfolge die mächtige Idee, zu-
Tracirung.
179
nächst das Ostrau-Karwiner Kohlenbecken
durch eine Locomotiv-Eisenbahn mit Wien
zu verbinden, und diese Linie dann bis
zu den Salzwerken Bochnias zu verlän-
gern. Um seine, für die damalige Zeit
gewiss grossartig kühne Idee zu con-
cretiren, unternahm Riepl irri Jahre 1830
eine Studienreise nach England und war
seit jener Zeit unablässig bemüht, die Vor-
theile des neuen Communications-Mittels
seinem Vaterlande nutzbar zu machen.
Aber erst nach sechs Jahren unermüd-
lichen Studiums und nach Ueberwältigung
zahlloser Schwierigkeiten war es ihm
im Vereine mit thatkräftigen Männern
gegönnt, seine dem Zeitgeiste weit vor-
auseilende Idee auf Grundlage des im
Jahre 1836 erflossenen Nordbahn- Privi-
legiums, welches die Erbauung und den
Betrieb der Linie Wien-Bochnia mit
Nebenlinien nach Brunn, Olmütz, Troppau,
Bielitz-Biala und zu den Salz werken
Dwory, Wieliczka und Bochnia concedirte,
verwirklichen zu können.
Wie es nicht anders sein konnte, wurde
zunächst eine Versuchslinie [Floridsdorf-
Wagram] hergestellt, um alle jene
Erfahrungen zu sammeln, welche für
den weiteren Ausbau grundlegend sein
sollten.
Nach dem damaligen Stande des
Locomotivbaues und nach der primitiven
Construction des Oberbaues, der gleich
jenen der Bergwerksbahnen aus eisen-
beschlagenen hölzernen Langschwellen
bestand, musste auch die Bahntrace die
denkbar einfachste sein: die möglichst
gerade, horizontale Linie.
Dass die Aussteckung einer geraden
Linie dem Ingenieur keine besonderen
geodätischen Aufgaben zu lösen gibt, ist
insolange selbstverständlich, als auch das
Terrain, über welches die Trace führt,
eine so günstige Gestaltung aufweist,
wie dies bei den von den ersten Bahn-
linien durchzogenen Gebieten eben der
Fall war. Die Aufgaben der damaligen
Tracirungsarbeiten überschritten demnach
kaum die Sphäre eines Feldgeometers.
Dabei konnte auch mit den einfachsten
Messrequisiten und Instrumenten das Aus-
langen gefunden werden. Im Uebrigen
hatte derTracirungs-Ingenieur sein Augen-
merk allenfalls auf die richtige Wahl der
Uebersetzungsstelle eines Flusses, einer
Strasse oder dergleichen zu richten.
Diese elementaren Verhältnisse hatten .
insolange ihre volle Berechtigung, als
das Gestänge des Oberbaues in seiner
primitiven Constructionsweise einen ver-
lässlichen Widerstand gegen seitliche Ver-
schiebung nicht zu leisten vermochte und
angesichts der geringen Fahrgeschwindig-
keit der Bahnzüge auch nicht zu leisten
hatte. Nur nothgedrungen wurden Krüm-
mungen angewendet, dabei aber der
Curven-Radius von 1000 Klaftern [1896m]
als Minimum des Zulässigen angesehen.
Unter steter Nutzanwendung der auf
der ersten Versuchsstrecke gewonnenen
Erfahrungen wurde stückweise an die
Weiterführung der Nordbahnlinien ge-
schritten.
Im Allgemeinen bietet bereits das erste
Stadium der Entwicklung des Locomotiv-
Eisenbahnbaues in Oesterreich auch vom
speciellen Standpunkte der Tracirung
mannigfaches Interesse.
Die Männer, welche die neue Aufgabe
erhielten, die Trace für die Nordbahn
aufzusuchen und das bezügliche Project
zu verfassen, hatten ihre Befähigung
bereits bei der Ausmittlung und dem
Baue schwieriger Gebirgsstrassen erprobt.
Sie sollten den Bahnkörper vorbereiten
für den aus England gelieferten Tractions-
Apparat, bei -welchem die Locomotive
mit einem Adhäsionsgewichte von kaum
6 t Achsdruck die erforderliche Leistungs-
fähigkeit nur bei sehr schwach geneigten
Tracen [wie die ersten englischen Bahnen
aufwiesen] ermöglichte.
Die zunächst zum Baue gelangenden
Theilstrecken Wien-Brünn und Lunden-
burg-Prerau wurden daher mit sehr
günstigen Neigungs- und Richtungs-
verhältnissen projectirt und ausgeführt.
Die Maximalsteigung war bis zu Y300
[3*333 7oo] ^^^ ^^^ schwierigen Terrain-
verhältnissen in Anwendung gebracht,
und die gerade Richtung nur sehr selten
durch Bahnkrümmungen mit sehr grossen
Radien unterbrochen. Der kleinste Radius
von 759 w wurde nur einmal an der Ueber-
setzungsstelle der March bei Napagedl
angewendet.
Während der ersten Zeit des Betriebes
der Strecke Wien-Brünn, zur Zeit als die
i8o
Karl Werner.
Theilstrecke Prerau-Oderberg noch in
Vorbereitung sich befand, war man zur
Bewältigung des Verkehrs genöthigt ge-
wesen, Locomotiven grösserer Leistungs-
fähigkeit mit einem Achsdrucke von 12 t
und eine stärkere Geleise-Construction zu
beschaffen.
Die dadurch erzielte grössere Leistimgs-
fähigkeit der Betriebsanlage ermöglichte
für die Weiterführung der Linie von
Prerau gegen Oderberg, insbesondere be-
hufs Ersteigimg der europäischen Wasser-
scheide bei Mährisch-Weisskirchen an den
Gehängen des rechten Ufers der BeCva
die Anwendung stärkerer Neigungen und
häufiger Krümmungen.
Mit der Steigerung des Neigungs-
verhältnisses blieb man trotz der erheb-
lichen Bauschwierigkeiten, welche die
Theilstrecke zwischen Prerau und Zauchtel
darbot, in bescheidenen Grenzen — man
überschritt nicht die Maximalsteigung von
V240 [4'^77oo]* Selbst in dem weiteren
Zuge der Bahn bis Oswiecim hielt man
an den fUr die ersten Theilstrecken auf-
gestellten Grundsätzen fest. Erst in der
Strecke von Oswiecim bis Trzebinia,
welche von Staatswegen gebaut, und bei
der Strecke von Trzebinia nach Krakau,
welche in dem ehemaligen Krakauer
Gebiete von der Oberschlesischen Bahn-
gesellschaft hergestellt wurde, steigern
sich die Neigungsverhältnisse auf 57oo>
beziehungsweise 6*66 7oo> ^^^ ^^^ kleinste
Halbmesser verringert sich auf 660 w.
Das bei derProjectverfassung der Kaiser
Ferdinands-Nordbahn festgehaltene Prin-
cip, möglichst günstige Neigungs- und
Krümmungsverhältnisse zu erzielen, hat
sich bei diesem Unternehmen vortreif-
lich bewährt, und dessen hohe Leistungs-
fähigkeit und Prosperität begründet.
Bekanntlich war die Linie von Wien
bis Brunn im Jahre 1839 bereits dem
öffentlichen Verkehr übergeben.
Ermuntert durch die günstigen Erfolge,
welche die Nordbahn-Gesellschaft auf
ihren Linien erzielte, trat die Unter-
nehmung der Wien-Gloggnitzer Bahn
ins Leben und wurden im Jahre 1841
nacheinander die Strecken Baden- Wiener-
Neustadt, Mödling-Baden, Wien-Mödling,
Wiener-Neustadt- Neunkirchen, und im
Jahre 1842 die Strecke Neunkirchen-
Gloggnitz dem öffentlichen Verkehre über-
geben. Hiebei kamen in den Einzel-
strecken Wien-Baden, Baden - Wiener-
Neustadt und Wiener-Neustadt-Gloggnitz
correspondirend die Maximalsteigungen
von 2 '5, 3*5 und 7*7 ^Jqq^ beziehungsweise
die Minimal-Radien von 1896*5, 265*5
und 796*5 nt in Anwendung. Der Zug
dieser Linie bewegt sich bekannt-
lich von Wien ab zunächst am West-
rande des Wiener Beckens, tritt bei
Solenau in die Ebene des Steinfeldes
und erreicht, sich allmählich dem linken
Ufer der Schwarza nähernd, mit sanfter
Ansteigung Gloggnitz.
Auch die Entwicklung dieser Linie
bietet relativ noch wenig Interessantes
für den tracirenden Ingenieur; an dem
Ideale der geraden Linie wurde auch
zu jener Zeit, wo der schwankende
Holz-Oberbau -schon längst von der
eisernen breitbasigen Schiene verdrängt
war, selbst mit Aufopferung bauöcono-
mischer Vortheile noch immer festge-
halten, und als ein markantes Zeichen
jener Zeit sehen wir noch heute am
Nordportale des Gumpoldskirchner Tun-
nels in goldenen Lettern den Wahlspruch
leuchten: RECTA SEQUI.
Indessen war der unternehmende Geist
des zum Baue der vorerwähnten Wien-
Gloggnitzer Bahn berufenen Mathias
Schönerer dem nächsten Ziele dieser Bahn-
linie weit vorausgeeilt, durch die fürjeneZeit
staimenswerthe Idee der Fortsetzungslinie
über den Semmering. Schon im Jahre 1839
hatte Schönerer generelle Studien für eine
Bahnlinie begonnen, welche von der
Station Gloggnitz aus, nach Ueber-
setzung des Schwarzaflusses mit der
Steigung von i : 28 an den nördlichen
Lehnen des Raachberges, des Jäger-
brandes und des Sonnwendsteines sich
erhebend, die Höhe des Semmering er-
reichen und mit Anlage eines circa
1900 tn langen Haupttunnels durch den
Rücken des Gebirgspasses in das
Fröschnitzthal oberhalb Spital gelangen
sollte. Den Ansporn, so steile Anlage-
verhältnisse zu wagen, gab ihm die
nach seiner Rückkehr von der Studien-
reise aus Amerika probeweise ausgeführte
Rampe am Südbahnhofe in Wien, wo-
selbst die Möglichkeit erwiesen wurde,
Tracirung.
I8l
derartige Steigungen mit Adhäsions-
maschinen zu befahren.
Der Gedanke, die norischen Alpen
mittels einer Eisenbahnlinie zu über-
queren, erlangte jedoch erst eine con-
crete Gestalt durch die im Jahre 1841
ediossene a. h. Resolution, wonach die
Fortsetzung der Linie Wien-Gloggnitz
nach Süden bis an das Adriatische
Meer durch den Staat selbst erfolgen
sollte.
An der Spitze der technischen Rath-
geber bei diesem grossartigen Unter-
nehmen stand der k. k. Ministerialrath
Karl Ritter von Ghega, welcher schon
bei Erbauung der ersten Nordbahnlinien
seinen schöpferischen Geist bekundet
hatte.
Wenn wir den bisher gekennzeich-
neten Fortschritt in der Geschichte des
österreichischen Eisenbahnwesens über-
blicken, so müssen wir trotz Anerkennung
des mächtigen Unternehmungsgeistes,
welcher die bis zu diesem Zeitpunkte
erstellten Bahnlinien ins Leben rief,
doch billigerweise bekennen, dass diesem
Unternehmungsgeiste ein leicht begreif-
licher Empirismus zur Seite ging, der
umso gerechtfertigter erschien, als die
dem Eisenbahn-Techniker bis dahin ge-
stellten Aufgaben ein ganz successives
Fortschreiten erlaubten. So lag denn auch
die von der Nordbahn-Untemehmung er-
baute, in Wien mit der Höhen- Cöte von
160 m über dem Meeresspiegel be-
ginnende Linie nach Krakau, welche
hinter Weisskirchen mit der Meereshöhe
von 286 nt ihren Culminationspunkt
erreichte, vollkommen im Bereiche der
Leistungsfähigkeit der damals bekannten
Tractionsmittel ; desgleichen auch die
Linie Wien-Gloggnitz. Mit dem Vor-
dringen der letzteren aus dem Flach-
lande in die enge Gebirgsfalte des
Schwarzaflusses war jedoch der bis dahin
stetige und allmähliche Entwicklungsgang
der Eisenbahn-Technik mit einem Male zu
einer rapiden Steigerung gedrängt.
Gleichwie der Wanderer, der aus der
Neustädter Ebene in das Reichenauer Thal
bei Glogjg^itz eintritt, die Fortsetzung
seines Weges plötzlich von majestätischen
Bergriesen rings umstellt sieht, ebenso
thürmten sich dem Techniker, welcher
die Frage der Ueberschienung jenes zwi-
schen dem Reichenauer und dem Mürz-
thale gelagerten Gebirgsmassives zu
lösen hatte, ringsum Schwierigkeiten aller
Art entgegen. Die verwickelten topogra-
phischen und geologischen Verhältnisse des
zu übersteigenden Gebirgsstockes, die
infolgedessen zu bewältigenden Colossal-
bauten, die mit den damaligen Tractions-
mitteln, selbst bei Verzichtleistung auf
jede Nutzlast kaum zu bewältigende Er-
steigung der zwischen Gloggnitz und
dem Semmering - Passe bestehenden
Höhendifferenz von circa 500 w auf
eine relativ so geringe Länge und unter
so ungünstigen klimatischen Bedingungen
— alle diese Momente bedurften des
eingehendsten Studiums und der inten-
sivsten Anstrengung aller geistigen imd
körperlichen Kräfte, sollte der gestellten
Riesenaufgabe eine glückliche Lösung
werden.
Nicht nur die Summe der genannten
Schwierigkeiten an und für sich, sondern
in erster Reihe die epochale Bedeutung
jenes Stadiums in der Entwicklungs-
Geschichte der gesammten Eisenbahn-
Technik, wo Oesterreich auf diesem Gebiete
alle anderen Länder weit überholte, lässt
es mehrfach gerechtfertigt erscheinen, die
Spuren jener ernsten Geistesarbeit näher
zu verfolgen.
Naturgemäss waren die ersten Vor-
arbeiten zu diesem grossen Werke zunächst
auf das Studium des zu überschreiten-
den Terrains gerichtet, und mussten
sich dieselben bei der Vielgestaltigkeit
des zwischen dem Schwarzaflusse und
dem Mürzthale sich erhebenden Gebirgs-
reliefs auf ein sehr ausgedehntes Gebiet
erstrecken, zumal dem damaligen Tech-
niker noch kein so verlässliches Karten-
materiale zu Gebote stand als heutigen
Tages. Besonders die generellen Erhebun- •
gen und Terrainstudien durften sich an-
fangs in nicht allzuengen Grenzen be-
wegen. Hiebei musste jedoch der eigent-
liche Zweck der gestellten Aufgaben
stets im Auge behalten, und wie dies
bei jeder schwierigen Bahntracirung und
Projectirung der Fall ist, die Lösung
einer ganzen Reihe von Fragen allge-
meiner Natur mindestens in den Haupt-
umrissen vorbereitet werden.
l82
Karl Werner.
Der weitreichende Zweck der inten-
dirten Linie Hess über den Charakter der
Bahnanlage, über die von ihr verlangte
Leistungsfähigkeit sowie auch darüber
keinen Zweifel übrig, dass die Bahn
zweigeleisig anzulegen sei; Erhebungen
und Erwägungen commerzieller Art über
die zu gewärtigenden und zu bewältigen-
den Massentransporte hatten die Grundlage
für die Wahl der Tractionsmittel sowie für
die Beurtheilung der Anzahl der täg-
lichen ZWgQ zu bilden; hiemach waren
die baulichen Anlageverhältnisse der
künftigen Bahn, ihre Steigungsverhält-
nisse, das Mass des kleinsten Krümmungs-
halbmessers der Bogen, die Länge der
einzelnen Bahnzüge, die Länge der Sta-
tionsplätze und Ausweichstellen zu be-
urtheilen ; die gegenseitige Entfernung
der letzteren von einander war nach der
Anzahl und Geschwindigkeit, respective
nach dem Zeitintervall der verkehrenden
Züge zu bemessen; die gleichen Gnmd-
lagen dienten bei Ermittlung des Speise-
wasser-Bedarfes für die Locomotiven oder
sonstigen Motoren, woraus die Entfer-
nung der Wasserstationen, der W^asser-
beschaffungs- Anlagen, der Kohlen-Depots,
der Locomotivremisen, Drehscheibenan-
lagen sowie die übrigen allgemeinen
Bedürfnisse der einzelnen Zweige des
Eisenbahndienstes, der Hochbauten und
Betriebseinrichtungen abzuleiten waren.
Die Detailfragen über die meisten der
letzterwähnten Anlagen gehören aller-
dings erst der eigentlichen Bauausführung
an, jedoch musste mit Rücksicht auf den
organischen Zusammenhang aller ange-
führten Momente, die allgemeine Dispo-
sition derselben schon im ersten Projectsent-
wurfe enthalten sein, sollte der künftige
Bahnbetrieb den gestellten Anforderungen
nach jeder Richtung entsprechen können.
Wenn dem heutigen Projectanten und
Traceur zur einheitlichen Beurtheilung
und gegenseitigen Abwägung aller aufge-
zählten Momente an den bereits aus-
geführten Bahnlinien eine reiche Summe
von Erfahrungen zu Gebote steht, so
waren die damaligen Bahn-Ingenieure auf
ihr eigenes Intellect und auf ihre Er-
findungsgabe allein angewiesen.
Leber das wichtigste der oben erwähn-
ten Momente, über das zu wählende
Tractionsmittel, waren zu jener Zeit die
Ansichten der massgebenden Techniker
sehr verschieden. Trotz der überraschen-
den Resultate, welche Stephenson auf dem
Gebiete des Locomotivbaues bereits er-
zielt hatte, standen der Bewältigung
grosser Steigungen doch noch mannig-
fache Schwierigkeiten entgegen, nament-
lich da, wo es sich um grosse Massen-
transporte handelte; für diesen letzteren
Zweck waren in Frankreich, England,
Belgien, Deutschland und Amerika zu-
meist schiefe Ebenen mit Seilbetrieb,
d. i. also mit stabilen Motoren in An-
wendung. Wenn der Locomotive schon
bei ihrem ersten Erscheinen die atmosphä-
rischen Bahnen verschiedener Systeme
als Rivalen gegenüberstanden, so er-
blickten nunmehr auch die Vertreter der
Seilebenen einen W'iderpartner in der
Locomotive, sobald deren vervollkomm-
nete Constructionsweise der Hoffnung
Raum gab, auch stärkere Steigungs Ver-
hältnisse zu bewältigen. Dem zwischen
den Vertretern der verschiedenen Trac-
tionsmittel rege gewordenen Wettkampfe
hatte Ghega schon gelegentlich einer in
den Jahren 1836 und 1837 i^^ch Deutsch-
land, Belgien, Frankreich und England
unternommenen Studienreise seine Auf-
merksamkeit zugewendet, und war an der
Hand der gewonnenen Erfahrungen, ins-
besondere aber auf der untrüglichen Basis
mathematischer Forschung schon damals
zur Ueberzeugung gelangt, dass die Ent-
wicklungsfähigkeit der Lovomotive geeig-
net sei, diesem Tractionsmittel auf dem
Gebiete des Eisenbahn-Betriebes die sou-
veräne Alleinherrschaft zu sichern. Aber
nicht nur aus den angeführten Gründen
allein blieb Ghega ein entschiedener Ver-
fechter der Locomotive; seinem fein-
fühligen praktischen Sinne widerstrebte
es, bei Uebersteigung des Semmering
die Seilebene, also ein heterogenes Be-
triebsmittel als Zwischenglied in die
grosse, sonst durchwegs für Locomotiv-
betrieb bestimmte Verkehrsader einzu-
schalten.
Unbeirrt von dem inzwischen an-
dauernden Wettkampfe zwischen Seil-
ebenen und Locomotiven wurden schon
im Jahre 1842 die Terrainstudien unter
der Cynosur des künftigen ausschliess-
Tracirung.
183
liehen Locomotiv- Betriebes begonnen und
derart fortgesetzt, dass alle Möglichkeiten
derTracenführung in gründliche Erwägung
gezogen werden konnten.
Wenn wir den rein geodätischen Theil
der Tracirung etwas näher betrachten,
so sehen wir, dass angesichts der com-
plicirten Terrain-Configuration mit der
Ijis zu jenem Zeitpunkte gebräuchlichen
•Methode der Feldarbeiten nicht mehr das
Auslangen gefunden werden konnte. Bei
den bis dahin erbauten Bahnlinien geschah
die Ausmittlung der Bahntrace gewöhn-
lich in der Art, dass unmittelbar auf dem
Terrain selbst, zuerst versuchsweise, eine
den gegebenen Neigungsverhältnissen
entsprechende Linie mittels Auspflockung
markirt, die gegenseitige Entfernung und
Höhendifferenz der bezeichneten Punkte
mittels directer Messung und durch
Nivellement bestimmt, imd mit Hilfe von
Querprofilen, welche meist senkrecht zur
Hauptrichtung standen, die Configuration
der Bodenoberfläche charakterisirt wurde.
Nach Uebertragung aller dieser Daten
auf die mit den sonst noch erforderlichen
Details ausgestatteten Situationspläne,
konnte dann die Bahnlinie mit ihren
Kunstbauten und sonstigen Anlagen pro-
jectirt, und diese letzteren wieder durch
Einmessen auf das Terrain übertragen
werden.
Bei der hiebei in Betracht kommenden,
relativ günstigen Bodengestaltung, welche
einerseits ein Betreten derTrace gestattete,
andererseits infolge des geringen Höhen-
unterschiedes zwischen Anfangs- und
Endpunkt bei entsprechender Zwischen-
länge ein relativ sanftes Steigungsver-
hältnis der directen Verbindungslinie zu-
liess, war die Lösung der gestellten Auf-
gabe in der Regel eine ziemlich leichte.
Wie ganz anders gestalteten sich die
Verhältnisse bei der Ueberquerung der
norischen Alpen auf dem Semmering ! Die
Höhendifferenz zwischen der Station
Gloggnitz und dem Semmering- Passe be-
trägt 540m bei einer Horizontal-Entfemung
dieser beiden Punkte von kaum i i.cxmd tn.
Es hätte demnach die directe Verbindungs-
linie ein Steigungsverhältnis von i : 20
oder 50^/qq ergeben; bei Anwendung
eines um circa 80 tn tiefer gelegenen
Scheiteltunnels hätte sich dieses Verhältnis
nur bis auf i : 24 reducirt, selbst ohne
Rücksichtnahme auf die nöthigenZwischen-
horizontalen für Stationen. Es musste
daher ausser der Tunnelirung auch noch
eine ausgiebige Längenentwicklung ein-
treten, zu welcher die tief eingeschnittenen
Falten des Reichenauer Thaies, der Adlitz-
und Göstritz-Gräben, des Aue- und Sün-
baches allerdings ein sehr mannigfaltiges,
Abb. 42. Kleines Nivellir- Instrument.
aber, wie das classische Bild der Wein-
zettelwand zeigt, mitunter auch sehr
schwierig zu besteigendes Gelände dar-
boten. Infolgedessen mussten an Stelle
der directen Längen- und Höhenmessungen
sehr häufig trigonometrische und optische
Distanzmessungen treten, womit gleich-
zeitig auch der Anstoss zur höheren
Ausbildung und Vervollkommnung der
geodätischen Hilfsmittel gegeben war;
Abb. 43. Stampfer'sches Nivellir- und Höhenmess-
Instrument.
das weltbekannte und bis auf den heutigen
Tag noch immer in hohen Ehren stehende
Stampfer'sche Nivellir- Höhen- und Längen-
mess-Instrument [vgl. Abb. 43 und 44]
ist eine jener Zeit entsprungene specifisch
österreichische Errungenschaft auf dem
Gebiete technischer Kunst und Wissen-
schaft.
Ausgerüstet mit allen der damaligen
Technik zu Gebote gestandenen Hilfs-
' mittein wurden unter reger Betheiligung
I aller namhaften Fachgenossen nach-
i84
Karl Werner.
einander die zum Zwecke tauglich er-
scheinenden Bahnlinien in Erwägung
gezogen und insbesondere folgende Va-
rianten studirt [Siehe Abb. 246 auf
Seite 262 des I. Bandes]:
1. Die schon im Vorhergehenden all-
gemein erwähnte, seinerzeit schon von
Schönerer geplante Linie von der Sta-
tion Gloggnitz ausgehend und mit dem
Steigimgs Verhältnisse von i : 28 an den
Nordhängen des Raachberges und Jäger-
brandes über Mariaschutz bis zum Cul-
minationspunkte von 904 m sich er-
hebend, worauf dieselbe mittels eines
circa 1900 m langen Tunnels die Sem-
meringhöhe unterfahren und derart in das
Fröschnitzthal gelangen sollte. Deren
Länge zwischen Gloggnitz und Mürz-
zuschlag betrug 25*6 km,
2. Eine Linie, ausgehend von der
Station Neunkirchen der Wien-Glogg-
nitzer Bahn, unter Annahme einer Maxi-
malsteigung von i : 50 ; nach lieber-
Setzung des Schwarzaflusses sollte sich
diese Trace über Dunkelstein, Landschach,
Gräfenbach und Kranichberg bewegen
und von dort nach einer vollen Wen-
dung aus dem Sünbachthale zurück-
kehren und, ungefähr der Richtung der
Linie i folgend, den Semmeringsattel
mit einem circa 1520 f» langen und
in der Meereshöhe von 907 m culmi-
nirenden Tunnel durchsetzen. Deren Länge
zwischen Neunkirchen und Mürzzuschlag
hätte 46*3 km betragen.
3. Eine Linie, ausgehend von der
Station Gloggnitz und nach Ueber-
setzung auf das rechte Schwarza-Ufer
mit einer durchschnittlichen Steigung
von 1 : 50 über Payerbach und Reichenau
gegen die Prein sich erhebend, das
Gschaid mittels eines circa 5000 w
langen, in der Höhen-Cote von 860 m
culminirenden Tunnels durchbrechen und
zunächst in der Thalrinne des Raxen-
baches bis Kapellen, von dort w^eiter am
linken Ufer der Mürz bis Mürzzuschlag
führend; dieselbe hätte eine Länge von
32*3 km, erhalten.
4. Eine Linie, welche von der Station
Gloggnitz aus zunächst ungefähr der-
selben Richtung wie die vorhergehende,
jedoch mit einer Ansteigung von l : 40
bis Prein folgen, hier aber, nach links
abschwenkend, die Kamp- [oder Königs-]
Alpe mittels eines circa 5600 m langen, in
der Höhen-Cote von 825 tn culminirenden
und bei Spital ausmündenden Tunnels
durchbrechen und unmittelbar in das
Fröschnitzthal und längs desselben nach
Mürzzuschlag führen sollte; die Länge
derselben hätte 25*5 km betragen.
5. Eine Linie, welche von der Station
Gloggnitz ausgehend, längs des Silber--
berges mit i : 50 ansteigend am linken
Schwarza-Ufer bis Reichenau führen,
dort in einer das Thal überbrückenden
vollen Wendung auf das linke Schwarza-
Ufer übergehen und, gegen Payerbach
zurückkehrend über Eichberg, Klamm,
Weinzettelwand, das Falkensteinloch
und die Adlitzgräben ausfahrend, sodann
an den Hängen des Kamtnerkogels
sich gegen den Semmering wenden
und diesen mittels eines 1379 *** ^^i""
gen Tunnels in einer Meereshöhe von
907 w unterfahren sollte. Diese im
weiteren Zuge dem Fröschnitzthale
bis Mürzzuschlag folgende Linie hätte
zwischen der letztgenannten Station und
Gloggnitz eine Länge von 59 km erhalten.
6. Eine Linie, welche gleich der vor-
hergehenden, jedoch mit i : 40 ansteigend,
längs des Silberberges und schon bei
Payerbach mit nahezu voller Wendung
das Thal übersetzend, gegen Eichberg
zurückkehren und bis zum Semmering
nahezu dieselben Gehänge benützen sollte
wie die Linie 5, wobei der mit der
Höhen-Cote von 908 f« culminirende
Scheiteltunnel eine Länge von 1430 »i,
die ganze Linie Gloggnitz-Mürzzuschlag
eine solche von 41*8 km erhalten sollte.
Im Gegensatze zu den topographischen
Schwierigkeiten, welche sich der Linien-
entwicklung der Nordrampe entgegen-
stellten, ergab sich für die Südrampe
zwischen demCulminationspunkte auf dem
Semmering und der Station Mürzzuschlag
ein Höhenunterschied von 218 m bei
einer directen Zwischenlänge von 1 2 km^
woraus ein Durchschnittsgefälle von
I : 50 resultirt, so dass nach Abrechnung
der Zwischenhorizontsden für Stationen,
thatsächlich mit dem Maximalgefälle
von I : 45 das Auslangen zu finden war.
Die bisher aufgezählten Terrain- und
Tracestudien hatten vom Jahre 1842 bis
Tracirung.
185
1845 gewährt, in welche Zeitperiode auch
die Vorarbeiten für die südliche Fort-
setzungslinie fallen. Im Jahre 1844 war
die Theilstrecke Mürzzuschlag-Graz dem
öffentlichen Verkehr übergeben worden.
Für die richtige Wahl des Steigungs-
verhältnisses der eigentlichen Semmering-
Strecke war in erster Reihe der bis zu
jenem Zeitpunkte gediehene Fortschritt
im Locomotivbau massgebend, und hatte
Ghega bei der im Jahre 1842 speciell zu
diesem Zwecke in Amerika unternom-
menen Studienreise seine Ueberzeugung
endgiltig dahin gefestigt, dass auf Stei-
gungen von I : 50 [20 ^Iqq] und selbst
noch auf solchen von i : 40 [25 ®/oo]
die Bewältigung namhafter Nutzlasten
mit entsprechender Geschwindigkeit
möglich ist. Gleichzeitig konnte er zu
seiner Genugthuung constatiren, dass
die Amerikaner schon vielfach mit der
Eliminirung des Seilbetriebes begonnen,
und an dessen Stelle den Locomotiv-
betrieb eingeführt hatten.
Nachdem Ghega das Steigungsver-
hältnis I : 50, höchstens i : 40 als das
äusserste zulässige Mass erkannt hatte,
konnte bei Auswahl der oben aufge-
zählten Varianten die unter i beschrie-
bene mit dem Gradienten von i : 28
nicht mehr in näheren Betracht kommen.
Variante 2 wäre, nachdem dieselbe mit
dem Steigungsverhältnisse i : 50 ent-
wickelt war, in dieser Hinsicht wohl
brauchbar gewesen, jedoch lag dieselbe
zum grossen Theil ihrer Länge auf geolo-
gisch ungünstigem Gebiete, was bei der
Fundirung der vielen grossen Viaducte,
namentlich aber bei den unvermeidlichen
Tunnelirungen von ganz besonderer Be-
deutung sein musste. Zudem ging die
Linie von Neunkirchen anstatt von
Gloggnitz aus, so dass die bereits er-
baute Strecke Gloggnitz - Neunkirchen
als todter Seitenarm verloren gegangen
wäre.
Die Linien 3 und 4 konnten wegen
der mit 5cxx>, beziehungsweise 5600 m
bemessenen Länge der Scheiteltunnele
nach dem damaligen Stande der
Tunnelbaukunst, welche noch keinen ma-
schinellen Bohrbetrieb kannte, schon wegen
der übermässigen Verlängerung der
nöthigen Bauzeit nicht acceptirt werden.
Unter dem Eindrucke der eben auf-
gezählten Gründe hatte Ghega zunächst
die Linie 5, welche sowohl wegen ihrer
Steigungsverhältnisse und ihrer ge-
sicherten Lage im Grauwackengebiete,
als auch in bau- und betriebstechnischer
Hinsicht die meisten Chancen vereinigte,
Abb. 44. Latte zum Nivelliren und Höhenmessen.
zur Ausführung ausersehen, und die Aus-
arbeitung des Detailprojectes hiefür ein-
geleitet. Um ein thunlichst inniges An-
schmiegen der Bahnlinie an die sehr
coupirte Bodengestaltung zu ermöglichen,
wurde für den Krümmungsradius der
Bogen das Mass von 189-6 w [100 Klaftern]
als Minimum gewählt.
Angesichts der enormen baulichen
Schwierigkeiten vmd der damit verbun-
denen Kosten waren die schon seit dem
i86
Karl Werner.
Jahre 1844 von Seite der Widersacher
Ghega's bei der Regierung erhobenen
Vorstellungen gegen ein so kühnes Unter-
nehmen immer laifter geworden, und
wurde das Gelingen dieses als waghalsig
bezeichneten Experimentes selbst von nam-
haften Fachgenossen entschieden in Abrede
gestellt. Der Mangel einer Locomotive,
welche auf so steilen und langen Rampen
eine entsprechende Nutzlast mit hin-
reichender Geschwindigkeit zu befördern
im Stande wäre, — die Gefahren und
Hindemisse, welche dem Bahnbetriebe in
solcher, allen klimatischen Unbilden aus-
gesetzen Höhenlage unter allen Umständen
drohen müssten, — die unabsehbaren
Folgen, welche jeder Unfall, namentlich
bei der Thalfahrt, nach sich ziehen würde,
— die Schwierigkeit, wenn nicht Un-
möglichkeit, in so ungünstigem Terrain
einen baulich richtigen und soliden Bahn-
körper zu erstellen, . — die für den Bau
und Betrieb erforderlichen Unsummen,
— alle diese Bedenken bildeten ebensoviele
Angriffspunkte im Kampfe gegen den
unerschütterlich auf seiner Idee beharren-
den Meister. Die Bedrängnisse, unter
welchen derselbe stand, erhielten ein
hochbedeutsames Relief durch die sich
um jene Zeit vorbereitenden politischen
und finanziellen Krisen, welche nur den
einen Vortheil mit sich brachten, dass
Ghega Zeit fand, die von seinen Gegnern
selbst in öffentlichen Blättern erhobenen
Anfeindungen und Verdächtigungen in
allen Punkten sachlich zu widerlegen und
seine Studien nach jeder Richtung hin
zu vertiefen.
Um die Kostensumme thunlichst zu
reduciren, fasste er den Entschluss, die
Linie 6, das ist also mit dem Steigungs-
verhältnisse von I : 40, zur Ausführung
zu bringen. Obwohl dieselbe noch immer
15 Tunnels mit einer Gesammtlänge von
4530 m und ebensoviele Viaducte bis zu
einer Höhe von 45*8 tn und einer Ge-
sammtlänge von 1465 w erforderte, wurde
dieselbe endlich im Jahre 1847 seitens
der Regierungs-Commission genehmigt.
Damit war der Kampf gegen alle
Widersacher siegreich beendet; die poli-
tischen Ereignisse des kommenden Jahres
drängten zur sofortigen Inangriffnahme
des Baues.
Es bedarf nur noch eines Rückblickes
auf die Frage, ob und inwieweit jene
Voraussetzungen in Erfüllung gingen,
welche Ghega in Bezug auf die Leistung
der erst zu schaffenden Tractionsmittel
seiner Tracenführung zugrunde gelegt
hatte.
Zur Erlangung von Locomotiven,
welche zur Bewältigung der auf der
Semmering-Bahn zu führenden Z\XgQ ge-
geeignet wären, hatte Ghega eine öffent-
liche Preisausschreibung vorbereitet, worin
die Constructions-Bedingungen festge-
setzt waren, dass der Raddruck von
6*88 t nicht überschritten und eine
Bruttolast von 2500 Centnern [138 t]
auf der Steigung von i : 40 mit einer
Geschwindigkeit von 1*5 österreichischen
1 Meilen [11*4 km] pro Stunde beför-
dert werden soll.*) Die Preisausschrei-
bung erlangte im Mai des Jahres 1850
die Approbation Seiner Majestät Kaiser
Franz Joseph I.
Im October 1851 wurde mit der Er-
probung der gelieferten Concurrenz-Loco-
motiven und jener der zwei Locomotiven
»Save« imd »Quarnero«, welche auf
der mittlerweile fertig gestellten südlichen
Staatsbahnlinie in Verwendung standen,
begonnen, und als Probestrecke der zu
jener Zeit bereits vollendete Theil der
Bergrampe Payerbach- Breitenstein ge-
wählt, woselbst die Steigung von 1 : 40
und der Bogenradius von 1 89*6 tn
häufig zur Anwendung gelangt waren.
Aus diesen, mit grosser Umsicht imd Ge-
' nauigkeit vorgenommenen Probefahrten
gingen die Locomotiven »Bavaria«, »Neu-
stadt« und »Seraing« als preisgekrönt
hervor. — Allerdings hafteten diesen
Locomotiv-Typen noch mancherlei con-
structive Mängel an, jedoch boten die
angestellten Versuche gleichzeitig auch
den nöthigen Fingerzeig, wie diese Män-
gel zu beheben seien. Eine neuerlich aus-
geschriebene Concurrenz führte schliess-
lich zu der unter dem Namen der En-
gerth'schen Locomotive allgemein bekann-
ten Type, mit welcher im Jahre 1854
der Verkehr der Linie Gloggnitz-Mürz-
zuschlag eröffnet wurde.
*) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. St räch, Die
ersten Staatsbahnen, Seite 273 u. ff.
187
Mit dieser Errungenschaft war auch
der letzte Zweifel Über das Gelingen
des grossen Meisterwerkes geschwunden
und hat die Praxis die Richtigkeit der
von Ghega mit wahrhaft prophetischem
Geiste entwickelten Grundgedanken auf
das Glänzendste bestätigt.
Es wäre Vermessen hei t, an den Einzel-
heiten dieses stolzen grandiosen Colossal-
baues mit dem Massstabe der heutigen
Technik kleinliche Kritik üben zu
wollen.
Mit dem Regieningsantritte Seiner
Majestät Kaiser Franz Joseph I. begonnen,
repräsentirt der Semmeringbau in der
Entwicklungs-Geschichte der Eisenbahnen
eine so gewaltige Stufe des Fortschrittes,
dass er vermöge seiner technischen Voll-
endung und Solidität auch in unserer,
vom Geiste der technischen Errungen-
schaften getragenen Zeitperiode noch Be-
wunderung und Nachahmung verdient:
ein erhabenes, unvergängliches Wahr-
zeichen österreichischer Baukunst.
Während der, die Tracirung und den
Bau der Semmering-Bahn umfassenden
Zeitperiode waren auch die Arbeiten für
die Fortsetzung der Staatsbahnlinien
gegen Süden in Angriff genommen und
mächtig gefördert worden. Für die
nächste Fortsetzungslinie Mürzzuschlag-
Graz Hess das natürliche Thalgefälle
längs des Mürzflusses bis Brück a. M.
sowie auch jenes längs der Mur von
Brück bis Graz vortheilhafte Steigungs-
verhältnisse zu; auch die Configuration
des Thalbodens war der Bahnanlage
günstig bis gegen Krieglach, von wo
ab die näher an den Flusslauf heran-
tretenden Bergrippen einen strecken-
weisen, bis gegen Peggau reichenden
Lehnenbau bedingten. Beachtenswerth er-
scheint die Linienführung längs der soge-
nannten Badelwand [vgl, Abb. 45], durch
die dort ausgeführte, flussseits offene, 363 m
lange Galerie, auf deren Gewölbsdecke
die durch den Bahnkörper verdrängte
Reichsstrasse führt. Der weitere Verlauf
der Trace durch die Ebene über Graz
bis Ehrenhausen, ebenso die Durch-
brechung der Windischen Büheln mittels
zweier kleiner Tunnele und die Fort-
führung der Linie über Marburg durch
die Ebene von Kranichsfeld und Prager-
hof bis Windisch -Feistritz bietet vom
Gesichtspunkte der Tracirung kein be-
sonderes Interesse. Die östlichen Aus-
läufer des Fache rgebirges überquerend,
tritt die Linie in das Gebiet tJes Sann-
flusses über und folgt letzterem von Cilti
bis Steinbrück abwärts, von dort aber
dem Saveflusse aufwärts zum grössten
Theile als Lehnenbau durch die an
grotesken Formen' reichen Gelände über
•) Vgl. Bd. 1, 1. Theil, S. 243, Abb. Z28
Alib. ii. Profi] d« Badclnand.
Hrastnigg, Sagor und Sava, bei Salloch
in das Gebiet des Laibacher Moores
eintretend. Die geheimnisvollen und auch
bis auf den heutigen Tag noch nicht
ganz erforschten Verhältnisse dieses
Moores, seine unterirdischen Zu- und
Abflüsse, sein trügerischer Untergrund
und das ihn umgebende unwirthliche
Karstgebiet stellten dem tracirenden In-
genieureine ganze Reihe wichtiger Fragen
entgegen. Dem flüchtigen Beobachter mag
wohl scheinen, als sei die directe Durch-
querung des Moores, . wie er sie that-
sächtich ausgeführt sieht, einem leicht*
fertigen Entschlüsse entsprungen. Dem
entgegen spricht jedoch die Thatsache,
dass die Frage der Umgehung des Moores
Gegenstand umfassender und wiederholter
Studien war, und dass bei der Ausmitt-
i88
Karl Werner.
lung der Strecke Laibach -Franzdorf-
Loitsch verschiedene Varianten in Er-
wägung gezogen wurden. Nach einer
dieser Varianten hätte die Bahnlinie das
Moor an dessen südlichen und südöst-
lichen Rändern, also über Pianzbühel,
Braundorf, Tomischel und Seedorf um-
fahren sollen; diese Variante hätte jedoch,
ohne die Berührung des Moores gänzlich
vermeiden zu können, eine Verlängerung
der Linie um circa 19 km ergeben. Eine
zweite Variante tendirte die Umgehung
des Moores an dessen Nordgrenze, also
über Bresowitz, Log imd Podlipa mit
einer Entwicklung an den Hängen des
Zaplana- Berges oberhalb Altlaibach gegen
Unter-Loitsch hin. Diese letztere Variante
wurde wegen der damit verbundenen
Bauschwierigkeiten und angesichts der
Unhaltbarkeit der zu passirenden Berg-
lehnen fallen gelassen. Erst nach lang-
jährigen vielseitigen Studien und Er-
wägungen entschloss man sich, als der
Uebel kleinstes, die Durchquerung des
Moores zu wählen. Die hieran sich an-
schliessende Ansteiguhg der Linie gegen
Franzdorf erforderte die Uebersetzung
des dortigen Seitenthaies mittels eines
grossen Viaductes, der in seiner äusseren
Erscheinung sofort den Baustil des Sem-
mering verräth.*) Thatsächlich steht auch
die Ersteigung des Karstplateaus über
Loitsch und Adelsberg sowie die Weiter-
führung der Linie über Nabresiila bis
Triest mit der Geschichte des Semmering-
baues in mehrfachem innigem Zusammen-
hange; erst nach der Errungenschaft
der Engerth'schen Tenderlocomotive und
nur mit dem Vorsatze auf Einführung
besonderer Wasserwagen, konnte eine
derartige Tracenführung und Bahnanlage
mit Aussicht auf eine geregelte Betriebs-
führung unternommen werden. Mit dem
Eindringen in die vegetations- und
wasserlose Karstregion steigerten sich
die Schwierigkeiten der Linienführung.
Die verworrenen, von unzähligen Dolinen-
bildungen und Schluchten zerrissenen
Felsenlabyrinthe dieses, im Winter von
der Bora und gefährlichen Schneestürmen
heimgesuchten, im Sommer vom Sonnen-
*) Vgl. Bd. I, I. Theil, Abb. 272 u. 273,
S. 288 u. ff.
brande versengten Hochplateaus, nicht
minder der Abstieg an den aus gebrächen
Taselloschichten gebildeten Lehnen zwi-
schen Grignano und Triest angesichts
des Meeres, erschwerten dem traciren-
den Ingenieur die Ermittlung der rich-
tigen Linie in hohem Masse. Die wich-
tigste und schwierigste der zu lösenden
Fragen blieb jedoch die einer ausreichen-
den Wasserbeschaffung. Die Anlage einer
Wasserleitung von Ober-Lesece nach
Divaöa war nur ein partieller Behelf;
erst durch die Anlage der Auresina-
Wasserleitung, wodurch die Wässer,
welche am Fusse des Berges bei Santa
Croce und bei. dem Berge Auresina
oder Nabresina emporsteigen, für Zwecke
der Bahn nutzbar gemacht werden
konnten, fand diese hochwichtige Ange-
legenheit ihre endgiltige Lösung.
So war denn endlich das Ziel der
südlichen Staatsbahnen, das Handels-
emporium Triest, erreicht und ging der
Schienenweg, welcher das Herz der
Monarchie mit dem Meere verbinden
sollte, im Jahre 1857 seiner Vollendung
entgegen.
Von unserer Excursion im Süden
wenden wir uns nun wieder der mittler-
weile im Norden der Monarchie erzielten
Fortschritte in der Entwicklung der Bahn-
tracen zu.
Anknüpfend an den von der Nord-
bahn-Gesellschaft bis Olmütz ausgebauten
und im Jahre 1841 dem öffentlichen
Verkehr übergebenen Schienenweg, wurde
durch den Staat die Fortsetzung der
Bahnlinie in der Richtung gegen Nord-
westen hin über Böhmisch-Trübau nach
Prag unternommen.
Mit der Meeres-Cöte von 214 nt
bei Olmütz beginnend, folgt diese Linie
zunächst dem Laufe der March, sodann
jenem der Sazawa aufwärts, erreicht in
der zwischen der Mährischen Höhe und
den Sudeten gelegenen Einsattlung bei
Landskron die Wasserscheide zwischen
Donau und Elbe im Culminationspunkte
von 413 t» über dem Meere, worauf die
Trace bis Kolin [197 m über dem Meere]
sich senkt, um, nach Ueberschreitung der
Terrainwelle bei Bömisch-Brod [262 m
über dem Meere], sich noch weiter sen-
kend, die Hauptstadt Böhmens zu er-
lad'ii'UA
w^
r-\
Tracirung.
189
reichen. Im Weiterzuge, zunächst der
Moldau und von Melnik ab der Elbe
folgend, dringt die Linie in die Region
der mit Bergproducten gesegneten Gegen-
den Nordböhmens und gewinnt längs
des zwischen dem Erzgebirge und der
Lausitzer Höhe von der Natur gegebenen
Elbedurchbruches den Anschluss gegen
Sachsen hin.
Die Vorbereitung des Baues der
südlichen Staatsbahnlinie Wien-Triest
stellte die österreichischen Ingenieure vor
die grosse Aufgabe, in schwierigem
Terrain und unter wechselnden Betriebs-
verhältnissen Bahntracen aufzusuchen und
Projecte zu studiren.
Unter der tüchtigen Leitung hervor-
ragender Fachleute bildete sich sohin
die Tracirung und Projectverfassung
von Bahnen zu einer selbständigen tech-
nischen Wissenschaft aus.
Ein literarisches Denkmal des hohen
Grades der Ausbildung, welche dieser
junge Wissenszweig damals in Oester-
reich schon erreicht hatte, bietet die
äusserst bemerkenswerthe Publication, be-
titelt: »Systematische Anleitung zum
Traciren der Eisenbahnen« vom k. k.
Ober- Ingenieur Eduard Heider [nach-
maligem technischem Director der Arsenal-
bauten des österreichischen Lloyd], welche
in erster Auflage bereits im Jahre 1856
erschienen ist.
Dieses Buch behandelt den Gegen-
stand überhaupt das erste Mal. Die
darin niedergelegten Grundsätze und be-
schriebenen Verfahrungsarten sind bei
der Verfassung der Projecte für die
k. k. Staatsbahnen ausgebildet und er-
probt worden, sie sind also direct aus
der Erfahrung geschöpft und haben heute
noch volle Geltung und Anwendung,
unbeschadet jener Modificationen, welche
durch die seither erreichte Vervoll-
kommnung der Instrumente bedingt er-
scheinen.
Der gleichen Zeitperiode verdankt
auch das seither jedem Eisenbahn-Inge-
nieur zum unentbehrlichen Vademecum
gewordene Werkchen »Die Strassen- vmd
Eisenbahn- Curve«, verfasst von dem da-
maligen Ingenieur der Süd-norddeutschen
Verbindungsbahn Moriz M o r a w i t z, sein
Entstehen.
Angesichts der hohen technischen
Schule, welche die südlichen Staatsbahn-
linien und namentlich der Semmeringbau
herangebildet hatte, erscheinen die Fort-
schritte im Aufsuchen neuer Bahntracen
in der nun folgenden Periode weniger
intensiv als extensiv, indem die Interessen
des Handels, der Industrie und des
gegenseitigen Verkehres die neuen Er-
rungenschaften ihrem Zwecke nutzbar
zu machen suchten. So erwarb die
Erste österreichische Eisenbahn- Gesell-
schaft noch im Jahre 1855 die Be-
willigung, ihre Linie Linz-Budweis mit
kleinen, entsprechend gebauten Loco-
motiven zu betreiben. Zwar hatte im
selben Jahre die BuschtÖhrader Eisen-
bahn-Gesellschaft noch eine Concession
erworben für eine mit Pferden zu be-
treibende Holz- und Eisenbahn, welche
von Wejhybka in das BuschtÖhrader
Kohlenrevier führen sollte, jedoch wurde
diese letzte Regung des Pferdebahn-Be-
triebes durch den lebhaften Aufschwung,
welchen die Einführung des Locomotiv-
betriebes allenthalben mit sich brachte,
gar bald überflügelt. Durch das im Jahre
1855 mit der k. k. priv. Staatseisenbahn-
Gesellschaft abgeschlossene Ueberein-
kommen, wonach mit dem Ausbau der
von Wien nach Südosten führenden Linie
gleichzeitig auch eine Verbindung mit
den nördlichen Staatsbahnen erfolgen
und diese in den Betrieb der Staatseisen-"
bahn - Gesellschaft überzugehen hatten,
sowie durch die im selben Jahre der
Graz-Köf lacher Eisenbahn und Bergbau-
Gesellschaft ertheilte Concession zur
Erschliessung der Voitsberger, Lanko-
witzer und Köflacher Kohlenreviere mit-
tels einer von Graz nach. Köflach und
von Lieboch nach Wies zu führenden
Eisenbahn nebst Zweiglinien, wurde die
Entwicklung der Eisenbahn-Privatunter-
nehmungen inaugurirt. In diese und die
nächstfolgende Zeitperiode fallen die
Herstellung und Eröffnung der Linien
Brünn-Rossitz, Linz-Lambach-Gmunden,
Oderberg - Dzieditz - Bielitz, Schönbrunn-
Troppau, Krakau - Dembica, Dzieditz-
OÄwi^cim und Trzebinia sowie das
Entstehen der Aussig - Teplitzer Bahn,
die Erweiterung der Südbahn-Concession
für die Kaiser Franz-Josef-Orientbahn und
igo
Karl Werner.
dieConcessionirung der Kaiserin Elisabeth-
Bahn, welch letztere auf die Verbindung der
Metropole mit den westlichen Provinzen
des Reiches sowie auf den Anschluss
an die bayerischen Bahnen bei Salzburg
abzielte. Die Tracenflihrung dieser letz-
teren Linie verdient, namentlich in ihrem
ersten Theile von Wien ab, einige Be-
achtung. Auf den ersten Blick möchte
es scheinen, als ob die directe Verbindungs-
linie zwischen Wien und Linz durch die •
oro- und hydrographischen Verhältnisse
unzweifelhaft gegeben sei, und dass die
Linie am günstigsten durch das regelmässig
ansteigende Donauthal zu führen wäre.
Bei näherem Eingehen zeigt sich jedoch,
dass zwar die Uferenge bei Nussdorf und
Kahlenbergerdorf sowie das Tullnerfeld
der Bahnführung keine nennenswerthen
Schwierigkeiten bereite, dagegen die Fort-
setzung durch die Wachau durchaus keine
günstige wäre. Es war daher schon in
der Concessions-Urkunde vom Jahre 1856
die Bestimmung enthalten, dass die Trace
über St. Polten zu führen sei. Für die
Entwicklung dieser Linie bot das Wien-
thal mit seinen sanften Geländen bis
Rekawinkel bei einer Maximal- Ansteigung
von iO'5%Q günstige Verhältnisse dar;
auf der Westseite des mit einem Scheitel-
tunnel von 307 tn Länge durchbrochenen
Wienerwaldes musste bei Einhaltung des
Maximalgefälles von lO^oo angesichts des
tief eingeschnittenen Eichgrabens und
des coupirten Terrains eine kunstvollere
Linien-Entwicklung, welche ausser der
Ueberbrückung dieses Grabens auch noch
die Anlage eines zweiten, 247 m langen
Tunnels bedingte, gesucht werden. Die
Weiterführung der Linie machte die
Ueberbrückung der rechten Nebenflüsse
der Donau, das ist der Laben, Traisen,
Ybbs, JEnns und Traun, sowie die Ueber-
schreitung der relativ niedrigen, zwischen
den genannten Flüssen gelegenen tertiären
Wasserscheiden noth wendig. Die Zeit-
punkte für die Eröffnung der einzelnen
Theilstrecken waren folgende: Linz-
Lambach 1855, W^ien-Linz 1858, Lam-
bach - Frankenmarkt - Salzburg - Reichs-
grenze 1860.
Mit dem Jahre 1858 trat die Südbahn-
Gesellschaft in den Vordergrund der
Unternehmungen durch die Uebemahme
des Betriebes der Linie Wieu-Triest
sammt Nebenlinien und der Tiroler
Bahnen sowie durch den Ankauf des
Projectes der Kärntner-Bahn und der
Brenner-Bahn. Mit dieser letzteren ist
ein neuer bedeutender Fortschritt auf
dem Gebiete der Alpenbahnen zu ver-
zeichnen. Nachdem die Strecken Inns-
bruck-Kufstein und Bozen-Trient-Ala im
Jahre 1858, respective 1859 zur Er-
öffnung gelangt waren, erübrigte noch
das Zwischenglied Innsbruck -Brenner-
Bozen, um die süd-nördliche Durchzugs-
linie durch das Land Tirol zu schliessen.
Bei Betrachtung der topographischen Ver-
hältnisse des zwischen Innsbruck und
Bozen gelegenen Alpenstockes fällt sofort
das tief eingefurchte Thal des Eisack im
Süden und ebenso das Flussgebiet der
Sill auf der Nordseite des Brennerpasses
in die Augen. Diese von der Natur
gebildete Rinne entspricht auch dem
Zuge der schon von altersher bekannten
Brennerstrasse. Bei Vergleichimg der
relativen Höhenlagen von Bozen, Fran-
zensfeste, Sterzing, Gossensass, Brenner-
höhe, Matrei und Innsbruck mit den diese
Orte trennenden Horizontal-Entfernungen
ergibt sich, dass die Schwierigkeiten der
TracenfÜhrung in der Strecke Gossensass-
Innsbruck gelegen sind. Zwischen Inns-
bruck mit der Höhen-Cöte von 583 m über
dem Meere und dem Brennerpasse mit
137 1 fH Höhe liegt eine Horizontaldistanz
von 32.000 tn [vgl. Abb. 46], woraus für
die Bahnnivellette eine Durchschnitts-Stei-
gung von 25^0^ resultirt; der Höhendiffe-
renz zwischen Brenner [137 1 m] und
Gossensass [1064 tn] entspricht jedoch
in der directen Verbindungslinie von nur
8000 m Länge ein Durchschpittsgefälle
von 38®/qq. Diese Durchschnitts-Neigungen
sind jedoch ohne Rücksichtnahme "auf die
nöthigen Zwischenhorizontalen für Sta-
tionsanlagen ermittelt ; die zur Gewinnung
der letzteren noch erforderlich werdenden
Mehrlängen konnten auf der Nordseite rela-
tiv leicht eingebracht werden ; dagegen war
auf dem Südhange eine sehr weit reichende
Längenentwicklung nöthig, um das Ver-
hältnis von 38®/oQ auf das seit dem
Semmeringbau durch die Praxis sanctio-
nirte Maximalmass von 25 %q zu reduciren.
Zu dem bei Gebirgsübergängen sonst ge-
Abb. 47. Gossensa
Tracirung.
191
wohnlich gebrauchten Auskunftsmittel, den
Culminationspunkt durch Tunnelirung des
Scheitels herabzudrücken, konnte beim
Brenner angesichts der flachen Gestaltung
des Sattels nicht gegriffen werden. Schon
eine Tieferlegung der Nivellette um nur
IOC m hätte eine Tunnellänge von 10 km
ergeben. So musste denn der Sattel in
seiner ganzen Höhe überschient werden.
Die Folge dessen war auf der Nord-
seite eine Entwicklung der Trace im
Schmimthale bei St. Jodok mit einem
Wendetunnel und die Rückkehr der
Linie an der Lehne des Walserthaies
gegen die heutige Station Gries. Auf
der Südseite wurde die Linie über
Schelleberg an die Südlehne unterhalb
der Rothspitze in der Richtung gegen
das Pflerschthal geführt, und mittels eines
vollen Kehrtunnels an dieselbe Lehne
zurückgewendet, so dass dieser Theil der
Linie das vollendete Bild einer an dersel-
ben Lehne entwickelten Kehrschleife bietet
[vgl. Abb. 47 und 48]. Auf diese Weise
ist die Bahnlänge Innsbruck-Brenner auf
36 knty die Länge Brenner- Gossensass
auf 16 kfn künstlich ausgestreckt. Die
durch Kunstbauten aller Art interessante
Bahnlinie führt zum gross ten Theile im
Chloritschiefer-Gebirge, nächst Matrei
jedoch auf eine Strecke im Dachstein-
kalk ; desgleichen liegt der Wendetunnel
der Südseite in einer Kalkzone. Von
Gossensass abwärts führt die Bahn über
Sterzing und Freienfeld auf nahezu flachem
Terrain ; zwischen Grasstein und Franzens-
feste führt die Trace durch Granit. Unter-
halb Brixen tritt die Linie in die zwischen
mächtigen Porphyrgebilden tief einge-
furchte Eisack-Schlucht, aus der sie erst
bei Bozen in das offene Etschland tritt
Durch die infolge der Terraingestal-
tung zur Nothwendigkeit gewordene
Ueberschienung des Brennersattels ohne
Anwendung eines Scheiteltunnels kommt
der Brenner-Bahn ein besonderer typi-
scher Charakter unter den übrigen
Gebirgsbahnen zu. Ihr Culminations-
punkt liegt in einer Meereshöhe [1371 m],
welche weder durch die bisher in
Oesterreich erbauten Alpenübergänge
auf dem Semmering [898 tw], Arlberg
[131 1 m] und Prebichl [1205 im], noch
durch die Zukunftslinien der Tauem-
bahn [1225«/], des Predil [903 w] oder
des Loibl [81377/] übertroffen wird. [Vgl.
Abb. 46 und 58.]
In dem folgenden Zeiträume, bis zu
der im Jahre 1867 erfolgten Eröffnung
der Brenner-Bahn, begegnen wir in der
Tracen-Entwicklung neuer Bahnlinien,
wozu insbesondere die Erzherzog Carl
Ludwig - Bahn [Krakau - Przemysl und
Wieliczka-Niepolomice], die Böhmische
Westbahn [Prag- Pilsen], die Lemberg-
Czemowitzer Bahn, die Turnau-Kraluper
Bahn, die Kaiser Franz Josef- Bahn
[Wien-Eger und Gmünd-Prag], die Böh-
mische Nordbahn, die Kaschau-Oderberger
Bahn und die Kronprinz Rudolf-Bahn ge-
hören, abermals einem grossen, jedoch
mehr vom speculativen und commerziellen
Interesse getragenen Fortschritte.
Dem Zeitgeiste jener Periode Rech-
nung tragend, hatte sich die Regie-
rung entschlossen, die Tracirung und
Projectirung, namentlich aber die Kosten-
präliminarien jener Bahnen, welche den
Genuss irgend einer finanziellen Staats-
beihilfe in Anspruch nahmen, eingehend
zu überprüfen, und aus jener Zeit datirt
die Creirung eines besonderen Tracirungs-
Bureaus bei der k. k. General-Inspection
der österreichischen Eisenbahnen.
Unter den oben aufgezählten Linien
verdient die Kronprinz Rudolf-Bahn wegen
ihrer Durchquerung des Alpengebietes
vom Standpunkte der Tracirung eine
besondere Beachtung. Von der Station
St. Valentin abzweigend, führt uns die-
selbe längs der Enns aufwärts über
Steyr, Klein-Reifling und Hieflau, an
den theils aus Schuttablagerungen, theils
aus Conglomeratbänken gebildeten Steil-
ufern vorüber, welche mitunter, so ins-
besondere bei Gross-Reifling und Hieflau,
sehr umfangreiche Fluss- und Lehnen-
bauten nothwendig machten. Von Hief-
lau aufwärts tritt die Bahn in das wegen
seiner grossartigen Naturschönheiten all-
bekannte »Gesäuse«, durch die von
steilen Felswänden eingeengte Schlucht
in vielfachen künstlichen Krümmungen
ihren Weg suchend, bald dem schäumen-
den Ennsflusse, bald der steilen Fels-
lehne den nöthigen Raum abzwingend.
Dem Ennsthale über Admont noch
bis Selzthal folgend, wendet sich die
Karl Werner.
Trace von dort aus in das Paltenthal
über Rotten mann gegen die Wasser-
scheide bei Wald und fällt dann gegen
St. Michael an die Mur ab, der sie bis
Unzmarkt aufwärts folgt, auf diese
Weise die östlichen Ausläufer der Tauem-
kette umfahrend. Mit dem Aufstieg über
Scheifling bis zur Wasserscheide bei
St Lamprecht verlässt sie das Murthal
und fahrt zunächst längs des Olsabaches,
sodann entlang der Gurk und weiter
Ober Glandorf, St. Veit und Ossiach
nach Villach.
dort weiter bis Abfaltersbach hin gestaltete
sich jedoch infolge der von den Berg-
hängen herab bis in das Fiussbett vor-
geschobenen massenhaften Schuttablage-
rungen die Bahnanlage als schwieriger
Lehnenbau. Unter vielfacher Anwendung
des Minimalradius von 284 m und der
Maximal Steigung von 25"/u erreicht die
Linie den Sattel bei Toblach in einer
Meereshöhe von 121 1 ni. Noch grössere
Schwierigkeiten als der Aufstieg, bot
der Abstieg längs der Rienz Über Nieder-
dorf, Welsberg und Olang bis Bnineck.
-.1 Biconei-BabD
Die Fortsetzung der Kronprinz Rudolf-
Bahn gegen Süden erfolgte stückweise
durch die im Jahre 1868 erflossene
Concessionirung der Linie Tar vis- Laibach
und im Jahre 1869 durch die Concessio-
nirung der Zwischen strecke Villach-
Tarvis.
Vor das Jahr 186g fallen noch die
technischen Vorarbeiten für die zur Aus-
gestaltung des Südbahnnetzes höchst
wichtige Fortsetzung der Kämtnerlinie
von Villach durch das Pusterthal bis
zum Anschlüsse an die Sildtirolerlinie
bei Franzens feste. Von Vülach aus dem
Laufe des Drauflusses aufwärts folgend,
begegnet die Linienführung bis Lienz
keinen besonderen Schwierigkeiten und
konnte mit der Maximalsteigung von S'/oo
das Auslangen gefunden werden. Von
Colossale, aus den beiderseitigen Hoch-
gebirgszügen stammende, durch Wild-
bäche dem Hauptthale zugefiihrte Schutl-
ablagerungen, deren katastrophenreicher
Umgestaltungs-Process noch heute fort-
dauert, bilden fast ausschliesslich den
Typus der unteren Thalgelände, auf
welchen die Bahn mit ihren mannigfachen,
mitunter im grossartigen Stile angelegten
Kunstbauten hinführt. Vom Lamprechts-
berger Tunnel gegen Bruneck hin ist die
Linie mit dem Gefälle von ao^/oo '■* einer
weitausgreifenden, die Stadt Bruneck
umkreisenden Schleife entwickelt. [Vgl.
Abb. 49.]
Auch in der Fortsetzung bis Franzens-
feste ist der Lehnenbau vorherrschend,
doch bewegt sich die Bahn nicht mehr
ausschliesslich im Schuttgebjete, sondern
der BlHDbabnea. II.
194
Karl Werner.
ist zumeist auf dem felsigen Grund-
gestelle des Gebirges fundirt.
Inzwischen nahm der jene Zeit
charakterisirende Aufschwung auf allen
Gebieten der finanziellen und namentlich
der Eisenbahn-Gründungen seinen weite-
ren Fortgang und dieser Periode ver-
danken die Oesterreichische Nordwest-
bahn, die Buschtßhrader Bahn, die Vorarl-
berger Bahn, die Leoben- Vordemberger
Bahn, die Linien Hohenstadt - Zöptau
und Salzburg - Hallein, Ebensee - Ischl-
Steg, die Dux-Bodenbacher Bahn, die
Erste ungarisch-galizische Bahn , die
Ostrau- Friedlander Bahn, die Dniester
Bahn, die Pilsen-Priesener Bahn, die
Mährisch-schlesische Centralbahn, die Un-
garische Westbahn und viele zwischen
den Hauptbahnen eingeschaltete Ver-
bindungs- und Nebenlinien ihr Ent-
stehen.
In welch rapider und bis zur Ueber-
hastung reichender Weise sich die Privat-
unternehmungen damaliger Zeit bei
Aufstellung und Verwerthung neuer
Bahnprojecte zu überbieten suchten, ist aus
nachstehender Tabelle zu entnehmen.
Anzahl
Anzahl
Im
der ertheilten
Im
der ertheilten
Jahre
Bewilligungen
Jahre
Bewilligungen
zu technischen
zu technischen
1866
Vorarbeiten
Vorarbeiten
6
1882
68
1867
l6
1883
64
1868
72
1884
89
1869
146
1885
83
1870
121
1886
94
1871
83
1887
78
1872
99
1888
40
1873
61
1889
53
1874
II
1890
68
i«75
8
1 1891
55 •
1876
7
1892
67
1877
8
! 1893
86
1878
IG
1894
105
1879
8
1895
137
1880
60
1896
82
1881
95
1
1897
115
worin die von der Regierung pro
Jahr ertheilten Bewilligungen zur Vor-
nahme technischer Vorarbeiten verzeichnet
sind. Diese bis auf die neuere Zeit fort-
gesetzte Tabelle gibt auch Aufschluss
über die der Ueberproduction folgende
Reaction sowie über die späteren Fluctua-
tionen der Unternehmungslust.
Ein höchst wichtiges und im Allge-
meinen sehr nothwendiges Correctiv der
oben erwähnten Ueberhastung, mit welcher
an die Verfassung und Vorlage der Traci-
rungs-Operate seitens der speculirenden
Privatunternehmungen geschritten wurde,
lag in der vom 4. Februar 1871 datirten
Handelsministerial- Verordnung, in wel-
cher nicht nur die äussere Form der zu
erstattenden Projects-Vorlagen, sondern
insbesondere auch der Vorgang bei der
Verfassung der Projecte sowie der sach-
liche Inhalt der dazu gehörigen Behelfe
in fester Norm vorgeschrieben wurde.
Von jener Zeit datirt auch ein allge-
meiner Fortschritt in der geodätischen
Methode der Terrain-Aufnahme. Der bis
dahin allgemein gebräuchliche Vorgang,
wonach zunächst eine dem Durchschnitts-
gefölle entsprechende Entwicklungslinie
in der Natur ausgemittelt und dann durch
entsprechende Querprofile die Terrain-
gestaltung charakterisirt wurde, lieferte
jedesmal nur das topographische Bild eines
relativ schmalen Terrainstreifens. Wo es
sich demnach um die Aufnahme eines
ausgebreiteten Territoriums handelte, wie
dies bei complicirter Bodengestaltung
und steiler geneigten Lehnen, insbeson-
dere aber überall dort der Fall ist, wo
die Möglichkeit sehr verschiedener Tracen-
führungen [Varianten] vorliegt, erscheint
die frühere Methode sehr zeitraubend
und vielfach auch unzulänglich. Ueber
die Schwierigkeiten, welche das directe
Messen mit Kette, Stäben oder Bändern
in gefährlich zu betretendem Terrain
mit sich brachte, half man sich schon
in früherer Zeit durch trigonometrische
und optische Distanzmessungen verschie-
dener Art. Eine rationellere und für alle
Fälle verwendbare, überdies auch viel
schneller zum Ziele führende Methode
kam vom Jahre 1871 an in allgemeinen
Aufschwung. Die verschiedenen Einzel-
arbeiten, welche diese neue Methode,
von den Feldarbeiten angefangen bis
zur Vollendung der planlichen Darstel-
lung des Terrains umfasst, werden mit
dem \amen »Tachytnetrie« bezeichnet. '
Diese Methode der Terrainaufnahme be- '
ruht auf dem Principe, dass von einem
seiner Höhenlajre und Situirung nach
bekannten Punkte aus mit Hilfe eines
sojrenannten Universal -Instrumentes [vgl.
Abb. 50 und 52], welches durch ein mit
Doppelfäden adjustirtes Femrohr als
optischer Distanzmesser und gleichzeitig
zur Ablesung von Horizontal- und
Verti calwin kein verwendbar ist, jeder
beliebige andere Punkt des Terrains
gleichfalls seiner Höhenlage und Situi-
rung nach fixirt werden kann, sobald
diesen Punkt eine gleichmässig
Messoperatiunen durchgefdhrt werden,
welche früher der Ingenieur mit seinen
Gehilfen auf dem Terrain selber von
Fall zu Fall verrichten musste. Mit
Zirkel, Lineal und einer Auswahl von
Curven-Schablonen lassen sich daher in
solchen Schichtenplänen auch alle Va-
rianten der neuen Bahntrace studiren,
welche irgendwie in Betracht kommen
können, ohne dass für jede neue Variante
abermalige Terrainaufnahmen nöthig
wären, wie dies bei der früher gebräuch-
lichen Aufnahm smethode so häufig der
Fall war.
Die erste grosse Arbeit, welche in
eingetheilte und bezifferte [sogenannte | Oesterreich mit Anwendung dieser neuen
ablesbare] Latte [vgl. Abb. 51J postirt ' Methode durchgeführt wurde, ist die
Tracirung der Arlberg-Bahn, welche
über Auftrag des k. k. Handels-
ministeriums durch die k. k. General-
Inspection der österreichischen Eisen-
bahnen im Jahre 1871 begonnen
wurde.
ä Bei Lösung der gestellten Auf-
1^ gaben, Innsbruck und Bludenz mit einer
S directen, ausschliesslich auf österrei-
It chischem Gebiete liegenden Bahnlinie
1 zu verbinden, musste zunächst von der
1 allgemeinen Frage ausgegangen wer-
den, welche Wege bei Ueberquerung
des zwischen Tirol und Vorarlberg ge-
wird. Mittels dieses, noch durch einige
Hilfsinstrumente [Rechenschieber etc.,
vgl. Abb. 53—55] unterstützten Ver-
fahrens, lässt sich aus den zu Papier
gebrachten und mit Höhen-Cöten be-
schriebenen Punkten in jedem be-
liebigen Massstabe ein sogenannter
Schichtenplan verfassen, welcher die
Terra! n-Configuration, je nach Be-
dürfnis mit mehr oder weniger Ge-
nauigkeit durch Isohypsen, das ist
durch Linien gleicher Höhenlage, zur
Darstellung bringt. Nachdem diese
Darstellungs weise stets derart einge-
richtet wird, dass die Schichtenlinien
durchaus gleichen Vertica labständen
entsprechen, so können in solchen
Plänen, welche überdies auch alle
Grenzlinien der Feld- und Waldcul-
turen, alle Gebäude, Gräben, Flüsse
etc. enthalten, unter Zuhilfenahme
von Zirkel und Massstab alle jene
196
Karl Werner.
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lagerten Gebirgsstockes
überhaupt in Betracht
kommen können. Nach
den allgemeinen topogra-
phischen Verhältnissen
war sofort zu erkennen,
dass die Hauptschwierig-
keiten sich zwischen Blu-
denz und Landeck häu-
fen. In diesem Bereiche
boten sich bei näherer
Betrachtung nur zwei
Hauptübergänge: entwe-
der durch das Montafon-
thal und nach Ueberstei-
gung des Zeynes-Joches
durch das Patznauner-
thal, oder durch das
Klosterthal über den Arl-
berg und weiter durch
das Stanzerthal. Die Ent-
scheidung dieser Vorfrage
bedurfte zunächst eines
generellen Studiums, wel-
ches die Höhenlage der
Culminationspunkte, die
Länge der beiden Linien
und namentlich jene der
Scheiteltunnel e, die zu
be w älti genden S teigun gs-
verhältnisse, ausserdem
aber auch die geologi-
schen, klimatischen sowie
alle die allgemein bau-
lichen Schwierigkeiten
beeinflussenden Momente
für beide Altemativfälle
in Vergleich zu ziehen
hatte. Um die zur Be-
antwortung der erwähn-
ten Vorfragen erforder-
lichen Daten zu erlangen,
wurden unter Zuhilfe-
nahme der besten vorhan-
denen kartographischen
Werke sowie durch baro-
metrische Aufnahmen und
Vomivellements die relativen Höhenlagen
der massgebenden Punkte ermittelt;
ebenso wurden die geologischen und
klimatischen Verhältnisse durch zahl-
reiche Recognoscirungen und Beobach-
tungen für beide Alternativen eingehend
studirt.
-i>
Ein hierauf basirter gegenseitiger
Vergleich gab folgende Resultate:
L Für den Arlberg:
Länge der directen Linie zwischen
Landeck und Bludenz 69 kni] Höhen-
lage des Arlbergsattels 1780 m über
dem Meere; Länge des Scheiteltunnels
5*5 bis 12*4 km je nach Wahl der
Höhenlage der Nivellette von 1453 bis
1200 m über dem Meere.
IL Für das Zeynes-Joch:
Länge der directen Linie zwischen
Landeck imd Bludenz 74 k^n\ Höhen-
lage des tiefsten Sattels 1865 tn über
dem Meere; Länge des Scheiteltunnels
im Minimum 16 km\ Höhenlage der
Nivellette 1390 tn über dem Meere.
Wenn schon diese ziffermässigen
Daten für die Wahl der Arlberglinie
sprachen, so Hessen die ungünstigen geo-
logischen und klimatischen Verhältnisse
des Zeynes-Joches sowie die durch
häufige Murbrüche und Lawinengänge
gefährdeten Lehnen des Montafoner und
Patznaunerthales in unserer Vorfrage
keinen weiteren Zweifel mehr übrig;
bei den weiteren Studien konnte nur
mehr die Arlberglinie in Betracht
kommen.
Die mit grosser Energie unternomme-
nen tach3rmetrischen Terrainaufnahmen
im Kloster- und Stanzerthale wurden
über beide Lehnen und den zwischen-
liegenden Thalgrund ausgedehnt; den-
selben gingen detaillirte geologische
Studien sowie eingehende Erhebungen
über die Niederschlags- und Schnee-
verhältnisse, über Muren und Lawinen-
gänge und über die Ergiebigkeit der
Wasserzuflüsse zur Seite. Auf Gnmd
dieses umfangreichen Materials erfolg-
ten sodann die eigentlichen Tracestudien,
bei welchen für die offene Rampen-
strecke Bludenz- Arlberg drei, für die
Ostrampe zwei Varianten in Betracht
gezogen werden mussten. Die Steigungs-
verhältnisse auf der Ostseite erwiesen
sich schon durch das natürliche Thal-
gefälle relativ günstig, so dass nur
zwischen der sonn- und schattseitigen
Lehne die Wahl zu treffen war. Dagegen
erwiesen sich die Gefällsverhältnisse des
Rosanathales sehr ungünstig, weshalb
drei ganz verschiedene Varianten studirt
und in gegenseitigen Vergleich gezogen
wurden, und zwar :
1. Eine Linie an der sonn s eiligen
Lehne mit SS^/oo Ansteigung und einer
Länge von 29*3 km zwischen Bludenz
und Stuben.
2. Eine um 4 km längere Linie
zwischen denselben Anschlusspunkten,
jedoch mit Anwendung von Kreiskehren
bei einer Steigung von ag^/jn,.
3. Eine Linie mit 29"/^^ Ansteigung
in directer Richtung, wobei jedoch die
Tunnel -Nive 11 ette um circa 2C» m tiefer
als bei den Linien i und 2, daher auch
der Tunneleingang nicht bei Stuben,
sondern bei Langen gedacht war.
Für die Trace des Scheiteltunnels
wurden fUnf verschiedene Fälle studirt,
und zwar :
a) Mit Anlage des Tunneleinganges
nächst Stuben [1406 m über dem Meere]
und des Tunnelausganges im Arlthale
[1451 m Über dem Meere] bei einer
geraden Länge von 5'5 km und einer
Bauzeit von elf Jahren ;
b) mit Beibehaltung derselben Tunnel-
Fortale wie früher, jedoch gebrochener,
6'4 km langer Trace, welche die Anlage
zweier Hilfsschächte, und somit die
Keducirung der Bauzeit auf sieben Jahre
ermöglichen sollte;
c) mit Anlage des Tunnel -Portal es
nächst Stuben in der Meereshöhe von
1410 in und des Tunnel ausganges in
der Marchthalschlucht oberhalb St.
Anton [1368 m über dem Meere] bei
gebrochener, 6-8 km langer Trace, wel-
che die Anlage zweier Hilfsschächte er-
möglichte und für 7'/i Jahre Bauzeit
berechnet war;
d) mit dem Tunneleingange bei Stu-
ben [1410 in über dem Meere] und dem
Ausgange in der Moccaschlucht bei
St. Anton [1330 m über dem Meere]
in gerader, 7 '6 km langer Trace mit
einem Hilfsschachte und einer Bauzeit
von 8 '/, Jahren ;
e) mit dem Tunnelein gange bei
Langen [1210 m über dem Meere] und
dem Ausgange bei St. Jacob [1260 m
über dem Meere], bei einem i2'4 km
langen , in seiner Richtung zweimal
gebrochenen Tunnel, dessen Bauzeit mit
Zuhilfenahme von drei Schächten auf
8 '/» Jahre veranschlagt war.
Bei Berechnung der obigen Bauzeiten
waren die beim Baue des Mont Cenis-
Tunnels mit maschineller Kraft betriebenen
Gesteinsbohrer und die beiderseits des
Arlberges zu diesem Zwecke zu Gebote
stehenden Wasserkräfte als Grundlage an-
genommen. Wiederholte, aus Männern
der Bau- und Betriebspraxis zusammen-
gesetzte Expertisen sprachen sich im
Interesse des künftigen, möghchtt unge-
störten Bestandes und Betriebes der Bahn
für die tiefste, somit längste Tunnelanlage
aus; bezüglich der Zufahrtsrampen wurde
die westliche mit 29"/ooi die östliche mit
^S'/oo Maximal Steigung, und für den
Minimal -Curvenradius das Mass von
250 *" gewählt.
Bekanntlich gelangte bei dem im
Jahre 1880 begonnenen Bau ein zwischen
den Tunnel- Portalen bei St. Anton und
Stuben gelegener, 10.240 m langer, in
vollkommen gerader Richtung führender
zwei gel eisiger Tunnel zur Ausführung.
Die bei den Zufahrtsrampen Ihatsächlich
in Anwendung gekommenen Maximal-
Neigungs Verhältnisse betragen auf der
Westseite so'j^^, auf der Ostseite 257nn-
Der Inangriffnahme des Tunnelbaues
hatte noch eine besondere geodätische
Arbeit voranzugehen, d. i. die Absteckung
und Fiximng der Tunnelaxe. Die bei ge-
ringeren Tnnnellängen und unter günsti-
geren Terrain Verhältnissen sonst übliche
Methode der Tunnelaxen-Fixirung durch
directe Absteckung oder mit Hilfe eines
relativ kurzen Polygonzuges auf Grund
einer gemessenen Basis konnte beim
Arlberg nicht in Anwendung kommen ;
vielmehr musste angesichts der bedeuten-
den Tunnellänge von mehr als 10 ktn
sowie auch in Anbetracht der ungünstigen
Terrainge staltung des zwischen den bei-
den, in rtefen Thalfalten gelegenen Tunnel-
Portalen sich erhebenden, mitunter sehr
schwer gangbaren Gebirgsstockes, zur
Triangulirung geschritten werden, wozu
das vom k. k, milititr-geo graphischen
Institute behufs einer Landesvermessung
angelegte Triangulirungsnetz eine sehr
willkommene und sichere Basis darbot.
Mittels wiederholter VVinkelmessungen
wurden zunächst nach dem Pothenot'schen
Probleme die geographische Breite und
Länge der beiden Tunnel- Anschlagpunkte,
beziehungsweise deren Lage im Triangu-
lirungsnetze durch Coordinaten festgestellt,
hieraus der Richtungswinkel der Tunnel-
axe sowie deren Länge berechnet. Behufs
schärferer Controle dieser Arbeit wurde,
von der Ostseite aus beginnend, die
Richtung der Tunnelaxe über das Gebirge
hinweg bis zum Westportale und darüber
hinaus verlängert, durch Ausstecken der
geraden Linie über das Gebirge hinweg
nach erzielter Coincidenz der Resultate
die beiderseitigen Observatorien fixirt und
mittels Rep&re punkten versichert.
Bei der Berechnung der Kosten und
der Bauzeit für diesen tiefliegenden Tunnel
wurden die mittlerweile beim Bau des
G Ott hard- Tunnels gewonnenen günstigen
Erfahrungen zugrunde gelegt, nach
welchen sowohl mit der durch com-
primirte Luft betriebenen Percussions-
Bohrmaschine von Ferroux, als auch mit
der seit 1877 bekannt gewordenen, durch
einen Wasserdruck von 80—100 Atmo-
sphären bewegten Drehbohrmaschine von
Brandt ein durchschnittlicher Fortschritt
des St ollen vortriebe 3 von 3 «t pro Tag
erzielt werden konnte.
Als ein Fortschritt auf dem Gebiet
der Tracenlegung ist die bei der Aus-
führung der Arlberg-Bahn in Anwendung
gekommene und in der Folge für alle
Bahnanlagen zur Norm erhobene Aus-
gleichung der Nivellette zu verzeichnen.
Ausgehend von der Thatsache, dass die
Bewegung der Fahrbetriebsmittel in den
BahnkrUmmungen wegen der vermehrten
Reibung und in den Tunnelstrecken wegen
der feuchten Schienenoberfläche einen
grösseren Widerstand ertUhrt als in den
geraden offenen Strecken, verfolgt die
erwähnte Ausgleichung der Nivellette
bekanntlich den Zweck, die Schwankungen
der Zugs widerstände auf Grund eines
speciellen CalcUls dadurch möglichst aus-
zugleichen, dass die auf die Gesammt-
länge entfallende Durch Schnittssteigung
in den Bogenstrecken nach dem Masse
des Curvenradius und in den Tunnel-
strecken entsprechend deren Länge er-
mässigt, dagegen in den geraden Strecken
im proportionalen Verhältnisse verg^össert
wird. Ein weiterer Fortschritt lag auch in
der, den ruhigeren Gang der Fahrbetriebs-
mittel bezweckenden Anordnung parabo-
lischer Uebergangs-Curven bei den Bogen-
Ein- und Ausläufen an Stelle der schon
viel früher gebräuchlichen Korbbogen.
Derselben Zeitperiode, wie die Vor-
arbeiten für die Arlberg - Bahn, ent-
übte ihre verhängnisvolle Rückwirkung
auch auf die Bahnuntemehmungen aus.
Zwar nahm der Ausbau der damals
schon concessionirten und finanziell
sichergestellten Bahnlinien, worunter die
Salzburg-Tiroler Bahn, die Mährisch-
schlesische Centralbahn, die Wien-Potten-
dorf-Wiener-Neustädter Bahn und ver-
schiedene Nebenlinien grösserer Bahn-
untemehmungen zählen, seinen unge-
störten Verlauf; für die Creirung neuer
stammt auch die Localbahn von Nuss-
dorf auf den Kahlenberg, der erste Re-
präsentant einer Zahnradbahn in Oester-
reich. Dieselbe ist nach dem System
Riggenbach, mit normaler Spurweite,
einer Maximal-Steigung von iOO%o und
dem Minimal-Curvenradius von i8o tn
angelegt.
Mittlerweile dauerte der schon im
Vorhergehenden erwähnte allgemeine
Aufschwung auf dem Gebiete neuer
Bahnuntemehmungen noch bis gegen
das Jahr 1873 an. Die um diese Zelt
■in allen Zweigen industrieller, wirth-
schaftlicher und namentlich finanzieller
Thätigkeit eingetretene schwere Krisis
Linien war jedoch jede Unternehmungs-
lust geschwunden, so dass sich die Re-
gierung veranlasst fand, die Mittel für
Eisenbahnbauten unter Benützung des
Öffentlichen Credltes zu beschaffen. ^
Auf Grund des im Jahre 1873 erlassenen
Gesetzes wurden zunächst Special-Cre-
dite für den Bau der Istrianer Bahn, der
Tarn6w-Leluch6wer Bahn, der Dalma-
tiner Bahnen und der Linie Rakonitz-
Protivin bewilligt. In den bis zum Jahre
1876 reichenden Zeitraum fällt noch die
Erweiterung der Concession der Kron-
prinz Rudolf-Bahn für die Linien Villach-
Tarvis, Hieflau-Eisenerz und Salzkammer-
gut-Bahn, ausserdem für Leobersdorf-St.
2CO
Karl Werner.
Polten mit Zweiglinien nach Gutenstein und
Gaming ; in das Jahr 1878 fällt die Conces-
sions- Verleihung für die Eisenbahn Wien-
Aspang. — Das Jahr 1879 bezeichnet ein
vollkommener Stillstand der Privatbestre-
bungen und beschränkte sich der Zuwachs
neuer Tracen auf die in Staatsregie unter-
nommene Herstellung von Tarvis-Pontafel,
Unterdrauburg- Wolfsberg, Mürzzuschlag-
Neuberg, Kriegsdorf- Römerstadt und
Ebersdorf-Würbenthal.
Ein neues Feld der allmählichen Ent-
wicklung fanden die Privatunternehmun-
gen erst wieder mit dem im Jahre 1879
erflossenen Localbahn- Gesetze, welches
sowohl für die Concessionirung als auch
für Anlage, Ausführung und Betrieb von
Localbahnen umfassende Erleichterungen
gewährte. Diesem zunächst nur für drei
Jahre, nachher jedoch für eine längere
Giltigkeitsdauer erstreckten Gesetze ver-
dankt eine sehr grosse Anzahl theils
normal-, theils schmalspuriger Local-
bahnen in fast allen Ländern der
Monarchie ihr Entstehen.
Inzwischen hatte der allmähliche
Wiederaufschwung der Eisenindustrie das
schon früher gefühlte Bedürfnis, die um
die Gewinnung und Verhüttung der
Bergproducte des steirischen Erzberges
beflissenen Orte Eisenerz und Vordem-
berg mittels eines directen Schienenweges
zu verbinden, zur unabweislichen Noth-
wendigkeit gesteigert. — Wohl waren
zur Herstellung dieser Verbindung schon
wiederholt Tracenstudien unternommen
worden, die Realisirung einer Adhäsions-
bahn scheiterte jedoch 'an der Ungunst
der örtlichen Verhältnisse. Zwischen der
in einer Meereshöhe von 692 m gelegenen
Ausgangsstation Eisenerz und der in der
Meeres-Cote von 768 m gelegenen An-
schlussstation Vordemberg, welche eine
directe Horizontal-Entfemung von kaum
13 km trennt, erhebt sich der Prebichl-
pass mit der Höhenlage von 1230 w.
Die bei Anwendung des Adhäsions-
Systems relativ günstigste Trace hätte
ihren Aufstieg von Eisenerz aus zimächst
mit einer Entwicklung in der Ramsau
und im hinteren Erzbergthale, und nach
Durchbrechung des Reichensteines mittels
eines 4000 m langen Tunnels ihren
Abstieg mit einer Entwicklung im Göss-
bach- und Krumpenthal gefunden. Diese
circa 26 ktn lange Linie hätte an die
Leoben- Vordernberger Bahn bei Hafaing
angeschlossen und sonach ihren eigent-
lichen Zweck, die Einbeziehung der
Vordernberger Werke, gänzlich verfehlt,
weshalb auch die Oesterreichisch-alpine
Montan -Gesellschaft von dieser Aus-
führung abstand.
Die unterdess in anderen Ländern
mit dem Abt'schen gemischten Betriebs-
systeme erzielten günstigen Erfahrungen,
welche bei gleichzeitiger Nutzbarmachung
der Adhäsion und der Zahnstange die
Bewältigung grosser Nutzlasten auf sehr
starken Steigungen gewährleistete, führten
endlich zur rationellen Lösung der ge-
stellten Aufgabe.
Auf Gmnd der im Jahre 1888 er-
flossenen Concession wurde die normal-
spurige Verbindungslinie für gemischtes
Betriebssystem hergestellt; dieselbe er-
hebt sich von Eisenerz aus unter wieder-
holter Anwendung des Steigungsverhält-
nisses von 7 1 ^Iqq . imd des Minimal-
Krümmungshalbmessers von 180 f« an
den Hängen der Ramsau, durchfährt
nach einer vollen Wendung im hinteren
Erzbergthale den Erzberg mittels eines
1394 m langen Tunnels und nach weiterer
Ansteig^ung im Hochgerichtsgraben den
Prebichlpass mit einem 591 w langen
Tunnel, worauf sie sich an der linken
Lehne des Vordernberger Thaies zur An-
schlussstation Vordemberg herabsenkt.
Die Länge der Linie beträgt 20 km^ der
Culminationspunkt im Prebichl-Tunnel
liegt in der Meeres-Cote von 1205 m.
Zur Abwehr der dem Bahnbetriebe
aus dem Lawinengebiete des Reichen-
steines drohenden Gefahren erschien die
Anlage umfassender Schutzbauten nöthig,
woraus sich die Nothwendigkeit einer bis
in die Hochregion reichenden Terrain-
aufnahme ergab; hiebei kam ausser
dem tachymetrischen auch das photo-
grammetrische Verfahren in Anwendung.
Das Wesen der gegenwärtig noch im
Entwicklungsstadium befindlichen Photo-
grammetrie besteht bekanntlich darin,
dass von zwei oder mehreren ihrer
Situirung und Höhenlage nach bekannten
Punkten aus photographische Bilder des
betrefl'enden Gebietes hergestellt werden,
Tracirung.
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Karl Werner.
Polten mit Z weiglinien nach Gutenstein und ' _bj
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Tradrung.
201
aus welchen sich nach Identificirung mar-
kanter Terrainpunkte, auf ähnliche Weise
wie bei der Messtischaufnahme, durch
Rayoniren und Schneiden oder auf
sonstigem graphischen Wege eine mehr
oder minder präcise Charakterisirung der
Bodengestaltimg entwickeln und in Form
von Schichtenplänen darstellen lässt.
Dem bisher im retrospectiven Sinne
verfolgten Theile des Entwicklungsganges
der österreichischen Eisenbahnlinien reiht
sich noch die Betrachtung über die der
nächsten Zukunft vorbehaltenen Fragen
jener Bahntracen an, welche die Ver-
bindung des Seehafens von Triest mit
den nördlichen und nordwestlichen Pro-
vinzen des Reiches bezwecken. Bei
Betrachtung der allgemeinen geographi-
schen Lage dieses Emporiums öster-
reichischen Seehandels fällt sofort in die
Augen, dass die directe Schienenverbin-
dung gegen Norden durch mehrere
mächtige Gebirgssysteme erschwert wird,
deren Hauptrichtung von Ost nach West
verläuft. Es sind dies zunächst die
Ketten der Julischen Alpen und der
Karawanken, weiter nördlich die Tauern.
Die im Laufe der letzten Jahre seitens
der Regierung unternommenen Tracen-
studien und Projectirungsarbeiten um-
fassten ein sehr vielseitiges und reich-
haltiges Materiale für die Lösung der
gestellten technischen Fragen. Bei der
Aufstellung der Projecte wurde an dem-
Grundgedanken festgehalten, dass die
intendirten Bahnlinien nicht den Local-
bedürfhissen der durchzogenen Länder-
gebiete, sondern den Zwecken eines
grossen Durchzugsverkehres zu dienen
haben werden.
Für die Ueberquerung der Tauem
wurden zehn verschiedene Varianten
studirt, welche in ihren Hauptrichtungen
den Thalbildungen von Feiben, Fusch,
Rauris, Gastein, Gross-Arl, Flachau und
Taurach am Nordhange, und jenen von
Isel, MöU, Fragant, Malta und Lieser-
bach am Südhange sowie den inzwischen
möglichen Combinationen entsprechen.
Unter diesen zehn Varianten nehmen
insbesondere zwei ein hervorragendes
Interesse in Anspruch, und zwar:
I. Jene für reines Adhäsions-System
mit der Maximalsteigung von 25 %o
entwickelte, circa 77 ktn lange Linie,
welche, von der Station Schwarzach-St.
Veit der k. k. Staatsbahnlinie Salzburg-
Wörgl ausgehend, sich über Loibhorn
durch das Gasteinerthal bis Böckstein
erhebt, den Gebirgskamm mittels eines
8470 nt langen, in der Meeres- Co te von
1225 m culminirenden Scheiteltunnels
durchbricht und sodann über Malnitz
und Obriach, längs dem Möllthale ab-
fallend, ihren Anschluss an die Puster-
thal-Bahn bei Möllbrücken [nächst Sach-
senburg] findet.
2. Die mit 40%o Maximalsteigung
für gemischtes [Adhäsions- und Zahnrad-]
System projectirte, 83 km lange Linie,
die, von der Station Eben der k. k. Staats -
bahnlinie Selzthal - Bischofshofen ausge-
hend, zunächst durch das Flachauthal
bis gegen die Gasthofalpe ansteigt, den
Gebirgskamm unter der Permut oder
Grosswand mittels eines in 1253 w cul-
minirenden, 8710 tn langen Tunnels
durchfährt, hierauf dem Zeder haus thale
bis gegen Schellgaden folgt und nach
Durchbrechung des Katschberges mittels
eines 5050 in langen Tunnels, über
Rennweg, Eisentratten und Gmünd durch
das Lieserthal zum Anschluss an die
Station Spital an der Drau führt.
Für die weitere Fortsetzung dieser
Linie gegen Süden kommen drei grosse
Alternativprojecte in Betracht, und zwar
[vgl. Abb. 100]:
a) Eine Linie von Tarvis ausgehend
über den Predil und längs des Isonzo-
flusses bis Görz.
Die Baulänge Tarvis-Görz würde
99 Äw, die Schienenlänge zwischen
Tarvis und Triest 181 k^n betragen.
Der in 790 m Höhe culminirende Scheitel-
tunnel würde eine Länge von 3550 ^'^
erhalten.
b) Eine Linie von Klagenfurt be-
ginnend und nach Ueberquerung des
Rosenthaies über den Loibl-Pass, Neu-
marktl, Bischoflack, sodann längs des
Sayrachthales aufwärts über die Höhen
des Bimbaumer Waldes nach DivacSa.
Die Baulänge dieser Linien würde
162 km^ die Schienenlänge zwischen
Klagenfurt und Triest 195 hn betragen.
Der Culminationspunkt auf dem Loibl, in
dem 4680 m langen Scheiteltunnel wäre
Karl Werner.
813 tn, jener des Bimbaumer Waldes ;
780 tn hoch gelegen. 1
c) Eine Linie von Klagenfurt be-
ginnend durch das Bärenthal, nach Tunne-
lirung des Karawankenzuges über Veldes >
und Wocheiner- Feistritz, sodann nach
Durch qiierung der Julis chen Alpen längs
des Bafathales abwärts bis St. Lucia
[bei Tolmein] und weiter im Isonzothale
bis Görz.
Die Baulänge dieser Linie würde
125 km, die Schienenlänge Klagenfurt-
Görz-Triest 182 km betragen. Die beiden
Haupttunnele würden zusammen eine
Länge von 16.235 *" repräsentiren. Der
Culminationspunkt im Karawanken-
Tunnel läge 602 wi über dem Meeres-
niveau.
Bezüglich dererforderlichen Baukosten '
weist die Predil-Linie die niederste, die
Wocheiner Linie die höchste Summe auf.
Ein gegenseitiger Vergleich der alt-
gemeinen Neigungsverhältnisse fUhrt bei
Einrechnung der durch Gegen gefalle,
beziehungsweise Gegensteigungen ver-
lorenen Hohen zu dem Resultate, dass
in der Richtung Tri est- Klagen fürt von
der Wocheiner Linie 880 m, von der
Predil-Linie 1080 m, von der Loibl-Lack-
DivaCa-Linie 1600 «i zu ersteigen, da-
gegen in umgekehrter Richtung in cor-
respondirender Ordnung die Hfthen von
420, 650 und ifjom zu bewältigen sind.
Für die zwischen den genannten
drei Altemativ-Tracen, beziehungsweise
zwischen den einzelnen Tauern- Varianten
zu treffende Wahl lässt sich jedoch aus
den angeführten bau- und betriebstech-
nischen Daten eine peremptorische Ent-
scheidung nicht ableiten, nachdem ange-
sichts des weitausgreifenden Zweckes
dieser grossen Durchzugslinie, den
nationalöconomischen, commerziellen,
eisenbahnpolitischen und militärischen
Interessen ein prävalirender Eintluss auf
die Tracewahl eingeräumt werden muss.
Unter- und Oberbau.
Von
dipl. Ingenieur Alfred Birk,
(). ö. Professor an der k. k. deutschen techaUchen Hochschule in Pragf, Eisenbahn-Obering^enieur a. I).
Aus zwei streng gesonderten Theilen
baut sich der Weg der Locomo-
^ tive auf. Bezeichnend nennt sie
der Fachmann Unterbau und Oberbau.
Der Unterbau gleicht die Höhen und
Tiefen des Geländes aus, überbrückt
Thäler, Flüsse und Strassen, unterfährt
Wege und Canäle, durchquert Sümpfe
und durchbricht das Gebirge, um eine
ebene und solide Grundlage für den
Oberbau zu schaffen, der durch sein
starres GefUge die Fahrzeuge in vorge-
schriebene Bahnen zwingt und der uner-
schütterlich Stand halten soll der Wucht,
mit der Locomotive und Wagen an den
unscheinbaren Fesseln rütteln.
Dämme und Einschnitte, Tunnels,
Brücken und Durchlässe, Wegüb erfuhrun-
gen und Wegekreuzungen in Schienen-
höhe, Schutzbauten gegen Schnee- und
Sandstürme, gegen Lawinen und Fels-
stürze, gegen das Wasser, es mag nun
im Innern der Erdkörper heimtückisch an
deren Bestände wühlen oder offen seine
Fluthen zerstörend gegen die Dämme
wälzen — alle diese Einzelheiten des
Locomotivweges umschliesst das weite
Gebiet des Unterbaues, während der
metallene Strang, über den die Räder
rollen, die Schwellen, die ihn stützen,
das Schotterbett, auf dem diese ruhen,
sich in den Begriff des Oberbaues
fügen.
Die Aufgabe, eine Entwicklungs-
geschichte des Unter- und Oberbaues zu
schreiben, ist nicht leicht. Die Gebilde
des Bau- Ingenieurs üben auf den Fem-
stehenden nicht jene Anziehungskraft
aus, wie die von Leben durchströmten
Schöpfungendes Locomotiv-Constructeurs.
Aber auch die U eberfülle des Stoffes
erschwert dessen Sichtung, dessen
genaue Darstellung. Auf zahlreichen
Wegen stiegen die Ingenieure von den
Anfängen des Eisenbahnbaues zu der
hohen Stufe der Ausbildung empor, auf
der sie heute stehen; aber auf diesen
steilen Pfaden erreichten sie einzelne,
mächtig hervortretende Höhepunkte, wel-
che sprungweise die allmähliche Entwick-
lung kennzeichnen; es sind die kühnen
Gebirgsbahnen, deren Bau den Ruhm
der österreichischen Ingenieure begrün-
dete. Die Alpen, die den schönsten
natürlichen Schmuck unseres Vaterlandes
bilden, bergen zugleich jene Wunder-
werke der Baukunst, die den Ruhm
unserer Ingenieure verkünden.
Die Boden gestaltung unserer Mon-
archie hatte dem österreichischen Bahn-
baue grosse Schwierigkeiten entgegen-
gestellt. Aber gerade deren Bekämpfung
erweckte seine besten Kräfte, und seine
Erfolge machten ihn zur Schule für den
ganzen Conti nent.
An jene Meisterwerke des öster-
reichischen Bahnbaues wird unsere Ge-
schichte immer wieder anknüpfen müssen,
um dem Leser ein thunlichst vollendetes
Bild vor Augen zu führen.
^
Aus zwei streng gesonderten Theilen
baut sich der Weg der Locomo-
^ tive auf. Bezeichnend nennt sie
der Fachmann Unterbau und Oberbau.
Der Unterbau gleicht die Höhen und
Tiefen des Geländes aus, überbrückt
Thäler, Flüsse und Strassen, unterfährt
Wege und Canäle, durchquert Sümpfe
und durchbricht das Gebirge, um eine
ebene und sohde Grundlage für den
Oberbau zu schaffen, der durch sein
starres GefUge die Fahrzeuge in vorge-
schriebene Bahnen zwingt und der uner-
schütterlich Stand halten soll der Wucht,
mit der Locomotive und Wagen an den
unscheinbaren Fesseln rütteln.
Dämme und Einschnitte, Tunnels,
Brücken und Durchlässe, Wegüberführun-
gen und Wegekreuzungen in Schienen-
höhe, Schutzbauten gegen Schnee- und
Sandstürme, gegen Lawinen und Fels-
stürze, gegen das Wasser, es mag nun
im Innern der Erdkörper heimtückisch an
deren Bestände wühlen oder offen seine
Fluthen zerstörend gegen die Dämme
wälzen — alle diese Einzelheiten des
Locomotivweges umschliesst das weite
Gebiet des Unterbaues, während der
metallene Strang, über den die Räder
rollen, die Schwellen, die ihn stützen,
das Schotterbett, auf dem diese ruhen,
sich in den Begriff des Oberbaues
fügen.
Die Aufgabe, eine Entwicklungs-
geschichte des Unter- und Oberbaues zu
schreiben, ist nicht leicht. Die Gebilde
des Bau-Ingenieurs üben auf den Fern-
stehenden nicht jene Anziehungskraft
aus, wie die von Leben durchströmten
Schöpfungen des Locomotiv-Constructeurs.
Aber auch die Ueberfülle des Stoffes
erschwert dessen Sichtung, dessen
genaue Darstellung. Auf zahlreichen
Wegen stiegen die Ingenieure von den
Anfängen des Eisenbahnbaues zu der
hohen Stufe der Ausbildung empor, auf
der sie heute stehen; aber auf diesen
steilen Pfaden erreichten sie einzelne,
mächtig hervortretende Höhepunkte, wel-
che sprungweise die allmähliche Entwick-
lung kennzeichnen: es sind die kühnen
Gebirgsbahnen, deren Bau den Ruhm
der österreichischen Ingenieure begrün-
dete. Die Alpen, die den schönsten
natürlichen Schmuck unseres Vaterlandes
bilden, bergen zugleich jene Wunder-
werke der Baukunst, die den Ruhm
unserer Ingenieiu'e verkünden.
Die Bodengestaltung unserer Mon-
archie hatte dem österreichischen Bahn-
baue grosse Schwierigkeiten entgegen-
gestellt. Aber gerade deren Bekämpfung
erweckte seine besten Kräfte, und seine
Erfolge machten ihn zur Schule für den
ganzen Conti nent.
An jene Meisterwerke des öster-
reichischen Bahnbaues wird unsere Ge-
schichte immer wieder anknüpfen müssen,
um dem Leser ein thunhchst vollendetes
Bild vor Augen zu führen.
Aus zwei streng gesonderten Theilen
baut sich der Weg der Locomo-
^ tive auf. Bezeichnend nennt sie
der Fachmann Unterbau und Oberbau.
Der Unterbau gleicht die Höhen und
Tiefen des Geländes aus, überbrückt
Thäler, Flüsse und Strassen, unterfährt
Wege und Canäle, durchquert Sümpfe
und durchbricht das Gebirge, um eine
ebene und solide Grundlage für den
Oberbau zu schaffen, der durch sein
starres GefUge die Fahrzeuge in vorge-
schriebene Bahnen zwingt und der uner-
schütterlich Stand halten soll der Wucht,
mit der Locomotive und Wagen an den
unscheinbaren Fesseln rütteln.
Dämme und Einschnitte, Tunnels,
Brücken und Durchlässe, Weg Überführun-
gen und Wegekreuzungen in Schienen-
höhe, Schutzbauten gegen Schnee- und
Sandstürme, gegen Lawinen und Fels-
stürze, gegen das Wasser, es mag nun
im Innern der Erdkörper heimtückisch an
deren Bestände wühlen oder oifen seine
Fluthen zerstörend gegen die Dämme
wälzen — alle diese Einzelheiten des
Locomotivweges um seh lies st das weite
Gebiet des Unterbaues, während der
metallene Strang, über den die Räder
rollen, die Schwellen, die ihn stützen,
das Schotterbett, auf dem diese ruhen,
sich in den Begriff des Oberbaues
fügen.
Die Aufgabe, eine Entwicklungs-
geschichte des Unter- und Oberbaues zu
schreiben, ist nicht leicht. Die Gebilde
des Bau-Ingenieurs üben auf den Fem-
stehenden nicht jene Anziehungskraft
ans, wie die von Leben durchströmten
Schöpfungendes Locomotiv-Constructeurs.
Aber auch die Ueberfülle des Stoffes
erschwert dessen Sichtung, dessen
genaue Darstellung. Auf zahlreichen
Wegen stiegen die Ingenieure von den
Anfängen des Eisenbahnbaues zu der
hohen Stufe der Ausbildung empor, auf
der sie heute stehen ; aber auf diesen
steilen Pfaden erreichten sie einzelne,
mächtig hervortretende Höhepunkte, wel-
che sprungweise die allmähliche Entwick-
lung kennzeichnen: es sind die kühnen
Gebirgsbahnen, deren Bau den Kuhm
der österreichischen Ingenieure begrün-
dete. Die Alpen, die den schönsten
natürlichen Schmuck unseres Vaterlandes
bilden, bergen zugleich jene Wunder-
werke der Baukunst, die den Ruhm
unserer Ingenieure verkünden.
Die Bodengestaltung imserer Mon-
archie hatte dem österreichischen Bahn-
baue grosse Schwierigkeiten entgegen-
gestellt. Aber gerade deren Bekämpfung
erweckte seine besten Kräfte, und seine
Erfolge machten ihn zur Schule für den
ganzen Conti nent.
An jene Meisterwerke des öster-
reichischen Bahnbaues wird unsere Ge-
schichte immer wieder anknüpfen müssen,
um dem Leser ein thunlichst vollendetes
Bild vor Augen zu führen.
ALS zwei streng gesonderten Theilen
baut sich der Weg der Locomo-
^ tive auf. Bezeichnend nennt sie
der Fachmann Unterbau und Oberbau.
Der Unterbau gleicht die Höhen und
Tiefen des Geländes aus, überbrückt
Thäler, Flüsse und Strassen, unterfährt
Wege und Canäle, durchquert Sümpfe
und durchbricht das Gebirge, um eine
ebene und soHde Grundlage für den
Oberbau zu schaffen, der durch sein
starres GefÜge die Fahrzeuge in vorge-
schriebene Bahnen zwingt und der uner-
schütterlich Stand halten soll der Wucht,
mit der Locomotive und Wagen an den
unscheinbaren Fesseln rütteln.
Dämme und Einschnitte, Timnels,
Brücken und Durchlässe, WegOberführun-
gen und We gekreuzungen in Schienen-
höhe, Schutzbauten gegen Schnee- und
Sandstürme, gegen Lawinen und Fels-
stürze, gegen das Wasser, es mag nun
im Innern der Erdkörper heimtückisch an
deren Bestände wühlen oder offen seine
Fluthen zerstörend gegen die Dämme
wälzen — alle diese Einzelheiten des
Locomotivweges umachliesst das weite
Gebiet des Unterbaues, während der
metallene Strang, über den die Räder
rollen, die Schwellen, die ihn stützen,
das Schotterbett, auf dem diese ruhen,
sich in den Begriff des Oberbaues
ftigen.
Die Aufgabe, eine Entwicklungs-
geschichte des Unter- und Oberbaues zu
schreiben, ist nicht leicht. Die Gebilde
des Bau-Ingenieurs üben auf den Fem-
stehenden nicht jene Anziehungskraft
aus, wie die von Leben durchströmten
Schöpfungen des Locomotiv-Constructeurs.
Aber auch die Ueb erfülle des Stoffes
erschwert dessen Sichtung, dessen
genaue Darstellung. Auf zahlreichen
Wegen stiegen die Ingenieure von den
Anfilngen des Eisenbahnbaues zu der
hohen Stufe der Ausbildung empor, auf
der sie heute stehen ; aber auf diesen
steilen Pfaden erreichten sie einzelne,
mächtig hervortretende Höhepunkte, wel-
che sprungweise die allmähliche Entwick-
lung kennzeichnen: es sind die kühnen
Gebirgsbahnen, deren Bau den Ruhm
der österreichischen Ingenieure begrün-
dete. Die Alpen, die den schönsten
natürlichen Schmuck unseres Vaterlandes
bilden, bergen zugleich jene Wunder-
werke der Baukunst, die den Ruhm
unserer Ingenieure verkünden.
Die Boden ges taltun g unserer Mon-
archie hatte dem österreichischen Bahn-
baue grosse Schwierigkeiten entgegen-
gestellt. Aber gerade deren Bekämpfung
erweckte seine besten Kräfte, und seine
Erfolge machten ihn zur Schule für den
ganzen Continent,
An jene Meislerwerke des Öster-
reichischen Bahnbaues wird unsere Ge-
schichte immer wieder anknüpfen müssen,
um dem Leser ein thunhchst vollendetes
Bild vor Augen zu führen.
2o6
Alfred Birk.
Eisenbahn-Unterbau .
Erdball,
Zu jener Zeit, da in Oesterreich die
ersten Schienenwege gebaut wurden,
war der Erdbau bereits — in Praxis
wie in Theorie — durch die hervor-
ragenden Leistungen auf dem Ge-
biete des Strassenbaues auf einer ver-
hältnismässig hohen Stufe der Entwicklung
angelangt. Und wenn auch die damalige
Constructionsweise und Bauausführung
uns heute bescheiden erscheinen mag, so
gentigte sie doch den Anforderungen,
welche der Bau der ersten Bahnen an
sie stellte. Aber die Unvertrautheit mit
dem künftigen Verhalten der Bauten unter
den schweren und rascher bewegten
Lasten trug ein neues Moment in den
Erdbau hinein, indem sie anfangs zu
besonderer, ja vielfach übertriebener Vor-
sicht bei dem Baue der Erdkörper im
Hinblick auf ihre Widerstandsfähigkeit
Veranlassung gab. So erachtete Franz
Anton Ritter von Gerstner, der Schöpfer
der ersten Eisenbahn Oesterreichs, die
Erdprofile der Landstrassen bei den hohen
Dämmen der Linz-Budweiser Bahn nicht
für genügend, um den Senkungen der
Bahn vorzubeugen, sondern baute in den
Erdkörper unter jedes Geleise eine mäch-
tige Steinmauer ein, die auf dem gewach-
senen Boden ruhte und die er bei be-
sonders hohen Dämmen bis zum Geleise
hinaufreichen Hess.*) [Abb. 59—61.] Diese
kostspielige Bauweise wurde bereits von
Schönerer, der den Weiterbau der Linie
übernahm, verlassen, und bald bildeten sich
jene Damm- und Einschnittsprofile heraus,
*) Um allzuhäufige Hinweise auf die
allgemeine Geschichte der österreichischen
Eisenbahnen zu vermeiden, sei hier ein für
allemal auf die »Geschichte der Eisen-
bahnen in Oesterreich-Ungarn von
den ersten Anfängen bis zum Jahre 1867«
von Hermann St räch und auf die »Ge-
schichte der Eisenbahnen Oester-
reichs von 1867 bis zur Gegenwart« von
Ignaz Konta im I. Bande dieses Werkes hin-
gewiesen. Diese Abschnitte enthalten nebst
der Baugeschichte und Tracenbeschreibung
der einzelnen Bahnen auch zahlreiche Ab-
bildungen der wichtigsten Bauwerke, die
vielfach auch in diesem Abschnitte zur
Spraclie kommen.
deren Formen zu den heutigen hinüber-
führten. Lange Zeit erachtete man es
aber noch für noth wendig, die Dämme
nur in 6" [16 cm] hohen Lagen aufzu-
tragen und auszugleichen und sie durch
Feststossen vor künftigen Setzungen zu
bewahren, bis die Erfahrung auch diese
Massregeln als überflüssig über Bord
warf.
Die erste Locomotiv-Eisenbahn Oester-
reichs, die Linie von Wien nach Brunn,
erforderte — da ihre Erbauer ängstlich
dem Vorbilde englischer Bauweise folgten
— trotz der günstigen Gestaltung des
Geländes bemerkenswerthe Unterbau-
Objecte und die bedeutende Erdbewe-
gung von 47i Millionen Cubikmetem,
die in der relativ kurzen Zeit vom
Jahre 1837 bis 1839 ausgeführt wurde.
Vgl. Abb. 62 — 64.] Zur raschen Erd-
jeförderung wurden schon damals Kipp-
wagen, die auf Nothbahnen liefen, be-
nützt. Ungleich grössere Schwierig-
keiten bot der Bau der Nordbahn
zwischen Leipnik und Pohl in den
Jahren 1845 bis 1848, wo der 2800 m
lange, bis 17 w tiefe Einschnitt durch
die dortige Wasserscheide in wasser-
reichem, von Sand- und Schotterschichten
durchzogenem Lehmboden zu bedeutenden
Rutschungen Anlass gab.
Auch der Bau der Staatsbahn-
linien Olmütz-Prag, Brunn - Mährisch-
Trübau und Mürzzuschlag-Triest stellte
den Erdbau vor grosse Aufgaben. Dämme
von 10 bis 20 m Höhe in quellenreichem
Gelände, Einschnitte von 5 bis 10 t« Tiefe
in thonigem Boden oder in felsigem Ge-
stein, Flussverlegungen, Durchstiche von
Flussarmen, hohe Stütz- und Wandmauem,
Uferschutzbauten und Galerien waren hier
auszuführen und boten mannigfachen An-
lass zu neuen Constructionen. In jener
Zeit wurden die ersten Steinbankette in
scharfen Bögen, die ersten gemauerten
Gräben in wasserreichen Felseinschnitten
zur Anwendung gebracht. Die grossen
Erdmassen verschiedener Festigkeitsgrade
führten zu neueren Gesichtspunkten bezüg-
lich der Ausführung des Erdbaues wie der
Arbeitsauftheilung und der Verwendung
der Arbeitskräfte. In der Strecke Olmütz-
Eisenbahn-Unterbau.
207
CJ,
Prag waren über 1,100.000,
in jener von Mürzzuschlag
nach Graz an 600.000 nt^
Felsen zu sprengen; das
Plateau des Bahnhofes
Steinbrück am Zusammen -
fluss der San mit der Save
bot besondere Schwierig-
keiten, da sein Plateau
theils dem Felsen abge-
rungen, theils durch mäch-
tige Anschüttungen gewon-
nen werden musste ; die tief-
gehende Umwandlung aller
Localverhältnisse erforderte
an Abgrabung 20.000 m^^
an Felsensprengung
200.000 wi^ an Stein würfen
fast 160.000 fn^\ eine nam-
hafte Felsenabsitzung nö-
thigte zu Abscarpirungen
bis 10 und 15 m Höhe über
den Geleisen. [Vgl. Abb. 65.]
Bei der Kostenberech-
nung der Erdarbeiten wur-
den zu jener Zeit die Ein-
heitspreise in Rücksicht auf
die neuen unbekannten Ver-
hältnisse vielfach unge-
wöhnlich hoch angesetzt, so
dass Verdienst und Bau-
kosten nicht immer mit der
Leistung selbst harmonirten.
Erst allmählich lernte man
auch hier die richtigen
Coefficienten ermitteln.
Der Bau der Eisen-
bahn über den Semme-
ring-Pass lenkte den Unterbau, wie
fast alle Zweige des Bahnwesens, auf
neue Pfade des Fortschrittes. Dem Stre-
ben Ghega's, den kühnen Bau aus
technischen und öconomischen Grün-
den möglichst den gegebenen Formen
des Geländes anzuschmiegen, stellten
die zerrissenen und steilen Felsen, die
aussergewöhnliche Unruhe des Terrains,
die eigenartige geologische Beschaflfenheit
des Gebirges die grössten Hindernisse
entgegen. Indem Ghega siegreich alle
Schwierigkeiten überwand, gelang es
ihm, jenen stolzen Bau zu schaffen, der
sich dem Auge darbietet, als wäre er
mit dem Gebirge selbst erstanden und
.^W ^\^
Abb. 5g— 61.
Profile der ersten üsterreichiscben Eisenbabn.
[Linz-Budweis.]
hätte ihn nicht erst Menschenhand in
das Werk der Schöpfung gefügt. Ueber
Thäler und Abgründe spannen sich lange
und hohe, meist im Bogen liegende Brücken
aus Stein; die Erdkörper der Dämme
lehnen sich an kräftige Mörtelmauern,
die dem Boden zu entwachsen scheinen,
Futter- und Wandmauern schützen die
Böschungen der An- und Einschnitte gegen
Rutschung und Einsturz. Der Erdbau tritt
fast ganz zurück ; auf Mauern, die
ununterbrochen folgen, gründet sich der
Oberbau der Bahn. Darum hat Henz die
Semmering-Bahn nicht mit Unrecht
eine gemauerte Bahn genannt. Die ge-
sammte Tunnellänge der Bahn beträgt
'/lo- ^'^ gesammte Viaductlänge '/»g ^^^
ganzen Länge. Auf jedes Meter der
zweige) eisigen Bahn entfallen 15 w*
Mört elm a uenmg.
Bei allen Bauten wendete Ghega
weitgehende, oft zu weitgehende Vor-
sicht an. Wo der Oberbau auf Felsen
zu ruhen kam, Hess er das Gestein
bis 60 cm Tiefe unter den Schwellen
aussprengen und das ausgehobene Ma-
terial wieder zum Trockenmauerwerk
als Seh wellen unterläge aufpacken. Den
j wurde hier jeder Felsvorsprung und jede
I Vertiefung und KlUftung der steilen
! Wand zur Gründung von stützenden
I Mauern verwerthet; unter den grössten
j Gefahren, denen nur muthige Savojarden
I zu trotzen wagten, musste zunächst ein
I schmaler Steig für die Arbeiter der
Felswand abgerungen werden und erst
1 dann konnte der Ausbruch der Galerien
: beginnen.
I In die Zeit des Baues der ersten
I Gebirgsbahn fällt auch ein anderer her-
Abb. 6j. Dammprofil
Mauerstärken gab er aus Sicherheits-
rUcksichten und im Hinblick auf die
geringe Lagerhaftigkeit des Baumaterials
öfter ein Mass, das die durch die Er-
fahrung gebotenen Grenzen überstieg.
Den schwersten Theil der Arbeiten
bildete die Schaffung des Bahnkörpers
entlang der etwa 1200 nt langen Wein-
zettelwand, jenes steilen Felsens, der aus
der Tiefe des Adlitzgrabens fast senk- 1
recht bis auf die Hohe von 250 m empör- ^
steigt. Die Bedenken, welche gegen
einen Tunnel wach wurden, zwangen zu >
einer Umgehung der Wand, wodurch [
theilweise ein Durchhruch von Felsen, i
theilweise der Einbau überwölbter Gale- '
rien nothwendig erschien. Mit peinlicher
Sorgfalt und doch mit grosser Kühnheit ;
lei NoidbabD. [I8j7.j
vorragender Bau: die Durchquerung des
Laibacher Moores, jenes berüchtig-
ten Sumpfes von weit über 400 km'
Ausdehnung und stellenweise unergründ-
licher Tiefe. Es schien ein allzu kühnes
Unternehmen, mitten in diese breiige
Masse einen Damm zu stellen von jener
bedeutenden Tragfähigkeit und grosser
Solidität, welche der Schienenweg einer
Locomotive erheischt. Hier musste erst
der trag fähige Untergrimd für den
Damm geschaffen werden. Um den
Bruch zunächst zu entwässern, wurde
in dessen höher hegendem Theil ein
Netz von Canälen angelegt, die das
Wasser durch vier, die Bahnachse recht-
winklig kreuzende Hauptcanäle der Lai-
bach zuführen. Um das seitliche Aus-
Eisenbahn-Unterbau.
Abb. 64. Prolll mit StUUmAU
weichen des künftigen Dammes unter der
Last zu verhindern, befrrenzte man ihn
durch zwei fortlaufende versenkte Wände
aus Trockenmauerwerk, 57 m hoch und
47 tn stark, zwischen welche das Damm-
materia] eingebracht wurde. Diese 7 bis
10 m hohe Schüttung musste mit Rück-
sicht auf kommende Setzungen um 1*5 bis
3 m das künftige Niveau überragen. Erst
unter diesem mächtigen Druck der Stein-
und Erdmassen erhielt das Moor die
nöthige Widerstandsfähigkeit.
Eine grosse Leistung technischen
Könnens forderte die gegen Ende der
Fünfziger-Jahre fallende Ueberschreitung
des rauhen Karstgebirges im Zuge
der Bahnhnie Laibach-Triest. Die
tiefe Schlucht bei Ober-Lesece bot wohl
das schwierigste Hindernis. Da die ersten
Fundirungs- Arbeiten für den ursprünglich
projectirten Viaduct grosse Erdbewegun-
gen befürchten liessen, so wurde die
Uebersetzung mittels eines Dammes aus-
geführt, der bis 45 m Höhe erreicht und
dessen Anschüttung eine Erdmasse von
216.000 m* verschlang. Die AusfUhnings-
bedingnisse schrieben dem Unternehmer
besonders sorgfältige Auswahl und
schichten weise Ausgleichung des An-
schüttungsstoffes vor; da aber die Voll-
endung der Arbeit drängte, so wurde hievon
bald abgesehen, dagegen durch Anlage
von Bermen und durch einen kräftigen
Steinsatz an den Böschungen fiir die
Standfestigkeit des Dammes ausreichend
gesorgt. Den Schutzmassregeln gegen
Schneeverwehungen musste hier
in der Region der steinigen kahlen Höhen
des Karstes besondere Aufmerksamkeit zu-
[Nordbabn, lSj7-1
gewendet werden, da die eisige Bora
die entwaldeten Flächen in wenigen
Stunden vom Schnee entblösst, um ihn
in den natürlichen Mulden wie in den
künstlichen Ein- und Anschnitten haufen-
weise abzulagern. Eingehende Beob-
achtungen führten zur Anwendung
jener bis za $ m hohen schützenden
Trockenmauem, welche die Einschnitte
Abb. 65 Quetprofil der södUchcn SUaHbahucn. [1841. |
auf der von Verwehungen gefährdeten
Seite begleiten und durch die 8 — 15 m
langen Flügel beim Nullpunkte der Ein-
schnitte bemerkenswerth sind. [Vgl. Abb.
66 und 67.]
Das Abgehen von der bis dahin ge-
pflogenen künstlichen Dichtung des Dam-
mes bei der Uebersetzung der Schlucht bei
Ober-Lesece ist ein deutliches Zeichen
von der Klärung der Anschauungen,
14
der die Forderun-
gen der Oecono-
mie: Billigkeit
und Raschheit
' des Baues, in den
Vordergrund stellt.
Die zweite Ge-
birgsbahn, die in
Oesterreich zur
Ausführung ge-
langte, die Bren-
nerbahn, ver-
räth schon deutlich
die neue Richtung,
welche damals die
Bauweise nahm
und die seither im-
mer beharrlicher
ausgebildet wurde.
Die Tendenz der
für die Brenner-
bahn gewählten
Baumethode, deren
s^ Grundsätze von
Etzel aufgestellt
und von Presse!
nach Etzel' s Tode
und vervollkommnet
.. — >..,, lag in der weitest-
gehenden Vereinfachung
aller Bauarbeiten bei voller
Wahrung der Sicherheit und
Gate der Anlage. Man war
ängstlich bemUht, den Bahn-
körper unter Verwendung der in
imiD bei Obcr.I.eti
laecaica
1871.)
welche zum Schluss des sechsten Jahr- '
zebnts auf dem Gebiete des Eisenbahn- ,
baues bemerkbar wird. Ein Umschwung '
in der Baumethode tritt ein, der vor j
Allem an die Namen Etzel und
Pressel*) [Abb. GH] geknüpft ist und
•) Wilhelm Pressel, geboren iSzi in
Stuttgart, studirte petzen den Willen seines '
Vaters in England, wurde iXjs Professor ;
am Stuttgarter Polytechnicum,
nahm als Bau-lnspector am Bau
der Steigbahn bei Geisslingen und
der Eisenbahn von Basel nach
Bruchsal regen Antheil, leitete den
Bau dea Hauenstein -Tunnels auf
, der Schweizer Centralbahn und
cbitcben folgte im Jahre 1862 einem Rufe
zur Südbahn, deren massgebende
Kreise vor Allem auf seine Mit-
wirkung beim Baue der Brennerbahn re-
flectirten. Im Jahre 1868 übernahm Pressel
die Tracirung der türkischen Bahnen. Einer
Einladung zum Bau des G Ol thard -Tunnels
[1877] konnte er, von den >Orientprojecten'
vollauf in Anspruch genommen, nicht Folge
leisten. Nach der Occupatlon Bosniens hatte
ihn das Österreich Ische Kriegs ministen um als
Baudirector für Strassen- und Eisenbahnbau
daselhst in Aussicht genommen. Pressel ist
auch vielfach hervorragend literarisch thätig
Kewesen.
Eisenbahn-Unterbau.
nächster Nähe,
womöglich in den
Bahneinschnit-
ten sich vorfin-
denden Boden -
massen herzu-
stellen und die
Anlage von Mau-
ern, Bi1lcl<cii und
Viaducten einzu-
schränken. »Es
wird auf diese
Weise,« sagt
Pressel in einer Mtt-
theilung über den i
Bau von Thalsperren . 1 — *
an der Breniierbahn,
•das System des
Rohbaues und der
Vereinfachung der
Ausdlhrung auf die
Spitze getrieben im
Gegensatze zu der
leider so häufig an-
gewendeten Metho-
de der Benützung
der schwierigeren
Form des Terrains
zur Anlage impo-
santer aber kostspie-
liger Bauobjecte.«
Der Erdbau tritt
also bei der Brenner-
bahn in reinen und
gewaltigen Formen
auf. Massige An-
schnitte undAufdäm-
mungen ersetzen, be-
günstigt durch die
flachere Neigung der
Lehnen, die sonst Üb-
lichen Futtermauem,
mauern durch Steinsätze verdrängt
sind, die durch blosses Aufschlichten der
Steine gebildet werden. Diese Steinsätze,
die übrigens schon in den Jahren 1861 bis.
1863 auf der Montanbahn von Oravicza
nach Steyerdorf Anwendung gefunden
hatten, wurden in ihrer Construction mit
grosser Sorgfalt den verschiedenen ört-
lichen Verhältnissen angepasst und bilden
eine beachte nswerthe Eigenheit dieser
Bahn. Sie ermöglichten die Herstellung
steilerer Dammböschungen und förderten
SO wesentlich die Oeconomie des Baues.
[Abb. 69—71.,
Die Brennerbahn führt, im Gegensatze
zur Semmeringbahn, durch ein wasser-
reiches Gebiet, ein Umstand, der für
die ganze Anlage des Unterbaues be-
stimmend wurde. Wir finden Wasser-
läufe aus ihrem natürlichen Bett in neue
Ufer gedrängt, als 1 Bachtunnel« durch
Felsen geleitet oder in Aquäducten über
die Bahn weggeführt. Wir begegnen
aber nicht nur horizontalen Verschie-
bungen der Wasserläufe, sondern auch
Correctionen der Flüsse im verticaten
Sinne, bewirkt durch die Hebung der
Thalsohle. [Abb. 72.] Durch neuartige
Drainirungen werden die Böschungen
gegen die Einwirkung der Atmosphäre,
namentlich des
Regens, ge-
schützt, durch
grosse Entwäs-
£ tc serungs-Anla-
<■" gen die Ein-
g5 schnitte gegen
ll das höher lie-
2:^_ gende, reichlich
sEs Wasser führen-
|B- de Gelände ge-
.S sichert. Durch
■S| Schächte und
1^ Stollen, in wel-
Sj che Drainröhren
^5 in Sand- und
l B Kiesbettungen
■S eingelegt sind,
ä wird dem um-
1 gebenden Ge-
3 birge das Was-
^ ser entzogen und
g werden natür-
" liehe, trockene
1^ Widerlager ge-
— schaffen, die
dem Druck des
von Regen und
Schnee erweich-
;,'ten Materiales
;, widerstehen.
/( [Abb. 73 u. 74.]
/. Um bei den
,' '. zahlreichen
J Flussbauten die
Wasserläufe in
ihren neuen Ufern festzuhalten, bedurfte ]
es oft gewaltiger Mittel; so wurden u. A. |
mächtige Porphyrblöcke aus dem Eisack- !
thale, vono-Sbis 1-9»»' Massgehalt, durch I
starke schmiedeeiserne Ketten mit einge- j
gossenen Steinkloben zu Reihen von 10 bis I
20 Stück verbunden an jenen Stellen 1
versenkt, die dem Wasserandrang be- ]
sonderen Widerstand zu leisten hatten. '
Im Siüflusse, zwischen Innsbruck und !
Matrei, wurde
über Pressel's
Anregung ein
grosses Stau-
wehr erbaut,
das die Mög-
lichkeit bot, eine
wilde Schlucht
mit einer einfa-
chen Anschüt-
tung ohne An-
wendung von
Ufermauem zu
scWiessen und
zugleich den
Bewegungen
der zunächst ge-
fährJichenThal-
wand vorzubeu-
gen.
Der Bau der
Brennerb ahn
blieb nicht blos
der vielen neuen
baulichen
Grundsätze we-
gen, sondern
auch hinsicht-
lich der Bau-
durchfüh- ^^^_.^
rung, der Ar-
beits-Disposition auf Jahre hinaus fUr |
die Gestaltung der Unterbau- Arbeiten 1
der österreichischen Bahnen von grund- |
legendem Einfluss. Beim Bau der Futter- I
mauern und anderer Bauwerke in dem |
rutschenden Lehnenterrain gewinnt das '
bergmännische Verfahren mit 1
seinen charakteristischen Zimmerungen
Bedeutung und für den Bau grosser Ein- |
schnitte wurde durch T h o m m e n und 1
Pressel in Oesterreich der sogenannte 1
englische Einschnittsbetrieb ein- 1
gcbtirgert, [Abb. 75.] Bei diesem wird auf ,
.lugiapWi
der Sohle des Einschnittes ein entsprechend
weiter Stollen mit einer Rollbahn angelegt
und an mehreren Stellen desselben Schächte
bis zur Oberfläche des Geländes emporge-
trieben; diese werden allmählich zu Trich-
tern erweitert, indem das gelöste Erdreich
in die im Stollen bereit gehaltenen Roll-
wagen hinabfällt. Der englische Ein-
schnittsbetrieb gestattet bei bedeutenden
Einschnittsmassen die rascheste und bil-
ligste Lösung
und Förderung
der Massen und
verbürgt zu-
gleich die beste
Entwässerung
des abzugra-
benden Gebir-
ges. Beim Bau
der Brenner-
bahn wurde der
etwa 1 50 m
lange und 20 in
tiefe Lavan-
einschnitt, der
95.000 m*
Masse enthielt,
die über 300 m
weit verführt
werden musste,
mit Hilfe von
drei Schächten
in sechs Mona-
ten, der Ein-
schnitt bei Ma-
trei mit dem
halben Massen-
gehalt auch in
der Hälfte die-
'vTn^L^AnEotr wLeni ser Zeit herge-
stellt.
Die raschere Lösung der Massen be-
dingte auch die rasche Entladung der
Fördergefässe. Zu diesem Zwecke wur-
den hohe SchüttgerOste aufge-
stellt, welche die Aufstellung längerer
Züge und die Entleerung aller Wagen
nach beiden Seiten gestatteten und im
Dammkörper belassen wurden. Solche
Schüttgerüste, aus 1 5 bis 20 cm starken
Holzstangen in Gitterform erbaut, er-
reichten auf der Brennerbahn Höhen bis
zu 50 m. Natürlich wirkte die Be-
schleunigung der Schüttungsarbeit auch
Eisenbahn-Unterbau.
auf die weitere Ausbildunir der Con-
struction der Kipp
Das Verfahren
gung fand bei de;
lithe Förderung
durch die An-
wendung des elek-
trischen Funkens
zur Entzündung
grosser, in •Pul-
verkammern« un-
tergebrachter Pul-
vermassen. So
wurden bei der
Abtragung des
Sprechensteines
bei Sterzin g im
Jahre 1867 in einer
einzigen Spren-
gung, zu der Ma-
schinen und Pa-
tronen nach dem
System des k. k.
Obersten Ebner
benutzt worden
waren, 9'500 m' Fels gebrochen, wobei
sich die Kosten auf 66 kr. pro Cubikmeter
und gegenüber dem alten Verfahren um
Vi billiger stellten. [Abb. 76.]
Die Massnahmen, welche die Regie-
rung gegen Ende der Sechziger-
Jahre zur Hebung des stockenden Unter-
nehmungsgeistes und zur Entwicklung
des Eisenbahn baues getroffen hatte und
die in der Gewährung von Betriebs-
garantien und in der Einräumung weit-
gehender Erleichterungen bezüglich der
baulichen Fragen ihren Ausdruck fanden,
weckten auf dem Gebiete des Bahnbaues
eine äusserst fruchtbare Thätigkeit. Den
vielen Lichtseiten dieser Epoche, der die
Monarchie ein grosses Netz von Linien
verdankt, fehlte es auch nicht an
Schattenseiten, indem der wirth schaftliche
Grundsalz: schnell und billig zu
bauen, manch-
mal zu einem
falsch gedeu-
teten Losungs-
worte wurde. In
der fieberhaf-
ten Bauthätig-
keit schränkte
man zuweilen
Bauzeit und Baukosten übermässig ein
und erzielte auf solche Weise bei der
Anlage Ersparnisse, die sich in der Be-
triebsfUhrung als dauernde Lasten fühl-
bar machten. Es fehlte nicht an Stimmen,
welche gegen diese trügerische Oeco-
nomie laut wurden. So beklagte der
O esterreich i sc he Ingenieur- und Archi-
tekten-Verein in dem Motiven-
berichte zu den von ihm aufge-
stellten >GrundzUgen für eine
billige Herstellung der Eisen-
bahnen behufs Belebung des
Eisenbahnbaues in Oesterreich
[i868]' lebhaft diese Erscheinun-
gen, deren letzte Ursache er in
dem unvertilgbar prlncipiellen
Unterschiede zwJschenBauunter-
nehmungund Bahn Unternehmung
erblickte. Der genannte Verein
t[:-4l
rofil mtt Vcckicli
nahezu 700.000 Mi' Material zu liefern
hatte, bot die Verführung des Anschüt-
tung smaterials mit Locomotiven auf
Transportgerüsten, die nach dem Vorbilde
auf dem Brenner verschüttet wurden,
grosse Vortheiie.
Der Bau der Linie Wien-Brünn der
Staatseisenbahn bildet auch noch in an-
derer Beziehung ein geschichtlich denkwür-
diges Moment durch die erstmalige Anwen-
dung des Nobel'schen Dynamits für
die Lösung harter Felsmassen. Schon im
Jahre 1868 hatte Oberlieutenant Trauzl
die Einführung des Dynamits empfohlen ;
es mag seinen Anregungen zugeschrieben
den öconomischen Erfolg dieser Betriebs-
weise,
Nachdem die fieberhafte Bauthätig-
keit der ersten Siebziger-Jahre infolge
der finanziellen Krisis des Jahres 1873
plötzlichen Abbruch gefunden hatte, sah
sich der Staat genöthigt, den Bau neuer
Linien selbst in die Hand zu nehmen,
um Bahnverbindungen zu schaffen, die ein
dringendes Bedürfnis geworden waren.
Hiedurch kamen auch Linien zur Aus-
führung, deren Bau mehr im allgemeinen
wirth Schaft liehen Interesse lag und infolge
der voraussichtlich geringen Rentabilität
und grossen finanziellen Opfer selbst in
Abb. 7O. SpreaguDg di
werden, dass man bei der Herstellung des
Einschnittes durch den Buchenberg, dessen
innerer Kern unerwartet Schichten aus
Feldspath und reinem Quarz von kaum
geahnter Härte aufwies, die Anwendung
des Schwarzpulvers verliess und einen
Versuch mit Dynamit wagte. Die zu
lösende Masse betrug mehr als 40.000 m*.
Die Arbeiten wurden von A, K ö s 1 1 i n und
M. Pischof geleitet. Zur Entzündung
dienten elektrische Maschinen und Zünd-
schnüre von dem um das Sprengwesen
verdienten Civil-Ingenieur Ab egg aus
Bistritz in Böhmen. Das Kostenersparnis
der Materiallösung stellte sich auf 45%
im Vergleiche zu den Ersparnissen bei
der älteren Sprengmethode.
Die englische Betriebsweise fand in
jener Zeit allgemeine Anwendung. Der
275 m lange Einschnitt der Elisabeth-
Bahn bei Bitlowschitz in hartem Gneis
und der 1069 wi lange Einschnitt der
Nordwestbahn bei Gastorf im Pläner-
kalk bieten her%-orragende Beispiele für
günstigeren Zeitläuften das Privatcapital
nicht für sich gewonnen hätte. Die
damals vom Staate erbauten Linien hegen
zerstreut über das wette Gebiet der ganzen
Monarchie, und so kommt es, dass der
Eisenbahnbau dieser Zeit ein wechselndes
Bild von Aufgaben bot, welche durch die
verschiedene Bodengestaltung und die
sonstigen ungleichen Verhältnisse der
einzelnen Länder verschiedene Voraus-
setzungen schufen und verschiedenartige
Lösungen verlangten. Der Bahnbau in
den Alpen und in den Beskiden, auf dem
Hochplateau des Karstes und in den
Ebenen Galiziens, die hiemit zusammen-
hängende Verbauung der Wildbäche und
Correction der Flüsse, die möglichste
Ausnutzung aller gegebenen Umstände
zur Erzielung solider und öcono-
m i s c h e r Bauten führten in der Bau-
methode, in der Wahl der Construction
und in der Durchführung der Arbeiten
selbst schrittweise zu weiteren Vervoll-
kommnungen.
Eisenbahn-Unterbau.
Im Zuge der latrianer Staats- !
bahn, die, von Diva£a ausgebend, das
Karstgebiet auf dem Wege nacb Pola j
überschreitet, wurde der mächtige, 25 m :
tiefe, im oberen Eocän gelegene Felsen- 1
und Erdeinschnitt zwischen Lupoglava
und Cerovglie mittels vorgetriebener
Stollen und englischen Einschnittsbetriebs
abgebaut, während man diese Arbeit zum
Theile durch die Combination mit einem
Etagenbau beschleunigte, der 10 m ober-
halb des Stollens in Angriff genommen
Die Schwierigkeiten, die beim Bau
der blos 25 ktn langen grossartigen Ge-
birgsstrecke von Tarvis nach Pon-
tafel zu Überwinden waren, sta:
jenen der Brenn erb ahn auf
Höhe. Zahlreiche Stütz- und
Futtermauern längs der zu
Rutschungen geneigten Lehnen
geben dem ersten Theil der
Bahn ein besonderes Gepräge,
während der kostspielige Leh-
nenbau, zu welchem sich die
Linie unterhalb der Feste Malborghet
entwickelt, durch mächtige Trocken- ..
mauern und die Uebersetzung einer
Reihe ge schiebe führender Wildbäche
gekennzeichnet ist. Um diese letz-
teren unschädlich zu machen, be-.'.
durfte es umfassender Schutzbauten.
Beim Entwurf der Brücken über die
Wildbäche wurde grundsätzlich daran
festgehalten, an der L'ebersetzungs-
stelle weder die Richtung noch die
Höhenlage des Bachbettes zu ändern,
dessen Breite jedoch derart trichter-
förmig einzuengen, dass die gesteigerte
Kraft des abfliessenden Wassers wohl im
Stande ist, das Geschiebe aus dem Be-
reich der Brücke mit sich zu reissen,
nicht aber das Bauwerk selbst zu unter-
waschen. So erhielten sechs der gefähr-
lichsten Wildbäche je ein 30 m breites
Bett, die Brücken, die sie übersetzen, aber
nur 12 m Lichtweite — eine wirthschaft-
liche Massregel, die sich bisher in jeder
Richtung bewährte.
Unter den zahlreichen partiellen Fluss-
regulirungen, die mit dem Bau gaUzischer
Bahnen verbunden waren, ist jene der
Kamionica und der Kamionka bei Neu-
Sandec im Zuge der Tarnöw-Lelu-
c h ö w e r Bahn von Interesse. Durch
die unmittelbar vor der Vereinigung
beider Flüsse vorgenommene Correction,
die einen Aufwand von 14.000 fl. erfor-
derte, wurden die wesentlich höheren
Kosten eines weiteren BrUckenfeldes er-
spart, dessen Bau anderenfalls nicht zu
vermeiden gewesen wäre. Zu diesem
Vortheile gesellte sich der eines geregelten
Flusslaufes und der durch die Correction
gewonnenen grossen Culturfläche. Für den
Kern der zahlreichen Buhnen konnten
Flechtwerke und die massenhaft vorhan-
denen Klaubsteine in billiger Weise ver-
wendet werden, während Pflasterungen,
Eisenbahn-Unterbau.
SelUufiue beim Schmkdti
>Zclt>cbiJ?i dei OcitciKlcl
eventuell auch SteinwUrfe die äussere
widerstandsfähige Hulle der Buhne
bildeten.
Solche Flechtwerke [Abb. 79] wie auch
Pflanzungen werden von der einheimi-
schen Bevülkerung Galiziens mit beson-
derer Sachkenntnis und billig ausgeführt;
sie kommen daher beim Bau dortiger
Bahnen namentlich für den Uferschutz-
bau neben den Stein- und Faschinen-
bauten vielfach in Verwendung.
Die G alizische Tra
bahn, die mit ihren Zweiglinien
Netz von 555 km umfasst, war im
ien sm^^^ß
^
Satze zu ihren Vorläufern in Galizien im
westlichen und mittleren Theiledes Landes
auf die mehr gedeckte Lage im Gebirge
verwiesen und überschritt im Osten des
Landes ein tief gefurchtes Plateau senk-
recht zu dessen Furchen ; sie durchquert
eine grosse Zahl bedeutender Flüsse und
gab daher zum Bau zahlreicher Brücken,
ausgedehnter Lehnen- und Uferschutzbau-
ten Veranlassung. Das eigentlich erschwe-
rende Moment dieses Bahnbaues lag in
dem Manget geeigneter Baumaterialien,
Das vorhandene Erdmaterial liess sich
vielfach ohne Anwendung künstlicher
Mittel nicht zu bestands fähigen Dämmen
dem Bau der meisten Karpathen bahnen
in Galizien, Ungarn und Siebenbürgen
verknüpft ist und das, wie Ludwig
Hu SS berichtet, bei der Transversalbahn
trotz Allem noch in verhältnismässig
geringerem Masse auftrat. Die Sanirung
der Dämme erfolgte in üblicher Weise
durch Einlegen von Steinrippen oder durch
I Vorlage von Bermen, die der Einschnitte
I durch Abflachen oder Rücksetzung der
; Böschungen. Die umfangreichen Arbeiten
i — die Erdbewegung betrug 17.000 bis
[ 19.000 w* für einen Kilometer Bahn —
I waren in der Zeit von kaum I '/j Jahren
1 beendet.
Abb. 81. Anlasen mm Schulic gegen kleEr
verwenden, entsprechendes Steinmaterial
musste mitunter aus weiter Ferne herbei-
geholt werden, Mauersand war hie und
da schwer zu beschaffen und an Stelle des
Schotters für das Geleise musste nicht selten
Grubensand in Gebrauch treten. Zu diesen
Erschwernissen kam noch die äusserst
kurze Zeit, die für den Bau festgesetzt
war. Die Umstände zwangen dazu, bei der
Schüttung der Dämme trotz des ungün-
stigen, thonigen Erdmaterials an der
Methode mittels Schüttger Usten festzu-
halten und die Arbeit auch im Winter
nach längerem Regen nicht einzustellen.
Die verschiedenen Setzungen, Ausschä-
lungen und Abgänge, die man eben mit
Rücksicht auf die Beschleunigung des
Baues wohl zu erwarten gehabt hatte,
blieben nicht aus — ein Uebel, das mit
Alle Erfahrungen, welche die Technik
des Eisen b ahnbaue s durch vier Decennien
hindurch gewonnen, alle Fortschritte, die
sie bezÜglicH der Construction der Bau-
objecte und bezüglich der Disposition
! grosser Bauausführungen gemacht, er-
I hielten in der Arlbergbahn gleich-
j sam verkörperten Ausdruck. Nach jahre-
langen Studien und vielseitiger Erörterung
j der Frage, wie den Schwierigkeiten dieser
Gebirgsbahn in verlässlicher und öcono-
mischerWeise beizukommen wäre, konnten
endlich im Jahre 1880 Oesterreichs Inge-
' nieure an der Spitze einer Armee von
9000 Arbeitern das epochale Bauwerk
I mit Zuversicht auf vollen Erfolg in An-
I griff nehmen.
Während die Strecke auf der Ostseite
I zwischen Innsbruck und Landeck und auf
Eisenbahn-Unterbau.
der Westseite zwischen Bratz und Blu-
denz als Flachland- und Thalbahn nur an
einigen Stellen Schwierigkeiten bot —
so dort, wo das von Felsen eingeschlos-
sene Innthal dazu zwang, den Bahnkörper
in das Bett des Flusses zu verlegen —
gehörte die zwischenliegende Gebirgs-
strecke zu den kühnsten und schwierig-
sten Bauten. Sie erinnert — schreibt Huss,
strecken hier ein imposanterer, wogegen
die Semmeringbahn in dieser Beziehung
unerreicht bleiben niuss.<
Grössere concentrirte Erdbewegungen
kamen nur vereinzelt vor. Auch die Zahl
der grossen Fels einschnitte ist eine ver-
hältnismässig geringe. Die Herstellung
von Steinsätzen wurde gleichfalls wesent-
lich eingeschränkt, weil das durch den Aus-
der als Vorstand des Bureaus für Unter- j
bau bei der General-Inspection an der Aus- !
bildung der Unterbauten in den letzten 20 (
Jahren bahnbrechend thätig war — rück- i
sichtlich des Geländes an die SiUthal-
strecke der Brennerbahn, während sich
die Bauart derselben zwischen jener 1
der Brenner- und Semmeringbahn be-
wegt, indem namentlich an manchen |
Stellen Viaducte zur Anwendung ge- ,
langen, wo die Brennerschule Erdwerke i
mit hoch übers chatteten, sogenannten |
Schlauchobjecten angeordnet haben würde. I
• Ohne grossartiger zu sein als die Siil- '
iinie wird der Eindruck der Gebirgs- I
hub verfügbare Steinmaterial hinter den Er-
wartungen zurückblieb und sich hiefUr eine
kostspielige Steinbeschaffung als nothwen-
dig zeigte. Eine umso grössere Rolle wurde
dagegen dem Mauerwerk zugewiesen.
Mächtige Wandmauern, die in der Pla-
numshöhe bis 3'/g m Stärke besitzen,
schützen das Geleise gegen angeschnittene
Lehnen; Stützmauern und Viaducte und
das diese beiden verbindende Mittelglied:
die Mauer mit Sparbögen tragen das
Planum über Schluchten und steile
Hänge. Die Trockenmauern, die Stütz-
und Wandmauem, endhch das die Grä-
ben sichernde Mauerwerk verursachten
pro Kilometer schon in der Thalstrecke
Kosten von über looo fl., welcher Be-
trag in der Gebirgsstrecke auf das
22fache stieg. Die Erd- und Felsbewe-
gung, die in der Thalstrecke pro Kilo-
meter 23.000 m' ausmachte, war da-
gegen in der Rampenstrecke nur doppelt
so gross.
Die Durchführung der mannigfachen
Bauten auf dem Arlberg bot ein gross-
artigea Bild moderner Bauweise durch
das reiche Aufgebot von Hilfsmitteln für
eine rasche und sachgemässe Arbeit und
durch den bewundernswerthen Arbeits-
plan, den das erfolgreiche Zusammen-
wirken und die möglichste Ausnutzung
aller Kräfte, die gleichzeitige Vorbereitung
und Inangriffnahme der Arbeiten forderte.
Schon die Vorbereitung der Erd-
arbeiten, die Herstellung der Verkehrs-
wege in den unwirth lieben Gegenden,
die Zurichtung des Baugrundes zeigten
packende Einzelheiten, Drei provisorische
Brücken für Locomolivbetrieb mussten
über den Inn errichtet, zahlreiche Schutt-
gerüste erbaut, viele Kilometer Arbeits-
geieise verlegt und für die Wieder-
verwendung abgetragen werden. Für
die Beischaffung von Kalk, Sand und
1.1 [Kach claCT pholDEiaphltchcD Aufiubme
u Pabit I
I Holz wurden besondere Seilbahnen —
'. Bremsberge — angelegt, welchen das
gewonnene und nicht weiter verwendbare
Erdmaterial, vereinzelt auch Wasser, als
I treibende Kraft diente. [Abb. 80.] Zur
Entwässerung der Dammunterlagen ge-
langten Sickerschlitze, zur Verhütung von
Rutschungen an Lehnen Schlitz- und
Stollenbauten zur Ausführung. Die Stütz-
und Wandmauem wurden an Stellen, die
besondere Vorsicht erforderten, schritt-
weise in Stücken von 4 bis 10 m Länge,
oft auch nach streng bergmännischem
Verfahren erbaut.
Ganz ausserge wohnliche Mittel forderte
die Bekämpfung der Lawinenstürze.
Sehutzbauten gegen Felsen- und Geröll-
stücke finden sich wohl auf allen Gebirgs-
bahnen. [Vgl, Abb. 81.] Der Kampf
gegen Lawinen ist ungleich schwieriger;
auf der Salzkammergut - Bahn war
es mögUch gewesen, den gefahrbrin-
I genden Zug der Schneemassen durch
hölzerne Leitwerke von der den Bahn-
I körper gefährdenden Richtung abzulenken.
r Die von den Höhen in das Thal —
} dort der Traun — abstürzenden Massen
' verursachen dann höchstens Stauungen
I des Flusses, die wohl den Bahnkörper
Eisenbahn-Unterbau.
gefährden, die aber durch die Her-
stellung von tiefen und breiten Gerinnen,
also durch einen erleichterten Abfluss,
unschädlich gemacht werden können.
[Abb. 82.]
Auf der Arlbergbahn bedrohen aber
die Schneelawinen, die an Gewalt und
Furchtbarkeit ihres Gleichen suchen, fast
ausnahmslos den Schienenweg selbst. Es
wurden daher schon beim Bau der Bahn
durch Herstellung von L a w in en-S c h u tz-
däch-ern [Abb, 83] auf der Westrampe
Flächen, welche der Bewegung der rollen-
den Schneemassen kein Hindernis ent-
gegenstellen und die man daher ver-
meiden oder iimstalten muss. Durch ent-
sprechende Verbauung konnte am besten
das Anbrechen der Schneemassen auf
diesen Flächen verhindert, konnten die in
Bewegung kommenden Schneemassen
zertheilt und die aus höher Ifegenden
Stellen abrutschenden Massen in ihrem
verderblichen Gang aufgehalten werden.
Freilich waren auch hier dem künsthchen
Eingreifen durch die Steilheit der Wände
I oder durch den Mangel cultivirbarer
I Flächen oft Grenzen gesetzt. Holzver-
I pfählungen erwiesen sich für die Ver-
I bauung nicht als genügend; es mussten
I Trockenmauern, Schnee rechen undSchnee-
brücken zur Anwendung kommen. [Abb.
84 und 85.] Die so geschützten Flächen, die
sich oft bis zu Neigungen von 50' erheben,
wurden durch Aufforstung dauernd ge-
sichert.*) Vorwiegend finden Fichten, in
höheren Lagen geradstämmige Bergkie-
fern, die Lärche und der Ahorn, und in
Höhen von 1900 bis 2000 m auch Zirben
Anwendung. Eigene Saat- und Pflanz-
gärten in Höhen von 1200 m liefern das
geeignete Pflanzungsmaterial. Die Anlage
solcher H och gebirgs forste ist natürlich
eine schwierige und kostspielige — ein
Abb. 85. Typen fDr Lawinen
die meist gefährdeten Stellen zwischen
Klösterle und Danöfen gesichert. Während
des Betriebes erkannte man indessen bald
die Nothwendigkeit weitergehender Mass-
nahmen. Zunächst musste man darnach
streben, die Bildung der Lawinen selbst
zu verhindern, indem man dem Hang
die zu ihrer Entstehung und ihrem An-
wachsen nöthigen Bedingungen entzieht,
dies sind die grossen ungetheiltcn
V'eibauungcn. [Ailbeiebabn.]
Hektar erfordert einen Kostenaufwand
von etwa 130 fl. Der günstige Erfolg
rechtfertigt aber die aufgewendeten Mittel.
Im Jahre 1890 wurden die ersten Bauten
•) In einem vortrefflichen Werke, das die
k, k. Staatsbahn-Directiün in Innsbruck über
die Betriebsergebnisse der Arlbergbahn in
den ersten zehn Betriebsjahren veröffentlicht
hat, werden diese Anlagen ausführlich be-
schrieben.
nach diesen Grundsätzen auf den Höben
des Benediktertobels im Blasegebiet, im
Simastobel, Gipsbruchtobel und Laub-
rechen hergestellt, und schon in den
Jahren 1892 und 1893 wurden die gerade
hier so gefUhrlichen und gefürchteten
Lawinen gebrochen und von dem Bahn-
körper abgehalten. Dieser Erfolg er-
muthigte zu weiterem Vorgehen. Daneben
werden auch eifrige Studien und Er-
hebungen gepflogen, um die verlässlichen
Unterlagen filr eine praktisch verwerth-
bare Formel zu finden, welche es ermög-
licht, jene Schneehöhe, jene Temperatur
Holzpro vi I
gegenzu wirken und die auftretenden
Mängel zu beheben. Aber die sorg-
lichen systematischen Vorkehrungen, die
zum Schutze der Bahn jahraus jahr«n
gepflogen werden, können das Menschen-
werk nicht vor der Zerstörungswuth ent-
fesselter Elemente schützen. Unsere
Gebirgsbahnen liefern eine fesselnde
Chronik solcher Katastrophen und der
hiedurch bedingten Wiederherstellungs-
arbeiten, die durch den unterbrochenen
und nachdrängenden Verkehr besonders
erschwert werden und oft die höchste
Anspannung aller Kräfte erfordern. Einige
(Brennerb ahn.]
factor in den Eisen bahn- Betrieb ^^^, ,
einführen.
In dem letzten Jahrzehnt ist im Baue |
der Hauptbahnen ein gewisser Stillstand 1
eingetreten. Dieser Zeitraum gehört
bereits einer neuen Epoche an, die durch
das Aufblühen des Localbahnwesens ge- j
kennzeichnet erscheint.
Die feindlichen Naturgewalten, welche
den Bestand der Bauwerke unaus-
gesetzt bedrohen, bringen es mit sich,
dass mit dem Bau der Bahn die Bau-
thatigkeit auf dieser noch nicht erschöpft
ist. Von den umfassenden Vorkehrungen
gegen die Gefahren der Lawinenstürze
bis hinunter zur Reinigung der unschein-
baren Abzugsgräben, welche die Beltung
und den Erdkörper entwässern, zieht sich
die Reihe wechselnder Aufgaben, die der
Bahnerhaltung obliegen, um allen
schädlichen Einflüssen rechtzeitig ent-
oder künstlich aufgeführten Bodens
sind auf österreichischen Bahnen
nicht selten. Es dürfte kaum eine grössere
Bahnanlage geben, die nicht mit solchen
unliebsamen Vorkommnissen mehr oder
weniger oft zu thun hat. Nicht selten wird
hiebet die Herstellung eines provisorischen
Bahnkörpers nothwendig; bei manchen
Bahnen bestehen eigene Normalien für
solche Bauten, um den expomrten Inge-
nieuren die Möglichkeit einer raschen In-
angriffnahme derselben zu bieten. [Abb.
S6.] Ueber eine interessante Einschnitts-
rutschung berichtet L. E. Tiefenbacher in
seinem Werke i »Die Rutschungen, ihre
Ursachen, Wirkungen und Behebungen«,
nämlich über die Rutschungen im Ebener
Einschnitt der Linz-Budweiser Bahn, die
ihrer ganzen Länge nach eine auf Granit
aufgelagerte Thonmasse durchzieht, also
sehr ungünstige Bodenverhältnisse auf-
Eisenbahn-Unterbau.
weist. Der Ebener Einschnitt, von jeher
etwas unruhig, gerieth im Jahre 1877,
also vier Jahre nach der Betriebs-Eröff-
nung der Strecke Linz-Gaisbach, in
mächtige Bewegung. Ein Probeschacht,
6 m von der Bahnachse entfernt, traf
die verhängnisvolle Rutsch schichte in
einer Tiefe von 6 m unter der Einschnitts-
sohle; ein Stollen, der von ihm aus
senkrecht zur Bahn, der Rutsch fläche
folgend, vorgetrieben wurde, musste nach
einem Vordringen von 26 m aufgegeben
werden, weil der Wassereinbruch mit
unbezwingbarer Heftigkeit erfolgte. Man
teufte in der Entfernung von 45 m von
der Bahnmitte einen zweiten Schacht ab,
der die Rutschfläche i'im überSchwellen-
Abb. 87. Hultchurca- Abbau
GcKhlcbte der Efienbabae
höhe durchschnitt. Von ihm aus führte 1
man nun den Entw äs serungss tollen in I
solcher Weise, dass die Rutschfläche '
stets gefasst blieb ; gleichzeitig ent-
wässerte man das Terrain und den erst-
gelegten Schacht durch mehrere Stollen.
[Abb. 87.]
Ein Ereignis, das seiner Zeit umso
grösseres Aufsehen erregte, als die mit
ihm verbundene grosse Gefahr für das !
Leben zahlreicher Reisenden und Arbeiter, !
nur durch die opfermüthige Pflicht- |
erfüUung eines Bahnwächters, Namens 1
Wenzel R e u s c h 1, abgewandt wurde,
bildete der > Bergsturz' bei SteinbrUck |
[Wien-Trie.st] am 15. und 19. Januar 1877,
der über eine halbe Million Cubikmeter
Felsmaterial niedertrug. Der Bahnkörper
war in einer Länge von 200 m mit Durch-
fahrt und Stutzmauer spurlos verschwun-
den. Das Sannthal, dessen Sohle mehrere
Meter unter dem Bahngeleise lag, war
auf 200 m Länge und 120 m Breite mit
Sturzmassen derart erfüllt, dass sie das
Bahnniveau um 7 tn überragten, das
Wasser bis zur Bahnnivellette stauten
und das Flussbett oberhalb bis zur Ein-
mündung in die Save vollkommen trocken
legten.
Die Reconstructions- Arbeiten begannen
mit der Herstellung eines Durchstiches,
"" der den zu bedrohlicher Höhe ansteigen-
den Gewässern der Sann einen Abfluss zu
schaffen hatte. Die Arbeit war in wenigen
Stunden vollendet. Hierauf wurde für
^ . die Bahn durch die
Kalk- und Kiesmassen
ein Einschnitt mit
halbwegs günstigen
Neigungsverhältnissen
ausgehoben und be-
reits vier Tage dar-
nach, innerhalb wel-
cher Zeit eine Erdbe-
wegung von 3200 Hj*
unter schwierigen Ver-
hältnissen bewirkt war, fuhren die ersten
Züge über das provisorische Geleise.
Im Herbste des Jahres 1882 wurden
die Südbahnlinien Tirols und Kärntens
von einer Wasserkatastrophe heimgesucht,
die durch ihre Gewalt, wie durch ihre
Ausdehnung wohl ohne Gleichen dasteht.
Es war kein locales Ereignis, das sich
in so trauriger Weise abspielte; die
Ueberschwemmungen, die den Südbahn-
körper von Villach an über Franzens-
feste und Bozen bis A!a an vielen Stellen
vollkommen zerstört hatten, zeigten sich
als ein liefgreifendes und lange Jahre
in seinen herben Folgen nachwirkendes
Unglück für ganz Tirol und einen
Theil Kärntens. In der Strecke Oher-
Drauburg- Franzensfeste wurden an 1 2 km
Bahn vollständig zerstört, weit über
eine Million Cubikmeter Material ab-
gebrochen, fünf Wächterhäuser, ein Auf-
nahmsgebäude und 23 andere Bauwerke
durch das verheerende Element ver-
nichtet. Zwischen Bozen und BranzoU
hatte die Etsch den Damm auf 200 m
Länge zerstört. Die furchtbarsten Ver-
wüstungen jedoch zeigte die Strecke
Atzwang-Blumau, wo die wilde Eisack
den Stegerdamm, der eine Cubatur von
135.000 t«' besass, in einer Länge von
570 in vollständig weggerissen . hatte.
Hier war die Herstellung eines Holz-
provisoriums von 468 m Länge erforder-
lich, um die Bahn wieder benutzbar zu
machen ; die Schaffung einer Cunette
für die Ableitung des Flusses erforderte
allein den Aushub von 1 2.000 hi'
Material. Die Arbeiten nahmen viele
Monate in Anspruch und waren in ihrer
raschen und trefflichen Ausführung be-
redte Zeugen für die grosse Tüchtigkeit
und den hohen Pflichteifer der Bahn-
erhaltungs-Ingenieure.
Eisenbahn-Tunnelbau.
Der Tunnelbau
fand schon bei den ersten Eisenbahn-
bauten in Oesterreich seine Anwendung
und Förderung. Im Jahre 1839 wurde
nämlich auf der Eisenbahn von Wien
nach Gloggnitz, zwischen Gumpolds-
kirchen und Baden, ein Gebirgsvorsprung,
der sich hemmend der geraden Richtung
der Bahn entgegensteUte, mit einem
Tunnel durchbrochen. Bei diesem Tunnel-
baue, den Ingenieur Keissler leitete,
wurde das Zimmenings-System, das man
wenige Jahre vorher bei dem Baue des
Oberaue r Tunnels
im Zuge der
Leipzig- Dresde-
ner Bahn befolgt
hatte, in verbes-
serter Weise zur
Anwendung ge- .
bracht und hie-
durch das eigent-
liche österrei-
chische Zim-
merungs-Sy-
stem geschaffen.
Unabhängig von
allen übrigen Vor-
gängern, liess
Keissler zunächst
(■Udl. Sla
in der Sohle des **>"■ *■ ^"'J
Tunnels einen
• Sohlen Stollen« — auch RichtstoUen ge-
heissen — vortreiben und sodann im Schei-
tel des Tunnels einen •Firststollen« auf-
fahren, in den er sogleich Theile des
künftigen, für den Vollausbruch des
Tunnels zur Verhütung von Einbrüchen
oder Verdrückungen erforderhchen Holz-
einbaues, der sogenannten definitiven
Zimmerung, einstellte. Nachdem der First-
stollen in entsprechender Länge vorge-
trieben war, begann man denselben nach
beiden Seiten zu erweitern und diepolygon-
artig aneinandergereihten Traghölzer
einzubauen, die in ihrer Verbindung mit
den sie stützenden Stempeln und mit
den diese letzleren tragenden Gesperren
das Wesen des lösterreichischen
Systems« bilden.
Bei dem Baue des 510 »1 langen
Tri ebitzer Tunnels in Mähren [Linie
Olmütz-Prag], des zweiten Eisenbahn-
\ Tunnels in Oesterreich, entschied man
sich nach längeren Studien für das
• Kernbau-System«, das zuerst bei
Königsdorf[i837] zur Anwendung gelangt
war und die Grundlage des deutschen
Systems wurde [Abb. 88]. Dieses System
ist durch das Bestreben gekennzeichnet, das
Lieh träum -Profil des Tunnels thunlichst
wenig aufzuschliessen ; es werden daher
die Arbeiten mit dem Vortreiben zwfeier
Sohlenstollen zur Rechten und Linken
der Tunnelachse eröffnet und durch die
Auffahrung von Mittelstollen und eines
Firststollens fortgesetzt; hiebei verbleibt
in der Mitte des
Tunnelprofils ein
Erdkörper, gegen
densichdieTheile
der Zimmerung
stützen und der
erst entfernt wird,
nachdem auch
schon die Aus-
des
Beim Baue des
Triebitzer Tun-
nels hatte man mit
gewaltigen Ge-
birgs drücken zu
ilbahn]''" ''^"'""'' kämpfen. Das Ge-
birge bestand aus
Thon, Letten und schwimmendem Sand ;
die Wasserzuflüsse waren sehr bedeutend
und bei der geringen Höhe des Geländes
über dem Tunnelfirste reichten alle Felsen-
risse bis zu Tage. Der ganze Berg schien
durch die Tunnelarbeiten in Aufruhr ver-
setzt; der Kern gerieth in Bewegung,
die Widerlagsmauern wurden verdrückt,
die Fundamente verschoben, die Sohlen-
gewölbe emporgepresst. Auch als der Bau
schon vollendet war, ruhten die aufge-
rüttelten Massen nicht; bereits im Jahre
1847 zwang die Bewegung der Tunnel-
gewölbe zu weitgehenden Reconstruc-
tionen und schliesslich selbst zum Einbaue
eines definitiven Holzgerüstes.
Während der Triebitzer Tunnel im
vollen Baue stand, wurden im Zuge der
österreichischen Südbahn zwischen Mürz-
zuschlag und Laibach mehrere Tunnels,
ebenfalls nach dem deutschen Systeme,
15*
Alfred Birk.
ausgeführt. Man begann hier aber die [ Arbeit in den Stollenräumen ermöglicht
Aufschliessung des Tunnelprofils mit i wurde. [Vgl. Abb. 89.]
dem Vortrieb des Firststollens, den | Bei den Tunnelbauten der nächsten
man nach rechts und links unter Erhal- 1 Jahre, namentlich bei jenen der Strecke
tung eines Mittelkörpers bis auf den ' von Prag nach Dresden und auch auf der
Grund der Tunnelgewölbe erweiterte. 1 Ungarischen Centralbahn [vgl. Abb. 90],
Bemerke nswerth bei den steierischen ; begann allerdings das österreichische
Tunnelbauten war die (geringere Breite , System festeren Fuss zu fassen und
des Mittelkörpers, durch die eine leichtere 1 sich zu entwickeln. Mit dieser Aus-
Eisen bah n-Tunnelbai
SITUATION SrLAX
bildung des Systems bleibt der Name
M e i s s n e r's , des Obersteigers der
Bau Unternehmung Gebrüder Klein, als
des thatkräftigsten Förderers desselben
innig verbunden. Auf den Höhen des
Semmerings und wenige Jahre später
auch in den Steingebieten des Karstes
gelangte das österreichische System zur
weiteren Anwendung und Vervollkomm-
nung. Bei beiden Bahnen bestanden die
mannigfachsten Verhältnisse; es galt nicht
allein, grossen Gebirgsdrack zu über-
winden, sondern nicht selten genug auch
die Zimmerung in weichem Gebirge und
gar häufig sogar im sogenannten schwim-
menden Gebirge durchzuführen. Die
hiebei auftretenden riesigen Drück-
erscheinungen führten die theilweise Un-
zulänglichkeit des österreicHlschenSystems
beängstigend vor Augen; sie kennzeich-
nete sich sowohl durch gewaltige Nieder-
setzungen der Tunnel firste, als auch
durch bedeutende Knickungen der Hol-
zungen im Quer- und Längsprofil des
Tunnels. Der reguläre Baubetrieb ging
unter solchen Verhältnissen vollständig
verloren und die Baukosten erhöhten
sich ungebührlich. Deshalb geschah
es, dass noch bei dem Baue der
Semmeringbahn und des Karstüber-
ganges einzelne Ingenieure sich dem
Kernbau-Systeme zuwandten oder
andere Zimmerungen erdachten. Die
meisten Ingenieure blieben aber in Anbe-
tracht der grossen sonstigen V ortheile
des österreichischen Systems diesem treu
und strebten nach Abhilfe innerhalb der
Grenzen der Baumethode; so wurde
denn auch der 1430 vi lange Haupt-
tunnel der Semmeringbahn, für dessen
Bau man durch sechs verticale und drei
geneigte Schächte 18 Angriffspunkte,
ausser den beiden Mündungen, geschaffen
hatte, nach dem österreichischen Systeme
ausgeführt. [Vgl. Abb. 91 und 92.] Jene
Constructions-Methode, durch welche das
eben genannte System zu dem für druck-
reiches und schwimmendes Gebirge voll-
Fie 6. Fig. s.
.01. Bau de ScniraL.rint;-lUurl-Tiiniii:l<. Fig.!. Vorhrui^h. Vit; ''-'>■ Allinabllchi Erweiterung m
viillen Tuauclpriinl. l'i^^. 7. Läiit-cuicbDlu iiri.:b Vig- s "ui^ ^ l'ig- '^ LÜDKcnichDlII dei StolUo».
Eisenbahn-Tunnelbau.
kommcnsten sich ent-
wickelt hat, ist eine
Schöpfung R i i h a's*)
und fügst vor Allem auf
dem Bestreben der
gründlichen Entwässe-
rung des abzubauenden
Gebirges und auf der
in allen Theilen
bergmännisch richtigen
Zimmerung des Längs-
verbandes,
•) Franz Ritter von
Riiha,f!;eb.28,Märzi83i
zu Hainspach in Böhmen,
besuchte bis 185t die
technische Hochschule zu
Prag, zeichnete sich schon
beim Bau der Semmering-
bahn und der Karst-
bahn bei der Ausführung
schwieriger Tunnelbau-
ten in solcher Weise aus,
dass er 1856 zum Bau
des Tunnels bei Czemitz A»
nächst R atibor berufen
1857 erbaute er mit Knäbel mehrere ]
Stollen in Eisen nach seinem eigenen Entwürfe
an, und führte dieses System, wesentlich ver-
vollkommnet, bei den schwierigsten Turnel-
bauten der Bahn von Kreiensen nach Holz-
minden, und zwar auch beim Ausbaue der
Tunnels, mit grossem Erfolge durch. Er
trat sodann [18(16] in den braunschweigischen
Staatsdienst, tracirte und baute mehrere
Linien, und verwaltete als Oberbergmeister
die tiscalischen Braunkohlengruben, bis die-
selben verkauft wurden. Nachdem er in
Böhmen und Sachsen mehrere Bahnbauten
durchgeführt hatte, wurde er [1874] als
Ober-Ingenieur ins österreichische Handels-
minislenum und 1876 als Professor an die
technische Hochschule in Wien berufen. 1883
wurde ihm der Adel verliehen. Riiha starb
am 22. Juni 1897 an dem Orte seines
ersten technischen Wirkens — auf dem
Semmering, und der Ortsfriedhof von Maria-
Schutz bildet die letzte Ruhestätte des ver-
dienstvollen österreichischen Technikers. Er
schrieb: »Lehrbuch der gesammten Tunnel-
baukunsti [Berlin 1864— 1S74, 2Bände; 2.Aufl.
1874]; .Die neue Tunnelbau- Methode in
Eisen" IBeriin 1864]; »Der englische Ein-
schnittsbetrieb« [Berhn 1872] ; .Die Bedeutung
des Hafens von Triest für O esterreich ■ [Wien
■ :h]; .Eisen-
of hei eilen
Ausstellungsbericht, Wien 1876, 3 Bände],
und zahlreiche fach wissenschaftliche Ab-
handlungen, die in Zeitschriften veröffent-
licht wurden.
I. g). BogUache« Tunaelbau-Syitcm.
Dennoch fand das österreichische
System bei den Tunnelbauten der Eisen-
bahn über den Brenner keine allge-
meine Anwendung.
Das Bausystem, das nördlich der
Brennerhöhe befolgt wurde, war das
englische System, gekennzeichnet durch
den Ausbruch des vollen Tunnelprofiles
in kleinen Längen und durch die Stützung
des aufgeschlossenen Raumes mit Hilfe
von Längsbalken, die sich einerseits auf
die vollendete Mauerung, andererseits
auf ein »vor Ort« aufgestelltes Bock-
gerüste stutzen. [Vgl, Abb, 93.] Das System
bewährte sich aber nicht; den starken
Seitendrucken setzten die nicht unter-
stützten Längsbalken zu geringen Wider-
stand entgegen. Man baute deshalb die
Tunnels der Südstrecke, die später in
Angriff genommen wurden, nach dem
österreichischen Systeme.
Die Tunnelarbeit bot übrigens bei
der Brennerbahn wegen der spröden und
festen Gebirgsmassen keine besonderen
Schwierigkeiten ; immerhin aber findet
sich manche interessante Einzelheit, die
nicht unbeachtet bleiben kann.
Da die Mehrzahl der Tunnels der
Brennerbahn nahe der Berglehne liegen,
so wurde ihr Bau nicht allein von den
beiden Enden, sondern auch von mitt-
leren Punkten aus in Angriff genommen ;
zu diesem Zwecke drang man durch
Seitenstollen von der Lehne aus zur
Tunnelachse vor, so dass i. B. der
MOhlthaler Tunnel, der mit 872 hi der
längste der Brennerbahn ist, gleichzeitig
von 14 Punkten aus angebrochen und
gegen die Bahnachse gerichteten Stollen
in die Felsenmasse des Berges ein, teufte
am Ende dieses Ganges einen Schacht
in das Niveau des Tunnels und suchte
sodann durch gabelförmig auseinander
gehende Stollen die Tunnelachse zu
erreichen, auf solche Weise je vier An-
griffsstellen gewinnend.
Viele Sorgen und Kosten verur-
des
liegt
heile
;rten
ngen
n de* Mlihlthalei Tunncli
[Bre.
mithin ziemlich schnell gefördert werden
konnte. Grössere Schwierigkeilen hatten
die Ingenieure bei den beiden Tunnels
im Jodocus- und im Pflerschthale zu
überwinden, denn einerseits stiessen sie
hier bei der Durchfahrung des Gebirges
auf sehr festen, von Quarzadeni durch-
setzten Thonschiefer und andererseits
zieht sich die Achse der Linie tief in
den Berg hinein. Letzterer Umstand
zwang — da man ja doch mehrere An-
griffspunkte gewinnen wollte — zu ganz
eigenartigen Anlagen ; man drang nämlich 1
in einer Höhe von etwa 50 tn über dem |
Niveau des Tunnels mit einem radial ,
zu befürchten ; man füllte daher thunlich
rasch die gefährdeten Tunnelringe voll-
ständig mit Trockenmauerwerk aus und
üess nur einen stollenähnlichen Raum
für den Verkehr frei; die Quelle
wurde in beträchtlicher Höhe über dem
Tunnel Scheitel aufgefangen und der Sill
zugeleitet. Dann erst begann die Ver-
stärkung der Widerlager, zu welchem
Behufe 1 5 Stollen in drei Etagen von der
Berglehne aus senkrecht zur Tunnelachse
bis hinter das Widerlager getrieben wurden.
Während des Betriebes der Bahn musste
dieser Tunnel neuerlich reconstruirt wer-
den. [Abb. 94.]
Eisenbahn -Tunnelbai
Aus der Bauperiode der Brennerbahn
ist auch noch der sogenannten Bach-
tunnels zu gedenken, welche dazu be-
rufen sind, aus ihren alten Betten abge-
lenkte Wasserbäche durch die Lehnen
der Thalgehänge zu (Uhren, Bauliche
Schwierigkeiten waren hiebei hauptsäch-
lich nur bei jenem Tunnel zu überwinden,
welcher vor der Station Matrei die Sill
durch die Felsen hindurch leitet. Hier
traten nämlich sehr bald Erscheinungen
auf, die auf eine Auskolkung der ge-
pflasterten Tunnel sohle hinwiesen. Und
köwer Tunnel, mit welchem diese Gebirgs-
bahn die Einsattlung des Grenzkammes
durchsetzt, besitzt eine sehr interessante,
von dem Baudirector Rudolf R. v. Gunescb
veröffentlichte Baugeschichte. Nach dem
definitiven Projecte erhielt der Tunnel
eine Länge von 416 m und eine Stei-
gung von 25%,. Vier in den Tunnel
und fünf in die beiden Voreinschnitte
abgeteufte Schächte dienten zur Eröffnung
eines Sohlenstollens, von welchem aus
denn auch zuerst mit 12 und späterhin
mit 14 Aufbrüchen die eigentliche Tunnel-
thatsächlichzeigtesichnachder Ablenkung
der Sill von den gefährdeten Stellen das
Sohlenpflaster arg zerstört. [Abb. 95.] Die
Reconstructions- Arbeiten richteten sich auf
die Anlage eines liegenden Quader-
mauerwerks an Stelle des unregelmässigen
Sohlenpflasters und auf die Beseitigung
der Abstürze am Einlaufe.
Durch die Vollendung der Brenner-
bahn hatte die Eisenbahn-Technik einen
neuen glänzenden Beweis ihrer Leistungs-
fähigkeit abgelegt und bewiesen, dass
auch der Ueberschienung der Karpathen,
der natürlichen und geographischen Grenze
zwischen Ungarn und Galizien, kein ernst-
hches technisches Hindernis mehr im Wege
steht. Und so wurde schon wenige Jahre
. darnach die > Erste u ngari seh -gali zische
Eisenbahn' in Angriff genommen. Der Lup-
arbeit begonnen wurde. Die Erweiterung
zum vollen Tunnelprofile und die Zim-
merung desselben erfolgte nach dem in
einigen Theilen abgeänderten engtischen
System.
Auf der galizischen Seite ging der
Baufortschritt ziemlich normal vor sich;
auf der ungarischen Seite erwuchsen aber
durch die Aufblähung des weichen und
drückenden Gebirges, durch langandau-
ernde Kalle,hoehliegenden Schnee, Ver-
wendung schlechten, stark verwitternden
Materials für einen hohen, dem Vor-
einschnitt vorgelegenen Damm, durch
Rutschungen in den Einschnitten so
ausserordentliche Schwierigkeiten, dass die
Situation schon im Jahre 1872, also ein Jahr
nach demBaubeginne,injederHinsieht sehr
bedenklich wurde. Hiezu trat die geringe
Eignung des Karpathen-Sandsteines, die
eine neuerliche Aenderung des Tunnel-
profils und eine Verstärkung der Maue-
rung nothwendig machten. Der Spätherbst
desselben Jahres brachte neue Calami-
täten hinzu; es trat ganz gegen alle bis-
herigen Erscheinungen keine Kälte ein;
bedeutende atmosphärische Niederschläge
brachten alle Dämme und Einschnitte
in Bewegung, ein namhafter TheÜ der
Tunnelringe wurde deformirt, die Funda-
mente senkten sich, die Steine der Seiten-
niauerung zerfielen in Sandkörner. Es
blieb nichts anderes übrig, als Steine
I man in weiten technischen Kreisen
I eine gewisse Abneigung entgegenbrachte.
I Dieses System war gewählt worden in
I richtiger und genauer Erwägung aller
I bezugnehmenden Verhältnisse und in der
I Ueberzeugung, dass die ungünstige
Anschauung über dasselbe nur auf
I einzelne baulich oder finanziell ungOn-
I stige Ergebnisse zurückzuführen ist.
j Bei dem Bischofsh ofener Tunnel war
■ das zu durchfahrende Gebirge ein gutes
I und gleichförmiges und die mit den
I Arbeiten betrauten Subunternehmer, Ge-
I brüderSandino, hatten tüchtige, auf das
FlB- 1
härtester Gattung: Granit, Trachyt, Por- !
phyr und Kalkstein mit Aufwand be- |
deutender Kosten zur Verwendung zu ,
bringen und eine Verbreiterung der
Fundamente und Widerlager durch eine
üntermauerung des ganzen Ringes zu
bewerkstelligen. Nach alledem erschei-
nen die hohen Baukosten des im Jahre '
1874 vollendeten Tunnels, die sich auf |
2,585.500 fl. beliefen, ganz begreiflich. I
Der Bau des Lupköwer Tunnels war ,
noch nicht vollendet, als auf der Salz-
burg-Tiroler Bahn der Bau des Tunnels
hei Bischofshofen [vgl. Abb. 96a u. 96b]
in Angriff genommen wurde. Dieser Bau
erscheint deshalb erwähnenswerth, weit er
nach dem beljrischen System aus-
geführt wurde, das bis dahin in Oester-
reich — unseres Wissens — noch keine
Anwendung gefunden hatte und dem
belgische System eingeschulte piemon-
tesische Mineure zur Verfügung, Und
so bewährte sich dieses System, dessen
Wesen in den die Baumethode bei
Bischofshofen darstellenden Abbildungen
flüchtig markirt erscheint, in diesem
Falle sehr gut.
Bald nach Vollendung des Tunnels
bei Bischofshofen, dessen Bau vom
10. August 1873 bis Mitte Juni 1875
währte und rund 630. ooo fl. kostete,
vollzog sich in nächster Nähe ein fOr
die Entwicklung des Tunnelbaues nicht
nur in Oesterreich, sondern überhaupt
wichtiges Ereignis : Die erstmalige defini-
tive Anwendung des Bohrmaschinen-
Betriebes. Bei allen, bis gegen die
Mitte des achten Decenniums in Oester-
reich ausgeführten Tunnels wurden die
Löcher zur Aufnahme des Sprengmittels,
Eisenb ahn-Tunnel bau.
236
Alfred Birk.
durch dessen kräftig lösende Wirkung
der Tunnelausbruch beschleunigt wird,
von Hand aus, mittels Fäustel und Bohrer
in die Gesteinsmasse getrieben. Nur bei
dem Baue der Tunnels im Zuge der
Karstbahn [1853— 1857] hatte der Bau-
meister K r a n n e r versuchsweise zur Her-
stellung von Sprenglöchern in Kalk-
gestein Drehbohrer angewandt, die man
füglich den Maschinenbohrern zuzählen
kann. Er bewirkte nämlich die Rotation
durch einen Mechanismus, der, ungefähr
wie bei einem Spinnrade, mit dem Fusse
des Arbeiters bewegt wurde, wobei eben-
falls der vorgebeugte Körper des letzteren
die nöthige Andrticklast bot. Für die
Länge der Zeit war ein solches Bohren
ungemein ermüdend ; auch gestattete es
nur gewisse Lagen der Löcher und setzte
ein sehr weiches Bohrgestein voraus.
Als man anlässlich des Baues der Salz-
kammergut-Bahn sich anschickte, den am
Traun see zwischen Ebensee und Traun-
kirchen steil emporsteigenden Sonnstein
zu durchfahren, da zwangen unerwartet
eintretende Verhältnisse, das anfangs
angewandte System des Handbohrens
zu verlassen und den Maschinenbetrieb
einzuführen. Angesichts der nicht un-
bedeutenden Länge des Sonnstein-Tun-
nels — er misst 1428*36 m — sowie
der harten Gesteine, welche zu durch-
setzen waren, kam die rechtzeitige Fertig-
stellung des Tunnels ernstlich in Frage.
Zu jener Zeit nun hatte Alfred Brandt
bei dem Pfaffensprung-Tunnel auf derGott-
hardbahn sein Bohrmaschinen - System
mit rotirendem Kernbohrer und hydrau-
lischer Kraftübertragung wohl nur vor-
übergehend, nämlich bis zur Einstellung
aller Arbeiten auf der Gotthardbahn,
aber mit grossem Erfolge in Anwendung
gebracht. [Vgl. Abb. 97.] Die Bauunter-
nehmung des Sonnstein-Tunnels, Karl
Freiherr von Schwarz, entschied sich,
rasch entschlossen, zur Fortsetzung der
Arbeiten mit Brandt's Maschine. Gebrüder
Sulzer in Winterthur lieferten die Ma-
schinen und Brandt nahm die Durch-
führung der Einrichtung selbst in die
Hand. Am ii. April 1877 war die
Maschinenbohrung auf dem Sonnstein in
vollem Gange.
Die Wirkung des Brandt'schen Bohrers
nähert sich jener eines Stossbohrers
wobei aber die intermittirende Stoss-
kraft durch ruhige, stetig wirksame
Druckkräfte ersetzt ist; der Brandt'sche
Bohrer zermalmt das Gestein, zerbröckelt,
zersägt es. Das Andrücken und das
Drehen des Bohrers, wie überhaupt das
Feststellen der ganzen Bohrvorrichtung
wird ausschliesslich durch Wasserdruck
bewirkt. Der Bohrer ist nämlich 4n dem
Kopfe einer hydraulischen Presse befestigt,
die an einer »Spannsäule« durch Stell-
ringe und Spannschrauben festgestellt
werden kann. Das Druckwasser wird
durch eine enge Rohrleitung zugeführt.
Bei einem Betriebs- Wasserdruck von 75
Atmosphären kann bei geeigneter Dimen-
sionirung aller Theile eine Schneidekraft
bis zu 6000 kg pro Zahn des Bohrers
erreicht werden, eine Kraft, die auch
dem härtesten Granit gewachsen ist.
Bei dem Baue des Sonnstein-Tunnels
hat die Maschinenbohrung in den gleichen
Gesteinen gegen die Handbohrung einen
circa zweimal so grossen Stollenfort-
schritt ergeben. Die Maschinenanlage für
den Betrieb der Bohrmaschinen und die
Lüftung des Tunnels war auf einer
Plattfläche am Ufer des Sees errichtet.
Eine Circularpumpe hob das Betriebs-
wasser aus dem See; ein Paar direct
wirkender Dampfpumpen diente zur Pres-
sung des Wassers. Im Betriebe standen
vier Bohrmaschinen. Die gesammte Ein-
richtung für den Bohrbetrieb hatte einen
Kostenaufwand von 38.700 fl. verursacht.
Ein hervorragendes Bauwerk, das in
der Geschichte des Tunnelbaues eine
markante Stelle einnimmt, und Oester-
reichs Ingenieuren, ihrem Wissen und
Können einen bleibenden Ruhm sichert,
wurde schon wenige Jahre darnach in
Angriff genommen und glänzend voll-
endet: die Durchbohrung desArl-
berges.
Die Literatur über den Arlberg-
Tunnel ist überaus reichhaltig und gibt
über alle Detailfragen dieses grossar-
tigen Baues Aufschluss. Unsere Aufgabe
kann wohl nur darin bestehen, aus der
Baugeschichte des [über 10 km langen]
Arlberg- Tunnels jene besonderen Momente
hervorzuheben, welche sich als nennens-
werthe Errungenschaften im Tunnelbaue
Eisenbahn-Tunnelbau.
darstellen und dieses auf vaterländischem |
Boden durchgeführte Werk zu einem
bedeutsamen Merkzeichen in der Ge-
schichte des Tunnelbaues erheben. Als
solche Momente erscheinen einerseits die
concurrirende Anwendung zweier Bohr-
systeme beim Stollenausbruche, nämlich i
des Fercussions-Systems [Feiroux, Seguin i
und Welker] und des Drehbohr- Systems i
einwirkenden Umstände mit den gestei-
gerten Leistungen der maschinellen
Stollenbohrung gleichen Schritt zu halten.
Das Percussions- oder Stossbohr-
system, bei welchem der Bohrer durch
comprimirte Luft in den Felsen ge-
stossen wird und beim RUckgange eine
drehende Bewegung erhält, war für die Ost-
seite des Tunnels (St. Anton] bestimmt. Die
[Brandt] und andererseits die Förderung
der ausgebrochenen Massen aus dem
Tunnel und der zur Ausmauerung nolh-
wendigen Materialien in denselben. [Vgl.
Abb. 98].
Förderte die Parallelarbeit zweier
grundverschiedener Bohrsysteme Wissen-
schaft und Kenntnis der Bohrtechnik in
eminenter Weise, so bewies die geniale
Lösung der Förderungsfrage, dass es
müghch ist, durch zweckmässige Dis-
positionen in den Vollausbruch- und
Maurerarbeiten trotz mancher ungünstig
j Kraft zum Betriebe der Motoren, die sowohl
j die comprimirte Luft, wie auch die Venti-
I lationsluft zu eraeugen hatten, lieferte die
Rosanna, aus der zwei Wasserleitungen
, von 100 m und 4250 m Länge zu den
I Maschinen führten und an diese je nach
■ Jahreszeit und Wasserreichthum der Ro-
sanna 800 bis 1700 Pferdekräfte abgaben.
Die Bohrluft wurde von sechs Com-
pressoren, die Venti lationsluft von vier
Gebläsecy lindem geliefert. Der gesammte
Luftbedarf stellte sich auf nahezu i i.ooom'
in der Stunde. Für das Anbohren der
238
Alfred Birk.
Stollenbrust dienten anfangs sechs, spä-
ter acht Maschinen, die jedesmal ein bis
sechs Stunden in Arbeit standen.
Auf der Westseite des Arlberg-Tunnels,
wo der Schienenweg aus dem Felsen
heraus in das Thal der Alfenz tritt,
hatte Brandt seine Maschinen [vgl. Abb. 99]
installirt; die erforderhche Wasserkraft,
einschliesslich jener für Erzeugung der
Ventilation, wurde dem Niederschlags-
gebiete der Alfenz entnommen ; die Wässer
desZürs- und Alfenzbaches, des Hopenland-
und Sacktobeis, wie auch jene des Moos-
baches wurden gemeinsam herangezogen
und boten gegen 800 Pferdekräfte. Zwölf
Hochdruckpumpen, von drei Girard-
zehn einfahrende und ebenso viele aus-
fahrende Züge zu je 75 Wagen von 129,
beziehungsweise 230 t. Eine solche Ver-
kehrsmenge zu bewältigen, war auf dem
Arlberge nur durch eine mit pünktlicher
Genauigkeit geregelte Förderung möglich.
Der vor dem Tunnel rangirte Zug wurde
von zwei feuerlosen Locomotiven nach
Francq's System bis zum Ende der fer-
tigen Tunnelstrecke, wo sich eine ver-
legbare Station befand, befördert; von
hier aus schoben besondere Schlepper,
welche die vollen Bergwagen aus dem
Stollen brachten, die einzelnen Wagen
auf einer Rampe von 2®/^^ Steigung zu
den verschiedenen Arbeitsstellen.
Flg. I.
Fig. 3.
Abb. 98. StangenforderuDg im Arlberg-Tunnel.
Fig. I. Ei nzelnheiten des Gestänges. Fig. a. LäDgenprofil. Fig. 3. Tunnelstation.
turbinen bewegt, deckten den Kraftbedarf
der vier Brandt'schen Maschinen, die auf
einer gegen die Stollenwände mit loo
Atmosphären Wasserdruck verspreizten
Spannsäule befestigt waren.
Im Allgemeinen glich die Installation
an dieser Seite des Tunnels der Anlage
auf dem Sonnstein-Tunnel ; sie unterschied
sich von ihr im Wesentlichen durch die
Lagerung des ganzen Apparates auf
Achsen und Rädern, durch die kräftigere
Bauart der Maschine und Spannsäule
und durch die bewegliche Montirung
zweier Bohrmaschinen auf einer Säule.
Von grosser Wichtigkeit war die
Disposition der Förderung. Ein täglicher
Tunnelfortschritt von 5*5 ;w, wie er beim
Arlberg-Tunnel erzielt wurde, beanspruchte
Mit dieser einfachen, aber gut functio-
nirenden Anordnung war jedoch die
Frage der Förderung auf der O s t s e i t e
des Arlberg-Tunnels noch nicht gelöst.
Hier war nämlich bei dem Umstände,
dass der Culminationspunkt des Tunnels
circa 1000 tn östlich der Tunnelmitte
liegt, eine gewisse Strecke, deren Länge
mit dem Baufortschritte zunahm, im Ge-
fälle von i5%o vorzutreiben. Der Gedanke,
diesen Rampenbetrieb mit Menschen
oder Pferden zu bewerkstelligen, wurde
sehr bald aufgegeben; auch von der
Seil- oder Kettenförderung musste ab-
gesehen werden, da ihre Anwendung
eine tiefgehende Aenderung des ganzen
Bausystems bedingt hätte. In einfacher
und gelungener Weise löste schliesslich
Ei se n bah n -T u n tiel ba u.
Alfred Birk.
Bauunternehmer Ceconi die dringend
gewordene schwierige Frage. Die von ihm
vorgeschlagene Anordnung besteht in
Wesenheit aus einem Gestänge, das, auf
Rädern laufend, durch die im fertigen
Tunnehheile verkehrenden rauch- und
feuerlosen Locomotiven in den Stollen
geschoben und dann mit den hier an-
gehängten Wagen wieder heraufgeholt ]
wird. Das Gestänge wurde aus einzelnen i
hölzernen Stangen von "jt m Länge,
21 cm Höhe und 12 ctn Breite gebildet.
Jede Stange hatte an ihren Enden zwei
über die Stangenköpfe vortretende Flach-
schienen angeschraubt, mittels welcher sie
auf kleine vierrädrige Wagen gelagert und
derart befestigt wurde, dass eine grössere
Beweglichkeit im horizontalen undvertica-
len Sinne gewahrt erschieh. [Vgl, Abb. 98.]
ab, die zwischen den Bedürfnissen des
Tunnelbetriebs und den Bedingungen
eines geordneten Zugsverkehrs die vollste
Uebereinstimmung zeigte.
Der Arlberg- Tunnel ist mit einer
Länge von IO.2475 nt der drittlängste
der Alpen. Das Tuniielportal in St. .\nton
hat die Seehöhe von 13024, der Tunnel -
ausgang in Langen jene von 1216-84 »1,
[Vgl. Abb. icxiund loi.] Das Geleise steigt
gegen Langen zu auf 4100 »t mit 2''/o,
und lallt sodann mit I5%0' I'^'' Tunnel
ist seiner ganzen Länge nach ausge-
mauert. Sein Ausbruch erfolgte nach dem
englischen Systeme, jedoch mit einigen,
durch die Verhältnisse bedingten Aende-
rungen, die namentlich auf der Westseite
wiederholt modificirt werden mussten,
weil hier gewaltige Druckerscheinungen
auftraten.
Ueber die Leistungen beim Bau des
Arlberg -Tunnels seien hier noch einige
Daten angeführt, welche die grossen
Fortschritte kennzeichnen mögen, welche
die Tunnel bau -Wissen Schaft in der Zeit
vom Bau des Mont Cenis-Tunnels bis
zu jenem des Arlberg-Tunnels, also in
rund 25 Jahren gemacht hat. Im Sohl-
stoilen wurde die grösste tägliche Lei-
stung auf der Westseite mit 8'4 m, auf der
Ostseite mit 82 m erreicht. Der Durch-
Zur Beförderung eines Zuges mit Hilfe
dieser starren, viele hundert Meter langen
-Kupplung- auf der Steigung von 15%^
mussten drei feuerlose Locomotiven
mit einer gesammten Zugkraft von
5900 kff in Action treten. Der Zugver-
kehr wickelte sich sodann, unterstützt
durch eine sehr zweckmässige Anlage
der in der Nähe des Culminationspunktes
liegenden Tunnelslation, in einer Weise
schlag dieses Stollens, der in einer Länge
von 10.260 m aufgefahren wurde, er-
forderte einen Arbeitsaufwand von drei
Jahren, fünf Monaten und vier Tagen. Nach
den Bestimmungen des Vertrages sollte
der Tunnel 180 Tage nach erfolgtem
Durchschlage des Stollens vollendet und
betriebsfähig sein. »Von der Grösse der
hier verlangten Leistung erhält man eine
Vorstellung* — sagt Ritiha in einer
Eisenbahn -Tunnel bau.
Studie Über die Stangenßirdening auf dem
Arlberg-Tunnel — »wenn man berück-
sichtigt, dass die Vollendungsarbeiten
beim Mont Cenis- Tunnel [12.233 *" l^ig]
beiläufig e i n Jahr, beim St. Gotthard-
Tunnel [14.900 tn lang] gegen zwei Jahre
beanspruchten, dass sonach gegenüber
dem letzteren Alpentunnel eine Abkürzung
dieser Schlussphase des Baues auf ein
Viertel der Zeit gefordert wird. Diese
Anforderung erscheint noch durch den
Umstand verschärft, dass ein ungeahnt
rascher Stollenfortschritt stattgefunden
hat, der den bei Festsetzung des obigen
Termines in Aussicht genommenen weit
hinter sich lässt und der demgemäss
ein ebenso rasches Nacheilen der Aus-
bruch- und Vollendungsarbeiten zur Be-
dingung machte.«
Es zeugt von der trefflichen Ein-
richtung aller Anlagen, von der fach-
männisch richtigen Durchführung der All-
heiten, von der glücklichen Verwerthung
aller Errungenschaften der vorhergegan-
genen technischen Schöpfungen auf dem
Gebiete des Tunnelbaues, dass dieser
kurze Termin von 180 Tagen nicht
überschritten wurde.
Die monatliche Baugeschwindigkeit
hatte im Arlberg-Tunnel 219 *« betragen;
bei dem Gotthard-Tunnel stellte sich diese
Geschwindigkeit auf 149, bei dem Tunnel
durch den Mont Cenis auf rund 70'3 tn.
Welcher gewaltige Fortschritt kommt
in diesen Zahlen zum Ausdrucke und
welche namhafte Förderung der Tunnel-
bau-Wissenschaft bedeutet also der Durch-
bruch des Arlberg- Tunnels !
Was seit der Vollendung der Arlberg-
Bahn auf Österreichischen Eisenbahnen
an Tunnelbauten bisher geschaffen wurde,
tritt weit zurück hinter den Thaten der
Ingenieure, der Tunnel bau meister in jenen
Tagen. Es hat bei den Tunnelbauten
der jüngeren Bahnen auch an Schwierig-
keiten nicht gefehlt, es ist auch hier
manch guter Griff geschehen, manch
geistreicher Gedanke verwirklicht, manch
prächtige Arbeit vollendet worden; doch
tritt kein Moment so bedeutsam hervor,
dass es in dieser Abhandlung, die ja
doch nur einen flüchtigen Ueberblick
über die allgemeine Entwicklung des
Eisenbahn-Tunnelbaues bieten soll, be-
sonders hervorgehoben zu werden ver-
dient. Das jüngste Bauwerk aber, das
der Wissenschaft des Tunnelbaues neue
Förderung bietet — die Wiener Stadtbahn
— wird an anderer Stelle seine gerechte
Würdigung finden.
Oberbau.
Auf leichten eisernen Flachschieiien, j
von hölzernen, auf Schotter gebetteten |
l.angschwellen gelragen, rollten die Wa-
gen der Pferde- Eisenbahn von Budweis ,
nach Linz und rollten auch die ersten 1
Locomotiven Oesterreichs ; denn die Kai- !
ser Ferdinands-Nordbahn war durch die |
Verspätung der in England bestellten |
Schienen darauf angewiesen worden, ihren i
Oberbau nach dem Muster der Pferde- '
bahnen herzustellen : eiserne Flachschie- '
nen, mit Holzschrauben auf hölzernen '
Langschwcllen befestigt, die auf einem I
in parallele Gräben unter den Schwellen
eingebrachten Schotter- oder Steinsatz- j
körper lagerten. [Vgl. Abb. 102.] 1
Diese Geleise-Construction hielt unter I
den Angriffen des Locomotiv- Betriebes |
nicht lange Stand; die Befestigung der j
Flachschienen auf den Langschwellen '
erwies sich als nicht genügend dauerhaft |
und die mittlerweile aus England ein- |
getrotfenen Oberbau - Bestandtheile er- y
inöglichten der Nordbahn den Ersatz ;
dieses Geleises und den Weiterbau der 1
Bahn nach Brunn mit einer Oberbau- [
Construction nach englischer Bauweise.
Die Thatsache, dass die Kaiser Fer-
dinands-Nordbahn bei ihrer ersten Ein-
richtung genüthigt war, ihre Fahrzeuge
aus England zu beziehen, hatte zur Folge,
dass die in England sowohl für Strassen-
fuhrwerkv als für Eisenbahnen eingeführte
Spurweite von 4' 8" engl. [= 1-435 «']
nach Oestcrrcich übertragen und bei allen
spater erbauten Bahnen beibehalten wurde.
Das von der Nordbahn gewählte
englische Geleise war ein Querschwellen-
Oberbau ; die Schienen mit pilzförmi-
gem Querschnitte wogen igVj ^Ä" pi"**
Meter, waren in gusseisernen, auf den
Querschwellen aufgenagelten Stuhlen ge-
lagert und mit Holzkeilen befestigt. [Vgl.
Abb. 103 — 104.] Anordnung und Dimen-
sionirung der Bestandtheile erwiesen sich
für die damaligen Verhältnisse als muster-
giltig; das Geleise bot einen ausreichenden
Widerstand gegen die Wirkungen der
darauf verkehrenden Locomotiven, deren
stärkster Achsendruck allerdings nur
6 / betrug.
Auch andere Bahnen jener Zeit folg-
ten dem englischen Vorbilde, so die lom-
bardisch - venetianische Ferdinands -Bahn
[1837], die Linie Mailand-Monza [1839],
die Österreichischen Staatsbahnen Olmütz-
Prag und Mürzzuschlag-Cilli. Auf der
Eisenbahn von Mailand-Monza kamen
statt der Holzschwellen das erste Mal
auf einer Locomotivbahn in Qesterreich
Steinwürfel zur Anwendung, auf wel-
chen die gusseisernen Schienenstühle
befestigt wurden. Von grosser Be-
deutung für die Entwicklung des Ober-
baues erscheint der Bau der Eisenbahn
von Wien nach Gloggnitz. Auf der
Theilstrecke derselben von Neustadt nach
Neunkirchen finden wir nämlich [1842]
eine Art Flachschiene verlegt, deren Quer-
schnitt etwa in einem Drittel der Höhe
eine schwache Einschnürung aufweist.
Dieses Profil ist der Vorläufer der breit-
Eisenbahn-Oberbai.
fUssigen Schiene in Oesterreich. Es ist
wie die Verkörperung der ersten auf-
flackernden, noch nicht ausgereiften
Idee der letztgenannten Schiene, der
wir auch thatsächlich schon im selben
Jahre noch auf der Strecke Wien-Neu-
ist nahezu gleichmässig hoch, der Steg
kurz, der Kopf niedrig; Kopf, Steg und
Fuss gehen mit sanften Curven ineinander
Über. Die Schiene war 5 m lang, hatte
ein Gewicht von 26-5 kg pro Meter und
besass bei einer Entfernung der Stütz-
Stadt begegnen. Das ist ein Moment, das
umsomehr hervorgehoben zu werden ver-
dient, als wir gleichzeitig auch die Quer-
schwellen, allerdings noch durch eine
Langschwellen-Constructionverstärkt,also
eine Art hölzernen Rostes als Unterlage
der Schienen bei diesem Oberbaue an-
treffen. Die Gestalt dieser ersten breit-
basigen Schiene Oesterreichs ist im All-
gemeinen ziemlich gedrungen. Der Fuss
I punkte von 1 26 cm eine Tragfähigkeit
von 3-8 t. (Vgl. Abb. ,o5.')]
i Infolge der mächtigen Zunahme des
' Verkehrs in dem Zeiträume von 1839
! bis 1843, in dem sich das Bahnnetz
•) Die Abbildungen 105, 106, 117, I18 und
1 19 sind mit Genehmigung des Verfassers und
Verlegers nacli Abbißungen aus dem Werke
• Geschichte des Eisenbahn-Oberbaues« von
A. Haarmann angefertigt worden.
i
a
n
BTF
«]. [K.i«rl
, 1838.]
auf eine Länge von mehr als 300 km
erweitert hatte, war das BedUrfiiia aufge-
treten, die Leistungsfähigkeit der Loco-
motiven zu erhöhen. Dieser Forderung
liess sich nur durch eine Gewichtsver-
mehrung der Locomotiven entsprechen.
Und so traten nun Locomotiven in Betrieb,
welche auf das Geleise einen Achsdruck
von 13 t ausübten.
Selbstverständlich wurden die Wir-
kungen dieser neuen Fahrzeuge für die vor-
handene Gel eise- Construction verhängnis-
voll. Der Ingenieur Stöpsel, der Chronist
der Nordbahn, schrieb zu jener Zeit: »Die
Sicherheit und Regelmässigkeit des Ver-
kehrs waren gefährdet, die Abnützung
des Geleises und der Fahrzeuge zeigten
sich in allzustarkem Masse, es sind viele
Brüche an Schienen und an Chairs vor-
geki
Unter diesen Umständen kam das
Geleise nach englischer Bauweise eigent-
lich Unverdientermassen in Verruf und
fand das Beispiel der Wien-Gloggnitzer
Bahn unisomehr Anklang, als man
mittlerweile in -Deutschland bei der
Leipzig-Dresdener Bahn mit einem Quer-
sch w ei len - Oberbau, bei dem breit-
fUssige Schienen ohne Vermittlung von
Stühlen direct auf den Querschwellen mit
Nägeln befestigt waren, gute Ergebnisse
erzielt hatte.
Im Jahre 1846 finden wir auf öster-
reichischen Bahnen die erste Anwendung
der breitfüssigen Schiene in Verbindung
mit Querschwellen ohne Langschwel len -
Unterstützung, und zwar auf der Linie
von Wien nach Brück a. d. Leitha.
Diese Bauweise ging allmählich auf
alle heimatlichen Bahnen über, wobei
Eisenbahn- Oberbai
die Versuche des preussischen Ministerial-
Directors Weisshaupt, welche die
Ueberlegenheit derselben in Rücksicht auf
Tragfähigkeit nachwiesen, nicht ohne Ein-
fiuss blieben. [Vgl. Abb. io6.]
Für jede Eisen bahn- Gesellschaft, ja
fast für jede einzelne Theilstrecke wurden
andere Verkehrs Verhältnisse vorgesehen
und andere Betriebsmittel mit anderen
Ge\vichts Verhältnissen beschafft. An-
knüpfend wurden nun theils praktische,
theils theoretische, theils subjective Er-
wägungen ins Feld geführt, um da und
dort eine grössere oder geringere Anzahl
von Stutzen oder eine grössere oder
geringere Abmessung der Geleise- Bestand -
theile zu begründen.
War nun in dieser Hinsicht eine
gewisse Stabilität für das System des
Geleise baues geschaffen, so gaben die
damaligen Besitz Verhältnisse der öster-
reichischen Eisenbahnen und der Um-
stand, dass das Eisenbahnnetz aus einer
grösseren Anzahl isolirter Theils trecken
sich zusammensetzte, doch mannigfalti-
gen Anlass zu Veränderungen im Ein-
zel)
ititm
Die Schiene.
Im Jahre 1848 hat die breitfüssige
Schiene in Oesterreich bereits die Ober-
hand über die Pilzschiene gewonnen.
An der Hand der Erfahrungen, die von
Jahr zu Jahr gesammelt wurden, unter
dem Einflüsse der Theorie, die sich stetig
vervollkommnete, und namentlich unter
der bedeutsamen Einwirkung, welche die
HUttentechnik ausübte, erfuhr die Gestalt
der Schiene zahlreiche Abänderungen.
Auch das wirthschaftliche Moment trat
hiebe! stark hervor; die Schiene bildet
ja doch den weitaus kostspieligsten Be-
standtheil des Geleises und eine Erspar-
nis an Gewicht verringert wesentlich die
Bau- und Enieuerungsk Osten. Und so
bildet zu Ende der Vierziger- und zu
Anfang der Fünfziger -Jahre das Bild der
Schienenprofile eine sehr formenreiche
Musterkarte!
Der Zusammenschluss der einzelnen
Linien, der Bau von Bahnstrecken über
246
trennende Gebirgsrücken, die hiebe! noth-
wendige Anwendung von grösseren Nei-
gungen und schärferen Bögen, die durch
letztere Verhältnisse bedingte Erhöhung
des Locomotiv- Achsdruckes bis zu 14 t,
drängten mehrere Bahn Verwaltungen, ihre
Schienen von ungenügender Tragfähig-
keit durch Schienen zu ersetzen, die den
neuen erhöhten Ansprüchen gewachsen
waren.
Auf solche Weise vollzog sich all-
mählich eine ansehnliche Vermehrung
des Einheitsgewichtes der Schienen. So
waren verlegt :
I Mit der Verstärkung des Gestänges
I war aber noch nicht Alles gethan. Die
I Schienen waren ausschliesslich aus Eisen
j gewalzt — aus einem Materiale, dessen
I begrenzte Festigkeit bei den grossen
' Druckwirkungen der Fahrzeuge selbst
I bei stärkeren Geleise-Constructionen zu
I auffäUigen, nicht durch die regel-
I massige Abnützung entstandenen Zer-
störungen an der Lauffläche führte.
Alle Berichte damaliger Zeit stimmen
darin überein, dass der Verschleiss an
Schienen durch Spaltung und Trennung
ganzer Theile an der Lauffläche des Kopfes
Oberbau
der Seimtisringbahit
1854.
auf der Kaiser Ferdinands- Nordbahn im '
Jahre 1839 Schienen von 19-5 kg pro
Meter [pilzförmiges Profil], 1
auf der Gloggnitzer Bahn im Jahre 1841 I
Schienen von 265 kg pro Meter [breit- I
füssiges Profil], j
auf den k. k. Staatsbahnen im Jahre j
1844 Schienen von 21 '2 kg pro Meter ,
[pilzförmiges Profil], |
auf den k. k. Staatsbahnen im Jahre
1849 Schienen von 29-6 kg pro Meter
(breitfüssiges Profil],
auf den k. k. Staatsbahnen im Jahre
1856 Schienen von 37'275 kg pro
Meter [breitfüssiges Profil].
Bemerkenswerth ist der Oberbau der
Semmeringbahn mit Schienen von
42'5 kg pro Meier und mit einem wohl-
gefUgten Holzroste aus Lang- und Quer- |
schwellen, [Abb. 107.] 1
ein ungewöhnlich hoher war ; die Schienen-
dauer sank in einzelnen Strecken bis auf
kaum vier Jahre — und dies bei einer
Verkehrsdichte, die bei weitem nicht an
jene unserer Tage heranreichte.
Ueber diese Nothlage half nun der
Gedanke hinweg, für die Schienen-
erzeugung anstatt des Schweisseisens
das festere Stahlmateriale zu verwenden
— die Eisenbahnen in Stahlbahnen zu
verwandeln. In Rücksicht auf die um-
ständliche Herstellungsweise des Stahles
im Puddelofen und die hiedurch bedingte
Kostspieligkeit desselben beschränkte man
seine Verwendung zunächst auf die Her-
stellung einer härteren Fahrfläche. Der
erste Versuch wurde von der Buschte-
hrader Bahn unternommen, die 1855
Eisenschienen mit Stahlkopf in Verwen-
dung nahm.
Eisenbahn-Oberbau
'heilweise auf der Flügelbahn nach Brunn.
Dieser Versuch gelang glänzend, denn
iie betreffenden Schienen sind heute, d. i.
lach 33 Jahren, noch in der Bahn in
/ollkommen gebrauchsfähigem Zustande
ind weisen ledighch eine Auswechslungs-
tiffer von 87o auf. Es ist daher begreif-
ich, dass sich die Nordbahn- Verwaltung
ieinerzeit entschloss, unverzüglich zur
lusschliesslichen Verwendung solcher
Schienen überzugehen. Die Durchführung
Jes Entschlusses fand aber in dem hohen
r'reise des Materials ein leicht erklär-
iches Hindernis, dessen Beseitigung
edoch schliesslich dadurch gelang, dass
nan das für Eisenmaterial construirte
Schienenprofil mit dem Einheitsgewichte
lon 37-2 kg verliess und ein schlankeres,
eichteres Profil von 31 kg entwarf.
[Abb, 108.] Das Widerstandsmoment
h und mithin auch die Tragfähigkeit
^dieser Stahlschienen waren bedeutend
grösser, als jene der Eisenschienen,
U""^'jröit»fla™=''»"^*«."Gt-i"f^ denn die Massen waren richtiger ver-
«ahi = jcrs«**^. Gtwkht pro'iw lo FiuuMihi = jic«6*r; theilt, die Form war eine gunstigere
TiiebciumomcDt T = 706 lÄofur f« wideriuod.monieni T^ Und die Festigkeit des Materials eine
Da aber die Erzeugung solchei
Schienen nicht viel von jener der Eisen-
schienen abwich, so war das Ablfiser
der Stahllamelle von der Eisenschiene eint
häufig auftretende Erscheinung. Man grifl
deshalb zu Schienen aus Puddelstahl,
Schienen, die aus einzelnen Stahlplatter
durch Schweissung und nachfolgende Aus-
walzung erzeugt wurden.
Die erste Verwendung und Ausbreitung
derselben ging, begünstigt durch das vor-
zügliche Rohmaterial, von Oesterreich
aus, und zwar war es die Kaiser Fer-
dinands-Nord bahn, welche durch den zu-
folge ihres starken Verkehrs überaus
bedeutenden Verschleiss der Eisensehie-
nen und die dadurch hervorgerufenen
hohen Bahnerhaltungs kosten zunächst
dazu gedrängt wurde, unter S lockert
Versuche mit Schienen aus Puddelstahl
in grösserem Massstabe durchzufilhren. .
Sie Hess im Jahre 1865 eine grössere*
Zahl solcher Schienen nach ihrem für
Eisenschienen im Gebrauche befind- ,-. ,^ s >.■ ^ m o j v jk i. f 1 .m. . .&...>
1- L r> .ei ■ T-- I -. - L. *''*'■ '?'■. ^-•'""«"Profil B der Nordbjhn l^lni[<:™h" '^'].
hchen Profile im Etnheitsgewichte von yiitmcbniiiMidcin^^jTTOf-»'; Ot.vitM pro 1 win scnwei«-
373 kg pro Meter walzen und verlegte '"'" ~'"^ ""'■ """"" ^"' ' '" '"" *■''"■■*"'" - «^i»*^;
dieselben theilweise auf der Hauptlinie, T"Kh«,™.,nent t „ htt^-^w ™;jvid.r.ti.nd.™on„„t ^-..
248
Alfred Birk.
höhere als bei dem früheren Profile.
Der Preis stellte sich bei gleicher Länge
der Schienen auch gleich mit jenem der
Eisenschiene, denn die Grössen der
Querschnittflächen und mithin der
Massen verhielten sich umgekehrt wie
die Preise des Puddelstahls und des
Eisens.
Dieses Schienenprofil, das also eben-
falls der gesteigerten Inanspruchnahme der
Schienen Rechnung trug, wurde von den
Eisenhüttenmännern als besonders ge-
eignet für den Schweissungsprocess be-
funden und fand Eingang bei vielen
Bahnen Oesterreichs und Deutschlands ;
auch die französische Nordbahn wählte
es als Muster für ihre Schienenprofil-
Anordnung.
Unterdessen hatte sich in der Hütten-
technik ein Ereignis von weittragender
Bedeutung vollzogen, indem die Erfindung
Bessemer's zur Herstellung eines homo-
genen Flussstahles ihre Vervollkommnung
für Massenerzeugung erhalten hatte. Der
grosse, unschätzbare Vortheil der Stahl-
schienen-Erzeugung nach dem System
Bessemer's oder auch nach jenem Martinas
besteht in der Herstellung der Schienen
aus Gussblöcken anstatt aus zusammen-
geschweissten Packeten. Der Unterschied
der beiden eben genannten Stahl-Erzeu-
gungs-Processe liegt nur. in der ver-
schiedenartigen Reinigung und Ent-
kohlung des Roheisens, das zum Stahle
verarbeitet wird. Bessemer bringt das vor-
her flüssig gemachte Roheisen in grosse
schmiedeeiserne, mit feuerfestem Material
ausgekleidete Retorten und lässt die
atmosphärische Luft mit bedeutender
Gewalt durch die glühende Masse hin-
durchpressen. Martin mengt Roh- und
Schmiedeeisen in bestimmtem Verhält-
nisse und setzt dieses Gemenge in
eigenen Schmelzöfen der Einwirkung von
Verbrennungsgasen und der atmosphäri-
schen Luft aus. Das Product ist in beiden
Fällen jenes Metall, das wir in Rück-
sicht auf seine besondere Gewinnung
als flüssiges Metall mit dem Namen
Flusseisen oder Flussstahl bezeichnen.
Als nun im Jahre 1865/66 auf Grund-
lage des üben erwähnten Schienenprofils
die erste Lieferunos-Ausschreibung für
den ganzen Bedarf der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn an Puddelstahl-Schienen er-
folgte, waren eben in England, und zwar
auf Veranlassung einiger österreichischer
Eisenwerke Versuche über die Verwend-
barkeit von kämtnerischem und ober-
ungarischem Roheisen für den Bessemer-
Process durchgeführt worden; diese
hatten so gute Ergebnisse geliefert, dass
diese Eisenwerke sofort die Lieferung
von Bessemer-Stahlschienen, und zwar
zu dem gleichen Preise wie Puddelstahl-
Schienen und mit fünf-, sieben- und
achtjähriger Haftzeit offerirten. Das An-
gebot wurde angenommen und während
zu Ende des Jahres 1867 auf der Kaiser
Ferdinands -Nordbahn schon 57 km Ge-
leise mit Puddelstahl- und 22 ktn mit
Bessemer-Stahlschienen belegt waren,
hatten alle anderen Bahnen Oesterreichs
und Deutschlands zusammengenommen
noch nicht die gleiche Länge Geleise
aus Stahlschienen hergestellt.
im Jahre 1871 hatte die Kaiser
Ferdinands-Nordbahn bereits 418 km
Geleise mit Puddelstahl, Bessemer- und
Maitinstahl belegt, deren Verwendungs-
ergebnisse alle Erwartungen weit über-
trafen und zur raschen Einführung solcher
Schienen auch auf den übrigen Bahnen
nicht unwesentlich beitrugen. Im Jahre
1872 sah die Nordbahn sich genöthigt,
den zunehmenden Raddrücken und Zugs-
geschwindigkeiten durch Einführung einer
schwereren Stahlschiene [Profil B] von
35*2 kff Einheitsgewicht für die Haupt-
linien Rechnung zu tragen. [Abb. 109.]
Schon im Jahre 1865 hatte der Oester-
reichische Ingenieur -Verein ein Normal-
schienen-Profil ausgearbeitet, das auf die
Verwendung des Stahls anstatt des Eisens
Rücksicht nahm. [Abb. iio.] Der Vorschlag
blieb unbeachtet ; jede Bahnverwaltung stu-
dirte undexperimentirte an dem Schienen-
profil. Auf die verschiedenen Ergebnisse
nahm die Steigung der Locomotiv- Rad-
drücke, der Geschwindigkeit und Belastung
der Züge grossen Einfluss. Die Anschauun-
gen über die bei der Construction der
Schienen in Betracht kommenden Fragen
waren noch nicht ganz geklärt ; subjective
Ansichten, aber auch das Bestreben der
Bahnverwaltungen, selbständige Norma-
lien zu besitzen, machten sich geltend,
und so kam es, dass im Jahre 1881 auf
!l
Eisenbahn-Oberbai
österreichischen Bahnen nicht weniger als
31 verschiedene Schiene nprofile vorhanden
waren, welchen Gewichte von 291 bis
3g'8 kg pro Meter entsprachen.
Bei dem Bestreben, für die stets zu-
nehmende Vergrösserung der Locomotiv-
Gewchte und der Geschwindigkeiten
ein haltbares Gestänge festzulegen, und
in Würdigung der Vortheile wirthschaft-
lieber Natur, welche eine einheitliche
j 11. Ranges [Nordbahnprofil A], während
• für Localbahnen bis auf 23-3 kg herab-
I gegriffen wurde. Als normale Schienen-
lange war 7'5 in angenommen, nachdem
man bereits in der Slitte der Sechziger-
Jahre von 18' = 5'689 m Länge auf
21' = 6-636 m und später auf jene von
24' ~ 7'584 m übergegangen war.
Diese Normalien fanden längere Zeit
wenig Anwendung, sie sind aber heute
Abb. HO. Normalprofil des OulcriElcblicbei
Durchbildung des Geleises für die Eisen- '
Industrie und für die Bahngesellschaften
bieten würde, Hess das k. k. Handels-
ministerium im Jahre 1883 durch eine
Commission hen'orrag ender Fachmänner
Normalien für einen Holzquerschwellen-
Oberbau, und zwar für Hauptbahnen L
und 11. Ranges und für Localbahnen auf-
stellen. Diese Schienenprofile erhielten
die gleichen Gewichte wie die beiden
Profile A und B. welche die Kaiser
Ferdinands-Nordbahn im Jahre 1 866, be-
ziehungsweise 1872 construirt hatte, und
zwar 35'2 kg für die Bahnen I. Hanges
[Nord bahn pro fil B] und 3i'i kg für jene
auf dem grc-isen Netze der k. k, Staats-
bahnen im vollen Gebrauche und werden
sich, wenn an den seitherigen Grenzen
des Achsdruckes der I.ocomotive fest-
gehalten wird, wohl noch auf eine lange
Periode mit Erfolg behaupten können.
Wie sehr aber auch in den letzten
Jahren die Anschauungen der Geleise-
techniker auseinander gingen, beweist
wohl die Darstellung der bei den ver-
schiedenen (isterrei Chi sehen Hauptbahnen
im Jahre 1888 geltenden Normaltypen für
Stahlschienen. [Vgl. Abb. 1 1 la und 1 1 ib.]
Die im Auslande mehrfach befür-
wortete Einführung der sogenannten
250
Alfred Birk.
Goliathschienen mit einem Einheits-
gewichte von 50 /?^ und darüber, kam
auch in Oesterreich zur Discussion und
veranlasste den Ingenieur- und Archi-
tekten-Verein [1890] über Antrag des
Regierungsrathes C. Ritter von Horn-
bostel ein Comit6 aus den obersten Bau-
beamten der in Wien mündenden Bahnen
einzusetzen, um die Frage einer etwa
nothwendig werdenden Oberbau -Ver-
stärkung zu Studiren,
Diese Versammlung erhob sich in
ihren eingehenden Berathungen über die
bis dahin vielfach beobachtete einseitige
Behandlung des Gegenstandes, indem
sie nicht die Schiene allein, sondern
auch die anderen Geleise-Bestandtheile
und die gesammte Anordnung der
Oberbau-Construction in der gegensei-
tigen Abhängigkeit und Wirksamkeit
K. F. N. B.
1886. r.Suhl
Itoupdinifn.
Oc. U. St. G.
1I»8 Citcn 1868 rSUM
Briiiin-8»dMb4cli.
der einzelnen Theile in ernste Betrach-
tung zog.*)
Die hier gewonnenen Erkenntnisse
haben viel dazu beigetragen, die Er-
höhung der Leistungsfähigkeit der vor-
handenen Oberbau-Constructionen in
rationeller Weise durchzuführen, ohne
zunächst wieder im Wege kostspieliger
Versuche mit neuen Geleise-Profilen sich
von dem Ziele der wirklichen Verstär-
kung des Geleises zu entfernen.
Man war sich namentlich darüber
klar geworden, dass die Schiene vorzugs-
weise massgebend ist für die Tragfähigkeit
des Geleises, für die Sicherheit des Ver-
*) Den in diesem Comitö empfangenen
Anregungen verdankt die bekannte Abhand-
lung A s t's über Beziehungen zwischen dem
Geleise und den darüber rollenden Lasten
ihre Entstehung.
. .'.« ^.
A. T. B.
1878 r^SUhl
Ant.KwMiM «.TVrmli - Bilia .
B. B.
188% F.StihI
Smichtw - N«sU«rtt|.
T« 9SI-3I5 cm*
r»<i%-»oic»'
«•6-»i cm
Li rom
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-96tfem
ai.C.OMka G.r.rSt.-88ola
r.iiTMCm^ T«919cm^
l*i-o»cm 0« 7.9 t
l-tUin [«SS cm
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0r.RSl.«3S.3k|
[•St« l«l05cfli
— .... 110
Q.rr.st« 31-711
F« SO-W cm*
•« b-n cm
1*7 f m
1*7 ko
. TtO tm*
?:i
»Ol
•0 cm
K. k. St. B.
188t F.Suhl
M«uptbahiiin 1. Ranges.
K. k. St. B.
^ 1883 F.5Uhl
Nauptbahntn l.RansM.
B. W. B
1881 F.StaM
A-ag-rurlk.
C* Li. B.
1881 F.Stahl
KraliaM - ^d«v«l»cxyska.
G.r.r.st.«3Si»k9
F«(iS-Htm* T-tTOcm**
C*(-orm 0af-3lt
l«7-Sm U90cm
C.r.r.St.«3lr2kf
F.CiOticm* T.ttOcm^
«• St» cn 0*7 3^t
L-7»in («»Oem
IM s .M
G.rrSt.-Strskg
F«42-acm* T>8il »cm^
t > k-iS cm Q ' t S C
l>8oin l'ftkcm
— - II« .
G.f.Fit.>33ukt
F«kMscm^ T*8T«eai«
c-koicm Q>fsi
L*lo ffl l-85cn
Abb. III a. Schicncnprofile der österreichischen Eisenbahnen [am I. Januar 1888].
Eisenbahn-Oberbau.
251
Oe. N. W. B.
1SS2 r.Stahl
1881 r.Slabl
B. N. B.
1879 rStahl
Xreibiti-Warniderr.
S. B.
1887 F. Suhl
alminUiclM linitn.
»T- -
G^^.st.•lf•n^•
f«C*otc» Q«9->l
l«9'TSIII
Ciitmc langcckwtllrA.
Jj. C/. J. 0.
1877 F^lthl
Itmbf r3 -SttCiow».
r.
Q.r.
3911
7«ii
t»"
30s kg
l«SScm
G.r.Mt.«33ok|
■ 9m
{•7*1
cm
K. 0. B.
1873 rSUhl
Odtrbtrg - landrsgrinit.
I. U. G. B.
1883 rStahl
Pnrmjrsl-Cbyrtw.
G.r.rst«3'»«k8
r«^3'B3ra* T>9?0CM^
t>»-acm' 9-fSl
IvtO-ooffi l«Mui
M. S. C. B.
188S F.Stahl
MSkr.scMM.Ciiitr«lbh
G.f.r.Sl.-33okg
T«8Mcm
F-4l*Mcm*
f • 6*15« cm
l»f'Om
>8Scm
G.r.r.st.«3i-8iM ^
f«bO-lcm* T-7S0cm^
foS-fcm 0*7s(.
U8<9m U8S(
»cm-
I
. — . . .. > i(« ....„
G.r.r.st.*3i72k9
r.<.0»c«* T.78»cm*
C-&I cm 0«'7 s I
L-7& [•90 cm
W-. "• - 1
G.r.Ut.-3S%k9
r*M«cm* T- 910 cm*
t«f**cm 9*8St
1.7» m l-80«m
Abb. III b. Schienenprofile der österreichischen Eisenbahnen [am i. Januar 188S].
kehres; dass dagegen für die Steifigkeit
des Oberbaues, von welcher die Oecono-
mie der Geleise-Erhaltung und die An-
nehmlichkeit des Fahrens abhängt, weit
mehr die Bettung und die Schwelle und
bei Querschwellen auch die Stützen-
entfemung in Betracht kommen.
Die Schotterbettung,
in w'elche das Geleise gelagert ist, der
am wenigsten beständige Factor im
Oberbau-Gefüge, hat im Laufe der Zeit
grössere Wandlungen durchgemacht. Bei
den ersten Bahnen mit Langschwellen
lagerte man — wie schon berichtet
wurde — das Geleise bei Dämmen auf
zwei parallele Mauerkörper, um dasselbe
von den Setzungen der Dammschüttung
unabhängig zu macTien; anderwärts hob
man — auch dessen geschah schon Er-
wähnung — aus Ersparnisrücksichten
unterhalb der Schienen Gräben aus,
welche man mit einem Schotterkörper
ausfüllte, der die Langschwelle zu tra-
gen hatte.
Bei den weiteren Bahnbauten ver-
senkte man den Schotterkörper, dessen
Breite der Länge der Querschvvellen ent-
sprach, in den Erdkörper, so dass jener
beiderseits von Erdbanketten oder auch
Steinbanketten begrenzt war; letztere
fanden besonders in scharfen Bögen An-
wendung und sollten Verschiebungen des
Geleises verhüten.
Gegenwärtig wird die Schotterschichte
allgemein auf das Erdplanum aufgebracht
und aus Grubenschotter oder Kleinge-
schläge gebildet.
Dem Schotterbette kommt bekanntlich
die Bedeutung des Geleise-Fundamentes
zu, das sich beim Befahren nicht wie
ein starrer Körper, sondern als elastische
Unterlage verhält, welche die Druckwir-
kungen der Schwellen auf den Unterbau
der Bahn derart zu übertragen hat, dass
letzterer ebensowenig wie die Bettung
eine Zerstörung oder Deformation er-
leidet.
Andererseits hat die Bettung auch
die Aufgabe der Wasserableitung aus
dem Geleise-Gefüge und schliesslich
dient sie zur Aufholung und Unter-
st opfung gesenkter Stützen, Diese
mannigfaltigen Functionen erfüllt die
Schotterbettung umso besser, je
stärker sie bemessen, je reiner
und härter ihr Material ist. Bei .• '
den ersten Locomotiv - Bahnen •' '
war die Stärke der Schotter -
schichte sehr reichlich bemessen;
im Laufe der Zeit wurde aber
die Bedeutung derselben ge-
ringer geachtet und die bei der
ersten Bauherstellung geschatfene
Bettungsschichte bis auf kaum
015 m Stärke herabgemindert.
Erst in neuerer Zeit wird bei
stark beanspruchten Bahnen die
Schotterschichte bei Verwendung
von Kleingeschläge wieder in
grösseren Abmessungen, bis zu
0'5 in und darüber, mit Vortheil
ausgeführt. *'
Die Schwelle
bildet ebenfalls einen wichtigen Be-
stand! heil des Geleises.
Oesterreichs grosser Holzreich-
thum Hess schon von allem Anfang
an dieses Material als besonders ge-
eignet fllr Schwellen erscheinen, so
dass Gusseisen- und Stein unterlagen
hier nur wenig in Betracht kamen.
Das am meisten verwendete Holz
war und ist noch heute wegen seiner
Festigkeit und Dauerhaftigkeit das
Eichenholz; daneben finden sich
Schwellen aus Kiefern-, Tannen- und
Fichtenholz und in der Neuzeit auch
Lärchen- und Buchen seh wellen.
*■ Die Abmessungen der Schwellen
waren von jeher sehr verschieden ;
sie wechselten nach den Anschauungen
der Constructeure fast ebenso wie die
Sc hien en p rofi I e .
Die Querschnittsform der Holz-
schwellen war ursprünglich eine recht-
eckige; auch halbkreisförmige Schwellen
wurden verlegt; später begann man die
oberen Kanten abzufasen und gelangte
zu dem heute gebräuchlichen trapez-
förmigen Querschnitte.
Die Breiten- und Längendimensionen
haben im Laufe der Zeit eine rückläufige
Bewegung gemacht — in der ersten Zeit
grosse Dimensionen nach englischem
Muster, dann allmähliche Abminderung
dieser Abmessungen und in neuester Zeit
Eisenbahn- Ob erbau.
strebt man nach Einführung der
oberen Grenzwerthe von 0'26 m
Breite, o-i6 m Höhe und 27 m
Länge.*)
Die Entfernung der
Schwellen als der Schienen-
stutzpunkte machte ebenfalls eine
rUcklaufende Bewegung. Bei dem
alten Stuhl schienen -Geleise der
Nordbahn [1837 bis 1850] lagen
die Schwellen 0770 m von Mitte
zu Mitte. Nach Einführung stär-
kerer Schienenprofile glaubte
man diese Entfernung auf 1 m
erweitern zu können, doch rieth
Paulus in seinem Werke Über
den »Eisenbahn -Oberbau in seiner ^^j^
Durchführung auf den Linien der I^
k. k. priv. Sudbahn-Gesellschaft"
[1869], bei Gebirgsbahnen mit KUcksicht
auf das grössere Gewicht der Locomo-
tiven und auf deren grössere dynamische
Einwirkungen auf das Geleise,
den Schwellcnabstand auf o'870 m zu
verringern.
Die tiefere Erkenntnis der Functionen
von Schwelle und Bettung im Geleise-
GefUgehat in neuerer Zeit die Nothwendig-
keit einer noch geringeren Schwellen-
entfemung — höchstens O'Soo m — vor
Augen gefuhrt; die k. k. Staatsbahnen
•) Siehe W. ,
Die Schwelle
an.]
sowie die Kaiser Ferdinands -Nordbahn
haben dieses Ausmass auch bereits in
ihre neuen Normalien aufgenommen.
Die Schwellen aus Holz unterliegen
einer verhältnismässig raschen Zerstörung
mechanischer und chemischer Naiur. Der
mechanischen Zerstörung suchte man
schon frühzeitig durch Verwendung von
Unterlagsplatten entgegenzuwirken ; die
auf chemischem Wege hervorgerufene
Zerstörung, das rasche Verfaulen der
Schwellen, ist man bemüht, durch das
Tränken derselben mit an ti septischen
Stotfen zu verzögern.
Die ersten von der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn mit grossen Opfern im
Jahre 1852 vorgenommenen Ver-
suche mit Eisenvitriol, Schwefel-
baryum und Zinkchlorid mussten
wegen ungenügender Ergebnisse
im Jahre 1858 aufgegeben wer-
den. Auch die in jener Zeit
mit Kupfervitriol vorgenommenen
Versuche blieben ohne nachhal-
tigen Erfolg.
Die mittlerweile in Deutsch-
land mit Chlorzink und creosot-
haltigem Theeröl erzielten gün-
stigen Ergebnisse regten zu neuen
Versuchen in Oesterreich [1862]
an. Diesmal blieb der Erfolg
nicht aus. Zur Zeit ist mehr als
ein Drittel aller Schwellen ge-
tränkt, während vor zehn Jahren
I ■ dies Verhältnis nur ein Fünftel
254
Alfred Birk.
betrug. Als Tränkungsmittel dienen Zink-
chlorid, Kupfervitriol und Theeröl mit
Creosot. Bei gut construirten Geleisen
wird durch die Tränkung die Dauer der
Schwellen aus Eichenholz durchschnitt-
lich von 12 auf i8 Jahre, jener aus
Kiefernholz von 5 auf 13 Jahre erhöht.
Die Möglichkeit, dem Holzmateriale
eine so grosse Lebensdauer zu verleihen,
bedeutet einen grossen wirthschaftlichen
Erfolg. Trotzdem erscheint aber der
Gedanke, in den Geleisen, die grossen
Verkehren dienen, möglichst wenig ver-
gängliche Materialien zu verwenden, aus
Sicherheitsrücksichten sehr begründet.
Es ist daher begreiflich, dass der
Ersatz der hölzernen Schwelle durch die
eiserne für solche Geleise allerwärts
ernstlich angestrebt wird.
In wirthschaftlicher Hinsicht liegen
in Oesterreich die Verhältnisse für die
Eisenschwelle nicht günstig, weil die
Beschaffung hölzerner Schwellen infolge
eines grossen Waldreichthums sehr
billig ist, dagegen jene der Eisen-
schwellen sich unter dem Einflüsse eines
hohen Schutzzolles sehr kostspielig
stellt. Daher ist auch Oesterreich ver-
hältnismässig spät in die Reihe der
Staaten eingetreten, deren Eisenbahn-
Verwaltungen Versuche mit eisernen
Schwellen unternommen haben, obwohl
österreichische Ingenieure an der Con-
struction des eisernen Oberbaues sich sehr
rege und im Einzelnen mit grossem Erfolge
betheiligten.
Im Jahre 1862 traten zwei öster-
reichische Ingenieure, K ö s 1 1 i n und
B a 1 1 i g , mit einem Eisen-Langschwellen-
Systeme in die Oefl"entlichkeit. Dasselbe
fand wohl im Auslande, aber nicht in
Oesterreich Anwendung. Hier verlegte den
ersten eisernen Oberbau die Südbahn,
welche das System ihres Baudirectors
Paulus im Jahre 1865 im Bahnhofe zu
Graz auf 20 w Länge versuchsweise zur
Anwendung brachte. Das System, das
auf der Verwendung alter Schienen be-
ruhte, verhielt sich nicht günstig und
wurde im Juli 1872 wieder entfernt.
Zur Zeit der Wiener Weltausstellung
[1873] wies das Schienennetz Oesterreichs
noch gar keinen eisernen Oberbau auf.
Die Weltausstellung scheint aber durch
die Vorführung einschlägiger Con-
structionen erneute Anregungen gegeben
zu haben, denn schon im Jahre 1876
liegen vier verschiedene Systeme : Lazar,
Hagenmeister & Wagner, Hohenegger,
Battig-De Serres, auf zusammen 5 km.
Von diesen Systemen haben sich bis
heute die beiden letzteren — beides Lang-
schwellen-Systeme — in der Praxis dauernd
erhalten.
Bei dem System Hohenegger's,
das auf der Nordwestbahn im Juli 1876
zum ersten Male verlegt wurde und be-
friedigende Erhaltungsresultate aufweist,
ruhen die Fahrschienen auf gewalzten
Langträgem von trapezförmigem, unten
offenem Profile. [Abb. 113 und 114.]
Beide sind durch starke Schrauben ver-
bunden; unter den Stössen der Lang-
träger liegen Querträger von 2*4 w
Länge und gleichem Profile mit ersteren ;
überdies werden die Enden jener durch
je zwei den Querträgem aufgenietete
Eisenbügel unterstützt. Zur Verbindung
der beiden Geleisestränge dienen ausser
den Querträgem noch zwei Spurbolzen
pro Schienenlänge, die in nahezu gleichen
Abständen und symmetrisch zur Schienen-
mitte angebracht sind.
Das System, das Ober - Ingenieur
Battig im Vereine mit dem damaligen
Baudirector der k. k. priv. Staatseisenbahn-
Gesellschaft DeSerres erdacht hat und
das ebenfalls im Jahre 1876 im Wiener
Bahnhofe dieser Gesellschaft zum ersten
Male, und zwar sofort auf eine Länge
von über 800 w verlegt wurde, zeigt
eine ganz eigenartige Construction.
[Abb. 115.] Die Fahrschiene wird von
einer aus zwei Theilen bestehenden
Tragschiene gestützt, welche die lang-
schwellenartige Basis der Fahrschiene
abgibt und durch Unterstopfung mittels
Bettungsmaterial tragfähig gemacht wird.
Den Zusammenhalt der Fahrschiene und
der Tragschienentheile und die Ver-
bindung beider Schienenstränge zu einem
einheitlich wirkenden Gestänge gibt ein
das ganze Geleise durchgreifender Quer-
riegel, der an dem Orte, wo die Fahr-
schiene liegt, ausgeklinkt ist und durch
besondere Oeffnungen in den Tragschienen
hindurchgesteckt wird. Zwischen je zwei
benachbarten durchgreifenden Querriegeln,
Eisenbahn-Oberbau.
255
die 2*2 m entfernt liegen, sind noch in
jedem Strange drei kurze Querriegel und
sechs federnde Sperrdome, welche Fahr-
und Tragschiene zusammenhalten, zur
Erhöhung der Innigkeit des ganzen Ge-
füges eingeschaltet.
Die eben erwähnten Systeme eisernen
Oberbaues blieben in den nächsten Jahren
auf Oesterreichs Eisenbahnen fast ganz
vereinzelt; einige Systeme, welche auf-
tauchten, gelangten entweder gar nicht
oder nur versuchsweise zur Anwendung
— keines vermochte sich zu behaupten.
Erst das Jahr 1882 brachte in die Praxis
eine neue Construclion und mit ihr zugleich
einen bedeutsamen Fortschritt, indem in
diesem Jahre zum ersten Male der eiserne
Querschwellen-Oberbau, System Hein dl
Abb. 116], auf mehreren Strecken der
c. k. österreichischen Staatsbahnen, der
Nordbahn, der Aussig- Teplitzer und der
Dux-Bodenbacher Bahn in einer Ge-
sammtlänge von 5*1 km gelegt wurde.
Bis Ende 1897 sind in Oesterreich
80 km Geleise und 5146 Garnituren
Weichen, dagegen im Auslande bereits
1270 km Geleise nach diesem Systeme
ausgeführt worden, dessen Verwendung
und allmähliche Erweiterung die nach-
folgende Uebersicht kennzeichnet.
Anwendung des eisernen Querschwellen- Oberbaues, System Heindl, in den
currenten Geleisen [km].
In Oesterreich-Ungarn:
In Deutschland:
Jahr ' K. k. Königl.
Bosn.-
Aussig-
Teplitz.
Eisenb.-
Gesell.
Kaiser
K. k.
1 1
! Königl. ; Königl.
Reichs-
Königl.
' österr. . ungar.
herzeg.
Ferd.-
privil.
' bayer. ! preuss.
in Eis - .
Lothr
württbg.
IStaatsb. 1 Staatsb.
Staatsb
Nordb.
Südb. Staatsb. Staatsb. 1
Staatsb.
1 ' I
1883 2 IG ,
•
I
00
200
•
1
027
■
•
.
1884' 1170
•
054
1
•
•
1885 \ 1070
•
•
1 37-51
•
•
1886 , 2100
•
•
2080
■ «
•
1887 . .
.
•
•
•
' 2383
•
•
1888 1 . 1 .
•
^
•
' 86-37
•
•
1889' . 1 .
•
•
3878; .
.
1890 '
18-90
■
5664
•
189I ^ 1500 1
•
1 lOOOI 1
.
1892 , . .
•
.
•
•
17104 1
•
1893 1 .
•
•
126-37; 511
.
1894
600
678
65-96 15-00
1000
"
1
1895
1
1
•
174-54 1 987
•
4550
1896
5-84
•
•
101-41 1 870
•
64-20
1897
1
•
»
40-11 j 508
1' 1
•
62-40
^Z'\ ^-50 5-84
1 1
25-68
1 00
2-00
054 104364 4376
1;
10-00
172-10
Im Ganzen wurden
also verlegt:
•56 km ii
1 Oesteri
eich unc
l . . . . 1269-50 km in
Deutscl
iland.
Hievon ab die 1893
u 1894 im Arlberg-
1
Tunnel wegen star-
1
1 ker Rostbildung
21
•40 X j
> »
*
. . . . — » V
»
1
durch Holzschwel-
1
' len - Oberbau er-
1
1
setzten Geleise ]
0 km ii
eich und
schland.
1
1
1
1
Somit waren Ende «
1897 im Betr. rund: °
1 Oe
sterr
... 1
270 km
in Deut
1
256
Das Geheimnis des Gelingens dieser
Erfindung, die vom »Vereine Deutscher
Eisenbahn - Verwaltungen» mit einem
Preise ausgezeichnet wurde, liegt in der
vorzüglichen Befestigung der Schienen
auf den eisernen Schwellen, welche hier
eine auf streng mechanischen Grundsätzen
gegründete Durchbildung erfahren hat.
Für diese Construction erschienen dem
Ertinder massgebend: Vermeidung jeder ,
unmittelbaren Einwirkung des Schienen- '
Ansatz der Süssere Rand des Schienen-
fusses sich lehnt; beide — Unterlagskeil
wie Schienenfuss — werden mit Hilfe
von Beilagen, Klemmplatten und Fuss-
schrauben auf den Schwellen befestigt.
Die Beilagen, die in Rücksicht auf die
erforderlichen Abstufungen der Spur-
Vsritie AKSichl.
[Syst.
Baltig-Dc :
:.,]
fusses auf die Befestigungsmittel an der
Aussenseite der Schiene sowie auf die
Schwelle si;lbst;Hcrstellung einer innigen,
durch kräftigen Druck zu gewinnenden
Verbindung zwischen Schienenfuss und
Schwelle, und Erhaltung der Schienen-
lage gegenüber der Einwirkung der Ho-
ri/(jntalkrafte.
Entsprechend diesen I'rincipien ist
zwischen Schienenfuss und Schwelle ein
Unterlafjskeil eingeschaltet, gegen dessen
weite in den Bögen verschiedene Längen
besitzen, haben die beiden Schienen-
stränge in richtiger Enfenmng von einan-
der zu hallen und die seitlichen Angriffe
der Schiene auf die Schwellen zu Über-
tragen ; zu diesem Zwecke stossen die
aussen liegenden Beilagen gegen die
Unterlagskeile, die innen liegenden gegen
Eisenbahn-Oberbau.
den Schienenfuss, und finden *
diese wie jene mittels der in
die Schweilendecke versenk-
ten Ansätze an den von der
Schiene entfernten Stirn-
flächen der Schwellen schlitze
ihren Halt.
Die Kaiser Ferdinands-
Nordbahn hat im Jahre 1883 ,
eine Probestrecke von 2 km '
Geleise nach dieser Bauweise
in einer stark befahrenen
Linie zur Ausführung ge-
bracht; zu gleicher Zeit*""'"'
wurde aber ein Probegeleise
mit Holzschwellen-Oberbau
unter gleichen Verkehrsver-
hällnissen verlegt. Ueber das
Verhalten dieser beiden Ge-
leise und aber die Kosten
ihrer Erhaltung wurden ge-
naue Aufschreibungen ge-
führt, denen wir folgende
Ziffern entnehmen:
Ueber jedes der beiden
Versuchsgeleise sind in der Abb 11
Zeit von 1884—1897 155.500
Züge mit einem Bruttogewi
von 85,000.000^ gerollt. Die Er
tungskosten betrugen in
14J ährigen Periode pro K
meter bei dem
für Arbeitslohn . . 3.2489. — fl. 2420.29
für Materiaie excl.
Schienen u. Schotter • 140.71 » 1458.20
für Schotter . . . • 34.29 » 28.12
im Ganzen . fl. 2664. oofl. 3906.61
sonach
für I Jahr und i km fl. 190.30 fl. 279.04
Trotzdem das eiserne Geleise um 32*'/(,
weniger in der Erhaltung gekostet hat,
befindet sich dasselbe noch in allen Theilen
in voller Frische und Gehrauchsfähigkeit
und ohne auffällige Abnützung.
Der Schienciistoss.
Der schwache Punkt aller Gcleise-
Constructionen ist jene Stelle, wo die
Schienen eines Stranges — ■ in diesem eine
Lücke bildend — aneinander stossen.
Norabähn. [.SW..J
Beim Stuhlschienen- Oberbau der ersten
österreichischen Eisenbahnen nahm ein
kräftiger Schienenstuhl die beiden
Schienenenden auf, wobei zwischen die
Schienen und die Stuhlbacken eiserne
Keile eingetrieben wurden. Als die
ersten breitfüssigen Schienen zur Ein-
führung gelangten, lagerte man beide
Schienenenden auf eine stärkere
Schwelle und befestigte sie da sorg-
fältig mit Nägeln oder Schraubennägeln.
Die Wien-Gloggnitzer Bahn verwendete bei
ihren Breitfussschienen auf Langschwellen
an den Schienenenden bereits gusseiserne
Unterlagsplatten, die mit Schrauben und
Nägeln auf die Langschwellen befestigt
wurden. Der Vortheil, den solche Stoss-
platten sichtlich gewährten, Hess dieselben
fast allgemeine Verbreitung finden, doch er-
zeugte man sie später aus Schmiedeeisen
und vervollkommnete sie durch Anbrin-
gung von Randleisten , welche der
Schienenfuss festhielt. In den Fünf/iger-
Jnhren fanden auf den österreichischen
Hahnen Unterlagsplatten mit zwei Rän-
dern , die über die Schienenfussenden
griffen und also gleichsam den Stoss ver-
17
25«
laschten, vielfach Anwendung^; auch ver-
ringerte man die Entfernung der Schwel-
len in der Nähe des Stosses oder lagerte
die Schienenstösse auf Langhölzer von
rund r6 m Länge.
Aber alle diese Anordnungen genügten
nicht, der mangelhaften Erhaltung der
Schienen in einer der Fahrrichtung
parallelen Richtung abzuhelfen, und so
gelangten die Techniker dahin, die
Verbesserung der Stossconstruction durch
die Anbringung von Laschen zu ver-
suchen.
Die Kaiser Ferdinands-Xordbahn, im
Jahre 184g vor die Nothwendigkeit des
Umbaues ihrer Geleise gestellt, wendete
die Bauweise mit Laschen am Stosse bei
ihren neuen breitfüssigen Schienen an ;
ihrem Beispiele folgten angesichts der
günstigen Erfolge sehr bald die übrigen
Verwaltungen,
Die ersten Laschen waren nur
Flachstäbe, welche mit zwei oder vier
Schrauben die Schienenenden in der ge-
wünschten Richtung erhielten, da die
vorhandenen birnförmigen Schienenpro-
file ein innigeres Anschmiegen der La-
schen unmöglich machten. [Abb. 117
und 118.)
Bei den nach Einführung der Laschen
construirten Schienenprofilen gab man
diesen eine solche Form, dass der
Laschenanschluss nicht allein am Steg,
sondern auch am Kopfe und am Fusse
der Schienen erfolgte. In dieser Be-
ziehung konnte die für die Semmering-
bahn vorgesehene Stossverbindung mit
voll anschliessenden Laschen und vier
Seh rauben bolzen seinerzeit als muster-
giltig bezeichnet werden. [Vgl. Abb. 107.]
Trotz dieser Verbesserung des Stosses
durch die Laschen verbin düng machte
man doch die Erfahrung, dass die
Schienenenden, welche auf die Stoss-
sch welle gelagert waren, durch die
darüber rollenden Lasten wie auf einem
Ambos gehämmert und in kurzer Zeit
schadhaft wurden.
Es lag nahe, zurSchonung der Schienen-
enden den Ambos zu beseitigen, indem
man die Schienenenden zwischen den
benachbarten Schwellen freischwebend
anordnete; wir begegnen den ersten in
dieser Richtung unternommenen Schrit-
ten in Oesterreich beim Baue der Carl
Ludwig-Bahn im Jahre 1856. Aber erst
im Jahre 1871 trat diese Bauweise aus
dem Versuchsstadium, indem das k. k.
Handelsministerium damals der Mährisch-
Schlesischen Centralbahn die Genehmi-
gung zur Ausrüstung des Oberbaues
ihres ganzen Liniennetzes mit schwe-
benden Stössen ertheilte.
Mit der Einführung des schwebenden
Stosses wurden die Laschen nicht allein
für die Herstellung der Continuität des
Gestänges in der Geleiserichtung bean-
sprucht, sondern sie wurden auch zum
Mittragen der darüberlaufenden Fahr-
zeuge herangezogen, sie wurden Trag-
laschen. Infolgedessen erhielten die
Laschen ebene und genauer passende
Anschlussfiächen an Kopf und Fuss der
Schiene, ausserdem einen Winkel- oder
U-förmigen Querschnitt von grösserem
Tragvermögen. [Vgl. Abb. II9.J
Auch diese Traglaschen erfüllen ihren
Zweck nur unvollkommen, da nach theil-
weiser Abnützung der Anschlussflächen,
das Zusammenpassen der letzteren selbst
durch Nachziehen der Schrauben un-
möglich ist. Man hat daher auf andere
Mittel zur Herstellung von neuen Stoss-
verbindungen gesonnen. Von den in
Oesterreich derzeit noch im Versuchs-
stadium befindlichen Vorrichtungen nen-
nen wir u. A. den Blattstoss und die Stoss-
Eisenbahn-Oberbau.
259
fangschiene, bei welch letzterer — in
Anwendung bei der Wiener Stadtbahn
— ein entsprechend geformtes, von den
Stossschwellen getragenes Schienenstück
das Rad über die Stosslücke leitet.*)
Die Befestigungsmittel.
Ausserordentlich mannigfaltig waren
von jeher die zur Befestigung der Schiene
auf ihren Unterlagen dienenden Bestand-
theile. Bei den ersten Eisenbahnen war
die Befestigung mittelbar und sehr voll-
befestigung — bei welcher die Befesti-
gung der Schiene unabhängig von jener der
Schwelle erfolgt — wurden durch diese
Nägelbefestigung allerdings nicht er-
reicht. Es trat sohin in Oesterreich, wo
schnelle und schwere Züge auf stark
gekrümmten Bahnen zu befördern sind,
das Bedürfnis nach Vervollkommnung der
Befestigungsmittel in grösserem Masse
hervor, als zum Beispiel in England, und
wir finden daher bei unseren Ingenieuren
die eingehendsten Bestrebungen auf Ver-
besserung der Schienenbefestigimg ; wir
Abb. lao. Unterla^rs platte. [System Pollitzer.]
Abb. 121. Spannplatte. [System Hohenegger.]
Abb. 133. Krempenplatte. [System Hohenegger.]
kommen, indem die Schiene in dem
Chair [Stuhl] mit einem Holzkeil fest-
gehalten wurde, während ersterer auf
der Schwelle mittels Holzschrauben oder
Nägel seine Befestigung fand.
Bei den später aus breitfüssigen Schie-
nen hergestellten Geleisen wurde die
Schiene unmittelbar mit Hakennägeln
auf die Schwelle genagelt. Durch die
Anwendung der Unterlagsplatten mit auf-
steigenden Rändern erhöhte man den
Widerstand dieser Befestigung und stei-
gerte ihn noch wesentlich durch die Ver-
wendung vonTyrefonds [Schraubennägeln
und durch die Verdoppelung der Anzah
der Nagelstellen. Die Vortheile der Chair-
♦) Vgl. Birk, der Schienenstoss [Bulle-
tin de la comm. intern, du congres de ehem.
de fer, 1896].
Abb. 133. Stuhlplatte. [System Heindl.]
nennen in dieser Hinsicht nur PoUitzer's
Spannplatten-Befestigung, Hohenegger's
Krempenplatte, dessen Spannplatte,
HeindPs Spann platte mit der seinem
eisernen Oberbau angehörenden Befesti-
gungsart u. A. [Vgl. Abb. 120 — 123.]
Weichen und Kreuzungen.
Bei den ersten Eisenbahnen Oester-
reichs wurde der Uebergang aus einem
Geleise in das andere durch sogenannte
Schleppweichen vermittelt, bei wel-
chen ein kurzes, an seinem Ende um
einen verticalen Zapfen drehbares Schie-
nenstück abwechselnd in das Haupt-
oder Nebengeleise eingestellt werden
konnte, je nachdem die Fahrt auf jenem
oder auf diesem stattfinden sollte. Diese
IT
primitive Einrichtung wurde bald durch
die den Anforderungen der Sicherheit
viel besser entsprechenden Zungen-
weichen verdrängt, bei welchen die
stellbare, gegen den Wechselanfang hin
sich verjüngende Spitzschiene oder Zunge
anfangs durch Bearbeitung gewöhnlicher
Schienen und später behufs Erzielung
grösserer Tragfähigkeit durch Hobelung
besonders geformter Blockprofil -Schi
allgemein üblichen Type mit Unter-
zugsblechen, auf welchen die Stock-
und die Spitzschiene gemeinsam befestigt
sind und welche in jüngster Zeit bei der
Kaiser Ferdinands-Nord bahn in zweckmäs-
I siger Weise keilförmig gestaltet werden.
Zu Anfang der Sechziger-Jahre fand
I in Oesterreich auch die sogenannte eng-
lische Weiche Eingang, welche
I den üebergang der Fahrzeuge zwischen
u u u-'i^ uj [•i~[-j'[ij Eia ü ü ü
erzeugt wurde. [Vgl. Abb. 124 a und
124 b.]
Indem man später die ursprünglich
ungleichen Zungen in gleicher Länge
herstellte und dieselben unter den Kopf
der Stockschiene untergreifen liess, indem
man femer die Abbiegung der Stock-
schienen vermied, die Construction der
Gleit- und WurzelslUhle und insbesondere
auch jene der Drehzapfen- Verbin düng
wesentlich vervollkommnete, gelangte
man allmählich zu der heute in Oesterreich
n der SemmeHngbaho. [1854]
zwei sich durchschneidenden Geleisen
an einer oder an beiden Seiten des
stumpfen Winkels ermöglicht. Baudirector
J. Herz von Hertenried Hess eine solche
schon im Jahre 1863 beim Bau des
Bahnhofes von Ascli anlegen. Auch
diese Weiche wurde in unserer Heimat
wesentlich vervollkommnet und ist in
dieser Hinsicht besonders der erfolg-
reichen Bestrebungen Hohenegger's bei
der österreichischen Nordwestbahn zu ge-
denken.
Stossverbindung mit Stossfangschiene 1 : 6
I -U-^...-^^
■Q--
jiche Weiche auf eisernen Querschwellen
^
Eisenbahn-Oberbau.
In neuerer Zeit werden die Weichen
vielfach auf eisernen Schwellen montirt
und gilt heute die Weiche mit den
Heindl'schen eisernen Quer-
schwellen als Normale der k. k. Staats-
bahnen.
Die Durchkreuzungen der
Schienenstränge, die sogen an
HerzstDcke, hat man in
ersten Zeit aus entsprechen*
gearbeiteten Schienen stücken
das Zwischenstück, den sogen
ten Kreuzungsschemel, hi
aus mit Eisen beschlage
Holze hergestellt, welch letz:
eine elastische Unterlage schi
und die Wirkung der Hö
differenzen der Spurkränze eini
massen mildem sollte. In
Siebziger - Jahren ging man
vielen österreichischen Bai
zu Kreuzungen aus Bessemeri
über, bei denen Herzspitze
Kreuzungsschemel aus ei
Stücke erzeugt waren. Glt
zeitig fanden auch die F
gussherze der Firma
Ganz & Co. Eingang,
an deren Stelle heute all-
gemein die ihnen über-
legenen Flussstahl-Guss-
herze getreten sind, welche
von der Firma Skoda in
Pilsen in befriedigender semin.iiBgbahn.'is
Qualität geliefert werden
und den Anforderungen des Verkehrs
entsprechen.
All die einzelnen Oberbautheile, die
wir im Vorstehenden ihrer allmählichen
Ausgestaltung nach flüchtig betrachtet
haben, bilden in ihrer Gesammtheit das
Geleise. Als glänzendes Beispiel für die
vortreflliche Durchbildung, deren sich
der Bau des letzteren gegenwärtig auf
den österreichischen Bahnen im Ganzen
und im Einzelnen erfreut, geben wir in
einer Beilage ein Bild der in Geltung
stehenden Oberbau- Type der k. k. öster-
reichischen Staatsbahnen. Dasselbe be-
flarf im Hinblick auf seine grosse
tlichkeit und Ausführlichkeit
er besonderen Erläuterung.
Desterreich ist frühzeitig an
Bau von Bahnen herange-
n, obgleich die Bedingun-
für die Schaffung solcher
enenstrassen bei der Boden-
haffenheit des Landes nicht
itige waren.
Jer zur Ausführung des
;s berufene Ingenieur sah
daher immer und immer
er vor neue Aufgaben ge-
:, für deren Lösung er —
iem Mangel entsprechender
lilder — neue Mittel ersinnen
ins Werk setzen musste.
In welch trefflicher
Weise ihm dies gelungen
ist, wie sehr er allezeit
und allerorten ihnen voll
und ganz gewachsen war
— das dürfte unsere vor-
stehende gedrängte Dar-
'°w"h«eisi*än(i«.] Stellung wohl klar er-
weisen. Dabei bleibt es ein
erfreuliches Moment, dass sein Wirken
auch bei den Verwaltungen der Eisen-
bahnen vielfach verständnisvolle Unter-
stützung und Förderung fand. Nur auf
solche Weise konnte Oesterreichs Eisen-
bahnnetz jene, im öffentlichen Interesse
nothwendige Leistungsfähigkeit und Güte
erringen und erhalten, die daJieim und im
Auslande noch immer uneingeschränkte
Anerkennung gefunden hat.
Brückenbau.
Von
Josef Zuffer,
k. k. Baurath im Eisenbahn-Ministerium.
DIE Brücken verleihen den Eisen-
bahnen ihren malerischen Reiz.
Der kühngeschwungene Steinbo-
gen, der mit seinen grauen Flächen das
dunkle Grün der Wälder durchbricht und
festgefügt von Fels zu Fels hin üb erleitet,
das zierliche Ghederwerk, das hoch oben,
von emporstrebenden Pfeilern getragen,
die weite Schlucht überspannt und in
dessen Zweckmässigkeit und spielender
Kraft sich ein eigenes zwingendes Gesetz
der Schönheit offenbart — diese stolzen
Bauten versöhnen uns mit dem schrillen
Pfiff der Locomotive, welcher die Natur
so gewaltsam ihres Friedens beraubt.
Eine zweitausendjährige Cultur hatte
den Eisenbahnen in den wohldurchbildeten
Strassenbrücken ein werthvolles Erbe
überliefert, dessen sich die neue Technik
rasch bemächtigte, und welche erstaun-
lichen Fortschritte auch auf den ver-
schiedensten Gebieten der Baukunst das
Auftreten der Locomotive mit sich brachte,
so ragen doch jene Leistungen am meisten
hervor, welche auf dem Gebiete des
Brückenbaues innerhalb weniger De-
cennien erzielt wurden und unter denen
wieder die gewaltigen Eisenbrücken am
eindringlichsten die Sprache einer neuen
Zeit reden.
Ein flüchtiger Blick auf die Ent-
wicklung des Brückenbaues vor der Zeit
der Locomotive wird die späteren Fort-
schritte, die speciell unserm Vaterlande
zufielen, in eine desto hellere Beleuchtung
rücken.
Unsere ältesten Meister im Bau ge-
wölbter Brücken waren die Römer,
von deren Kunst die zweieinhalbtausend
Jahre alte Salarobrttcke über den Tiber
mit ihren 2i in weiten Kreisbögen das
schönste Zeugnis gibt. Ein Denkmal aus
der ersten Zeit des Spitzbogenbaues ist
uns, vermuthlich noch von den Ostgotheii
her, in dem Viaduct von Spoleto
erhalten geblieben. Wie die der Erfahrung
abgelauschten Gesetze des Gewölbebaues
in Rom von dem Priestercollegium der
pontifices als Geheimwissenschaft über-
liefert wurden, so wurden sie beim Aus-
gang des Mittelalters in Westeuropa
vom Orden der Brück en brüder, in
deutschen Gegenden von den Bau-
hütten gepflegt, welche diese Kunst
in grossartigen Bauten weiter ausbil-
deten. In dieser wie in der ältesten
Zeit sind die Steinbogen und die Pfeiler
durch äusserst kräftige Abmessungen
gekennzeichnet ; die Aussparungen in den
Brückenzwickeln zur Vermeidung der
an dieser Stelle als zwecklos erkannten
Materialanhäufung sind auch hier bei-
behalten ; neben den Kreisbogen werden
jedoch die Segment- und Ellipsenbogen zur
Vermeidung grosser Brückenhöhen ver-
breiteter. — Die 520 Ht lange Karls-
brttcke in Prag gehört zu der Reihe
interessantester Brückenbauten dieser Zeit.
— Im 16. Jahrhundert wurden unter dem
Einflüsse italienischer und deutscher Kunst
neue Schönheitsmomente in den Bau der
Gewülbebrücken hineingetragen. Im iS.
266
Josef ZufFer.
Jahrhundert beginnt in Frankreich die
exacte Wissenschaft die Bautechnik zu
durchdringen; diese Zeit lehrte uns die
äusserst flachen Bogensegmente, die
sparsamen, den wirkenden Kräften ent-
sprechenden Abmessungen der Bogen-
gurten und Pfeiler und die weit gespannten
Brücken. Auch neue Arten der Ausführung
der Gerüstung und Fundirung treten auf.
Der Name Perronet ist eng mit den
besten Fortschritten verknüpft, und Bau-
ten aus dem Schluss des vorigen Jahr-
hunderts, wie die Seinebrücke bei
Neuilly mit den je 39 w weiten Bogen
oder die Brücke über die DoraRiparia
bei Turin aus dem Anfang unseres Jahr-
hunderts, mit ihrem 45 tn weiten flachen
Bogen bezeichnen die hohe Stufe, welche
die Baukunst der Steinbrücken vor dem
Auftreten der Eisenbahn erreicht hatte.
Die Holzbrücken sehen auf eine
noch längere Ahnenreihe zurück als die
Brücken aus Stein, da schon der ein-
fachste Balken den Ausgangspunkt ihrer
Entwicklung bildete. Die älteste feste,
1000 Fuss lange Holzbrücke über den
Euphrat reicht denn auch schon in die
graue Vorzeit, in die Zeit der letzten
babylonischen Könige zurück. Die Brücken-
baukunst aus den Tagen Trajans, der
über die Donau beim eisernen Thor eine
gewaltige hölzerne Bogenbrücke mit
Steinpfeilern errichten Hess, gerieth in
den folgenden Jahrhunderten in völlige
Vergessenheit, und durch anderthalb
Jahrtausende begnügte man sich mit den
einfachen Balken als Träger der Fahrbahn.
Im 1 6. Jahrhundert ersann P a 1 1 a d i o
das kunstvolle Spreng- und Häng werk,
das zwei Jahrhunderte später namentlich
in der Schweiz, Oesterreich und Deutsch-
land in bedeutenden Leistungen des
Brückenbaues verwerthet wurde. Gruben-
mann und Ritter combinirten beide
Systeme und überspannten mit dem so ge-
bildeten Häng -Spreng werke Oeffnun-
gen bis zu iig m Weite. Der Tiroler
Martin Kink brachte um das Jahr 1800
wieder den Holzbogen, der seitTrajan ver-
schollen war. Funk, namentlich aber
W i e b e k i n g und Pechmann bildeten
diese Constructionen weiter aus und ihre
Bcgen-Häng- und Sprengwerke
kamen am Anfang dieses Jahrhunderts
bei vielen Brücken zur Verwendung, dran-
gen bis nach Amerika und fanden auch
bei dem Bau der Eisenbahnen Eingang.
Der Gedanke, Brücken aus Eisen zu
bauen, war wohl schon im 16. Jahrhundert
aufgetaucht, kam aber wegen der Kost-
spieligkeit der. Bereitung von grossen
geformten Massen nicht zur Geltung.
Erst als in England, wohin die Eisen-
gewinnung ursprünglich von Steiermark,
Böhmen, Schlesien und dem Siegerlande
übertragen worden war, die Eisen-
erzeugung nach Heranziehung der Kohle
zum Hüttenprocess und ^ach Einführung
der Verkokung einen mächtigeren Auf-
schwung genommen, wurde im Jahre
1779 in England die erste grössere Eisen-
brücke vollendet.
Das Guss eisen, welches bei den ersten
Eisenbrücken allein zur Verfügung stand,
wurde zum Bau von Bogen benützt,
welche die Fahrbahn trugen und deren
Rippen aus Segmentstücken, später aus
grösseren Platten und dann erst, nach
der Idee von Reichenbach, aus einzelnen
Rohrstücken bestanden. Polonceau be-
nützte den letzteren Constructions-Gedan-
ken zu Bogenbrücken in jener zierlichen
Form, welche unsnoch in der T e ge tthof f-
Brücke in Wien entgegentritt, während
die Oesterreicher Hoffmann und
Maderspach als erste auf dem Con-
tinent Bogenhängewerke einführten.
Letztere Brücken, unter denen die 1837
vollendete 20 m weite Czerna-Brücke
bei M e h a d i a die bekannteste ist, können
als das Urbild unserer weitverbreiteten
Parabelträger bezeichnet werden.
Das Schmiede- oder Schweisseisen, das
zu Ende des 18. Jahrhunderts mit der Er-
findung des Puddel- und Walzprocesses
aufgetreten war, fand wegen seiner ausge-
sprochenen Zähigkeit und Dehnbarkeit im
Brückenbau zur Erzeugung von Hänge-
seilen und Ketten für Hängebrücken rasch
Eingang. Im Jahre 1796 war bereits in
Amerika, in Oesterreich im Jahre 1821
zu J a r o m 6 1' die erste Kettenbrücke auf-
gestellt worden.
So bewegte sich der Bau der Eisen-
brücken während der ersten Decennien
in den Wegen, die ihm in den über-
brachten Typen der Strassenbrücken vor-
gezeichnet waren und wobei Stein und
207
Holz einfach durch Eisen ersetzt wurden.
Die Sleingewölbe fanden in den eisernen
Bogen ihre Nachahmung, die alten Hänge-
brücken lebten in den eisernen Ketten-
brücken weiter, die einfachen Holzbalken
fanden wieder in den gusseisemen Barren-
trägern, die in den Dreissiger-Ja hren in
den nördlichen und westlichen Ländern
selbst bei weiteren Oeffnungen an-
gewendet wurden, ihr Gegenbild
und die vergitterten amerikanischen
Holzbrücken stellen sich als Vorläufer der
eisernen Gliederbrücken dar. Aber bei
Die österreichischen Eisenbahn-
brücken in Stein.
Die eigenartige Traceführung der
Eisenbahn und deren schwere und rasch
bewegte Lasten trugen in die gewölbten
Brücken neue Forderungen hinein.
Im flachen Lande und im Thale blieb
der Charakter der Strassen brücken mit
ihren niedem Pfeilern und den Segment-
oder Korbbögen im Allgemeinen auch
ftlr Eisenbahnbrücken gewahrt. Aber im
unebenen Terrain und in bergigen Ge-
den raschen theoretischen und praktischen
Fortschritten der Technik, welche die
Eisenbahnzeit kennzeichnen, emancipirte
man sich bald von der blossen Nach-
bildung der Holz- und Steinbauten und
wies dem Bau der Eisenconstnictionen
jene eigene Richtung, die in den speci-
fischen Eigenschaften des Eisenmaterials,
vornehmlich des Schmiedeeisens selbst
begründet ist, und die ihn seiner heutigen
Blüthe entgegenfahrte.
Für den Brückenbau bedeutet die
Zeit der Eisenbahnen eine Epoche unver-
gleichlicher Entwicklung; der hervor-
ragende Antheil, den Oesterreich an
dieser nahm, möge im Folgenden näher
behandelt werden.
genden konnte die Bahntrace nicht wie
die schmiegsame Strasse den Erhebun-
gen und Vertiefungen des Geländes
folgen und musste daher oft hoch übers
Thal hinweggeführt werden ; da wuchsen
dann die Brücken zu hohen Viaducten
empor, bei welchen der halbkreisförmige
Bogen genügenden Raum und daher be-
liebte Aufnahme fand.
Die ungewohnten grossen Lasten und
die Erschütterungen, die mit der schnellen
Fahrt verbunden waren, zwangen weiter zu
besonderer Vorsicht in den Abmessungen
der Bogen- und Pfeilerstärken und führ-
ten in der ersten Zeit des Bahnbaues
öfters zu einer besonderen SchwerfäUig-
keit der gewölbten Brtlcken. Um die
theil weisen Wirkungen einer einseiligen
Belastung, die schädliche Verschiebung
der >GewÖlbestützUme> auszugleichen —
das ist jener Linie, die den Verlauf
' der Resultirenden aller im Gewölbe auf-
tretenden Pressungen bezeichnet —
wurden die Gewölbe mit einer gegen
den Gewölbescheitel zu sich verlaufenden
Uebermauerung oberhalb des Gewölbe-
fusses versehen.
Alle sonstigen Aufmauerungen über
den Gewölben wurden wie früher auf das
noth wendigste Mass beschränkt und
in diesen Brück entheilen verschieden
gestaltete Hohlräume ausgespart. Die
Widerlager erhielten meist volles Mauer-
werk mit einem Abscblnss durch soge-
nannte Parallel- oder durch Winkelflügel,
die mit der Böschung verliefen, während
die in England und Frankreich beliebte
Weiterfuhrung des Gewölbes bis ins
Terrain, als .verlorenes Widerlager« hier
selten in Verwendung kam.
Die steinernen Brücken und Viaducte
der ersten Bahnen, der Nordbahn,
Staatsbahn und Wien-Gloggnitzer
Bahn waren meist Ziegelbauten mit
massigen Lichtweiten, die sehr selten
bis 20 Hl hinausgingen. Die Gesammt-
länge der Viaducte war dabei oft ausser-
ordentlich gross und kennzeichnet die
damalige Bauweise, welche die Vortheile
einer günstiger geführten Trace mit
grossen Opfern erkaufte, oft sogar theure
Bauwerke dort hinstellte, wo sie nicht
unbedingt geboten waren. Zu den gröss-
ten Steinbauten dieser ersten Zeit gehört
der 637 m lange Viaduct der Nordbahn vor
Brunn,*) der 1 1 1 1 »1 lange Viad'ict- und
[Nac
Brückenbau der nördlichen Staatsbahn
bei Prag,*) der über 3 km lange Lagunen-
viaduct bei Venedig,*) und der 400 m lange
und 60 m hohe spitzbogig überwölbte
Desenzano- Viaduct im Zuge der lombar-
dischen Eisenbahn. Fast alle Viaducte
der ersten Zeit haben lange Jahre hin-
durch den steten Erschütterungen und
den Angriffen der Atmosphärilien erfolg-
reich getrotzt. Einige bedeutende ge-
wölbte ObjecCe der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn jedoch wurden seither ausser
Verkehr gesetzt, trotz ihrer tadellosen
Bauart und Widerstandsfähigkeit. — So
verliess man den Viaduct bei Weiss-
kirchen und jenen bei Seibersdorf aus
36g
dem Grunde, weil anlässlich des Baues des 1
zweiten Geleises durch Calculation klar-
gestellt wurde, dass es im Baue und |
Betriebe öconomischer sei, die ganze j
theilweisen Verschüttung anlässlich der
nothwendig gewordenen Erweiterung des
dortigen Bahnhof- Plateaus.
Die grossartigstenSteinbrücken- Bauten
Linie zweigeleisig durch Anwendui
einiger Krümmungen umzulegen, als f
das zweite Geleise einen eingeleisigi
Viaduct an den alten anzubauen.
Der Viaduct in Brunn gelangte z
I erstanden unter G h e g a's Meisterhand
, im Zuge der ersten Gebirgsbahn beim
■ Ufbersch reiten des Semmering, Bau-
ten, die, festgefügt und unerschütterlich
der Zeit und den Elementen trotzend,
die Bahn oft im Bogen, oft in schwin-
delnder Hohe kühn auf Felsen gestutzt
an dem abfallenden Hang sicher vor-
Oberflihren. Auch hier bewegt sich die
Spannweite der Gewölbe meist um lo m
herum und geht nicht Über 20 m hinaus.
Um mit diesen geringen Oeffnungen die bis
40 m tiefen und
weiten Schluchten [
zu überbrücken,
thürmte Ghega I
den Viaduct
zwei Etagen auf |
und schuf so die H
malerischen
derdesWagner- "
und G a m p e r I-
Viaducts, des Via -
ductes der Krau-
se 1 k 1 a u s e und ii
photogcaphlichea AurnaluD« von J.
iderKalten Rinne.')
Die halbkreisförmige Ueberwölbung der
Oeffnungen wurde hier nur im oberen
Stockwerk des Viaducts festgehalten, in
der unteren Etage dagegen Segmentbögen
eingeschaltet. Eine Asphaltlage mit einer
Sandschichte, die bei den späteren Bauten
oft durch eine Lage hydraulischen Mörtels
ersetzt wurde, schützte die Ziegelgewölbe
vor dem Einfluss des Wassers, das durch
die Oeffnungen Ober den Pfeilern, die
Ochsenaugen, ins Freie austritt.
Die sonstigen
gemauerten Brü-
cken aus der Zeit
der Vierziger- bis
in die Sechziger-
Jahre wurden aus
gemischtem Ma-
terial, aus natür-
lichem Bruchstein
und Ziegel ausge-
führt, wobei für
Pfeiler und son-
Stifre Aufmaue- Abb. ijo. HamsÄU'
rungen bei den '"" Aufnahm" von c.
grösseren Brücken
Haustein, bei den kleineren Brücken Bruch-
stein Verwendung fand, während die Ge-
wölbe fast durchwegs aus Ziegeln bestan-
den. Die Verkleidung des Bruchstein-
mauerwerks und die Sockel der Gewölbe
wurden meist aus Quadern gebildet. Schief-
gewölbe wurden nach Thunlichkeit ver-
mieden; wo dies jedoch bei grösseren
Objecten unausweichlich war, wurden
die Lagerfugen der Wölbsteine kunst-
gerecht nach der Schraubenlinie geformt.
Nächst dem Bau der Semmeringbahn
bildete der Bau
der Brenner-
bahn einen
Markstein in der
Entwicklung des
österreichischen
Gewölbebaues,
wenn er auch in
der Bedeutung
hinter dem erste-
ren zurUckblieb.
Hier war bekannt-
lich unter Pres sei der Grundsatz nach
möglichster Vereinfachung der Bauweise
bei Wahrung der weitestgehenden Soli-
dität für den Bau massgebend. Man
suchte daher den Bau der kostspieligen
eisernen Brücken gegen den der gewölbten
möglichst zurückzustellen und das vor-
handene Steinmaterial auszunützen. Dabei
sollten meist halbkreisförmige Gewölbe
und nur ausnahmsweise Segmentgewölbe
zur Anwendung kommen; schiefe Brücken
womöglich vermieden oder deren Mauerung
nach deutscher
Bauweise durch
Herstellung ein-
zelner gegen ein-
ander versetzter
Gewölberinge
vereinfacht wer-
den. Für die Ob-
jecte mit Seg-
mentbögen führte
man mit Vorliebe
Parallelflügel ein,
ch.vuduct Im Ba«. um die Wider-
cb eJncr pbotojFrapb Lieben ■ i ^ j
jciebm.Lcobtn.) lager noch stand-
fester zu machen.
Auf die Asphalt- und Sandabdeckung der
Gewölbe wurde zur besseren Entwässe-
rung noch eine Steinlage aufgebracht.
Schon beim Bau der Linie von Lai-
bach nach Triest [vgl. Abb. 125] und
Kufstein nach Innsbruck, um die
Wende des 6. Jahrzehnts, waren grössere
Lichtweiten bei gewölbten Brücken, so
Abb. m. Vladuct Über den SilberbDttenbacta.
[K. k. StaaUbihD Obtr-C«ekwe-Pll(trim-T«bor.l
INach clnec pbolOEraphiicben Auroabine von
lg. ScbHcbll.)
bei den Innbrücken bei Brixlegg und
Innsbruck bis zu 20 und 27'3 m aus-
geführt worden. Die Brennerbahn ging
noch weiter; die 79 m lange Eisack-
Brücke bei Atzwang zeigt schon
eine Spannweite von 35-4, jene bei Mauls
sogar von 31-7 »1. [Abb. 126.] Auch die
Ausführung und Einrüstung der Gewölbe
dieser Zeit verdanken Etzel's Bedingnis-
heften wesentliche Neuerungen, Beding-
nissen, welche die Grundlage bildeten
für die noch zu besprechenden heute
giltigen Normen.
Bei den Bahnbauten der ersten
Siebziger -Jahre traten die gewölbten
Objecte in den Hintergrund. Einerseits
waren die in jener Zeit entstandenen
Bahnen meist Thalbahnen und gaben
daher zu Kunst-
bauten weniger An-
lass, andererseits
zog man, um den
Bau möglichst zu
beschleunigen, die
rascher herstellba-
ren Eisenbrllcken
vor. Erst bei den
Bauten, welche die
Sta
al-
tung [k, k. Direc-
tion für Staats-
Eisenbahn b a uten]
vom Ende der Sieb-
ziger-Jahre an un-
ternahm, fand der
Gewölbebau wie-
der weitgehende
Pflege und neue
Anregung. Unter
diesen ist beson-
ders die Heranzie-
hung des billigen
Bruchsteins, der bis dahin nur zu unterge-
ordneten Bauten Anwendung gefunden
hatte, für alle Mauerwerks- An lagen, selbst
für Gewölbe grösserer Weite, an Stelle
des bis dahin üblichen Hausteins von
Bedeutung geworden. Diese von Ludwig
Huss wesentlich geförderte Massregel
kam zunächst beim Bau der Arlberg-
bahn zur besonderen Geltung, deren
Bergstrecke eine Reihe grossartigster Via-
ducte und Brückenbauten umschliesst.
Alle Pfeiler, ferner die Gewölbe der
zahlreichen Viaducte bis zu 16m Weite,
ja beider Alfenz-Brücke vor Langen
sogar bis 20 w, wurden auf der Arlberg-
bahn aus unbearbeitetem, mehr oder
weniger lagerhaftem Bruchstein [Kalk,
Gneis und Glimmerschiefer] erbaut, wäh-
rend erst bei den 20 — 22 tn weit gespannten
halbkreisförmigen Gewölben, wie bei denen
desSchmidtobel- und des Brunntobel-
Abb. i]]b. PnithbiU'
Viaductes und bei dem sogar 41 tn
weiten Segmentbogen des WäldUtobel-
Viaductes [Abb. 127a u. 127b] nach dem
Fugenschnitt bearbeitete Stücke aus Kalk-
stein, ausnahmsweise auch aus Gneis zur
Verwendung kamen. Das Bruchstein-
mauerwerk wurde dabei innen und aussen
gleich behandelt, nur in den Kanten und
Gewülbestirnen etwas sorgfältiger bear-
j punkte der Wirthschaftlichkeit aus als
i angezeigt, sondern entsprach auch den
! ästhetischen Forderungen, da der rusti-
, cale Charakter dieser Bauwerke mit der
Gebirgslandschaft, in die sie hineingesetzt
sind und mit dem massiven Felsenhang,
I aus dessen gewaltigen Blöcken sie aufge-
j thürmt scheinen, harmonirt. Die Felsen
boten hier auch das beste Fundament
bei Jar
[K. k
heilet; die Gesichtsfläche erhielt Vor-
sprünge bis 0'4 m. Bei grösseren Pfeiler-
bautcn, wie bei denen des 87 tn hohen
Trisana- [Abb. 12S] und des 54 m
hohen Schmidtobel-Viaductes
wurden in Abständen von ungeftihr 10 tn
durchbindende Lagen von Quadern, bezie-
hungsweise von rauh bearbeitetem Schich-
tenmauerwerk einfjebaut.
Die Verwendung von rauh bearbeitetem
Bruchsteinmauerwerk erwit-s sich bei
diesen Bauten nicht blos vom Stand-
' für die gewaltigen Bauten, so dass selten
j eine künstliche Unterlage durch Beto-
I nirung geschaffen werden niusste.
Wie gesagt, war zum Schluss der
■ Fünfziger-Jahre bereits durch die muster-
1 giltigen Bedingnishefte Etzel's eine neu-
I artige und gieichmässige Ausführung
' der Gewölbe in Uebung gekommen,
' welche die Grundlage bildete für die
späteren, durch die Erfahrung erweiter-
ten Normen, die auch heute noch Giltig*
I keit haben.
Die Gerüste werden bei Gewölben bis
5 »w Spannweite auf eichene Keile ge-
stellt, jene der grösseren Gewölbe jedoch
auf Sandbüchsen oder auf Schraubenvor-
richtuntjen, um gleichmässig und ruhig
ausschalen zu können. Nach vollende-
ter Hinterm au erung der Gewölbe blei-
ben dieselben bei kleineren Liehtweiten
mindestens vierzehn Tage, bei grösseren
vier bis sechs Wochen auf den un verrückten
Lehrböden ruhen, um eine vorzeitige Sen-
kung der Gewölbescheitel zu verhüten.
Die Abdeckung erfolgt allgemein
mit einer 5-9 cm starken Betonlage,
■ welche noch einen durch eine Sand-
schichte geschützten Ueberzug von hy-
draulischem Mörtel erhält. Heute wird
bei Gewölben grösserer Spannweite die
Mauerung gleichzeitig an vier Stellen
vorgenommen und an drei Stellen gleich-
zeitig geschlossen, um sie von den
Setzungen der Lehrgerüste unabhängig
zu machen.
Die grösseren Leistungen im Ge-
wölbebau, zu denen die Arlbergbahn An-
lass gab, erhielten in den Achtziger-
Jahren in den Staatsbahnbauten der
|Er.l
"1
abseits von der Heerstrasse der Touristen
gelegen, in stiller Abgeschiedenheit einige
Wunderwerke der Baukunst birgt, die sich
würdig an jene der berühmten österreichi-
schen Alpen Übergänge anschliessen und
die insbesondere durch ihre kühn ge-
wölbten Brücken den Ruhm österreichi-
scher Ingenieure verkünden.
Dadie Gegend, welche die letztgenannte
Bahn durchzieht, gutes Steinmaterial bot
und die Thalsohle gute Fundamente in
geringer Tiefe verbürgte, so konnte der
vielseitig und lange erkannten Ueber-
Böhmisch -mährischen Trans-
versalbahn, der Linie Herpelje-
Triest, der Zahnradbahn Eisenerz-
Vordernberg [vgl. Abb. 129—131] u. a.
werthvolle Bereicherungen. Sie alle aber
wurden von den grossartigen Bauten der
Linie Stanislau-Woronienka weit
überholt, jenes unter Bischoff von
Klammstein im Jahre 1893 und 1894
entstandenen Karpathenübcrgangs, der.
legenheit, welche soliden Steinbauten
gegenüber eisernen Brücken durch ihre
längere Dauer und billigere Erhaltung
zukommt, beim Bau der Objecte im
weitesten Masse Rechnung getragen
werden. Man stattete daher diese Bahn
nach den Vorschlägen von B i s c h o f f
und Ludwig Huss nach den Plänen
des letzteren vorwiegend mit Stein-
brücken aus, wobei die viermalige Ueber-
r FeidlDandt-Nori
Wölbung des wildschäiimenden Pruth
zu den interessantesten Bauten Gelegen-
heit bot. Zählen schon die beiden Fluss-
übergänge bei Worochta, wo die
weiteste Ocflfnung der mehrfach gewölbten
Brücke zwischen 346 und 40 tu, der
Uebergang bei Ja in na [Abb. 132 a und
132b], wo die Lichtweite 48 m beträgt,
zu den hervorragendsten Leistungen der
Brückenbaukunst, so werden sie noch
durch die Pruthbrücke bei Jaremcze
in Schatten gestellt, die mit ihrem 65 »h
weiten Bogen heute die weit est gespannte
steinerne Eisenbahnbrücke der Welt ist.
[Abb. 133a und 133b-]
Auch auf der Linie Stanisiau -Woro-
nienka wurden ähnlich wie auf der Arlberg-
bahn die Gewölbe unter 15 w in Bruch-
steinmauerwerk aus platten form igen
Steinen, jene Über 15 in aus Schichten-
mauerwerk ausgeführt, während nur bei
den zwei letztgenannten Gewölben, welche
sehr exacte Ausführungen forderten,
Quadermauerwerk zur Verwendung kam.
Diese Ausführung erforderte auch ganz
biisondere Massnahmen, die schon im
Auslände mit Erfolg verwendet worden
waren. Um bei dem Ungeheuern Druck,
den diese Gewijlbe auf das Lehrgerüst
ausüben, für eine thunlichste Entlastung
desselben vorzusorgen, wurde erst die
Bildung und Schliessung eines untersten
Ringes mit Steinen im Wechsel von i und
[ r25»( Längevorgenommen. [Abb. 133 b.]
Die Quadern wurden dabei in Abständen
. von 2 — 3cm nebeneinander auf das Lehr-
I gerüst gelegt, an den Gewölbestimen
und der innern Leibung Holzleisten in
I die einzelnen Zwischenräume geschoben,
und hierauf, nachdem alle Steine des
Ringes aufgebracht waren, erdfeuchter
Cementmörtel mittels einfacher Flach-
schienen in die Fugen gestrichen und
I gestampft. Nach vollständiger Erhärtung
des Mörtels, etwa nach zwei bis drei
I Wochen, wurde die erste Mauerung des
zweiten Gevvölberinges mit den üblichen
I Vorsichtsmassregeln in Angriff genom-
I men. Auf die das Gewölbe abdeckende
Betonschichte wurde bei den Objecteu
I dieser Bahn eine Lage von Asphaltfilz-
I platten ausgebreitet, die eine 10 cm
dicke Sandschichte weiterhin schützte.
I In der Construction der Gewölbe, in
I der Abmessung der Gewölbstärken am
j Scheitel und an den Kämpfern musste
■ natürlich der Widerstandsfähigkeit der
verschiedenen Materialien Rechnung ge-
tragen werden, damit diese mit völliger
Sicherheit den gewaltig auftretenden
Drücken zu widerstehen vermögen. Dort,
wo gewöhnliches Bruchsteinmauerwerk als
Gewölbematerial herangezogen wurde,
Hess man in den etwa 12 m weiten
Objecten der Arlbergbahn die Pressung
nicht über 8 kg auf das Quadratcent iraeter
hinausgehen, während die Gewölbe des
Schmidtobel-Viaductes mit 10 kg und
jenes der Wäldlitobelbrücke mit i4A^auf
I cm* Fläche
Steingewölbe
der346(« wei-
ten Pruth-
brücke enthal-
ten Drücke bis
zu 176 kff, das
Quadermauer-
werk des 48 m
weiten Gewöl-
bes der Jamna-
brücke bis
2$-ikg, und der
65 in weiten Ja-
remczebrücke
sOgarbisaysAg-
pro Quadrat-
centimeter,
durchaus aber
Drücke, die im
Verhältnis zur
Widerstands-
fähigkeit des
Materials in
massigen, zu- *''''■ '^- Durchlasi »^'^Sr
lässigen Gren-
zen gehalten sind. Diesen Pressungen
entsprachen wieder bei den drei letzt-
genannten Brücken im Scheitel des Ge-
wölbes Mauerstärken von I 3, beziehungs-
weise 1 7, bei der Jaremczebrücke sogar
2'i m.
Die grossen Fortschritte in der
Theorie der Gewölbe, der Einblick in
das wechselnde Spiel der Kräfte hatte
es erst ermöglicht, solche kühne Bogen
mit möglichst geringem Materialaufwand
zu erbauen und sich über die auftretenden
Wirkungen vollständig Aufschluss zu ver-
schaffen. Im 18. Jahrhundert war der
Gewölbebau zum ersten Mal auf wissen-
schaftliche Basis gestellt worden; aber
die damalige und spätere Stützlinien-
Theorie fusste immer auf Annahmen,
die erst in jüngster Zeit bei genaueren
Forschungen als hinfällig erkannt worden
sind. Erst indem man, was bis dahin
vernachlässigt wurde, die Elasticität des
Gewölbes mit in Rechnung zog, war man
zu vollständig verlässlichen Resultaten
gelangt. Die praktischen Versuche, welche
zugleich über das Verhalten von Cement
und Ober die In-
anspruchnahme
sowie die Lei-
stungsfähigkeit
des Materials in
den Gewölben,
insbesondere
von Seite des
Oesterreichi-
sche
In
auf dem B
nieur- und
Architekten-
Vereins in den
letzten Jahren
unternommen
wurden, bilde-
ten eine wesent-
liche Ergän-
zung der theo-
retisch gefun-
denen Resul-
tate. Eines der
wichtigsten Er-
gebnisse war
die Bestätigung
der angedeute-
ten, der Berech-
nung elastischer
Bogen trag er zugrunde liegenden An-
nahme, dass für die Bogen constructionen
innerhalb gewisser Grenzen ein gleiches
Gesetz der Proportionalität in Bezug auf
Belastung und Formänderung existirt, wie
für die einzelnen Materialien bis zu deren
Elasticitätsgrenze; dass ferner mit der
Spannweite der Gewölbe auch deren
Widerstandsfähigkeit gegen Bruch wächst,
weshalb bei weiter gespannten Gewölben
eine grosse Inanspruchnahme des Materials
sich als zulässiger erweist als bei kleinen.
Diese Versuche ergänzten auch die
theoretischen Untersuchungen jener mo-
dernsten Gewölbebauten, welche nicht
i8*
276
Josef Zuffer.
aus einzelnen Wölbsteinen, sondern im
Ganzen aus einer homogenen Masse, aus
Beton, bestehen, oder bei welchen —
in den Monier'schen Gewölben —
ein Rost aus Eisenstäben dem Beton als
Gerippe dient. In dieser Bauweise be-
grüssen wir die jüngsten und vielver-
sprechenden Errungenschaften im Gebiete
des Gewölbebaues. Ein schlankes, sanft
geschwungenes Moniergewölbe von weni-
gen Centimetern Starke, kennzeichnet
gegenüber dem schwerfälligen Stein-
gewölbe alter Zeit am besten den mäch-
tigen Fortschritt, den die wissenschaftlich
durchgebildete Technik auf diesem Ge-
biete errungen hat.
Die Moniergewölbe wurden
bisher in Oesterreich nur bei einer Reihe
von Strassenüberbrückungen verwendet;
brücken und andere Bauobjecte in die
Eisenbahn- Praxis einzuführen.
Hiebei wurden auch in -letzter Zeit
Versuche mit einer neuen Constructions-
art von Gewölben unternommen, bei
welchen durch Einlagen von Asbest-
platten in die Gewölbefugen dem Beton-
körper eine erhöhte Elasticität verliehen
und dadurch den schädlichen Defor-
mationen begegnet wurde, welche die
Temperaturänderungen und die wech-
selnde Belastung in dem starren Bogen
erzeugen.
Die Eisenbahnbrücken in Holz.
Die Eisenbahnbrücken in Holz ge-
hören heute fast nur mehr der Geschichte
an. Ursprünglich in ausgedehntem Masse
Abb. 137. QuerschnittS'Type der k. k. StaaUbahnen für Holzobjectc bis 1*5 $n Lichtweite.
dagegen sind Stampf beto n-G e w ö 1 b e
von der Kaiser Ferdinands-Nord-
bahn bei mehreren Bahnobjecten bis zu
8 m Spannweite mit Erfolg eingeführt
worden. [Vgl. Abb. 134—136.]
Die vorzügliche Beschaffenheit der
Erzeugnisse der österreichischen Cement-
industrie im Allgemeinen und der mähri-
schen Fabriken [Tlumatschau] insbeson-
dere, hatte nämlich die Nordbahn bereits
im Jahre 1889 veranlasst, beim Bau von
Localbahnen für die Herstellung der
kleinen, bis 1*5 nt weiten Durchlässe die
Verwendung von Stampfbeton zu bean-
tragen, und war auch hiefür die behörd-
liche Genehmigung erwirkt worden.
Durch die erzielten günstigen tech-
nischen und öconomischen Ergebnisse
ermuthigt, Hess die genannte Verwaltung
später auch grössere Bahnbrücken in
dieser Bauweise zur Ausführung bringen,
und Baudirector Ast, unterstützt von
Inspector Prinz und Ober-Ingenieur
v. Kralik, fand namentlich bei den
umfangreichen Erweiterungsbauten des
Bahnhofes Brunn ein weites Feld, die
neue Bauweise mit Stampfbeton für Bahn-
erbaut, verloren sie mit der stetig zu-
nehmenden Benützung des Eisens zu
Brückenbauten immer mehr an Bedeu-
tung und da gegenwärtig Holzconstruc-
tionen als definitive Brücken nur bei
Brücken mit Licht weiten bis zu 1*5 vi
[Abb. 137], bei grösseren Spannweiten je-
doch nur als Provisorien geduldet wer-
den, so sind auch die Tage der aus alter
Zeit verbliebenen Holzbrücken bereits
gezählt. Das Werden und Vergehen der
Eisenbahn - Holzbrücken umspannt daher
nur im Ganzen einen Zeitraum von un-
gefähr 50 Jahren.
Von der Entwicklung der Eisen-
bahnen an blieb Holz neben Stein durch
zehn Jahre im Brückenbau herrschend,
bis zu Beginn der Fünfziger-Jahre das
Eisen auf den Plan trat und seine Bahn-
schienenträger gleichsam als Plänkler
voraussendete. Auf den Linien der
Nordbahn, der südlichen und nördlichen
Staatsbahnen war bis dahin überall, wo
grössere Wasserläufe zu übersetzen
waren oder das Geleise in geringerer
Höhe über dem Wasserspiegel oder dem
Terrain geführt war, der hölzerne Unter-
Brückenbau.
bau angewendet worden. Auch noch zu
Anfang der Fünfziger-Jahre Hielt ;nan,
vom Baue der Semmeringhahn abge-
sehen, allgemein an diesem Princip fest ;
dabei war die Herstellung weitgespannter
Brücken im Allgemeinen nicht beliebt, son-
Pferdebahn, die im Ganzen 214 Holz-
brücken von 114 m bis 228 m Spann-
weite besass, die übereinander liegenden
Balken der Brückenwände durch einge-
schobene Klötze, sogenannte Peutel-
hölzer oder Knüppel von einander ge-
demeswurde die Th eilung durch zahlreiche
Zwischenjoche vorgezogen. Eine Aus- j
nähme hievon zeigte nur die südliche |
Staatsbahnlinie von Graz bis Laibach '
mit ihren weitgespannten Holzbrücken. |
Neben den gezahnten und ver-
dübelten Balken als Triiger der Fahr- |
bahn traten auch andere Trägersysteme auf.
So hatte man bei der Linz-Budweiser
trennt, um die Wandliöhe zu vergrössern
und hiedurch eine vermehrte Tragfähig-
keit zu erzielen. Eisenbügel hielten dabei
die Tragbäume sammt den Klotzen um-
klammert, oder es stellten Schrauben die
feste Verbindung her. [Abb. 138.]
Dieses specifisch österreichische System
der Klötze Iholzbrücken erhielt,
ausser auf der genannten Pferde-Eisenbahn,
278
bei Stassen brücken ausgedehnte Ver-
wendung. Die ungenügende Verbindung
der Tragbalken jedoch, welche den durch ;
die Locomotivlast hervorgerufenen starken
Scheerkräften nicht widerstand, hinderte
ihre weitere Verwendung für Eisenbahn- '
zwecke, und selbst die rationelle, den |
grösseren Verkehrslasten angepasste !
Durchbildung, die ihnen in den Sechzi- i
ger-Jahren durch Presse 1 zutheil wurde, 1
konnte ihnen nur eine vorübergehende [
Bedeutung sichern. [Abb. I39-] i
Donauarme verschüttet wurden. [Vgl.
Abb. 140.] Die grosse Donaubrücke er-
hielt eine Länge von 429 m, die durch
hölzerne Joche in 23 Oefiiiungen von
18—20»« Weite getheilt war. Jede Oeff-
nung wurde von drei Tragwerken über-
spannt, die nach dem bereits genannten
Wiebekin^-Pechmann'schen System eines
Bogenhänge Werks ausgebildet waren. Die
unleren, mit einer Sprengung versehenen
Slreckträger bestanden aus zwei verzahnten
Balken, in welche diehölzemen Bogenträger
Abb. m b. BrUckenfeld d« ebemalleen Kali
(N«b dtn Orl
Die erste grosse und historisch inter-
essanteste Eisenbahnbrücke aus Holz war
jene der Kaiser Ferdinands-Nord-
bahn über die Donau bei Wien.
Anfangs beabsichtigte man den Ausgangs-
punkt der Linie Wien - Brunn nach
Floridsdorf zu verlegen und durch eine
Pferdebahn den Anschluss zur Fahrt
nach Wien über die bestehende und zu
erweiternde Donau- Strassenb rücke [eine
Klfttzelholzbrücke] herzustellen. Nach-
dem man sich aber für den Bau eines
Bahnhofes in Wien entschieden hatte,
wurde eine zweigeleisige, hölzerne Brücke
vom Brückenmeister Ueberlacher über
den Hauptstrom und über das »Kaiser-
wasser« hergestellt, wahrend die anderen
Q.J
ihn [ni Gcl<
versetzt waren, während je fünf HängC-
säulen die Verbindung zwischen diesfen
Tragbalken herstellten. Um das Durch-
fahren der Schiffe zu ermöglichen, war die
Tragconstructton eines mittleren Brücken-
feldes der Länge nach getheilt und nicht
in Verbindung mit den übrigen Trägem
gebracht, so dass jeder Theil für sich
3-2 tn hoch gehoben werden konnte.
Zu den grössten Holzbriicken der ersten
Locomotiv-Eisenbahn zählte auch jene
über das Kaiserwasser mit 154 m
Länge und 17 in weiten Brückenöffnun-
gen [Abb. 141a und 141b], die March-
brückeaufdem Flügel Gänserndorf-
Marchegg mit einer Länge von
4-75 tu mit l$2 VI weiten Oeffnungen,
.^^-' ' "»v '^^^s**^- *<'/^7> "^
n dei Quatbrtlcke dei
endlich die insgesammt 673 m langen
Brücken im Ueberschwemmungs- Gebiete
der Thaya zwischen Hohen au und
Lundenburg, die zum Theil auf Stein-
pfeilern, zum Theil auf hölzernen Jochen
aufruhen.
Auch die complicirteren, im Strassen-
bau bewährten Holzbrilc kenformen fanden
im Eisenbahnbau rasch Eingang. So
treffen wir in den Vierziger-Jahren auf
den nördlichen Staatsbahntinien bei
C hetzen über die Adler das Hänge-
und Spreng werk und auf den südlichen
Staatsbahnen wiederholt den H o w e-
schen Träger, der Weiten von 40 — 701«
überspannt. Es war dies ein aus Amerika
eingefilhrter hölzerner Gitterträger, bei
weichem der obere und untere Gurt
durch sich kreuzende, geneigte, hölzerne
Streben und durch verticale Rundeisen-
stäbe verbunden war. Durch Anziehen
von Schraubenmuttern wurde in den eiser-
nen Stangen ein Zug, in den Streben
eine künstliche Druckspannung erzeugt.
Die Brücke (Iber den S u I ni f 1 u s s
auf der Graz-Laibacher Strecke, die
Draubrücke bei Marburg, die Mur-
brücke bei Peggau, die Brücke über die
Sau bei Cilli und jene über das Lai-
bacher Moor zeigten diese beliebte ameri-
kanische Trägertype.*)
Von der Mitte der Fünfziger-Jahre an
tritt das Holz bei den Brücken der Haupt-
bahnen immer mehr zurück. Man hatte
mit den Jochbrücken, welche das Fluss-
profil durch die gedrängte Stellung der
Mittelstützen schmälern, manche unange-
nehme Erfahrung gemacht und die leicht
herzustellenden eisernen N e ville- und
Schifkornbrilcken wurden als eine will-
kommene Neuerung begrüsst. Auch hatte
der Verein Deutscher Eisenbahn-Verwal-
tungen im Jahre iSjöin seinen Grundzügen
zur Gestaltung der Eisenbahnen die Holz-
brUcken nicht als gleichwerthig mit den
Eisen- und Steinbrücken erklärt und
gegen ihre Verwendung zu definitiven
Bahnobjecten Stellung genommen.
•j Vgl. Abb. 2J4, Bd. I, i. Theil.
Z iin^en schnitt.
28o
Josef ZuflFer.
Erst an der Wende der Siebziger-
Jahre trat wieder ein Umschwung zu
Gunsten der Holzbrücken ein, als die Re-
gierung, um den stockenden Unterneh-
mungsgeist aufzumuntern, den Eisenbahn -
Unternehmungen verschiedene Erleichte-
rungen bezüglich des Baues gewährte und
deren Verwendung in einzelnen Strecken
zugestand. So erhielt die Kaiser Franz
Josef-Bahn, die Kronprinz Rudolf-
Bahn, die Mährisch-Schlesische
Centralbahn und die Ungarische
Westbahn gerade bei grösseren Spann-
weiten Holzbrücken, deren Tragwerk
aus Balken oder auch aus Hänge- und
Sprengwerken bestand. Der Donaustrom
bei Tulln*) erhielt eine 40 m lange Hänge-
werksbrücke, die allerdings blos der Platz-
halter war für eine gleich darnach ein-
geführte Eisenbrücke, während die an-
schliessende 64 m weite hölzerne Fluth-
brücke, erst in der jüngsten Zeit gegen eine
Eisenconstruction ausgewechselt wurde.
Die Hängewerksbrücken über den Kamp-
fluss auf der Linie Absdorf Krems, die
zahlreichen Holzbrücken in den Linien
Gmtind-Eger und Gmünd-Prag mit Licht-
weiten bis zu 60 m und 90 vt und viele
andere dieser Zeit blieben ebenfalls durch
Jahre in Benützung; dagegen hatten die
von der Staatseisenbahn-Gesell-
schaft auf der Linie Wien-S tadlau-
Abb. 143] und die von der Nordwest-
3 a h n [Abb, 142] ausgeführten Holz-
brücken gleich von Anfang an den Cha-
rakter von Provisorien, die man bald
gegen eiserne Brücken austauschte.
Nach diesem Zeitabschnitt verlor die
Holzbrücke vollständig an Bedeutung
und konnte nur auf den Localbahnen,
deren Rentabilität und deren wirthschaft-
licher Bestand überhaupt möglichst ge-
ringe Anlagekosten zur Voraussetzung
hatte, ihre Existenzberechtigung behaup-
ten. Schon um die Mitte der Siebziger-
Jahre war aus diesem Grunde Pontzen
für die Herstellung von Holzbrücken auf
den Nebenbahnen eingetreten und dieser
Gesichtspunkt war auch bei den Bauten
der Bukowinaer und Kolomeaer
Local- und Schleppbahnen mass-
gebend, welche theils den ungeheuren Holz-
*) Vgl. Abb. 8, Bd. I, 2. Theil.
reichthum der Karpathenwälder zu Thal
bringen, theils der Petroleum -Industrie
zugute kommen sollten und ohne jene
Begünstigung nicht lebensfähig gewesen
wären. Ebenso erhielten die Ende der
Achtziger-Jahre erbaute Linie Debica-
Rozwadöw und die bald darnach aus-
geführte Localbahn Laibach - Stein
meist hölzerne Jochbrücken mit Wider-
lagern aus Stein, wie auch gegenwärtig
die Linie Nepolokoutz-Wiinitz der
Bukowinaer Landesbahnen mit Holz-
brücken ausgerüstet wird.
Diese Holzconstructionen bilden oft
ganz imposante Bauten. So wird der
Pruth auf der Kolomeaer Localbahn
mit 166 ffty in der Strecke Nepolokoutz-
W^iänitz mit 407 fn Länge, die Su-
czawa auf der Localbahn Hadikfalva-
Radautz mit einer Brücke von 254 vi
Länge, auf der Localbahn Hatna-Kim-
p o 1 u n g in einer Weite von 296 tn über-
schritten und die Savebrücke in der
Strecke Laibach-Stein misst 162 m.
Bereits in den Sechziger-Jahren be-
gannen die ältesten Bahnen, wie die Nord-
bahn, die Südbahn und die Staats-
eisenbahn-Gesellschaft ihre Holz-
brücken gegen Eisenconstructionen aus-
zuwechseln. Ihnen folgten zu Ende der
Siebziger -Jahre die Kaiser Franz
Josef-, die Kronprinz Rudolf-
Bahn u. a., so dass heute die Holzbrücken
auf den Hauptbahn-Strecken nur mehr
vereinzelt angetroffen werden.
Haben daher die Holzbrücken als
Bahnobjecte auf Hauptlinien ihre Rolle
ausser bei ganz kleinen Oeffnungen aus-
gespielt, so bleibt ihnen doch für Eisen-
bahn-Provisorien, für Lehr- und Mon-
tirungsgerüste bei Stein- und Eisen-
brücken, ferner als Schüttgerüste bei
grossen Dammbauten und als Transport-
gerüste eine wohl beschränktere, aber
trotzdem doch wichtige Aufgabe zuge-
wiesen.
Der Rückgang in der Bedeutung
der Holzbauten für Eisenbahnen hat
nicht gehindert, der Ausbildung ihrer
Constructionen entsprechende Aufmerk-
samkeit zu widmen. Die Fortschritte in
der Brückentheorie kommen den Holz-
constructionen ebenso zugute, wie die
praktischen Versuche, welche das Ver-
Brückenbau.
halten des Materials sowie, die Wirk-
samkeit der Schrauben, Zähne und Dübel
in das richtige Licht stellen. Die für die
Praxis sich ergebenden Resultate der
theoretischen und praktischen Unter-
suchungen haben auch in den behörd-
lichen Vorschriften ihren Ausdruck ge-
funden, indem das k. k. Handelsmini-
sterium in der Verordnung vom 31, Juli
1892 Bestimmungen erliess, welche die
I dem Bau der ersten Kettenbrücke und
j einer eisernen Böge n hänge werk s- Brücke
I für den Strassenverkehr den andern
Ländern des Continentes vorangegangen.
Wenn nun auch der Kunst des Baues
eiserner Brücken, diesem jüngsten Sprossen
der Technik, die berechtigtsten Erwartun-
gen hinsichtlich deren Weiterentwicklung
entgegengebracht wurden und frühzeitig
das Bestreben nacli Verwendung der
AbB. 144. SchlfkornbrUcke. [KUbawa-VUdui:!
Brücken Verordnung vom Jahre 1887
hinsichtlich der praktischen Ausführung
der Holzbrücken und bezüglich der zu- '
lässigen Inanspruchnahme des Materials
ergänzen. |
Die Brücken in Eisen.
Bei dem Auftreten der ersten Eisen- I
bahnen hatte Oesterreich, wie bereits ,
angedeutet, seinen guten Antheil an
dem grossen technischen Fortschritte, '
welche die Einführung des Eisens im 1
Brückenbau bedeutet. War es doch mit
Systeme der eisernen Strassen brücken für
Eisenbahnzwecke hervortrat, so dauerte
es doch ein Jahrzehnt, bevor man es in
Oesterreich unternahm, dem Eisen die
Last der schweren Locomotiven anzuver-
Damit erstand aber auf dem Gebiete
des Bahn- und Brückenbaues zu Beginn
der Fünfziger-Jahre dem Steine und Holze
ein anfangs wohl nur schüchterner Rivale,
der jedoch bald zu ungeahnter Bedeutung
gelangte. Im Jahre 1854 verzeichnen
die Ausweise der General-Inspection der
österreichischen Eisenbahnen bei einer
282
Josef Zuffer.
Bahnlänge von 2140 hn erst 250 Tonnen
Eisen für Brückenzwecke, d. i. pro Kilo-
meter 125 A?^, im Jahre 1860 war das
auf ein Kilometer entfallende Eisen-
gewicht der Brücken schon auf 2600 kff,
zehn Jahre später auf 6200 kg und im
Jahre 1875 bereits auf 88cx3 kg gestiegen.
In der ersten Zeit erschien die
eiserne Bahnbrücke in den einfachsten
Formen. Eine Schiene wurde zum Träger,
indem sie mit der Fahrschiene auf den
Fussflächen zusammengelegt und ver-
nietet wurde. Zur Erzielung eines grösseren
Tragvermögens aber bog man die untere
Schiene in der Mitte durch und verband
sie mit der Fahrschiene durch eiserne
Zwischenstücke zu einem Fischbauch-
träger. Solche Schienenconstruc-
t i o n e n, welche manchmal für sich eine
Brücke bildeten, auf die erst das Geleise,
die Schwellen mit den Schienen, auf-
gebracht wurde, finden wir zuerst im
Jahre 1847 bei einem Objecte über die
Bezirksstrasse bei Cilli auf der Südbahn,
dann auf den Linien der Oester-
reichisch- Ungarischen Staats-
eisenbahn und später bis in die Sieb-
ziger-Jahre allgemein verbreitet. Manche
Bahnen verwendeten auch bereits eigens
gewalzte Träger, die als einfache Trag-
balken zur Stütze der Schienen des Ge-
leises bis zu 5 ni Weite dienten, und zu
Ende der Fünfziger-Jahre traten im Ge-
folge der fortschreitenden Walztechnik
neben den genannten Walzträgern die ge-
nieteten Blech träger auf, welche aus
Stehblecl), vier Winkeleisen, Kopf- und
Fussblech bestanden und durch eiserne
Querriegeln zu einer Tragconstruction
verbunden wurden. Solche Blechträirer
waren durch entsprechend kräftige Dimen-
sionen schon im Stande, Weiten bis zu
ig m zu überbrücken und sind bis heute
im Allgemeinen die normale Constructions-
type für Brücken bis zu 20 m Spannweite
geblieben. Schon in der ersten Zeit ihres
Auftretens wurden die Blechträjrer-Con-
structionen bei etwas grösserer Weite
durch Windkreuze abgestreift.
Um einen widerstandsfähigen Quer-
schnitt bei gering verfügbarer Construc-
tionshöhe [das ist die Entfernung zwi-
schen dem Fusse der Fahrschiene und
der Unterkante der Brückenträger] zu
erzielen, wurden die Kastenträger
eingeführt, bei denen zwei verticale
Stehbleche und die entsprechend breiten
horizontalen Kopf- und Fussbleche, durch
Winkeleisen und Nieten zu einem steifen
Kasten verbunden sind, Träger, die zuerst
durch Stephenson beim Uebergang vom
Guss- zum Walzeisen verwendet worden
waren.
Bis in die Sechziger-Jahre lagerte man
allgemein das Geleise oberhalb der Blech-
trägerconstruction und zwar derart, dass
die Schiene entweder unmittelbar auf dem
Träger oder durch Vermittlung elastischer
Querschwellen, also die Fahrbahn »obent
aufruhte. Wo aber die grössere Licht-
weite eine bedeutendere Trägerhöhe bei
gleichzeitig geringer Constructionshöhe
erforderte, war die Lagerung der Fahrbahn
»oben« ausgeschlossen und musste das
Geleise zwischen die beiden Träger »ver-
senkt« oder die »Fahrbahn unten«
angeordnet werden. Diese Aenderungen
in der Lage der Fahrbahn schufen manche
constructive Schwierigkeiten. Hornbostel
hatte sich noch in primitiver Weise
auf der Kaiserin Elisabeth-Bahn damit
geholfen, dass er die Wandbleche der
Träger fensterartig durchbrach, um die
Querschwellen durchzustecken, denen an
die Blechwände genietete Winkelstutzen
als Auflager dienten. Im Allgemeinen Hess
aber der Mangel an geeigneten Typen
nur ungern von der einfachen Anordnung
oben liegender Fahrbahn abweichen. Erst
P r e s s e 1 führte um die Mitte der Sechziger-
Jahre gut durchgebildete Typen mit ver-
senkter Fahrbahn bei kleineren Licht-
weiten und mit unten liegender Fahr-
bahn bei grösseren ein, wobei natürlich
die Blech wände der Forderung des Licht-
raumprotiles für die Fahrzeuge gemäss,
'entsprechend auseinanderrücken mussten.
Auf der Lemberg-Czernowitzer
Bahn wurden zuerst die Blechträger-
Typen noch durch die Einführung der
Zwillingsträger bereichert, bei denen
für jeden Schienenstrang zwei symmetrisch
gestellte, nahe aneinandergerückte Blech-
träger angeordnet sind, welche die Schiene
zwischen sich auf einer kurzen Quer-
verbindung tragen.
Bis in die Siebziger-Jahre wurden die
Schienen auf den Blechbrücken derart
283
Abb. 145. ElbsbrDcke b«t Teltchen nacb der Rei
Pholo)[ta[tble toi
angebracht, dass sie entweder auf den
Haiiptträgern selbst oder auf eisernen
Querträgern, die zwischen diesen ange-
bracht waren, oder endlich auf der ge-
nannten Querverbindung der Zwillings-
träger mittels eisernen Keilplatten auf-
ruhten.
Die Vortheile, welche ein elastisches
Zwischen mittel bietet, führten später
zur Verwendung von Holzschwellen,
die entweder als Querschwellen oder
als Langsehwellen die Schiene auf-
nahmen.
Waren mit diesen Typen auch die
Constructionen gerader Blechträger er-
schöpft, so blieb seither der weiteren
Durchbildung der Hauptträger, der Stoss-
deckung, der Querverbindung, der An-
ordnung der Auflager und der Ueber-
liöhung ein weites Feld eröffnet. Die
complicirten Lagerstähle der alten Schie-
nenträger und der alten Blechbrüeken
sind heute durch einfache Lagerplatten
ersetzt, die in den Auflagsquadern ver-
senkt werden und eine Cement-, Mörlel-
oder Bleiunterlage erhalten. Die Aufgabe
der anfangs am Untergurt angebrachten
Backen, die sich mittels Balken gegen
die Widerlager stemmten, um der Con-
slruction im starken Gefälle einen Halt
zu bieten, übernehmen heute einfache
Vorsprilnge der Unterlagsplatte, die als
I bezeichnet werden.
. [Blibml
p«e,]
Naidbahn.] [Nach e
Die Ausbildung, welche die Blech-
träger im Laufe der Zeit erfahren haben,
die Vortheile, die in der einfachen Mon-
tirung und der erleichterten Erhaltung
liegen, die Fortschritte der Technik, die
das Walzen grosser und homogener Plat-
ten ermöghchen, geben heute dieser Con-
structionstype in Oesterreich wieder eine
grössere Bedeutung, und lassen ihre An-
wendung auch bei grossen Spannweiten
angezeigt erscheinen. Hatte man sie schon
vor 30 Jahren, wie gesagt, bis zu Spann-
weiten von 19 Hl verwendet, so pflegte
man sie später wieder auf kleinere Oeff-
nungen einzuschränken und in dem über-
mässigen Streben nach Materialersparnis,
welche die Gitterbrücken gegenüber den
Blechbrüeken zuliessen, Objecte von 12,
ja sogar von 6 m Lichtweite mit ge-
gitterten Trägern zu versehen. In jüng-
ster Zeit jedoch, wo dieser Vorzug
der Materialersparnis auch gegen die
sonstigen Vortheile richtig abgewogen
wird, finden die Blechbrücken auch (Or
grosse Spannweiten Aufnahme. Auf der
Wiener Stadtbahn sind Blechbrücken bis
zu 27 m Stützweite zur Anwendung
gekommen, eine Massregel, die gewiss
Nachahmung finden wird.
Die Bedeutung, welche die Blech-
brüeken im Laufe der Zeit erlangt
haben, möge die Thatsache illustriren,
dass heute in Oesterreich über 10.000
284
Eisenba lin-Objecte mit Blechträgern aus-
gestattet sind.
Bevor aber noch die einfachen, eisernen
Balken, die verschiedenen gewalzten und
genieteten Blechträger zu Bahnzwecken
verwendet wurden, dachte man schon
daran, an die Erfolge im Ban der eiser-
nen Strassenbrücken anzuknüpfen und
die Idee der Hängewer ke, die damals
als interessanteste technische Neuerung
ihren Einzug in Oesterreich gehalten
hatte, für den Eisenbahnbau auszunützen.
Bereits im Jahre 1843 hatte Francesconi
eine Hängebrücke über die Donau bei
Floridsdorf für die Nordbahn projectirt.
Die Ausführung dieses Frojectes war
zwar zurückgestellt worden aber die
Frage der Ver-
wendung der
Kettenbrücke für
die Eisenbahn
verschwand nicht
mehr von der
Bildfläche.
Die verschie-
densten Vor-
schläge tauchten
auf, um den bei
Kettenbrücken
beklagten Man-
gel an Steifigkeit
zu beheben, der
sie für die sichere
Führung der schw
nicht empfehlenswerth machte. Man
hoffte durch Krümmung der Fahrbahn
nach unten, durch ihre Verbreiterung, I
durch die Versteifung mittels hohler j
Bleclirohre, durch Verflachung der '
Kettenlinie sowie durch Anwendung '
von Spann- und Gegenketten behnfs 1
Fixirung der eigentlichen Tragkette, dem
genannten Hauptmangel, der geringen 1
Steifigkeit der Brücke, zu begegnen. Ein 1
von Martin R i en e r verfasstes ProjecE einer ,
Eisenbahnbrücke, deren Tragketten durch '
Spannketten versteift waren, welche von 1
einer Centralverankerung im Mauerwerk
ausgehen sollten, gab dem österreichischen
Ministerium im Jahre 1856 Anlass, den I
Verein DeutscherEisenbahn- Verwaltungen
zu einem Gutachten über diese wichtige 1
Ajigelegenheit und die vorgelegte Con-
struction anzuregen. Die Vortheüe der
Eisen bah nzüge
inzwischen in Deutschland bereits mehr
bekannt gewordenen GliederbrUcken
Hessen jedoch trotz der verbesserten
Construction der Hängebrücke die Be-
denken gegen dieses System nicht schwin-
den und führten zu einem ziemlich un-
günstigen Urtheil. Als es aber Schnirch
gelang, die gesuchte Versteifung der
Hängebrücke durch Ausbildung der Kette
als gegliederten Träger, also durch Ver-
steifung der Kette selbst, zu erzielen,
wurde im Jahre 1 860 der Wiener
Donaucanal im Zuge der Wiener-
Verbindungsbahn mit einer solchen Con-
struction überbrückt. Den vielen gerecht-
fertigten Bedenken, welchen diese Bau-
art begegnete [so u. a. auch bei Etzel],
hat die Brücke
mehr als 20 Jahre
getrotzt,bi8sieim
Jahre 1884 durch
eine moderne
Bogen brücke
nach Plänen der
Ingenieure Bat-
t i g und P o d-
hajsky ersetzt
werden musste.*)
Das interessante
Experiment einer
Eisenbahn - Kei-
ne bei Kaittnreith. tcubrücke war
somit wohl ge-
lungen, aber die Unsicherheit, die das
mit der Zeit immer mehr gesteigerte
Schlottern und Schwanken der Brücke
und die frühzeitige Abnützung ihrer
Tbeüe in sie hinein trug, die erhöhte Last-
wirkung infolge der Nachgiebigkeit und
Beweglichkeit der Construction, lud bei
den raschen Fortschritten im Bau der
Gliederbrücken z u keiner Wiederholung ein ,
Unterdessen waren nämlich in der
Mitte der Vierziger-Jahre die ersten
eisernen Gitterbrücken erstanden,
welche auch bald in Oesterreich ihren Ein-
gang fanden. Die praktischen Erfahrungen
mit den alten gegitterten HolzbrUcken von
Long, Howe undTown hatten schon
einen Einblick in das Kräftespiel dieser
•) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach, Ge-
schichte der Eisenbahnen Oesterreich-
Ungarns von den ersten Anfangen bis 1867,
S. 306 und tf.
285
Träger eröffnet und die späteren Ver-
suche in England mit Blechträgem, führ-
ten eine weitere Klärung herbei. Man
hatte erkannt, dass neben den durch-
biegenden Kräften, welche die Be-
lastung hervorruft und die sich in Span-
nungen des obem und untern Gurts
umsetzen, auch verticale, scheerende
Kräfte auftreten, die, statt von einer
vollen Wand, rationeller von entsprechend
angeordneten und ausgebildeten Gliedern
übernommen werden können.
Der Belgier Neville hatte einen
Brückenträger erbaut, der ein einfaches
Dreiecksystem von Wandgliedern zeigte.
Der Obergiirt, der stets blossen Druckspan-
nungen ausgesetzt ist, bestand aus Guss-
eisenbarren, die von Knoten zu Knoten
reichten, zwi-
schen sich die
schmiedeeiser-
nen, im Quer-
schnitt recht-
eckigen Gitter-
Stäbe fassl en und
durch schmiede-
eiserne Flach- ■
laschen zusam-
men gehalten
waren. Der Un- Abb. 147. GltterbrUcke u
tergurt, welcher
Zugspannungen zu widerstehen hat, be-
stand in seiner Hauptsache aus schmiede-
eisernen Flachschienen. Die äusserst
mangelhafte Verbindung der Trägertbeile
in den Knotenpunkten Hess diesen Trägern
gleich von Anfang mit Misstrauen be-
gegnen. Nachdem aber die Probeversuche
der Kaiser Ferdinands-Nordbahn
im Jahre 1851 mit Probeobjecten von
20 »1 Spannweite am Eisenbahndamm
zwischen beiden Donaubrücken ein gutes
Ergebnis geliefert hatte und die Con-
struction sich mit Rücksicht auf die
relativ geringe Menge des verwendeten
Eisens auch als Öconomisch erwies, so
begann die Nordbahn ihre grossen hftl-
zernen Brücken gegen diese Trägertypen
auszutauschen. Der Befi wabrüc ke bei
Prerau, die fünf Oeffnungen zu 20 m
Lichtweite besass, folgten bald 43 Brücken-
öffnungen zwischen N'apagedl und Mäh-
risch-Ostrau, welche mit Nevilleträgern
ausgestattet wurden. Bei der Verschieb-
barkeit der Glieder infolge der mangel-
haften Knoten Verbindung und bei der
ungünstigen Materialvertheilung konnte
dieses System sich gegenüber neu auf-
tretenden besseren Constructionen jedoch
nicht lange behaupten. Nach etwa zehn
Jahren stellte dieNordbahn, über die hinaus
das System wenig Verbreitung gefunden
hatte, den Bau der N'e vi liebrücken ein,
die zu Ende der Sechziger- und zu An-
fang der Siebziger-Jahre vollständig ver-
schwanden, da sie durch Parallel- und
Fi seh bauch träger ersetzt wurden.
Im Jahre 1853 war Schifkorn in
Oesterreich mit einer neuen, gut durch-
dachten Brückencon struction hervorge-
treten, in welcher er den bereits ge-
nannten hölzernen Ho we 'sehen Träger
ganz in Eisen
durchbildete.
[Vgl. Abb. 1 44-]
Die Theile, wel-
che Druckbean-
spruchungen
ausgesetzt sind,
also der Ober-
gurt und die
geneigten Stre-
ben, in welch
«e^Eti^ane Z"""'^''''* letzteren durch
die verticalen
Spannstangen stets künstlich ein Ueber-
dnick erzeugt wurde, stellte er aus Guss-
eisen her, während er für den gezogenen
Untergurt schmiedeeiserne Flachschienen,
desgleichen fUrdieSpaimstangenSchmiede-
eisen nahm. Den Obergurt setzte Schif-
korn aus einzelnen von Knoten zu Kno-
ten reichenden Stücken zusammen, die
mittels durchlaufender, an den End-
standem angespannter Längsschienen zu-
sammengehalten wurden. Auch die Stre-
ben waren aus einzelnen Stücken zu-
sammengesetzt, so dass sie bei hohen
Trägern und mehrfachem Netzwerk bis
aus vier Theilen bestanden, die durch zwei
schmiedeeiserne Bänder fixirt waren. Die
Hauptträger jeder Brücke bildeten zwei bis
vier nebeneinander gestellte, mit einander
verbundene und gleich construirte Wände.*)
Das Schifkom'sche BrQckensystem
wurde bei seinem Erscheinen geradezu
•; Vgl. Abb. 378, Bd. I, I. Theii.
286
Josef Z Ulf er.
enthusiastisch begrüsst. Man rühmte den
Vortheil dieser Brücken, die im Gegen-
satz zu den damals auftauchenden Gitter-
brücken »keiner Nieten bedürfen und bei de-
nen das Holz, das Schmiede- und Gusseisen
ihrer Wirkungsweise entsprechend seien« !
Es fehlte nicht an Gegnern, unter
denen Hornb ostel und Pressel in erster
Reihe standen, welche den an dieses
System geknüpften, hochgespannten Er-
wartungen eine sehr kühle sachliche
Kritik gegenüberstellten. Bot doch die
Construction so viele Angriffspunkte!
Die Zusammensetzung der Träger aus
vielen Theilen und deren mangelhafte
Verbindung, die allerdings jene der
Nevilleträger hoch überragte, die Un-
bestimmtheit, die durch die künstlichen
Spannungen in die Wirkungsweise der
Glieder hineingetragen wurde, die Ver-
wendung des un verlässlichen Gusseisens
und dessen Combination mit Schmiede-
eisen, also die Verbindung von Mate-
rialien mit ungleichen Elasticitäts- Verhält-
nissen, bedeuteten ebenso viele schwache
Seiten dieser neuen Trägertj^pe.
Im Jahre 1858 Heferte das Werk
Z ö p t a u für die Ueberbrückung der I s e r
bei Rakaus im Zuge der Süd -nord-
deutschen Verbindungsbahn die
erste Schifkornbrücke, welche sieben
Oeifnungen zu 24 m besass.*) Bald folgte
die Carl Ludwig-Bahn, die Böhmi-
sche Westbahn mit Brücken bis zu
38 m Weite, die Turnau-Kraluper
Bahn, die Böhmische Nordbahn
und die Lemberg-Czernowitzer Bahn
mit Weiten bis zu 57 m. Eben waren noch
andere Bahnen im Begriff, diese Brücken
einzuführen, ja selbst Unterhandlungen
mit England und Amerika waren im Zuge,
um das System auch dorthin zu ver-
pflanzen, als die Brückenkatastrophe bei
Czernowitz, wo am 4, März 1868 ein
57 m weites Brückenfeld der Pruthbrücke
unter einem gemischten Zug zusammen-
brach, dem Siegeslauf der Schifkornbrücke
und der Verwendung von Gusseisen zu
Träger-Hauptbestandtheilen von Eisen-
bahnbrücken ein jähes Ende bereitete.**)
An 150 Eisenbahnbrücken dieses
Systems waren in Oesterreich aufgestellt
*) Vgl. Abb. 366, Bd. T, 2. Theil.
**; Vgl. Abb. 378, Bd. I, 2. Theil.
worden, die nun in rascher Folge durch
die inzwischen anerkannten genieteten
Fachwerksbrücken ersetzt wurden, so
dass heute mit Ausnahme eines einzigen
Beispieles auf einer blos der Schlacken-
beförderung dienenden Schleppbahn [bei
Trzynietz] keine derartige Construction
als Bahnbrücke mehr in Benützung steht.
Im Jahre 1894 war die letzte Schifkorn-
brücke im Zuge einer Eisenbahn, die Elbe-
brücke der Böhmischen Nordbahn
bei Tetschen, durch eine moderne Con-
struction ersetzt und mit ihr die zweite
Brückentype, welche gemischtes Material
verwendete, zu Grabe getragen worden.
[Abb. 145.]
Während in den Fünfziger- und
Sechziger-Jahren im Norden und Osten
Oesterreichs, in Böhmen, Galizien und
der Bukowina nebst den Nevillebrücken,
vornehmlich die Schifkornbrücken in
Verwendung kamen, also gemischte
Systeme, w^elche Gusseisen für gedrückte
und Schmiedeeisen für gezogene Theile
verwendeten, wurden um die Wende
des sechsten Jahrzehntes auf den süd-
lichen und westlichen Linien allmählich die
genieteten schmiedeeisernen
Gitterträger eingeführt, die in Eng-
land und Deutschland aufgekommen und
in diesen Ländern schon vielfach ver-
breitet waren. Den Gitterträgem wurde
anfänglich in Oesterreich mit grossem
Misstrauen begegnet, das vornehmlich
auf den ungünstigen Erfolgen von Mo-
dellversuchen beruhte, die Prüssmann in
Hannover mit offenbar unrichtig construir-
ten Gitterträgern angestellt hatte, ein
Misstrauen, das insbesondere auch durch
R i e n e r und S c h n i r c h, diesen eifrigsten
Verfechtern der Hängebrücken und der
ungenieteten Träger, genährt wurde.
Trotz dieser schwerwiegenden Gegner-
schaft fanden aber gegen Ende der P'ünf-
ziger-Jahre die genieteten Gitter-
träger, und zwar als engmaschige
Netzwerke auf der Staatseisenbahn
durch R u p p e r t, auf der Südbahn durch
Etzel, auf der Kaiserin Elisabeth-Bahn
durch Hornbostel Eingang und wenn
auch diese Träger seither, entsprechend
der fortschreitenden Erkenntnis über die
Wirkungsweise der Kräfte und im Stre-
ben nach möglichster Oeconomie, wesent-
liehe Wandlungen bezüglich der Form der
Gurten und bezüglich der WandfUUungs-
gljeder durchmachten, so behielt doch
das Princip der genieteten Gitterträger
seither im Eisenbahn-Brückenbau die un-
bestrittene Herrschaft.
Die Erkenntnis, dass das Material in
der die Gurten verbindenden Blechwand
der vollwandigen Träger nicht ausgenützt
wird, hatte zuerst in England und darauf
in Deutschland dazu geführt, die Wände
durch ein dichtes Netzwerk flacher Stäbe
zu ersetzen. In Oesterreich traten diese
Netzwerke mit schlaffen Bän-
dern zuerst auf der Kaiserin Elisabeth-
Bahn unter Hornbostel auf, wo die
erfolgreich widerstehen konnten, wurden
durchwegs blos e i n w a n d i g ausgeführt,
während die von Hoff mann auf der
Tiroler Staatsbahn im Jahre 1858 mit
zwei Spannweiten von je 467 m erbaute
Innbrücke, beiderseits je zwei durch einen
Zwischenraum von etwa 60 m getrennte
Tragwände erhielt. Ein schiefHegendes
Gitterwerk verband dabei die corre-
spondirenden, auf Druck beanspruchten
Gitterstabe beider Wände. Aehnlich
wurde die 32 m lange Brixenthaler
Brücke mit verticalen Zwischen gittern
ausgeführt. Diese beiden Brücken er-
hielten auch kastenförmig ausgebildete
Gurtungen.
Traisen, Erlauf, Ybbs, Enns und Traun mit
solchen Trägern, welche über die einzelnen
Brückenöffnungen zumeist ununterbrochen
fortliefen, überspannt ivurden. Im Zuge der
Linien der Staatseisenbahn- Gesellschaft,
und zwar auf der Strecke OlmUtz-TrUbau
erstanden die Sazaw abrücken mit 15
bis 19 m Weite, auf der SUdbahn unter
Etzel die L'eberbrUckung der Mürz und
San, der Mur bei Peggau mit einer
110 m langen Brücke über drei Oeff-
nungen, und auf der Linie Marburg-
Villach zwei Draubrücken nächst Gottes-
thal und St. Ulrich*) mit drei Oeffnungen
von 132 m Gesanimtlänge.
Diese Netzwerke, deren flache Dia-
gonalen nur durch ihre grosse Zahl, be-
ziehungsweise durch ihre dichte An-
ordnung den auftretenden Druckkräften
•) Vgl, Abb. 337, BJ. I, 1, Theil.
icke bei Miiil6w. IStanlgUu-Hiulatjn.]
Der Constructions-Gedanke, die Gitter-
stäbe mittels angenieteter Winkeleisen
zu versteifen, war zum ersten Male bei
der BaynebrUcke bei Drogheda in
England verwerthet worden. Ruppert
führte diese Idee in erfolgreicherer Weise
bei der Gran- und Eipel brücke
der Staatseisenbahn durch, indem
er ein Gitterwerk von etwas weitem
-Maschen völlig aus steif profilirtem
-.r^ förmigem Eisen ausführte,*) und
auch auf der Kaiserin Elisabeth-Bahn er-
baute Hornbostel Brücken mit durchwegs
versteiften, hier aber T-förmigen Streben,
so bei den Brücken über die Pielach
und Vöckla, bei der Brücke über die
Wien der Linie Penzing- Hetzen dorf und
bei der 143-8»/ langen, fünf Oeffnungen
') Vgl. Abb. 323 und 324, Bd. I,
1. Thcil,
überspannenden SalzachbrUcke der Strecke '
Salzburg-Reichsgrenze.
Die Ausführung der Gurtungen aus
Winkeleisen und Lamellen, zum Theil
auch bereits mit Stehblechen, und die Art
des Anschlusses der Wandglieder an die '
Gurtungen zeigt bei diesen Brücken wohl 1
Verschiedenheilen und steigende Verbesse- ,
rungen, der Gedanke jedoch, den Gurt- ,
querschnitt in den verschiedenen Theilen |
der Träger entsprechend den Spannungen ;
zu halten, welche, wie die Berechnung
lehrt, bei parallel gurt igen Trägem von ■
den Trägeren deii gegen die Mitte zu-
nehmen, erschien bei den älteren Netz- ;
werk-Constructionen noch nicht berück- ,
sichtigt. Die Gurlungen zeigen hier i
durchwegs Con-
sta nten Quer-
schnitt, also
keine öconomi-
sche Material-
vertheilung.
Einen we-
sentlichen Fort-
schritt für die
Ausbildung der
Gitterbrücken
brachtePressel ***'■ '«■ ^^«tvTpö«
imjahrei865in
den Normalien der Südbahn, indem er in ,
den combinirten Gitter werken — eng- '
maschige Netzwerke, die durch V'erticat- I
Ständer versteift sind — die auf Zug be-
anspruchten Diagonalen aus Flacheiscn,
die gedrückten aber aus Winkeleisen und
Bändern zusammensetzte und femer die ■
aus Stehblech, Winkeleisen und Lamellen
bestehenden Gurte den auftretenden i
Kräften entsprechend ausbildete. Auch
die constructiven Details, namentlich die !
Anschlüsse in den Knotenpunkten, zeigen ■
Neuerungen: Zwischen beide Stelibleche '■
des Obergurts schaltete Pressel eine drei-
eckige Eisenplatte ein, welche den Zwi- ,
schenraum ausfüllte und die Anknüpfung
der Streben so solid als möglich gestaltete.
Solche Brücken wurden zuerst auf der
Brennerbahn und der Linie Vill a ch- \
Franzensfeste durch Prenninger
erbaut und dies rationelle .System fast |
bei allen bis in die neueste Zeit her-
gestellten Brücken der SUdbahn fest-
gehalten. Die 69 ;» lange Draubrüc ke I
bei Oberdrauburg mit ihrem sechs-
fachen Netzwerk, der Festungsviaduct
über den Eisack bei Franzensfeste,
bei welchem die weiteste der 13 Oeffnun-
gen mit einem 50 m langen vierfachen
Gitterwerk überspannt ist,') die 60 tn lange
Rienzbrücke bei Vientl gleicher
Construction sind einige hervorragende
Repräsentanten dieser Bauweise auf den
Linien der Siidbahn.
Aehnliche Gitterbrücken mit steifem
Druck- und schlaffen Zugstreben kommen
umdie Wendedessiebentenjahrzehntsbeim
Bau der Kronprinz Rudolf-Bahn,
(Abb. 146 u. 147] der Salzburg-Tiroler
Bahn, der Nordwestbahn und der
Staatseisenbahn in bunter Abwechs-
lungmitneueren
Typen zur An-
wendung. Na-
türlich treten da-
bei mannigfache
Variationen in
Einzelheiten der
Construction
auf, so in der
Ausbildung der
Gurten, im
um"' '^""-*"*'*'- Querschnitt der
Druck streben
und daher auch in den Anschlüssen der
Diagonalen. Eines der grössten, noch
in anderer Hinsicht zu beleuchtenden
Objecte dieser Tvpe ist der Iglawa-Via-
d u c t der Staalseisenbahn-Gesellschaft,
dessen 3755 tn langer Träger auf fünf
eisernen Zwischenpfeilern das weite Thal
des Iglawadusses Überspannt.
In den Sechziger-Jahren wurden die
weitmaschigen Fachwerke den engma-
schigen immer mehr vorgezogen. Die
Diagonalen rückten immer weiter aus-
einander und zu Ende dieses Deeenniums
kamen die einfach gekreuzten
Gitter wände zur A ufnahme, bei
welchen einfache Stabkreuze mit schlaffen
Zug- und steifen Druck streben, durch
verticale Ständer gelrennt wurden. Diese
Fach werksträger zeichneten sich durch
besondere Steifigkeit aus und erleichter-
ten durch die verticalen Ständer die An-
knüpfung der Querverbindungen, und zwar
*) Vgl. Abb. SA und 55, BJ. I, 3, Theil.
2Sq
290
Josef Zuffer.
sowohl der Querträger bei unten liegender
Fahrbahn als auch der sonstigen Querver-
steifungen bei Bahn >oben«. Solche Fach-
werke mit gekreuzten Diagonalen und mit
Verticalen erinnern in der Silhouette wieder
lebhaft an den alten Howe'schen Träger,
wenn auch weder das Material noch die
Functionen der einzelnen Glieder tmd
die Verbindung der Theile etwas mit der
alten abgethanen Construction gemein
haben. Die genannten constructiven Vor-
theile dieses Fachwerkes und die verhältnis-
mässig einfache Ausführungs weise sicherte
dieser Trägert^pe, die sich bis zu 50 m
Spannweite rationell verwenden lässt, die
weitestgehende Verbreitung auf allen Bahn-
linien bis in die neueste Zeit und besonders
auf den alten Linien wurde sie gern an Stelle
der Schitkombrücken eingeführt
Die Erkenntnis, dass die Scheerkräfte,
welche von den WandfüUungsgliedem
übernommen werden, in der Nähe der
Trägerenden nur in einem Sinne wirken,
führte dazu, dass man in dem vorge-
nannten Fachwerk die auf Druck be-
anspruchten Diagonalen ausliess und so
zu einem System gelangte, in welchem
die gegen die Mitte nach abwärts fallen-
den Bänder die Zugspannungen, die
verticalen Ständer die Druckkräfte Ober-
nahmen. Nur für die mittelsten Theile, wo
die Scheerkräfte ihre Richtung wechseln
und die Zugbänder daher auch auf
Druck beansprucht werden, ordnete man
Gegendiagonalen an, wenn man es nicht
vorzog, in diesem Theil statt der flachen
Bänder kostspieligere, steife Streben ein-
zuführen. Die Vortheile, die dieses von
M o h n i 6 in Deutschland zuerst construirte
einfache, unsymmetrische Fach-
werk bot und welche in der einfachen Aus-
führungsweise sowie in dem gerintren
Materialaufwand bestehen, verschattten
dieser Brückentype in Oesterreich raschen
Eingang. Im Anfang der Siebziger-Jahre
führten fast alle Bahnen das einfache
Mohnie'sche Fachwerk für Brücken bis zu
40 m Lichtweite ein und bei grösseren Wei-
ten wurde das zweifaclre Mohnic'sche
Fach werk, das sich als Combination
von zwei einfachen darstellt, verwendet.
Leider wurde aber das einfache
Mohnie'sche Fachwerk bei einzelnen
kleineren Brücken nicht genug kräftig
ausgeführt, wie dies mit Rücksicht auf die
ohnehin wenig zahlreichen Trägertheile
geboten gewesen wäre, und die gestei-
gerten Verkehrslasten so\%'ie das ungleich-
artige Material verschiedener Provenienz
brachten diese Constructionen bald in Ver-
ruf, bis der am 5. October 1 886 erfolgte Zu-
sammenbruch der Brücke über die Brixner
Aachebei Hopfgarten das einfache Mohni^-
sche Fachwerk als Parallelträger ausge-
bildet, endgiltig aus der Liste der in Oester-
reich beliebten Brückensvsteme strich.
Während wir daher das einfache
Mohnie'sche Fach werk heute nur ganz
vereinzelt antreffen, ist das doppelte
M o h n i ^'sche Fach werk in ausserordent-
lich grossen Brücken vertreten. Die heute
bereits durch Einziehen von steifen Gegen -
streben verstärkte Donaubrücke der
Kaiserin Elisabeth-Bahn bei
S t e y r e g g, die in fünf 76*3 m weiten Oeff-
nungen den Strom übersetzt, die Elbe-
brücke der Nordwestbahn bei Au s-
s i g mit den drei Oeffhungen zu circa 74 wi,
die 79*7 m weite Donaucana 1-B rücke
der Staatseisenbahn in Wien und die
80 fw weite, ebenfalls verstärkte D rau-
brücke auf der Linie Unter-Drauburg-
Wolfsberg sind einige her\'orragende
Beispiele dieser Constructionsweise.
Das Streben nach weiterer Material-
ersparnis bei Brücken fahrte Köstlin
und Battig im Anfang der Siebziger-
Jahre zur Aufstellung der T^-pe der
Trapezträger, in dessen mittleren
Theil der Obergurt parallel zum unteren
verläuft, an den Enden aber schräg herab-
geführt ist. Die Wandglieder zeigen bei
kleineren Brücken das System der ein-
fachen unsymmetrischen Fachwerke,
während bei grösseren Brücken im mitt-
leren Theile Gegendiagonalen verwendet
wurden. Der Wegfall der Endständer und
die Vermindeninor der seitHchen Wand-
füllungen bildeten hier eine Ersparnis
tieiienüber den bis dahin meist verwen-
deten parallelgurtijren Trägem, die nur
zum Theil durch die Xoth wendigkeit, den
Obergurt zu verstärken, aufgewogen wurde.
Für die Moldaubrücke der Prager
Verbindungsbahn mit fünf Oeffnim-
gen zu je 56-9 1;/, im Jahre 1872 erbaut,
weiter für mehrere, bald darnach aufgestellte
Brücken der Niederösterreichischen
Sudwestbahnen und ebenso fUr die fünf,
je 40 m weiten Stroinöffnungen der D n i e-
sterbrtlcke auf der Linie Stanislau-
Husiatyn kamen Trapezträger zur
Verwendung. Alle diese Träger wurden in
den letzten Jahren durch Einfügung von
steifen Gegen streben verstärkt. [Abb. 148.]
Eine kleine Variante der Trapezträger
zeigen zwei auf der Lemberg-Czernowltzer
Bahn nach Railly construirte Brücken
von 19—20 m Spannweite, bei welchen
dem Bau der lllbrUcke der Vorarl-
berger Bahn ihren Einzug hielt, be-
schenkt. Wohl kann man Oesterreich als
die Heimat der Eisenbrücken mit ge-
krümmten Gurten durch die genannten
Leistungen von H off mann und Maders-
p a c h in den Dreissiger-Jahren bezeichnen,
aber als genietete Fachwerkträger traten
sie hier erst im bezeichneten Jahre auf,
freilich um desto rascher und siegrei-
cher durchzudringen. Unter zweitausend
sich die Abschräg ung des Obergurts
beiderseits nur über das letzte Fach der
Tragwand erstreckt. Charakteristisch ist
bei diesen zwei Brilcken die Ausbildung
der Querträger, welche aus einem Spreng-
werke bestehen und durch Bolzen, die auf
den Untergurten der Hauptträger ihr Lager
besitzen, chamierartig mit den Haupt-
trägem verbunden sind.
Von Deutschland aus, welches dem Bau
der Gliederbrücken von jeher grosse
Aufmerksamkeit widmete und besonders
auf Materialersparnis hinarbeitete, wurde
Oesterreich mit einem neuen Systeme,
den Brücken mit gekrümmtem
Gurt, deren erste im Jahre 1870 bei
Viadiict [im Bau],
Brückenöffnungen, die heute in Oesterreich
von gegliederten Trägern überbrückt sind,
haben vierhundert Felder krumm-
gurtige Träger erhalten.
Die Bedeutung der Gurtkrümmung
liegt darin, dass es auf Grund des Ein-
blickes in das Spiel der Kräfte möglich
ist, durch die Gestaltung des Trägers
selbst gewisse Bedingungen für die Wirk-
samkeit der Kräfte und der durch sie
geweckten Spannungen zu erfüllen und
damit für die praktische und öconomische
Ausführung gewisse Vortheile zu erreichen.
So ergab die Theorie, dass bei Trägern,
von denen beide oder auch nur ein
Gurt parabolisch gekrümmt ist, die Span-
19*
292
Josef Zuffer.
nungen in den Gurten nahezu oder völlig
constant bleiben, so dass derselbe Gurt-
querschnitt und daher concentrirtere Gurt-
formen angewendet werden können und
dass femer die Spannungen in den Wand-
füllungsgliedem wesentlich reducirt wer-
den. Hiedurch ergab sich eine Material-
ersparnis bis zu .20^/q gegenüber den
Parallelträgern, wenn auch die Schwierig-
keiten der Erzeugung des gekrttmmten
Gurts, namentlich bei kleineren Brücken,
den öconomischen Effect etwas ein-
schränkten.
Die sogenannten Bogensehnen-
träger, bei welchen über dem geraden
Untergurt ein parabolischer Obergurt auf-
gebaut ist, kamen wegen der Schwierig-
keiten in der Durchbildung der beider-
seitigen Endanschlüsse und Anknüpfung
der Endquerträger nur seltener zur An-
wendung. So u. A. bei einigen bis zu
20 m weiten Objecten auf der Linie
Kriegsdorf-Römerstadt und Tar-
vis-Pontafel. [Abb. 149.]
Eine ausserordentliche Bedeutung ge-
wannen dagegen die sogenannten Halb-
parabelträger, bei welchen diese
schwierigen Anschlüsse vermieden sind,
indem der Träger« beiderseits durch ver-
ticale Ständer abgeschnitten wird, wo-
durch sich auch bei grösseren Licht-
weiten und daher bei grösseren Träger-
höhen die Möglichkeit ergibt, die beiden
Obergurten in der ganzen Länge, zur
Erzielung grösserer Steifigkeit, durch
Querverbindungen zu verspannen. Diese
Halbparabelträger verbinden den Vor-
theil geringerer Spannungen in den Aus-
fachungen, also den Vortheil der Material-
ersparnis der reinen Parabelträger mit der
leichteren Ausführbarkeit der Parallel-
träger.
Bezüglich der Anordnung der Wand-
füllungsglieder wurde der Halbparabel-
träger meist nach dem Mohni^'schen
System, und zwar bis zu 50 m als einfaches,
darüber hinaus jedoch als doppelt un-
symmetrisches Fachwerk ausgeführt, mit
schlaffen Zugbändern und steifen Verti-
calen, obwohl auch frühzeitig das einfach
gekreuzte symmetrische Fachwerk mit
Verticalen auftrat. So war die von Har-
kort im Jahre 1870 gebaute Illbrücke der
Vorarlberger Bahn mit 38 zw Spannweite
nach dem einfachen Mohni^'schen Sy-
stem, die von Hermann im Jahre 1872
an Stelle der eingestürzten Pruthbrücke
bei Czernowitz*) sowie für die Dnie-
sterbrücke bei Jezupol mit vier,
respective fünf Oeffnungen zu je 56*9 nt
nach dem zuletzt genannten Fach werk
ausgeführt und ebenso erhielt die grosse
Donaubrücke der Nordbahn bei
Wien, im Jahre 1873 erbaut, Halbparabel-
träger mit zweifachem Mohni6schem
Fachwerk. Vom Ende der Siebziger-Jahre
an, wo unter anderem auch für den
Donaucanal bei Nussdorf eine
88*95 tn weite Brücke ähnlicher Construc-
tion erbaut wurde, fand dieses Träger-
system eine immer allgemeinere Verbrei-
tung. [Vgl. Abb. 116 und 117, Bd. I,
2. Theil.]
Das Schlottern und Schwanken der
langen Zugbänder bei der Befahrung der
Brücken führten später dazu, auch die
blos auf Zug beanspruchten Streben steif
zu profiliren, um so eine grössere Starr-
heit der Construction zu erzielen. Bei ein-
zelnen Brücken wurden zuerst blos die
sämmtlichen Glieder des Mitteltheiles —
wo Zug und Druck wechseln — steif
ausgebildet; bei zahlreichen Gitterträgern,
vornehmlich auf den Linien der k. k.
Staatsbahnen, finden wir aber heute
Halbparabelträger, welche mit durch-
wegs steifemFachwerk ausgestattet
sind, mögen dieselben nach dem einfachen
oder doppelten Mohni^'schen System oder
auch als symmetrische Fachwerke mit
gekreuzten Diagonalen und Verticalen
ausgeführt sein. Diese Constructions-
weise, in Verbindung mit starken, breiten
Gurten und steifen Windkreuzen, verleihen
den Tragwänden solcher Brücken eine,
wenn auch mit höheren Kosten erkaufte
Steifigkeit und Ruhe, welche die Brücken
auch unter dem rollenden Zug nicht ins
Schwanken kommen lässt.
Der grösste Halbparabelträger,
mit zweifachem Mohni^'schem Fach-
werk ausgerüstet, dessen sämmtliche Theile
— ausser den Zugdiagonalen — steife
Profile erhielten, überbrückt, 1 20 w lang,
die Mittelöffnung des Trisana-Via-
ductes auf der Arlbergbahn. [Abb.
♦) Vgl. Abb. 379, Bd. r, I. Theil.
Brückenbau.
150 und 151.] Die Tragwände dieses zweit-
grössten Balkenträgers Europas sind in der
Mitte low hoch. Auch die 80 »« weite Con-
struction über die Oetzthaler Aache
im Zuge der Linie Innsforuck-Landeck
[Abb. 152], die 100 m, beziehungsweise
89 »«weiten Et seh brücken bei Gmünd
und St. Mi-
chele der
Linie Bozen-
Ala, sind als
• Halbparabel-
träger mit sol-
chem, theil-
weise steifem
Fach werk er-
baut. Halbpa-
rabelträger mit
vollständig
steifen Fül-
lung s g 1 i e-
dern zeigen
unter Anderen
die 60 Ml weite Abb. IS2 Brücke übi
Brücke über t""" •""<_
den Grub er-
canal bei Laib ach der Linie Laibacli-
Rudolfswerth, die Pruthbrücke bei
Przerwa der Lemberg-Czerno-
witzer Bahn mit Oeffnungen bis zu
66-9»« Weite, die Isonzobrücke auf
Monfalcone- Cervignano mit sie-
ben Oeffnungen zu je 50 m Weite [Abb.
153a und 153b], die54'4nj weite, zwei-
massgebend, bei welchem sich die Fahr-
bahn oben befindet und daher der ab-
wärts gekrümmte Parabelträger überdies
die Möglichkeit einer leichteren Versteifung
durch Querverbindungen zulässt. Diese
Construction bot auch einen besonderen
Vortheil als Ersatz hölzerner Balken-
brücken, weil
sie wie diese
eine geringe
Auflagerhöhe
erfordert und
auch der Ab-
stand der bei-
den Trag-
wände sich
wenig von der
Geleis weite
entfernt. Es
koimten daher
die vorhande-
nen Widerlags-
mauem der
Ibuler Aache. [[nniibnick -Land eck.) HolzbrUcken
na'''Vr!'nTbruc'k'i'''"* "'"' °^"^ Wesent-
liche Umge-
staltung zur Aufnahme der Eisenbrilcken
benützt werden. Dieser Grund war für
die Nordbahn massgebend, als sie im
Jahre 1 873 den Fischbauchträger bei der
375»« weiten Marchbrücke bei Na-
pagedl einführte. Ihr folgten unter An-
deren die Staatsbahnen mit der 1 879
erbauten, 20 m weiten Brücke bei Kunau
i. l-MoDfak
L..i«'.'J
:r phatOfTaphlicfa
geleisige beschotterte Brücke über die
Hernalser Hauptstrasse im Zuge
der Vorortelinie und femer die 69 w
weite Donaucanal-BrUcke in Hei-
ligenstadt der Wiener Stadtbahn.
[Abb. 154.]
Dieselbe Constructionsidee, welche den
Bogensehnen trägem zugrunde lag, war
auch für den Fischbauch träger
auf der Linie Erbersdorf- Würben-
thal, und im Jahre 1885 mit der 46»»
weiten Gurkflussb rücke bei Launs-
dorf auf der Linie St. Valen tin-Pon-
tafet, durchwegs Constructionen mit
steifen Ständern und einfach gekreuzten
schlaffen Zugbändern.
Auch hier führte die Schwierigkeit
des Zusammenschlusses der beiden Gur-
Abb, 153 b. laoni
:. IMon
tungen zu einer Abkappung, so dass
eine Art hängender Halbparabel-
träger entstand. Viele derartige Brücken
wurden mit einem einfach gekreuzten Sy-
stem von Zug- und Druck diagonalen so-
wie mit steifen Ständern ausgestattet, wie
beispielsweise die an Stelle der Schifkom-
brUcken getretenen hängenden Halb pa-
rabelträger der I serbrücke bei Rakaus
[vgl. Abb. 366 und 367, Bd. I, i. Theil] und
in neuester Zeit die Dniesterbrücke bei
Zaleszczyki. [Abb. 155.] Wieder an-
dere Brücken dieser Gattung wie auf
der Mährisch-Schlesischen Cen-
tralbahn wurden mit gegen die Mitte
nach abwärts fallenden schlaffen Zug-
bändern ausgeftlhrt. Das Streben nach
steifen Constructionen Hess die k. k.
Staatsbahnen bei zahlreichen Objecten
im entgegengesetzten Sinne gestellte
Druckdiagonalen anordnen. Unter die-
sen ist wohl die 60 tu lange Ueberbrückung
der mittleren Oeffnung des Landecker
V i a d u c t s über den I n n f I u s s [Abb. 1 56]
die bedeutendste. Aesthetische Rücksich-
ten für die Ausführung der Wandfüllungs-
glieder dieser Träger waren auch dahin
massgebend, dass man die Maschenweite
vom Ende gegen die Mitte zunehmen
Hess, um die Abweichungen in den auf-
einander folgenden Streben wink ein mög-
lichst gering zu machen. So hat die
letztgenannte Innbrücke im mittleren
Theile bis zu 7 m weite Maschen. Auch
andere Staatsbahn linien, wie Stryj-
Beskid [hier der Opor- Via du et mit 5
je 40 nt weiten Oeffnungen], Iglau-
W e s s e I y und Pilse n-Eger sowie die
Ybbsthal-Bahn [Abb. 157] u. a. m.
zeigen Beispiele dieser Constructionen.
Mit regem Interesse wurden die
raschen Fortschritte anderer Länder im
Brückenbaue verfolgt und durch neue
vermehrt. Der in Deutschland aufge-
tretene Schwedlerträger, welcher der
Forderung entsprach, dass die Diagonalen
gar keine Druckspannungen erleiden,
dessen Obergurt im mittleren Theile ge-
rade, an den Enden aber hyperbolisch ge-
krUmmt ist und der in der Ausführung
eine Materialersparnis von 35 — 30%
gegenüber dem Parallelträger zu Hess,
wurde von der Staatsbahn- Verwal-
tung auf der Linie Spalato-Knin und
P^rkovic-Slivno in Weiten bis zu
38 m ausgeführt. Auch auf den Linien
Unter-Drauburg -Wolfsberg, Tar-
vis-Pontafel und Oswi^cim-Pod-
görze wurden die Schwedlerträger in
ähnlichen Weiten angewendet; wegen ihres
unschönen Aussehens warensie jedoch nie
sonderlich beliebt und fanden aus diesem
Grunde auch keine weitere Verbreitung.
In der Materialersparnis und in der
Form dem Seh w edlerträger ähnlich, war
der von F. Pfeuffer im Jahre 1880 bei
der Staatseisenbahn-Gesell sc Haft
eingeführte Ellipsenträger, der vor
Stadlau den Donauarm mit 60 m
Spannweite übersetzt und dem einige
andere Brücken mit ähnlicher Lichtweite
nachfolgten. [Abb. 158.]
Schon im Jahre 1858 fand in Oester-
reich der zuerst in Frankreich geübte Bau
continuirlicher Träger, so u. A. bei
den grossen Brücken der Kaiserin-
Elisabeth-Bahn und Südb ahn. [Vgl.
beispielsweise Abb. 334, Bd. I, i. Theil.]
Eingang, wo parallelgurtige Gitterbrücken
über drei bis fünf Oeffnungen weggeführt
wurden. Indem die in der Trägermitte
aufliegenden durchbiegenden Wirkungen
der Last durch die über den Pfeilern
erzeugten Biegungen entgegengesetzten
Sinnes abgeschwächt wurden, ergab
sich bei solchen conti nuirlichen Trägern,
und zwar bei Stützweiten von mehr als
25 m, eine beträchtliche Materialersparnis
gegenüber den so beliebten, frei auf-
liegenden Brücken. Auch machten diese
Träger ein eigenes Montirungsgeriiste
überflüssig, da sie vom Lande her über
die Pfeiler eingeschoben werden konnten,
eine Montirungsweise, die später aller-
dings mit Rücksicht auf die unvermeid-
liche grössere Materialanstrengung im
unabhängigen Montirungsweise zu ver-
einigen und doch den Nachtheil jener
Unbestimmtheit zu eliminiren, welche die
wechselnde Höhenlage der Stützpunkte
in die Construction hineinträgt. Er er-
zielte dies dadurch, dass er beispielsweise
bei einem über drei Felder reichenden
Träger in der mittleren Oeffnung zwei
Gelenke einschaltete, so dass der ganze
Träger aus einem frei aufliegenden
mittleren Theile und zwei seitlichen, über
einen Stützpunkt hinausragenden Theilen
Träger sich als wenig empfehlenswerth
erwies. Die Tabelle [S. 299 — 302] zeigt
die grosse Zahl cont in uir lieber parallel-
gurtiger Träger, die auf unseren Bahnen
in Benützung stehen.
Mit der Erkenntnis aber, dass die
schwer zu vermeidenden kleinsten Aende-
rungen in der Höhenlage der Stützpunkte,
wesentliche schädhche Neben Spannungen
in dem Träger hervorrufen können und
mit der Einführung krummgurtiger Träger
und der durch sie erzielten Material-
ersparnis, verloren die continuirlichen
Träger wieder an Bedeutung.
Gerber in Deutschland war es
indessen gelungen, in seinem Gelenk-
träger die Vortheile der continuir-
lichen Träger bezüglich der Material-
ersparnis- und der von dem Gerüste
I bestand. Dieser Träger mit frei
' schwebenden Stutzpunkten bil-
I dete den Ausgangspunkt des Brücken-
: Systems der Ausleger- und K r a g-
! brücken, welchem die imposantesten
j modernen BrUckenbauten der Welt ange-
' hören und das auch in Oesterreich in
der im JahreiSSo unter Bischoff von
Klammstein erbauten Moldaubrücke
I bei l^ er Vena, im Zuge der Linie
Tabor-Pisek der Höh mis eh-.\Iä h ri-
schen Trans versal-Bahn, einen
I achtunggebietenden Vertreter gefunden
hat. [Abb. 159 a und 159 b.]
Dieses grossartige, von Ludwig H u s s
'. projectirte und nach dessen sowie den
Plänen O. Meitzer's u. A. ausgeführte
Bauobject, rechtfertigt eine nähere Be-
I sprechung.
296
Das Moldauthal besitzt an der Ueber-
setzungss teile eine Breite von 300 m und
eine Tiefe von 67 «i. Als wirthschaftlich
vortheilhafteste UeberbrUckung erwies sich
die Untertheilung der Thalweite durch
die Einstellung von zwei Mittel stützen,
welche 58 und 62 m hoch aus Stein auf-
geführt wurden, urn der Eisenconstruction
einerseits möglichst unnachgiebige Stütz-
punkte zu schaffen und andererseits
von der nothwendigen, ständigen und
eingehenden Ueberwachung so hoher
Eisenpfeiler enthoben zu sein. Als Con-
structions-Sy Stern für die Trag wände
des Viaductes war wohl ursprünglich
kein continuirlicher Gelenkträger vorge-
sehen ; aber die grossen Schwierigkeiten
des Einbaues einer Gerüstung für die
Mittelträger. Die 10 m hohen Wände
aller drei Träger zeigen das System eines
Parallelträgers mit einfach symmetrischem
Fachwerk, so dass das äussere Bild des
ganzen Brückentrag werk es nicht auf einen
Gelenkträger schliessen lässt. Die Lager
für den Mittelträger befinden sich in
halber Höhe der verticalen Ständer, welche
die Construction der beiden Arme der
Auslegerträger abschliessen. Die Maschen-
weite jedes der drei Träger beträgt
8-44 m. Bei dieser grossen Maschen-
weite der Hauplträger wären die eisernen
Längstfäger, auf denen die 1-4 tn unter
der Oberfläche des Obergurts liegende
Fahrbahn ruht, sehr schwer geworden
und dieser Umstand veranlasste eine
Untertheilung der Fahrbahn durch Ein-
Abb. 1^. Datei
«ciykl. [Linie Luian-ZaUsitiykf,} (Nach eintr pholagraphtlchen
labmt von F. Jaworski In Lemherg.]
Montirung der Eisen construction im Mittel-
felde der Brücke, und zwar einestheils
wegen der felsigen Flusssohle und andern-
theils wegen der auf der Moldau lebhaft
betriebenen Flossschiffahrt, drängten zu
einem Trägersystem, bei dem die Her-
stellung von Montirungsgerilsten ent-
behrlich wird.
Diesen Vortheil konnten nur Aus-
legerträger bieten, und so wurde
dieses Constructionssj-stem den bestehen-
den österreichischen Brückentypen ein-
verleibt und die freischwebende
Montirungs weise ebenfalls zum ersten
Male in Oesterreich angewendet.
Die Eisenconstruction für die drei je
80 m weiten Viaduetoffnungen besteht
aus drei Theilen, nämlich aus den beiden
10972 nt langen seitlichen, auf den
Widerlagern und den Zwischenpfeilern
aufruhenden Consolträgern und aus dem
auf letzteren lagernden 33'76 tn langen
fuhrung von Zwischen verticalen, welche
sich in den Kreuzungspunkten der ge-
neigten Wandglieder auf letztere stutzen
und ebenfalls zur Aufnahme von Quer-
trägern dienen. Die Materialersparnis bei
dieserConstructionsweise betrug rund 80/,
Die Vergebung der 970 t schweren
Eisenconstruction, welche durchwegs,
sammt den Nieten, aus basischem
Martinflusseisen besteht, erfolgte
im März i88q an die Prager Brü cken-
bauanstalt und an die Prager Ma-
schinenbau- Actiengesellschaft.
Die Ausbildung der einzelnen Brücken-
glieder war projectgemäss so vorgesehen,
dass dieselben in den Werkstätten der
Hauptsache nach fertig zusammengestellt
werden konnten, so dass auf dem Bauplatze
blos die ergänzenden Arbeiten und die
Verbindung der einzelnen Glieder mit
einander zu besorgen war, ein Vorgang,
der heute allgemein üblich ist. Auf diese
Weise wurde es möglich, von den 329.000
Nieten, welche inderConstruction stecken,
244.000 bereits in den Werkstätten ein-
zuziehen ; auf dem Bauplatze war demnach
nur mehr der vierte Theil der gesammten
Nietarbeit zu leisten.
Die Zusammenstellung der Brücken-
construction, welche Ingenieur Oskar
Meltzer leitete, erfolgte in den beiden
mit den Tragarmen stattfinden, was durch
eine Verlaschung der beiden Obergurte
und durch Ansetzen von Schraubenwinden
zwischen den Untergurten bewerkstelligt
wurde; als Gegengewicht für die frei-
schwebenden Theil e des Mittelfeldes
dienten die beiden Seitenfelder.
Am 22. October 1889 erfolgte der
Zusammenschluss der beiden BrUcken-
Seitenöffnungen auf festen Gerüsten [vgl. j
Abb. 1 59 a] in der üblichen Weise, von den
Zwischenpfeilem aus aber freischwebend,
wobei ein fahrbarer Gerüstkrahn das Zu-
bringen, Heben, Herablassen und Ein-
schwingen der oft 8 bis 14 in langen und
4 t schweren Brück eng lieder besorgte.
Bei der frei-
schwebenden Mon-
tinmg, dem schwie-
rigsten und gefähr-
lichsten Abschnitte
der ganzen Aufstel-
lungsarbeit, wurde
immer zuerst das be-
treffende Untergurt-
stück vorgelegt und ^,, ,^ Eiiip«i.trSe,
auf diese Weise so- i«' st
wie mit Hilfe einer
Spannstange, welche an dem vorderen Ende '
des verlegten Untergurtstilckes und am vor-
deren Ende des letzten Obergurttheiles be-
festigt war, ein fester Boden geschaffen; 1
auf dem Untergurte schob man dann ein
Gerüst vor und bildete so eine Bühne für
die Arbeiter. [Abb. 159b.]
Bei der Montirung des Mittelfeldes 1
musste selbstverständlich eine proviso-
rische Verbindung dieses BrUckentheiles
hälften und das Werk war vollendet,
das als ein dauerndes stolzes Denkmal
österreichischer Baukunst dasteht.
Die specifischen Vorzüge, welche den
verschiedenen bisher genannten, im Laufe
der Zeit auf unseren Bahnen eingeführten
gegliederten Trägem
eigen sind, die alle
infolge derverticalen
Drücke, die sie wie
ein gestutzter Bal-
ken auf ihr Auflager
ausüben, zuden Bal-
kenträgern ge-
zählt werden, die
-[ Über den Donauarm wechselnden 6rt-
ädiiu. liehen Verhältnisse,
oft auch blos die Vor-
liebe des Constructeurs, waren bei der Wahl
des jeweilig anzunehmenden Systems be-
stimmend, weshalb wir heute den mannig-
fachsten Typen von eisernen Balkenträgem
auf den Österreichischen Eisenbahnen
begegnen, wie dies die folgende Tabelle
weit gespannter Balkenbrücken illustrirt.
In diese Uebersicht wurden die bedeuten-
deren, über 50 m weit gespannten Brücken
mit eisernen Balkentrilgern aufge
Brückenbau.
299
Uebersicht einiger über 50 m weitgespannter Brücken mit eisernen Balken-
trägem auf österreichischen Strecken,
Bezeichnung der
Brücke
Linie und
Bahn-
Unternehmung
Zahl der
Oeffnungen
und deren
Weite
in Metern
Constructionsart der
Hauptträger
Anmerkung
Donaubrücke bei
Steyregg
Linz-Gaisbach
k. k. St.-B.
Donaubrücke bei
Mauthausen
St. Valentin-
Budweis
k. k. St.-B.
DonaubrUcke bei
Krems
[Abb. 160]
Herzogenburg-
Krems
österr. Local-
eisenbahn-Ges.
Douaubrücke bei
T^lln
[vgl. Abb. IG u. II,
Bd. l, 2. Theil]
Wien-Gmünd
k. k. St.-B.
DonaubrUcke bei
Wien
[vgl. Abb. 45.
Bd. I, 2. Theil]
Donaubrücke bei
Wien
[vgl. Abb. 116,
Bd. I, 2. Theil]
Wien-
Stockerau
ö. N.-W.-B.
Wien-Florids
dorf
K. F.-N.-B.
Donaubrücke bei
Wien
Wien-Stadlau
ö.-u. St-E.-G.
Lieserbrücke bei
Spital a. D.
Draubrücke bei
Über-Drauburg
Rienzbrücke bei
Percha
Rienzbrücke bei
Vintl
'Eisack- und
Festungs-Viaduct
bei Franzensfeste I
[vgl. Abb. 54 u. 55,
Bd. I, 2. Theil I
Marburg-
I Franzensteste
' Südbahn
I Marburg-
Franzensßste
Südbahn
Marburg-
Franzensteste
Südbahn
Marburg-
Franzensteste
Südbahn
Marburg-
Franzensfeste
Südbahn
5 X 763
2 X 237
5 X 763
3 X 287
4X80
2 X 60
7 X 30
5 X 75*86
10 X 3376
I X 50
2 X 24 24
6 X 20 2
() X 12S
II
Doppeltes Mohni^'sches jStromöflFnungen
~ ' ' Inundations-
öflfnungen
erbaut 1870/72
Fachwerk
Einfaches Mohni6*sches
Fachwerk
Doppeltes Mohni6*sches | Stromöffnungen
~ " ' Inundations-
öffnungen
erbaut 1870/72
Fachwerk
Einfaches Mohni^'sches
Fachwerk
I X 81 58
3.x 8590
I X 8158
5 X 796
13 X 2945
I X 2956
4 X 7927
7 X 57 9
Halbparabelträger mit
2fachem, unsymmetri-
schem Fachwerk
Parallel träger, einfach
gekreuztes, symmetri-
sches Fach werk
7fach combinirtes
Gilterwerk, continuir-
licher Träger
4fach reines Gitterwerk
je 2 Felder continuirlich
Einfach gekreuztes,
svmmetr. Fachwerk
Stromöffnungen
Inundations-
öffnungen
erbaut 1889
erbaut 1872/74
Halbparabelträger mit
2fachem, unsymmetri-
schem Fachwerk
Strombrücke
Inundations-
brücke
erbaut 1870/72
Strom brücke
Inundations-
brücke
erbaut 1872/73
9faches Gitterwerk mit j
Verticalstreifen, con- Stromöffnungen
tinuirlich
6faches reines Gitter-
werk, je 4 Felder con-
tinuirlich
Inundations-
öffnungen
erbaut 1868/70
i X 54
I X69
2 X 506
I X 60
Combinirtes Gitterwerk,
und zwar 6faches Netz-
werk mit Verticalen
wie zuvor
4faches combinirtes
Gitter werk
wie zuvor
erbaut 1870
wie zuvor
erbaut 1870
wie zuvor
4faches combinirtes
Gitterwerk
Einfach gekreuztes
Gitterwerk
erbaut 1870
300
Josef Ziiffer.
Bezeichnung der
Brücke
Linie und
Bahn-
Unternehmung
Zahl der
Oeifnungen
und deren
Weite
in Metern
Constructionsart der
Hauptträger
Anmerkung
Eisackbrücke bei
Röthele
[vgl. Abb. 349,
Bei: I, I. Theil]
Iglawa-Viaduct
[Abb.6,Bd.I,2.Th.]
Innsbruck-
Bozen
Südbahn
Wien-Brünn
St.-E.-G.
I X 569
6faches combinirtes
Gitten\'erk
erbaut 1867
Weissenbach - Via- ,
duct. [vgl. Abb. 27, Tarvis-Laibach
Bd. I, 2. Theil]
Brücke über den
Moldauarm bei
Prag
Oest. N.-W.-B.
6 X 627
4faches combinirtes
> Gitterwerk continuir-
licher Träger
42*9 + 50*2 -f, Combinirtes Gitterwerk . u * q
391 I continuirlicher Träger li ^^^^"^ '^7©
I X69
Elbebrücke bei
Tetschen
Innbrücke bei
Passau
Draubrücke bei
Villach [vgl. Abb.
24, Bd. I, 2. Th.J
Oest N.-W.-B.
4faches reines Netz-
werk
erbaut 1873
2 X ICO
Haiding-Passau' i X 90*8
St. Valentin- 1,
Pontafel '
k. k. St-B. I
2 X 60
4faches reines Netzwerk
continuirlicher Träger
erbaut 1874
Schlitzabrücke
bei Tarvis
[vgl. Abb. 26,
Bd. I, 2. Theil]
Rheinbrücke bei
Buchs
St Valentin-
Pontafel
k. k. St-B.
Vorarlberger
Bahn
I X 63
Reines Netzwerk
Reines Netzwerk
continuirlicher Träger
Reines Netzwerk
erbaut 1861
erbaut 1873
erbaut 1872
St-E.-G.
Elbebrücke bei
Josefstadt
Chvoinitza-
Viaduct bei
Rappotitz
Süd-nordd.
Verb-Bahn
Trebitscher
Viaduct über das
Startscherthal
[Abb. 161]
Segen-Gottes
OkHsko
St.-E.-G.
2 X 667
2 X 30
2 X 50
2 X öo
42-9 + 54-6 4-
429
48-6 + 58 +
486
48 6 + 58 +
486
4faches reines Netzwerk
Einfach gekreuztes
Fach werk
~\
erbaut 1871/72
Continuirlicher Träger
mit einfach gekreuztem,
symmetr. Fach werk
mit einfach gekreuztem,
svmmetr. Fachwerk
45 tu über der
Thal sohle
erbaut 187 1
Continuirlicher Träger
mit einfach gekreuztem,
symmetr. Fachwerk
Continuirlicher Träger
mit einfach gekreuztem,
symmetr Fach werk
erbaut 1886
Viaduct über die
Wien-Zeile
Wiener
Stadtbahn
63- 19 + 5057
Continuirlicher Träger
mit einfach gekreuztem,
svmmetr. Fachwerk
erbaut 1886
Beschotterte
Fahrbahn, ,
zweigeleisig
erbaut 1898.
Senkrechte
Endabschlüsse, ;
schief gestellter
Mittelpfeiler
Innbrücke bei
Braunau
Ried-Simbach 6 X 549
Einfaches Mohnie'sches
Fach werk fParallel-
trciger]
erbaut 1870
Brückenbau.
301
1
Bezeichnung der
Brücke
1
Linie und
Bahn-
Unternehmung
Zahl der
Oelfnungen
und deren
Weite
in Metern 1
Constructionsart der
Hauptträger
Anmerkung
Lavantbrücke
Unter-
Drauburg-
Wolfsberg
I X 525
1
Einfaches Mohni^'sches
Fachwerk
erbaut 1879
Murbrücke
Bruck-Leoben
I X 73*4
1
Doppeltes Mohni^'sches
Fachwerk
erbaut 1892
Elbebrücke bei
Aussig
Oest. N.-W.-B.
73'9 + 74-2 -f
73'9
Doppeltes Mohnie*sches •
Facnwerk continuirlicher
Träger
oben als Eisen-
bahn-, unten als
Strassenbrücke
Donaucanal-
Brücke bei Wien
[Abb. 158] ■
Wien-Stadlau
St.-E.-G.
1
I X 79 5^
t
i
Doppeltes Mohni<§'sches
Fachwerk
erbaut 1870
D raubrücke
Unter-
Drauburg-
Wolfsberjj^
1X80
Doppeltes Mohniö'sches
Fachwerk
erbaut 1879
Radbuzabrücke
bei Pilsen
*
Wien-Eger
k. k. St.-B.
I X 60 7
; Doppeltes Mohni6'sches
Fachwerk
erbaut 1872
Wienbrücke bei
Hütteldorf
Wiener
Stadtbahn
5092
530
Doppeltes Mohnie'sches
Facnwerk mit vollständig
steif ausgebildeten
Wandgliedern
rechtes Geleise
linkes Geleise
erbaut 1897
Pruthbrücke
bei Czernowitz
[vgl. Abb. 379,
Bd. I, I. Th.]
Lemberg-
Czernowitz
4 X 569
1
Hai bparabel träger
erbaut 1871/72
Dniesterbrücke
1 bei Jezupol
wie vorher
5 X 569
1
wie vorher
wie vorher
Dunajecbrücke ,
bei Neu-Sandec
Saybusch-
1 Neu-Sandec
k. k. St.-B.
3 X 50
6X 25
Halbparabelträger
Parallelträger mit euifach
gekreuztem, s\'mmetri-
schem Fachwerk
Halbparabelträger mit
einfach gekreuztem
Facnwerk
1
Parallelträger mit ein-
fachem Mohni6'schem
Fachwerk
Halbparabelträger
Strom-
öfFnungen
Inundations-
öfFnungen
Moldaubrücke
bei PoHö
Budweis-
Salnau
2 X 50
Donaucanal-
Brücke
bei Nussdorf
[vgl. Abb. 117,
Bd. I, 2. Theil]
1
Nussdorf-
K.-Ebersdorf
k. k. St -B.
I V 24 9 \
I X 2625J
I X88-9
erbaut 1877/78
Winterhafen- und
Donaucanal-
Brücke bei Kaiser
! Ebersdorf !
1
Nussdorf-
K.-Ebersdorf
k. k. St.-B.
I X60
I X 90
[ Halbparabelträger
erbaut 1880
Trisana-Viaduct
[Abb. 150]
Arlbergbahn
k. k. St.-B.
I X 120
1
Halbparabelträger
1
erbaut 1884
Oetzbrücke bei
Oetzthal
[Abb. 152] 1
Arlbergbahn
k. k. St -B.
+ 80
2 X 18
Halbparabelträger
Parallelträger mit einfach.
unsvmmetr. Fachwerk
erbaut 1883
Etschbrücke bei
Gmünd
Bozen-Ala
S.-B.
1
I X 100
!
Halbparabel träger
1
1
Etschbrücke bei
St. Michele 1
Bozen-Ala ;
S.-B.
1
I X 89 Halbparabelträger
302
Josef Zuffer.
Bezeichnung der <
Brücke
Linie und
Bahn- |
Unternehmung
Zahl der '
Oeffnungen
und deren
Weite
in Metern
1
1
Constructionsart der
Hauptträger
1
Anmerkung
Murbrücke bei
Radkersburg
Radkersburg-
Luttenberg
2 X 55
]
Halbparabelträger
1
Moldaubrücken
bei Budweis
Wien-Eger
k. k. St.-B.
1
I X 78-85
I X 59 J5
Halbparabelträger
Halbparabelträger
Strombrücke
erbaut 1879
Inundations-
brücke erb. 1891
Wottawabrücke
bei Strakonitz
Wien-Eger
k. k. St-B.
I X68
Halbparabelträger
Kampflussbrücke
iHadersdorf-Sig-
mundsherberg
I X 7Ö-6
wie vorher
erbaut 1889
Wislokabrücke
bei D^bica
Krakau-Lem-
bergk.k St.-B.
3X71
1
wie vorher
—
Sanbrücke bei
Przemysl
1
Krakau-
Lemberg
k. k. St.-B.
2 X 5338 +
I X 71
Parallelträger, ifaches
Mohniö'sches Fachwerk
1 Halbparabelträger
Kerkabrücke
Siveric-Knuin
I X63
Halbparabelträger
erbaut 18S6
Egerbrücke bei
Postelberg
Postelberg-
Laun
55
70
25
Halbparabelträger
erbaut 1895
Moldaubrücke
1 bei Mßchenic
! [Abb. 162]
Cerßan-Modtan-
Dobtiö
83-5
3X 37
Halbparabelträger
Parallelträger
erbaut 1897
Weichselbrücke
1
1
Trzebinia-
! Skawce
4X50
Halbparabelträger
wie vorher
Elbebrücke bei
1 Lobositz
Teplitz-
Reichenberg
Aussig-Tepl. B.i
3 X 72
4 X 25
Halbparabel träger
Parallelträger
1 erbaut 1897
Pruthbrücke bei
Przerwa
Lemberg-
Czemowitz
669
2 X 569
Halb parabel träger
[mit doppeltem, unsym-
metrischem, aber ganz
steifem Fachwerk
1892 erbaut an
Stelle von Schif-
kornb rücken
Isonzobrücke
[Abb. 153]
Monfalcone-
Cerv'ignano
7 X £0
Halbparabelträger
mit doppeltem, unsym-
metrischem, aljer ganz
steifem Fachwerk
erbaut 1893
Hernalser Brücke
in Wien
Vorortelinie
der Wiener
Stadtbahn
1
I X 544
Halbparabelträger
mit doppeltem, unsym-
metrischem, aber ganz
steifem Fachwxrk
Beschotterte
Fahrbahn,
zweigeleisig,
erbaut 1897
Donaucanal-
Brücke in
I Heiligenstadt
; [Abb. 154]
Wiener
Stadtbahn
1
I X 69-05
Halbparallelträger
mit doppeltem, unsym-
metrischem, aber ganz
steifem Fachwerk
1
erbaut 1895
1
1 Miesthal- Viaduct
1
Neuhof-
Weseritz
1
3 X 55
Halbparabelträger mit
1 oben liegender Fahrbahn
erbaut 1897
1
; Dniesterbrücke T.'or.
l ....
i Halbparabelträger mit
4 X 60 i oben liegender Fahrbahn
4 X 30 Parallelträger mit einfach
gekreuztem System
1
wie vorher
Brückenbau.
303
Die Bogenträger, welche schon 1
frühzeitig bei StrassenbrUcken in Oester- [
reich Verwendung gefunden hatten, treten
erst spät und vereinzelt im Dienste der
Eisenbahn auf. Sprach auch die schöne |
schlanke Form, welche diesem Träger
eigen ist, zu ihren Gunsten, so stand ihrer 1
Verwendung doch wieder der Nachtheil ent-
gegen, dass sie ungleich mehr Eisen-
materiai beanspruchten, als die gegliederten
Balkenträger, dass ferner ihr grosser, auf |
das Auflager ausgeübter Seitenschub ein i
sehr starkes und kräftig fundirtes Wider- |
lager fordert. |
zu je 535 m, wobei die drei Geleise durch
je vier Träger unterstutzt werden. Dieses
Constructions-Sy Stern fand auch bei der
Donaucanal-BrUcke der Wiener
Verbindungsbahn, die die alte Ketten-
brücke ersetzte, femer in jüngster Zeit unter
Anderem bei der 56 tn breiten Ueber-
setzung der H eil igeii städter-Strasse
im Zuge der Gurt ellini e der Wiener
Stadtbahn Verwendung.
Einer eineBogenconstruction, bei
welcher die Last des die Fahrbahn tragen-
den Obergurtes durch verticale Ständer
auf die Blechbogen übertragen wird, tritt
Abb. isoa. MoldaubrUcIi
Im Jahre 1858 baute v. Ruppert in |
Ungarn die erste Bogenbrücke über die j
Theiss bei Szegedin, welche Brücke
acht Oeffnungen zu je 423 wi Weite um- ,
fasst.*) Hier ist der kreisförmig gebogene
schmiedeeiserne Untergurt mit dem Ober-
gurt durch Wandfüllungsglieder verbun-
den, wodurch ein sogenannter Zwickel-
bogenträger entstand und die doppel-
geleisige Fahrbahn wird durch vier solcher
Bogen unterstützt. Auf österreichischem
Boden erbaute Etzel die erste Bogen-
brücke derselben Construction bei Mar-
burg, im Jahre 1865 mit drei Oeffnungen
•) Vgl. Abb. 325, Bd. 1, 1. Thei).
uns in den schön gegliederten Objecten der
Wiener Stadtbahn bei der Uebersetzung
der Döblinger Hauptstrasse im
Zuge der Gürtellinie, ferner der Richt-
hausen- und Nussdorfer Strasse
im Zuge der Vorortelinie, bis zu Weiten
von 36-4 H(, entgegen.
Im Gegensatz zu den ursprünglich
gegen starre Lager gestemmten Bogen,
erhalten die Fusspunkte der Bogen seit
den Sechziger-Jahren Lagerstühle mit
Gelenken, wodurch eine Central isirung
der Angriffspunkte in den Kämpfern und
eine Herab min der ung der schädlichen
Temperaturwirkungen erzielt wird. Die
Vorschläge des österreichischen Ingenieurs
304
Hermann, auch im Scheitel des Bogens '
Gelenke anzubringen und so jedwede
statische Unbestimmtheit der Constniction ]
sowie die schädliche Einwirkung von |
Montirungs- und Temperaturspannungen
zu beseitigen, kamen
wohi bei Strassen-
brücken, wie bei-
spielsweise bei der
noch jetzt bestehen-
denStiegerbrücke
tlberdenWienfluss
in Wien und bei einer
Laibach fl US s-
brücke in Lai-
bach zur Verwen-
dung, fanden aber fUr
Eisenbahn - Brücken
wegen der starken
Senkung im Scheitel
keine Aufnahme.
DieUebersetzung *•*•*■ "W"- "^'''^"["J
von Flüssen und
Canälen mit Schiffahrts verkehr erfordert
bei niedrig liegender Brückenbahn be-
weglich eingerichtete Tragwerke, die |
geschlossen dem Bahn verkehr dienen,
dagegen in geöffnetem Zustande die
Durchfahrt der Schiffe gestatten. InOester-
way-, im Jahre 1886 aber für den Eisen-
bahn-Verkehr der Riva-Bahn einge-
richtet wurde. Ein iS m langer Blechträger
ruht auf beiderseitigen Widerlagern und
einem Zapfen, der den Träger in einen 1 3 m
langen, den Canal
überbrückendenArm
und einen 5 m langen
Ballastarm unter-
theiJt. Die Schwen-
kung der Brücke er-
folgt durch einen
ausserhalb derselben
in Bewegung ge-
setzten Mechanis-
mus. Eine ähnliche
Constructio n s we ise
zeigt die Drehbrücke
im Hafen von
Pola [Abb. 163],
welche die Oiiven-
ifvcnL"""'"'""'"'" '"sel mit dem Fest-
lande verbindet und
jene im Zuge der Bahn Bregenz-Lindau,
welche die I4'8 m breite Zufahrt vom
Boden see zum Trockendock absperrt.
[Abb 164.]
Mit der Entwicklung der eigentlichen
Trag werke der österreichischen Bahn-
reich besitzen wir von den verschiedenen
Arten beweglicher Tragwerke nur die
Drehbrücken und war die erste dieser
Art die im Jahre 1H57 von der k. k. Seebe-
hörde über den Canal Grande in Triest
für Fuss- und Wagen-Verkehr bestimmte
Brücke, die im Jahre 1875 für den Tram-
, brücken, die wir bisher in ihren wesent-
I lichsten Momenten zu kennzeichnen ver-
suchten, hielt auch die Ausbildung der
I anderen Brückentheile, wie der Con-
structionen für die Aufnahme der Fahr-
, bahn, der anderweitigen Querverbindun-
I gen und der Lagerung der Brücken
gleichen Schritt. Desgleichen traten in
der Fundirung der Pfeiler und in der
Montirung der Brücken rationellere und
öconomischere Methoden auf, wie endlich
auch die geklärten Ansichten über die
Inanspruchnahme des Materials auf die
Construction zurückwirkten und in der
Verwendung des Materials selbst einen
völligen Wechsel einführten.
£>ie Querträger werden heute meist |
als volle Blechträger, nur bei grosser, .
zur Verfügung stehender Constructions- 1
höhe als Gitterträger ausgeführt und wird
namentlich bei Brücken mit Fahrbahn !
»unten< und geringer Trägerhöhe, welche
keine gegenseitige obere Verbindung
der Hauptwände gestattet, auf einen
ein Temperatur Wechsel von 40* C. auf
jeder Lagerseite eine Spannung von
25 Tonnen hervorruft, so musste man
mit der anfangs geüblen festen
Verankerung der Träger, die
eine Längenausdehnung nicht zulieas,
schlechte Erfahrungen machen. Aber auch
bei Einführung von Gleitplatten,
welche der Ausdehnung des Trägers
nur Reibungs - Widerstand entgegen-
setzen, wachsen diese Kräfte bei den
genannten Trägern auf 2 (, bei 50 tn
langen Eisenträgem sogar auf 10 — 15/,
und sind daher im Stande, das Wider-
lagsmauerwerk zu zerstören, sowie schäd-
liche Spannungen und Verschiebungen
in der Construction und in den Stutzen
ausserordentlich kräftigen Zusammen-
schtuss der Quer- und Hauptträger Werth
gelegt. Dieser Umstand, der die seitliche
Steifigkeit der Wände wesentlich erhöht,
wurde bezttglich seiner Trag\veite in den
ersten Decennien des Brückenbaues häutig
unterschätzt. Wo immer es die Höhe
der Träger über oder unter der Fahr-
bahn gestattet, wird durch Einbau kräf-
tiger Querriegel zwischen den Wänden
und durch Windkreuze den seitlichen
Angriffskräften wirksam entgegengetreten.
Zwischen die eisernen Querträger werden
secundäre eiserne Längs träger ange-
nietet, aufweiche erst die hölzernen Quer-
schwellen für die Schiene zu liegen
kommen.
Die Längenänderung, welche die
eisernen Brücken unter dem Einfluss der
Temperatur erleiden und welche oft
ausserordentlich grosse Kräfte in dem
Träger erzeugt, erforderte eine besondere
Ausbildung der Lager. Da schon bei
einer 10 iii langen Eisenbahn-Construction
GMChichte dtr ElieobabocD. II.
hervorzurufen. Erst in den Siebziger-
Jahren wurden bei den Österreichischen
Brücken allgemein die Flächen und Gleit-
lager bei grossen Brücken eliminirt, und
die gleitende Reibung in eine rollende
umgewandelt, indem Walzen zwischen
die oberen und unteren Lagcrtheile ein-
geschoben wurden.
Hoffmann hatte bereits im Jahre 1858
auf der InnbrUcke bei Biehelwang Rollen-
lage r angewendet. Der Umstand, dass
bei grossen und schweren Brücken die
Zahl und der Durchmesser der Rollen
bedeutend sind [beispielsweise benfithigt
eine Brücke von etwa 100 m Weite
6 Stück Rollen von ungefähr 20 bis
25 cm Durchmesser], die Lagerfläche
daher sehr gross wird und somit die Gefahr
für eine ungleichmässige Uebertragung
des Druckes auf die Rollen sehr nahe
lag, führte zur Einführung der Halb-
walzen oder Stelzen, die einen'
grossen Walzdurchmesscr erhielten, so
dass bei der Bewegung des Trägers
3o6
nur ein kleiner Theil der Walzenober-
fläche zur Abwickelung gelangte, |
die daher nur einen schmalen Körper .
benöthigten. Indessen kehrte man aus
praktischen Grün-
den später wieder
zu den Rollen-
lagern zurück.
War auch der
grosse Reibungs-
widerstand durch
die Rollen und
Stelzen beseitigt,
so war doch der
Nachtheil vorhan-
den, dass bei der
Ein Senkung gros-
ser Brücken deren
Stützpunkt infolge
der starren Ver-
bindung der Trä-
ger mit den langen
oberen Lagerplat-
ten nach dem vor-
deren L'agerende
verschoben wurde, *'''' '*' '''"'''^M^tan
welcher Umstand [Na^h ein« phoioginphiBii
*- 1^1 'j ■ Kammer plifiUpgrarbi
die gleichmässige
Druck vertheÜung auf Rollen und Stel-
zen sowie auf die unteren Lager-
platten beeinträchtigte und nacht hei-
lige Inanspruchnahmen des Materials der '
Brücke wie der Widerlager auftreten
Hess. Dieser Nachtheil wurde durch
die neuartigen Kipplager behoben,
welche zwischen der an den Träger fest-
genietelen Platte und der auf den Rollen
oder Stelzen aufliegenden Ueberlagsplatte
einen eingeschalteten Zapfen zeigen, auf
dessen gekrümmter Oberfläche der Brü-
ckenträger wippen
kann. Statt eines
eigenen Zapfens
wird in vielen Fäl-
len schon die auf
den Rollen oder
Stelzen liegende
Platte entspre-
chend geformt. Die
besondere Bedeu-
tung, welche sol-
che Gelenke für
das Auflager von
Bo genbrücken ge-
wotmen haben,
wurde bereits frü-
her gestreift.
Heute werden
nur bei Objecten
bis zu 20 m Weite
einfache Gleit-
hci «,.h„i. iö„u.a. i^ von da bis
B.)
25 I
che
niager
ohne Kipp -Vorrichtungen, und darüber
hmaus Kipp-Rollen- oderStelzen-
lager angewendet. Das Material der
Lagerstühle besteht dabei meist aus Guss-
eisen, bei den grossen Brücken aus Guss-
stahl.
Die UeberbrUckung tiefer und breiter
Thäler Hess die Pfeiler der Viaducte zu
Brückenbau.
mächtiger Höhe liinanwachsen und machte
auch hier bald das Eisen eine gewisse
Ueberlegenheit geltend. Dem Vortheil
fast völliger Unverwüstlichkeit und ein-
facher Erhaltung, der den gemauerten
Pfeiler gegenüber dem eisernen aus-
zeichnet, steht bei bedeutender Höhe
der Nachtheil gegenüber, dass das grosse
Gewicht des Steinpfeilers ein besonders
gutes Fundament, eventuell eine Funda-
men terbreiterung fordert und dass hie-
durch grössere Kosten verursacht werden.
Bedeutenden Objecten mit hohen Stein-
pfeilern begegnen wir ausser dem bereits
genannten Moldau -Viaduct bei Cervena
I Der Iglawa-Viaduct [Abb. 165]
I überbrückt das 450 m weite Thal des
Iglawa- Flusses in der Höhe von 427 m
\ über dem Wasserspiegel mittelst eines con-
I tinuirlichen, Über fünf eiserne Zwischen-
I pfeiler geführten S'6 m hohen Parallel-
trägers. Die Construction desselben ist die
I eines vierfachen Netzwerkes mit schlaffen
; Zug- und steifen [( iförmigen] Druck-
! streben sowie steifen Vetticalen, welche in
■ jedem Knotenpunkt eingezogen sind und
die als Blechwände ausgebildeten Quer-
I träger aufnehmen. Dieseslützenwiederdie
j eisernen Längsträger, auf welchen dicht
I aneinandergereihte, eiserne Schwellen
..[Li
lU.)
u. a. noch in dem Thava-V i ad u et !
bei Znaim [vgl. Abb. 46, B'd. I, 2. Theil]
der Nordwestbahn, dessen 220 m langer |
Parallel träger über drei an 40 in hohe
Steinpfeiler hinweggehl, weiter in dem
87 m hohen Trisana-Viaduct im
Zuge der Arlbergbahn mit 50 in hohen
Steinpfeilern und in dem ebenfalls schon
genannten Opor-Viaduct der Strecke
Stryj-Beskid mit 28 »t hohen Stein-
pfeilern, i
Die grossen »gusseisernen Thurm-
pfeiler«, die v. Nürdling zuerst im
Jahre 1854 auf der Orleansbahn in
raustergiltiger Weise ausführte, bei denen ■
hohe gusseiseme Säulen durch schmiede- 1
eiserne Verbindungstücke zu einem thurm-
artigen, die Brücke tragenden Aufbau
vereinigt sind, erhielten im Jahre 1S70 .
im Iglawa-Viaduct bei Eibenschitzauf !
der Linie Wien-BrUnn unter v. K u p- ,
per t und im Weissenbach- Viaduct
derLinieTarvis-LaibachvonKöstlin ,
und B a 1 1 i g zwei hervorragende Vertreter.
ruhen. In Abständen von 62'7 m von
Mitte zu Mitte stehen die fünf eisernen,
auf Mauersockeln von 22-4 bis zu
27-4 »« Höhe ruhenden Zwischenpfeiler,
deren jeder ursprünglich aus fünf
gusseisernen, 0'3 tn weiten und 35 mm
starken Röhren zusammengesetzt war.
Je vier Röhren, durch schmiedeeiserne
Quertheile etagenformig mit einander
verbunden, bildeten eine Pyramide, wäh-
rend die fünfte Rohre als Spindel für
die zum Revisionssteg führende Wendel-
stiege bestimmt war. Die Lieferung und
Aufstellung des Viaductes besorgten die
französischen Eisenwerke F. Cail & Co.
und von Fi vcs-Lille; die eigentliche
Brückenconstruction wurde auf dem Lande
mit Hilfe von hölzernen Zwischenpfeilem
montirtund auf die fertigen eisernen Pfeiler
geschoben. [Vgl. Abb. 6, Bd. I, 2. Theil] Im
Laufe der Jahre wurden einige feine, aber
ungefährliche Längsrisse an verschiedenen
Stellen der Rührenständer entdeckt,
als deren Ursache die ziemlich hefti-
3o8
Josef ZufFer.
gen, durch die »harte« Fahrbahn be-
dingten Erschütterungen der Eisencon-
struction, vorwiegend jedoch die Ein-
wirkung des Frostes angesehen wurde,
indem die zwischen den Rohrwänden
und dem festen Betonkem derselben ein-
sickernde Feuchtigkeit beim Gefrieren
auf die Rohrwände von innen heraus
einen bedeutenden Druck ausübte.
Die Röhren wurden an den Enden
der Risse angebohrt, um dem Weiter-
greifen derselben vorzubeugen, alle nur
einigermassen bedenklichen Stellen durch
schmiedeeiserne Ringbänder gedeckt und
die eisernen Querschwellen durch eichene
in entsprechenden Abständen ersetzt, um
das harte Fahren zu beseitigen. Alle
diese Vorsichtsmassregeln aber verhin-
derten nicht, dass die beunruhigenden,
wenn auch unbegründeten Gerüchte über
die Unsicherheit des Bauwerkes, die
schon lange im Publicum circulirten,
immer aufs Neue auftauchten, ja durch das
behördlich geforderte langsame Befahren
des Viaductes neue Nahrung erhielten.
Die Gesellschaft entschloss sich daher
zu Ende der Achtziger-Jahre, die Pfeiler
umzubauen. Ein Ersatz durch Steinpfeiler
war, abgesehen von den grossen Mehr-
kosten, schon aus dem Grunde ausge-
schlossen, weil die Fundamente der alten
Pfeilersockel der bedeutenden Mehrlast
der Steinpfeiler nicht gewachsen gewesen
wären. Es wurden daher nach dem
Projecte und unter Aufsicht des In-
genieurs Franz Pfeuffer die guss-
eisernen Pfeiler durch schmiede-
eiserne ersetzt, welche ohne Behinde-
rung des Zugverkehrs und ohne Zuhilfe-
nahme eines Gerüstes zur Aufstellung ge-
langten. [Abb. i66.]
Innerhalb des Raumes, den die guss-
eisemen Rohrständer jedes Pfeilers be-
grenzten, wuchsen die schlanken schmiede-
eisernen, im Querschnitt kreuzförmigen
Ständer der neuen Pyramidenpfeiler hinauf,
im Ganzen ein ähnliches, etwas schmäch-
tigeres Bild wie die früheren Thurmpfeiler
bieten. Die grosse Arbeit wurde inner-
halb sechs Monaten des Jahres 1892
beendet. Nach Beendigung der Pfeiler-
montirung w^urden die alten Rollenlager,
deren jede Tragwand zwei auf jedem
Pfeiler besass, entfernt und durch je ein
Kipplager ersetzt, wodurch die Wirkung
der äusseren Kräfte auf die Construction
wie auf die Pfeiler mehr concentrirt wurde.
In geistreicher Weise wurde die Wirkung
der Sonnen wärme ausgenützt, um die
ganze 3737 m lange und 1043 t
schwere Trägerconstruction ohne weitere
Hilfsmittel um 6 cm gegen Brunn zu ver-
schieben. Zeitlich morgens wurde nämlich
die Eisenconstruction gegen das Wiener
Widerlager fest abgekeilt, so, dass sich
die Träger nur gegen Brunn ausdehnen
konnten. Am Abend wurde wieder das Trag-
werk auf dem Brünner Widerlager fixirt
und konnte sich daher in der Nacht bei
der Abkühlung nur gegen Brunn zu-
sammenziehen. Da die damaligen Tem-
peraturdifferenzen zwischen Tag und
Nacht nur gering waren, musste der Vor-
gang durch einige Tage wiederholt wer-
den, bis die Eisenconstruction in der
richtigen Lage war.
Beim Weissenbach-Viaduct
[vgl. Abb. 27, Bd. I, 2. Theil], dessen
continuirliche Träger von 132 t» Länge
über zwei gusseiseme Röhrenpfeiler hin-
weggehen, die aus je vier Rohrständem
von 18, beziehungsweise 27 m Höhe
bestehen, blieben die Röhren von An-
rissen wie jene des Iglawa- Viaductes bis
heute verschont. Dem Umstand, dass
jede Trag wand nur ein Auflager über
jedem Pfeiler besitzt, und die gleichzeitige
Hohlbelassung der Rohrständer dürfte
wohl diese Ueberlegenheit gegenüber
dem Iglawa- Viaduct zuzuschreiben sein.
Eine interessante Anordnung: eiserner
Pfeiler — die sogenannten Pendel-
pfeiler, die bereits bei mehreren bedeu-
tenden Brücken in Schweden und Deutsch-
land zur Aufstellung gelangt waren — er-
hielt in jüngster Zeit die Ueberbrückung
der Grillowitzer Strasse auf dem Bahn-
hofe der Kaiser Ferdinands-Nord-
b a h n in Brunn. Jede Tragvvand ruht
hier auf einem gusseisemen Ständer, die
alle in eine Reihe gestellt sind. Um diese
Ständer vor den seitlichen Verbiegungen
zu bewahren, welche die Verschiebungen
des Trägers infolge der Belastung und
Temperatur- Aenderung hervorrufen wür-
den, sind am unteren und oberen Ende
jedes Ständers Kugelgelenke einge-
schaltet, die seine freie Beweglichkeit
3IO
Josef Zuffer.
und die Einstellung in die Richtung der
wirkenden Kräfte ermöglichen.
Der Vollständigkeit halber sei noch
erwähnt, dass ausser steinernen und
eisernen Zwischenpfeilern auch Holz-
Joche zur Unterstützung von Eisen-
brücken verwendet wurden, um die Her-
stellung der Objecte zu beschleunigen.
Das erste solche Beispiel betriift die Save-
brücke bei Brod, die zweite Brücke
mit hölzernen Jochen ist die über den
Mitterbach und kalten Gang auf
der Localbahn Schwechat-Manners-
dorf. [Abb. 167.]
Die Gründung der Pfeiler, die
bei grösserer Wassertiefe, bei tiefer Lage
tragfähiger Schichten und grosser Strom-
geschwindigkeit immer eines der schwie-
rigsten Probleme gebildet hatte, fand
erst die glücklichste Lösung, nach-
dem das Eisen diesem Zwecke dienstbar
gemacht worden war. Die älteren Fun-
dirungs verfahren mittels Spundwänden
und Fangdämmen, die Pfahlgründungen
und die Fundirung mittels Senkkasten,
wurden im Eisenbahnbau bald abgelöst
von den den Einflüssen des Hochwassers
fast entrückten Fundirungen mittelst
Luftdruck. Die erste pneumatische
Fundirung in Oesterreich-Ungam, das
hierin Deutschland vorausging, war jene
der Szegediner Theissbrücke unter C. von
Ruppert im Jahre 1857, nachdem dieses
Verfahren in England von C u b i 1 1 und
Hughes beimBauderMedway-Brücke
bei Rochester erfolgreich benützt worden
war. In Szegedin bestehen die sieben
Röhrenpfeiler der doppelgeleisigen Brücke
aus je zwei gussei semen, 3 m weiten Cylin-
dern, die mit Beton ausgefüllt und durch
Verstrebungen aus Schmiedeeisen mitein-
ander verbunden sind. Jede dieser Säulen
wurde aus i"5 m hohen, mittels Flanschen
und Bolzen verbundenen Trommeln herge-
stellt. Zum Niederbringen dieser Cylinder
erhielten sie schmiedeeiserne Aufsätze mit
Luftschleusen, durch welche verdichtete
Luft in die Röhren eintrat und das Wasser
theils durch die untere Sohlenschichte, theils
durch ein Steigrohr verdrängte. Der
innere Raum der Cylinder war zugleich
durch die Schleusen für die Arbeiter
zugänglich gemacht, die das ausgehobene
Material mittels Krahnen hinausbeför-
derten. Durch Auflegen von Eisenge-
wichten bis 400 Centner und bei gleich-
zeitigem Aushub des Materiales im In-
neren der Röhren, wurden dieselben in den
Boden hinabgedrückt. Nach beendeter Fun-
dirung erhielten sie eine Füllung mit Beton.
Die Mängel der Röhrengründung,
welche vorwiegend in der grossen Zahl
der zu versenkenden Röhren lagren und
mit welchen die Schwierigkeiten des Ver-
setzens der Schleuse behufs Auf bringung
neuer Rohrtheile verbunden waren,
vermieddie Caisson- Fundirung, bei
welcher der zu versenkende, unten offene
eiserne Caisson den vollen Umfang des
künftigen Pfeilers erhält. Zwei oder
drei Röhren mit oben befindlichen
Schleusen führen dem Caisson die
comprimirte Luft zu und vermitteln
den Zugang der Arbeiter. Die eigentliche
Mauerung des Pfeilers erfolgt oberhalb
der Caissondecke unter dem Schutze eines
Blechmantels in dem Masse, als der Cais-
son niedersinkt. Dieses Verfahren, zuerst
von dem deutschen Ingenieur Pfann-
müllerin den Fünfziger-Jahren ersonnen
und von Brunei in England beim Bau der
Saltash-Brücke zuerst verwendet, fand
in Oesterreich in den Jahren 1 868 bis
1870 beim Bau der Donaubrücken
nächst Wien, und zwar zuerst bei jener der
Staatseisenbahn - Gesell Schaft,
Eingang. Waren es anfangs französische,
mit dieser neuartigen Bauweise vertraute
Unternehmer, welche die ersten Fundi-
rungsarbeiten in Oesterreich durchführten,
so hatte man sich doch bald von dem
fremden Einfluss befreit, so dass die pneu-
matischen Fundirungen in Steyregg,
Mauthausen, Nussdorf, Florids-
dorf, Krakau und die ausserordentlich
zahlreich nachfolgenden, von heimischen
Kräften allein besorgt wurden. Die pneuma-
tischen Fundirungen fanden seither immer
weitere Verbreitung und nicht weniger als
248 Land- undZwischenpfeiler bei 55 Eisen-
bahn- und Strassenbrücken wurden seit
dem Jahre 1871 von der österreichischen
Unternehmung Klein, Schmoll und
Gärtner mit Druckluft gegründet, wobei
die gross ten Erfolge mit dem Namen
Gärtner, welcher in den letzten Jahren,
nach Erlöschen der Firma, als Unter-
nehmer allein steht, eng verknüpft sind.
Ein uraltes, schon von den Indern i
erfundenes Fundirungs verfahren ist die in
neuester Zeit bei mehreren österreichischen
Bahnbauten in Verwendung gekommene
Brunnen-Fundirung, die ohne Zu-
hilfenahme verdichteter Luft vor sich
geht. Eine aus Holz oder Eisen beste-
hende, entsprechend weite, unten auf dem
Brunnenkranz aufruhende Trommel erhält
eine gemauerte Ausfütterung und wird
nun in die Flusssohle versenkt, indem j
der innere Raum von oben ausgegraben i
und ausgepumpt wird. Der Brunnen wird
nach entsprechender Versenkung auf etwa ;
2 m Höhe mit Beton gefüllt, auf welche '
Betonsohle das eigentliche Mauerwerk
aufgeführt und durch Gewölbe mit dem
Mauerwerke des Nachbarbrunnens ver-
bunden wird, um die entsprechend grosse '
Auflage für den Pfeiler zu bilden. Ein ■
solches Verfahren empfiehlt sich besonders ■
bei massiger Wassertiefe und ange- '
schwemmtem Boden, der den Grab-
arbeiten kein grosses Hindernis bildet,
wobei einzelne Stämme, Steine oder
Findlinge eventuell durch Taucher leicht
beseitigt werden können.
Diese Voraussetzungen trafen wieder- ]
holt auf der Galizischen Trans- 1
versal-Bahn zu, wo bei n e ö n grossen
Brücken die Brunnen-Fundirung mit ,
grossem öconomischem Vortheil ange-
wendet wurde. Die Fundirung erfolgte
immer im Trockenen, indem eine kleine ;
Inselschüttung bis über das Wasser auf-
geführt wurde. Dieses Verfahren erwies
sich durch die Möglichkeit, auch in
grössere Tiefen hinabzugehen, gegenüber ■
den Fangdämmen als sehr vortheühaft.
In einer richtig construirten Eisen-
brUcke ist jedem Gurttheil, jeder Strebe,
jedem Glied eine bestimmte Function
zugewiesen und die Dimensionen jedes
Theiles werden entsprechend den von
ihnen zu übernehmenden Kräften fest-
gestellt. Daher bedarf auch kein Bau-
werk einer so rechnerischen Durch-
dringung in allen Theilen wie die Eisen-
constniction. Die Berechnung der Brücken
operirt dabei einerseits mit den äusseren,
von den Lasten herrührenden Kräften,
andererseits mit den inneren Spannungen,
in welche sich erstere umsetzen und mit wel-
chen sie das Gleichgewicht halten mUssen.
Es ist nun die Aufgabe der Statik,
aus den äusseren Kräften die innere
Spannung in den einzelnen Constructions-
theilen zu ermitteln. Seitdem es dem
Franzosen Navier im Anfang dieses
Jahrhunderts gelungen war, das Biegungs-
problem endgiltig zu lösen, war erst die
Baumechanik auf eine streng wissen-
schaftliche Basis gestellt. Seither wurde
der Brückenbau durch die ausserordentlich
fruchtbare Tbätigkeit französischer, eng-
lischer und deutscher Forseber zu einer
umfangreichen Wissenschaft.
Namentlich die Statik der Stabsysteme
erhielt in der zweiten Hälfte unseres Jahr-
hunderts eine weitgehende Durchbildung,
wobei die Bestimmung der in den Con-
structionen auftretenden inneren Kräfte
entweder auf rein statischem Wege oder
mit Hilfe der Elasticitätsgesetze erfolgte.
Zur langen Reihe stolzer Namen, die in
Frankreich. England und namentlich in
Deutschland mit diesen geistigen Fort-
schritten enge verknüpft sind, stellte auch
Oesterreich die seinen bei. Gerstner
und R e h h a n n waren es in der ersten Zeit,
E, Winkler, Brik, Steiner, Melan,
V. Ott, v. Leber u. A. in der jüngsten,
welche den theoretischen Brückenbau durch
ihre Leistungen bereicherten.
Bekanntlich bedarf es zur Berechnung
einer Brücke zunächst der Kenntnis jener
Anstrengung, welche das .Material ohne
Gefährdung erträgt und der Belastungen,
312
Josef Zuflfer.
welchen die Construction unterworfen
werden soll. Um die Rechnung zu verein-
fachen und sie allgemein auf gleiche Basis
zu stellen, pflegt man dabei gewöhnlich statt
der einzelnen, auf die Brücke einwirkenden
Raddrücke eine gleichförmig vertheilte
Belastung anzunehmen, die mit jener
bezüglich der veranlassten maximalen
Beanspruchungen äquivalent ist. Beide
Factoren, die Material- Inanspruchnahme
sowohl als auch die Belastungsannahmen,
machten ihre eigene Entwicklung durch.
Stephenson und Fairbairn hatten im
Jahre 1847 durch den Versuch mit Brücken
aus Guss- und Schmiedeeisen einiges Licht
in das Verhalten des Materials hinein-
getragen. In Oesterreich hatte im Jahre
1854 das Handelsministerium zum ersten
Mal sein Aufsichtsrecht bezüglich der
Bahnbrücken dahin geltend gemacht, dass
es eine Belastung von 4130 kg für das
laufende Meter als Basis der Brücken-
berechnung festsetzte. Da aber diese
Bestimmung nur für specielle Fälle
Geltung hatte und überdies für die
anzunehmenden Grenzspannungen des
Materials keinen Anhaltspunkt enthielt,
trug sie nicht dazu bei, den Willkürlich-
keiten in den verschiedentlichen An-
nahmen eine Grenze zu setzen und ge-
ordnete Zustände herbeizuführen. Manche
Bahnen schränkten die Inanspruchnahme
des Materials womöglich ein, wogegen
wieder die Neville- und Schifkorn-
b rücken Inanspruchnahmen zeigten, die
bis zur El ast i c it ät s grenze hinan-
reichten. M a n i e 1 legte bei der Staats-
eisenbahn seinen Berechnungen gleich-
massige Belastungen von 4000 kg für
das laufende Meter, Hornbostel auf
der Elisabeth-Bahn bei grossen
Brücken von 4710 kg^ Etzel auf der
Süd bahn von 5690 kg zugrunde.
Um diesen ungeordneten Zuständen ein
Ende zu machen, regte R e b h a n n schon
im Jahre 1856 im Oesterreichischen
Ingenieur-Verein dazu an, die in den
verschiedenen Staaten bestehenden Bestim-
mungen und Uebungen zu sammeln, um
für ähnliche Vorschriften eine Grundlage
zu gewinnen. Erst im Jahre 1865 hatten
erneuerte Anregungen von Hornbostel
den Erfolg, dass sich im Schosse des Ver-
eines eine Commission bildete, die auf
Grund von Studien der Regierung Anträge
für eine Brücken-Verordnung erstattete.
Der im Jahre 1869 erfolgte Brücken-
einsturz bei Czemowitz drängte die Re-
gierung zu entscheidenden Massnahmen
und führte zur Brücken- Verordnung vom
30. August 1870, mit welcher den
herrschenden Unbestimmtheiten endlich ein
gewisses Ziel gesetzt war. Die Verordnung
schrieb vor, dass den Berechnungen eine
gleichmässig vertheilte Last zugrunde
zu legen sei, welche mit den wachsenden
Brückenlängen von 30 — 4 1 pro laufendes
Meter abgestuft war. Die zulässige In-
anspruchnahme des Schmiedeeisens wurde
fixirt, Gusseisen »sollte im Allgemeinen,
insbesondere in den freitragenden Con-
structionen, nicht auf Zug beansprucht
werden«. Die Erprobung der Brücke
sollte im Allgemeinen durch Aufbringung
der gesetzlich bestimmten gleichmässigen
Belastung erfolgen und zur Erprobung
mit rollender Last waren Z,ySigt mit zwei
der schwersten Locomotiven bestimmt,
die erst langsam, dann schnell die Brücke
zu befahren hatten.
Die Verordnung blieb etwas hinter
den Vorschlägen des Ingenieur- Vereins,
welcher grössere Belastungsannahmen
bestimmte, zurtlck. Auch hatten sich
dort schon Stimmen gegen die Berech-
tigung einer Belastungstabelle ausge-
sprochen, deren gleichmässige Lasten in
ihren Wirkungen hinter den immer
wachsenden Achsdrücken zurückblieben.
Endlich zeigte die Verordnung bezüglich
der Verwendung des Gusseisens eine weit-
gehende Toleranz, von welcher allerdings
in der Folge kein Missbrauch gemacht
wurde, da ja das gemischte System aus
Guss- und Schmiedeeisen so sehr in
Misscredit gekommen war.
In der That wurde die Verordnung
bald durch den Bau immer schwererer
Locomotiven und durch die wachsende
Beschleunigung der ZilgQ überholt.
Wenn auch einzelne Bahnen die Con-
structionen auf Grund ideeller schwererer
Belastungszüge rechneten und auf diese
W^eise den wirklichen Forderungen an-
passten, so hielten sich doch andere
Bahnen nur an die durch die Verordnung
zugelassenen Grenzen. In den Achtziger-
Jahren erkannte man denn auch die Noth-
wendigkeit einer Revision und Ver-
schärfung der erlassenen Bestimmungen,
und, gedrängt durch den Brück eneinsturz
bei Hopfgarten, erschien am 1 5. September
1887 eine neue Brücken- Verordnung
desHandelsministeriums, welche,
auf exacten Forschungen beruhend und
den gestiegenen Locomotiv-
Gewichten Rechnung tragend, an die
Berechnung, Erprobung und Erhaltung
der Brücke, ungleich strengere Forde-
rungen stellte. Für die Berechnung der
Balken träger ist wieder eine den ein-
zelnen Raddrücken in ihren Wirkungen
äquivalente, gleichmässige Last
vorgeschrieben, welche aber die der frü-
heren Verord-
nung bedeu-
tend übersteigt
und entspre-
chend der un-
gleichen Wir-
kungsweise der
den Kräfte,
für die Gurten
und für die *■''*'■ ^^hw^chat
Wandfüllungs-
glieder verschieden bemessen ist. Der
Berechnung anderer Brücken- Systeme, als
der einfachen und continuirlichen Balken-
träger, sind die wirklichen Raddrücke eines
mit drei Locomotiven bespannten Zuges mit
dem Maximal- Achsdrucke von 13 t — bei
kleinen Oeffnungen mit 14/ — zugrunde
zu legen. Die Inanspruchnahme des
Seh weiss eis ens wird nach der Länge der
Construction mit 7 — 900 kg pro I cm^
reiner Querschnittsfläche festgelegt. Guss-
eisen darf keinen Haupttheil der frei-
tragenden Construction bilden und nur sehr
gering beansprucht werden. Auch für die
Berechnung der anderen tragenden Theile
als der eigentlichen Hauptträger, für die
Berücksichtigung des Winddruckes u. s. w.
sind genaue Normen angegeben. Die Er-
probung grösserer Brücken erfolgt durch-
wegs durch Belastungszüge, die bei Er-
probung mit ruhender Last bis zu drei, mit
rollender Last zwei Locomotiven erhalten,
wobei die auftretenden Durchbiegungen
die berechneten Senkungen nicht über-
schreiten dürfen. Die Bahn Verwaltungen
■ werden in der Verordnung verpflichtet,
periodische Untersuchungen und
I Erprobungen sowohl der neuen als
j auch der alten Brücken vorzunehmen und
über das Ergebnis der Prüfungen zu be-
richten. Bei ungünstigen Ergebnissen sind
I ehestens sanirende bauliche Massnahmen
1 zu treffen, so dass im Interesse der
I öffenthchen Sicherheit die vollständigste
i Verlässlichkeit aller Eisenbahn brücken
I verbürgt ist.
I Die permanenten und periodi-
schen Untersuchungen erschienen
umsomehr geboten, als der Einsturz der
Brücke bei Hopfgarten nicht wie bei
jener der Pruthbrücke auf die Mangel-
haftigkeit des
Construütions-
' Systems an
I sich, sondern
auch zum Theil
auf Material-
fehler zurück-
zuführen war,
die den bis da-
hin festgehal-
tenen Glauben
an die Unver-
wüstlichkeit
rf,]
I eiserner Brücken zerstörten.
j Den mit den gestiegenen Loco-
moliv-Gewichten erhöhten Raddrücken,
I deren Vermehrung von den Interessen
öconomischerer Zugsförderung dictirt
war, konnten natürlich die unter ge-
I ringeren Inanspruchnahmen construJrten
I alten Brücken nicht völlig genügen. Es
ergab sich daher die Nothwendigkeit,
I die bestehenden Constructionen zu ver-
I stärken, eine Aufgabe, die durch die
Forderung, den Betrieb hiebei nicht
einzuschränken, bei eingeleisigen Bahn-
I linten ausserordentlich erschwert, oft viel
I Scharfsinn und ungewöhnhche Arbeits-
I weisen verlangte und für die der ein-
; zuschlagende Weg in Jedem einzelnen
I Falle, den gegebenen Verhältnissen ent-
j sprechend, erst aufgesucht werden musste.
'Namentlich der k, k. Staatsbahn-
i Verwaltung, welche viele Bahnen mit
I dürftigen Constructionen übernommen
hatte, und der Südbahn, die zahlreiche
I aus der ersten Bauperiode stammende
I GitterbrUcken mit Flacheisenstäben hesass.
314
Josef Ziiffer.
war damit eine grosse Thätigkeit zuge-
wachsen.
Die Verstärkung der Construction be-
stand vielfach blos im Annieten neuer
Theile aus Schmiedeeisen oder Martin-
flusseisen an die einzelnen Brückenglieder
[vgl. Abb. i68]; dagegen musste bei den
alten Gitterbrücken, die keinen kräftigen
Gurt besassen, die Verstärkung durch sinn-
reiche Bildung eines neuen Gurtes, durch
Einziehen neuer Streben, Anbringen verti-
caler Absteifungen u. s. w. erzielt werden.
Alle diese Arbeiten wurden von Häng-
gerüsten aus vorgenommen.
Die im spannungslosen Zustand auf-
genieteten Theile trugen nun blos zur Auf-
nahme der durch die Verkehrs lasten
in der ganzen Construction erzeugten
Spannungen bei, während die alten Con-
structionstheile im unbelasteten Zu-
stand neben ihrem Eigengewicht auch
das der aufgenieteten , verstärkenden
Theile tibernehmen mussten. Der grösste
Effect der Verstärkung wäre natürlich
nur dann erzielt worden, wenn die neuen
Glieder sich vollständig in die Wirkung
der andern getheilt hätten und daher die
ganze Construction während der Zeit der
Verstärkung in spannungslosen Zustand
versetzt worden wäre. Das hätte jedoch die
Errichtung eines gesonderten Gerüstes und
die Einführung von Entlastungshebeln
nöthig gemacht, um die Brücke von der
Wirkung des Eigengewichtes zu be-
freien, ein Vorgang welcher von der
Kaiser Ferdinands-Nordb ahn bei
der Verstärkung der 35 m langen Biala-
brücke der Linie Bielitz-Savbusch beob-
achtet, aber sonst wegen der grossen
Kosten vermieden wurde.
Die Nordbahn und die Staats-
eisenbahn-Gesellschaft haben es
übrigens in sehr vielen Fällen vorge-
zogen,' statt der Verstärkung der Brücken
eine Auswechslung durch eine neue Con-
struction vorzunehmen und den Vortheil
einer neuen Brücke gegenüber der blossen
Verstärkung mit grösseren oder geringeren
Mehrkosten zu erkaufen.
Zuweilen war es auch möglich, die Ver-
stärkung der Construction durch Einbau
eines neuen Mitt elpfeilerszuerzielen.
Bei der Egerbrücke nächst Laun,
im Zuge der k. k. Staatsbahnlinie Prag-
Mo Id au und bei den Olsabrücken
der Kaschau-Oderberger Bahn hin-
gegen, fügte man wieder einen neuen
Mittelträger ein und brachte den-
selben mit der bestehenden Construction
in solide Verbindung.
Jene Theile, welche die Fahrbahn
tragen, wurden in gleicher Weise, wie
die Blechträger, durch Aufnieten von La-
mellen ete. verstärkt; war dies jedoch
nur schwer möglich, wie bei Schwellen-
trägem aus Walzeisen oder aus anderen
Ursachen, so brachte man das Ver-
stärkungsmateriale an der Untenseite
der Träger in verschiedener Form an.
So wurden beispielsweise die Längs-
träger bei der Moldaubrücke der
Prager-Verbindungsbahn, jene
unter dem befahrenen Geleise der
Tullner Donaubrücke sowie bei noch
anderen Objecten in Hängewerke
umgestaltet.
Wie energisch und zielbewusst in der
Verstärkung der Brücken vorgegangen
wurde, welchen Umfang sie nahm und
welche Kosten sie erforderte, möge die
Thatsache beweisen, dassdie k. k. Staat s-
bahnen bereits im Jahre 1887 233
Blechwandconstructionen und 89 Glieder-
träger verstärkt hatten und bis zu Ende
des Jahres 1897 auf ihrem Netze im
Ganzen 168 1 Brückenöffnungen, mit einem
Aufwand von «3,200.000 fl., den neuen
Forderungen angepasst waren. Die Süd-
bahn verstärkte in derselben Zeit 82
Gitter- und 648 Blechbrücken mit zu-
sammen 1336 Oeffnungen, mit einem
Aufwand von 2,500.000 fl.
Die Geschichte der Eisenconstructionen,
die Entwicklung der Brückentragwerke ist
eng verknüpft mit dem jeweilig herrschen-
den Brückenmaterial, dessen innere
Eigenschaften für die Construction be-
stimmend sind. Das geringe Widerstands-
vermögen des ursprünglich allein ver-
wendeten Gusseisens gegen Zugkräfte
führte anfangs zum Bau der Bogen-
brücken, welche Constructionsform die
wirksamen Eigenschaften des Gusseisens
am besten ausnützt und erst die Ein-
führung des zähen, Druck und Zug
gleichmässig widerstehenden Schmiede-
oder Schweisseisens rief andere Typen
ins Leben, die nach dem völligen Rück-
tritt des Gusseisens noch an Vielseitig-
keit gewannen.
Von den Neville- und Schifkorn-
trägern abgesehen, die doch nur eine
vorübergehende Episode im Brückenbau
bedeuten, war das Schweisseisen von
der Mitte der Fünfziger- bis zu Anfang
der Neunziger-Jahre das wesentlichste
Cönstructionsmaterial unserer Brücken.
Die aus dem Schweisseisen erzeugten
Kohschienen werden zu Packeten ge-
schlichtet, die sich beim Walzen zu einem
festen Körper mit sehnigem Gefüge ver-
einigen. Werden diese Packele beim Wal-
zen parallel gelegt, so erhält man dasUni-
versal-Eisen, welches in der Walz-
richtung entsprechend der Faserlage eine
grössere Festig-
keit und Dehn-
barkeit besitzt als
in der Querrich-
tung, während
bei der kreuz-
weisen Lage der
Rohschienen das
Blech gewonnen
wird, dessen
Festigkeit und
Dehnbarkeit nach
beiden Richtun- .^^ ,„ „ ... .
Abb, IW*. VcfH^rkung der
gen nahezu gleich
ist. Bleche wurden im Brückenbau in
den früheren Jahren fast nie gefordert,
welche Unterlassung sich bei minder-
werthigen Schwel sseisensorten oft ungün-
stig bemerkbar machte. Erst bei der
Einführung der krummgurtigen Systeme
wurde auf die Verwendung von Blechen
zum Anschluss der Fach wand gheder an
die Gurten, grösserer Werth gelegt.
Während in der ersten Zeit der
eisernen Brücken wegen der unzu-
reichenden Leistungsfähigkeit der heimi-
schen Werke auch deutsche, französische
und belgische Hütten zu den Lieferungen
herangezogen werden mussten, wurden
später die einheimischen Eisensorten allein
herrschend. Unter diesen zeichnete sich
vornehmlich das steirische Eisen durch
seine Zähigkeit und Dehnbarkeit bei
gleichzeitiger Festigkeit aus, Vorzüge, in
welchen ihm die mährischen und schlesi-
schen Sorten nahe standen. Das böhmische
Eisen dagegen — wie das belgische —
verrieth oft erhebhche Sprödigkeit, also
geringere Zähigkeit, ein Mangel, aut
welchen das in neuerer Zeit zuweilen
beobachtete Rissigwerden von Steh-
blechen und Winkeleisen dieser Prove-
nienz zurückzuführen ist.
Auf das Verhalten des Eisens ist
nämlich neben der Art der Erzeugung
und Verarbeitung vor Allem die Beimen-
gung gewisser Bestandtheile, wie Kohlen-
stotf, Mangan, Silidum, Phosphor und
Schwefel von massgebendem P^influss. Da-
bei stehen die Festigkeit, d. i. der
Widerstand gegen Bruch mit derZähig-
k ei t des Materials, d. i. seiner Schmiedbar-
keit im warmen und seiner Dehnbarkeit im
I kalten Zustande, in einem fast gegen-
sätzlichen Ver-
hältnis, so dass
die durch gewisse
Bestandtheile her-
vorgerufene Stei-
gerung des Einen
von einer Minde-
rung des Andern
begleitet ist.
Es war daher
immer eine seh wie-
rige Aufgabe der
Trai»=nbrücke in St PüiKn Hüttentechnik,
zur Erzielung der
I grössten Widerslandsfähigkeit des Eisens
! beide Factoren auf einer gewissen Höhe
zu halten, da die Bahnverwaltimgen in
j ihren, mit der Zeit immer ausgcbil-
; deteren Bedingnishuften nach beiden
1 Richtungen ihre Forderungen stellten.
I Etzel hatte schon im Jahre 1858 Ueding-
I nisse für Eisenbrücken aufgestellt, in denen
, er von dem Walzeisen eine Festigkeit
! von 2500 kg pro cm*, ein sehniges Ge-
füge, feinen, zackigen, glänzenden Bruch
verlangte. Nägel, Nieten, Schrauben,
I Bolzen und Schliessen mussten eine
Zugfestigkeit von 3750 fig pro cm*
aufweisen und beim Umbiegen unter
I scharfen Winkeln und beim Wiedergerade-
richten keine Risse zeigen. Schrauben-
und Nietlöcher mussten gebohrt werden.
I Die späteren Bedingnis hefte der Bahnen
■ fussten auf den vorgenannten, so bcispicls-
. weise die der k. k. Staatsbahnen vom
Jahre 1875, die unter Anderm für das
I Schmiedeeisen eine Festigkeit von 3800^^
3i6
Josef Zuffer.
procw* und bei einem Zug von 1420 kg"
pro cm ^ noch eine völlig elastische Form-
änderung forderten.
Das in den Sechziger-Jahren einge-
führte Flusseisen, das nicht wie das
Schweißseisen im teigigen, sondern in
flüssig geschmolzenem Zustande in Con-
verteren oder in Flammöfen in grösseren
Mengen auf einmal erzeugt wird — be-
gann frühzeitig, wenn auch noch ganz
vereinzelt, in Holland als Brückenmaterial
eine Rolle zu spielen.
Die hohe Festigkeit und Dehnbarkeit
des Flusseisens rief auch in Oesterreich
bald den Wunsch wach, das Flussmaterial
im Brückenbau zu verwenden, wozu die
genannten holländischen Brücken, nament-
lich die 1 868 über den Leck bei K u i 1 e n-
burg erbaute Brücke ein Vorbild bot.
Aber ein Misstrauen gegen die Verläss-
lichkeit des Flusseisens hielt noch lange
dessen Einführung zurück, ein Misstrauen,
zu dem die ungünstigen Ergebnisse der
Versuche, die Harkort im Jahre 1876
mit Schweiss- und Flusseisenbrücken an-
gestellt hatte, wesentlich beitrugen.
Im Jahre 1881 wurden aber zum ersten
Male auf der Linie E r b e r s do r f - W ü r-
benthal von der k. k. Staatsbahn-
Verwaltung eine Reihe von Brücken in
weichem Bessemerstahl, richtiger gesagt,
in Bessemereisen ausgeführt, welche bis
heute ein tadelloses Verhalten zeigen. In-
dessen sprach sich doch die im Jahre 1883
vom Ministerium einberufene technische
Conferenz gegen die Anwendung des
Flusseisens aus, da sie dieses Material ins-
besondere mit Rücksicht auf die genannten
Harkort'schen Versuche und unter Hin-
weis auf einen Unfall auf der Talf er-
brücke der Bozen- M er aner Bahn,
wo zwei entgleiste Wagen einige aus
Flusseisen erzeugte W^andfüllungsglieder
zerbrachen und diese sich in der Nähe
der gestanzten Nietlöcher brüchig erwiesen
— als zu wenig verlässlich erachtete.
Die Fortschritte in der Hüttentechnik,
vor Allem die Einführung des basischen
Verfahrens, das dem Flusseisen, nament-
lich dem aus phosphorhältigen Erzen
stammenden, eine grössere Zähigkeit ver-
leiht, ferner die ausserordentlich ein-
gehenden Untersuchungen über das Ver-
halten des Flussmaterials, die in Oester-
reich in letzter Zeit gepflogen wurden,
haben die Bedenken gegen dessen Ver-
wendung im Brückenbau endgiltig be-
hoben.
Im Oesterreichischen Inge-
nieur- und Architekten- Verein
war nämlich im Jahre 1889 ein Comitd aus
Fachmännern, mit Bischoff v. Kl amm-
st e in als Obmann an der Spitze, eingesetzt
worden, das auf Grund einer Expertise von
Sachverständigen, auf Grund eingehender
Studien der Hüttenprocesse und der durch-
geführten 216 Güteproben verschiedenen
Materials, auf Grund von Belastungs- und
Bruchproben verschiedener Träger, nach
chemischen Untersuchungen und mathe-
matischen, theoretischen Erörterungen im
Jahre 1891 zu dem bedeutungsvollen Er-
gebnis gelangte, dass das weiche ba-
sische M artin flusseisen zur Her-
stellung von Brückenconstructionen als
vollkommen geeignet anzusehen
sei, wobei jedoch für seine Verwendung zu-
gleich die Einhaltung gewisser Festigkeits-
und Dehnungsgrenzen empfohlen wurden.
Das Comit^ erkannte ferner, dass die An-
arbeitung der Träger aus Flussmaterial
ebenso wie bei schweisseisemen Trägern
erfolgen könne, dass selbst das — wenn
auch nicht empfehlenswerthe — Stanzen
der Nietlöcher sich zulässig erweise, nur
werde dabei eine maschinelle Nach-
bohrung nothwendig.
Hiemit war das weiche basische
Martinflusseisen endgiltig als Brücken-
material anerkannt, welches nun durch
seine bedeutendere Festigkeit und Dehn-
barkeit aus technischen und wirthschaft-
lichen Gründen das Schweisseisen so
rasch zu verdrängen anfing, dass dieses
gegenwärtig nur in einzelnen besten
Sorten für die tragenden Theile im
Brückenbau verwendet wird.
Die grundsätzlichen Bestimmun-
gen, die das k. k. Handelsministerium im
Jahre 1892 für die Lieferung und Auf-
stellung eiserner Brücken auf Grund der
Ergebnisse der erwähnten Untersuchungen
erlassen hat, stellen an die Beschaffenheit
und Widerstandsfähigkeit des Materials, an
die Bearbeitung der Eisensorten, an die
Nietung und sonstige Ausführung äusserst
eingehende Forderungen ; insbesondere
werden die verschiedensten Erprobungen
bezüglich der Festigkeit und der Zähigkeit
des Materials verlangt, um der Sicher-
heit der Bauwerke im weitestgehenden
Masse Genüge zu leisten. So darf sich
die Bruchfestigkeit des in Theilen des
Tragwerkes benützten basischen Martin-
flusseisens in der Walzrichtung nur
zwischen 3500 kg bis 4500 kg pro cm^
bewegen, wobei die Dehnung eines
Probestabes von 5 cm* Querschnitt
bei 20 cm Markenentfemung im erstem
Falle 28, im zweiten 22^5 betragen
muss ; für Schweisseisen sind diese Gren-
zen mit 3300 bis 3600 kg bei einer
Dehnung von 20 bis i2'*/(, festgesetzt.
Um seine Zähigkeit zu erweisen, muss
das Material weiters unter den Biege-
pressen die erdenklichsten Verstauchun-
gen ertragen können ohne Anrisse zu
zeigen; so muss ein 50 bis 80 mm breites
Flacheisen aus Marti nflusseisen im kalten
Zustande eine Biegung um 180* aus-
halten, wobei bei weicheren Sorten die
Stabschenkel vollständig aufeinander ge-
druckt werden, bei den härteren aber die
Abbiegung über eine Rundung vom Durch-
messer der Stabstärke erfolgt. Auch im
verletzten Zustande, nach Vornahme
einer Einkerbung mittels eines scharfen
Meisseis senkrecht auf die Walzrichtung,
bis auf ■',[, der Slabdicke, muss ein
solcher Stab starke Abbiegungen er-
tragen, ohne einen plötzlichen Bruch zu
zeigen. Nietlöcher müssen heute durch-
wegs gebohrt werden.
An den Erfolgen, welchen der Bau
eiserner Bahnbrücken in Oesterreich auf-
zuweisen hat, haben die heimischen
Brückenbau- Anstalten, die ihre
Anlagen stets auf der Höhe der Zeit
hielten, ihren verdienten Antheil.
Wie schon erwähnt, waren an-
fangs, als die österreichische Eisen-
industrie noch nicht genügend leistungs-
fähig war, um den rasch angewach-
senen Forderungen zu genügen, die
Bahn Verwaltungen auf die Mithilfe aus-
ländischer Werke angewiesen. So waren
in den Jahren 1868 bis 1874 die
Eisen CO nstructionen mehrerer Nord-
westbahn-Brücken von Benkiser
in Pforzheim und Ludwigshafen,
speciell die grosse Donaubrücke der
Nordwestbahn von Hark ort auf Har-
korten in Westphalen geliefert wor-
den ; die grosse Tullner Donau-
brücke und viele andere Constructionen
wurden wieder von F, Cail & Comp, und
Fives Lille ausgeführt u. s. w.
In der zweiten Hälfte der Siebziger-
Jahre war indessen die österreichische
Eisenindustrie derart erstarkt, dass sich
der Brückenbau in unserer Monarchie
auf eigene Füsse stellen konnte und
seither alle Eisenbrllcken inländischer
Provenienz sind.
Einige der ältesten Brückenbau-
Anstalten sind bereits verschwunden und
leben nur in ihren Werken fort ; so
die Maschinenfabrik Brik in Simmering,
welche auf den Süd- und Staatsbahn-
Linien eine rege Thätigkeit entwickelte,
die Wiener Maschinen fabriks- und
Waffen fabriks- Gesellschaft, die
Hernalser Waggonfabrik undEisen-
constructions-Werkstätte C von
M i 1 de, welche die Hängebrücke über den
Donaucanal durch die Bogen brücke er-
setzte, die Brückenbau -Werkstätte der
Steirischen und HUttenberger
Eisen-Industrie-Gesellschaft in
Zeltweg und Klagenfurt, deren Con-
structionen wir noch in der Thalstrecke
der Arlbergbahn, beziehungsweise auf
3l8
der Strecke Unter- Drauburg-Wolfsberg
sehen, Sigl und Dolainsky in Wien
und Martinsen in Biedermannsdorf,
Heute zählen wir in Oesterreich eine
Reihe grosser Brückenbau- Anstalten, deren
achtunggebietende Leistungen uns in allen
Theilen der Monarchie entgegentreten und
deren älteste mit der Entwickelung unserer
Brücken enge verwachsen sind.
Das Eisenwerk Zop tau in Mähren
eröffnete seine Thätigkeit in den Vierziger-
Jahren mit der Herstellung von Ketten-
brücken; im Jahre 1858 ging von dort die
erste Schifkornbrücke über die Iser
bei R a k a u s hervor, der noch 1 63 Construc- .
tionen desselben
Systems in kurzer
Zeit folgten. Bis
heute ist die Zahl
der von Zöptau
gelieferten Bahn-
brücken auf 1436
und deren Ge-
wicht auf 26.800 <
angewachsen.
In der Metro-
pole der österrei-
chischen Eisen-
industrie, in Wit-
kowitz, begann ^^^ Auswechsiuo i
der Bau eiserner
Brücken schon mit den ersten Nevilleträ- '
gern; auch die historische Kettenbrücke
über den Donaucanal war hier hervorge-
gangen. Die mit den besten Hilfsmitteln aus-
gestattete Werkstätte, die unter vielen der
grössten Constructionen auch die Donau-
brUcke der Kaiserin Elisabeth- ;
bahn bei Steyregg lieferte, erreicht ■
jetzt jährliche Leistungen bis zu 6ooo^
Die Brückenbau-Anstalt Friedek
der erzherzoglichen Industrial - Verwal- '
tung in Teschen führte sich im Jahre
1868 mit dem Bau von Nordbahn-
Brücken zwischen Stauding und Schön-
brunn ein und erreichte bis zum Schlüsse
des Jahres 1897 eine Leistung von 1456 ■
Bahnbrücken im Gewichte von 31.100 t. I
Die grosse Donaubrücke der Kai-
ser Ferdinands-N ordbahn und die
grossen Brücken der galizischen Bahnen
geben nebst vielen andern ein ehrendes
Zeugnis für die Thätigkeit der vorbenann-
ten drei Brückenbau-Anstalten. ■
; In Böhmen, der zweitgrössten Heim-
stätte österreichischer Eisen-Industrie, ist
auch der Sitz mehrerer bedeutender Brü-
ckenbau-Anstalten. Die Adalbertshütte
bei Kladno, seit dem Jahre 1867 im
1 Brückenbau thätig, ging im Jahre 1886
als Prager Brückenba u - Anstalt
, an die böhmisch-mährische Maschinen-
fabrik in Lieben bei Prag über. Sie hat
bis heute 1278 Constructionen für Bahn-
brücken mit einem Gewichte von 22.370/
, geliefert und wechselte auch unter schwie-
! rigen Verhältnissen die Seh ifkom brücken
■ des Stranover-Viaducts der Büh-
. mischen Nordbahn [Abb. 169 und 170]
sowie des grössten
K I a b a w a -
Viaductes der
BöhmischenWest-
bahn bei Chrast
aus. [Vgl. Abb.
144.] In Gemein-
schaft mit der
seit den Sech-
ziger-Jahren thä-
tigen Prager
Maschinenbau-
Actiengesell-
schaft vormals
det VlaductM bei Slraoov Ruston & Comp.,
steUte sie die
' Eisenconstruction der grossen Moidau-
brücke bei Cervena bei, deren gesammte ■
-Montirung auf dem Bauplatz sie be-
sorgte. Die Brückenbau- Anstalten der
Brüder PräSil in Lieben bei Prag und
von E. S k o d a in Pilsen sind als Jüngste
; rührige Firmen in Böhmen hinzugetreten.
In Wien hat die bekannte Brückenbau-
Anstalt Ig. Gridl seit dem Jahre 1870,
wo sie die ersten Brücken für die Franz
' Josef- Bahn lieferte, eine rege Thätigkeit
entwickelt ; ebenso sind aus dem Eta-
blissement von R. Ph. Waagner seit
1884 eine grössere Zahl EisenbrUcken
hervorgegangen, und in neuerer Zeit
I sind noch die Firmen Albert Milde
I & Comp, und Anton Biro als Brücken-
bau-Anstalten aufgetreten. Den Werk-
stätten der Alpinen Montan-Gesel 1-
Schaft in Graz aber — der Nachfolgerin
der in den Jahren 1864 bis 1884 in
Betrieb gewesenen angesehenen Brücken-
bau-Anstalt von Kürösi & Comp, in
3"9
Andritz bei Graz, entstammt unter An-
deren der I30 m lange HalbparabeU
träger des Trisana-Viaductes auf
der Arlbergbahn.
Wir sind am Schlüsse unserer Be-
trachtungen angelangt. Wenn wir auch
nur mit flüchtigen Streif lichtem, die ein-
zelnen Stadien in der Entwicklung des
Brückenbaues erhellen konnten, so gelang
es doch in dem Wechsel vollen Bilde, das
an uns vorüberzog, jene reiche, viel-
seitige Thätigkeit zu erkennen, die in
unserem Vaterlande auf diesem wichtigen
Gebiete in verhältnismässig kurzer Zeit
entwickelt wurde.
Der mächtige Verkehr, der seit einigen
Decennien die Völker der Erde durch die
wachsenden Bahnnetze in immer steigen-
dem Masse mit einander verbindet, hat
nicht nur den Austausch der Güter, son-
dern auch den der Ideen beschleunigt.
Die Wissenschaft kennt keine Grenze und
jeder fruchtbringende Gedanke, der in
einem Lande ersteht, wird rasch in
fernsten Gegenden heimisch. So ist auch
der Österreichische Brückenbau an den
grossen Errungenschaften erstarkt, die
ihm aus englischen, französischen und
deulschen Landen zuströmten, anderer-
seits zeigt uns die Geschichte unseres
heimischen Brückenbaues, dass manch
werthvoller Erfolg in Oesterreich ge-
zeitigt wurde und Oesterreichs Techniker
redlichen Antheil haben an den grossen
Fortschritten, die die Kunst des Brücken-
baues im Allgemeinen bisher erreicht
hat. Die gewaltigen Stetnbrücken unserer
Gebirgsbahnen zählen zu den kühnsten
Bauwerken dieser Art und unsere grossen
Eisenbrücken, sie zählen mit in dem
Wettstreite der Errungenschaften auf
diesem Gebiete.
Oesterreichs Eisenbahnbrücken geben
beredtes Zeugnis von der hohen Stufe,
auf welcher die vaterländische Kunst
steht, die auch auf diesem Gebiete mit
steigenden Erfolgen stets vorwärts strebt.
Bahnhofsanlagen
Von
Ernst Reitler,
Ingenieur der Kaiser Ferdinands-Nordbahn.
Bahnhofsanlagen.
DIE Bahnhöfe sind die Herzkammern
im Organismus der Eisenbahnen.
Sie geben dem Leben, das in
viel verzweigten Adern kreist, den stets
erneuten Impuls, von ihnen geht es aus,
zu ihnen kehrt es zurUck.
Für das grosse Pul>licum erschöpft
sich freilich der Begriff des Bahnhofes
in der Vorstellung des stattHchen Auf-
nah msgebäudes, das die Reisenden gast-
lich empfängt, des Perrons, von dem
aus sie sich Jem sichern Wagen
anvertrauen, und der wenigen Geleise,
auf denen die Züge in der schützenden
Halle kommen und gehen. Nur wenige
sind auch mit den schmucklosen Maga-
zinen und Rampen, den Lagerplätzen und
Ladegel eisen vertraut, die sich in er-
müdender Gleichförmigkeit längs weit-
gedehnter Zufahrtsstrassen hinziehen, und
in denen sich die tausend kleinen Quellen
des Güterverkehrs zu einem gemein-
saftien Bette vereinigen. Wohl alle aber
ziehen mit gleichgiltigem Blick an jenen
nüchternen Bauhchkeiten vorüber, die den
ausfahrenden Zug oft noch eine weite
Strecke begleiten, an den schwerfall igen
Remisen, in welchen sich Wagen an Wagen
drängt, an den russigen Heizhäusern mit
qualmenden Locomotiven, an den auf-
ragenden Wasserthürmen und hochge-
stapelten Kohlenlagern, an Werkstätten
und Dienstgebäuden, an den fast unab-
sehbar aneinander gereihten Geleisen, in
denen die pustende Maschine in ewigem
Einerlei wie planlos ganze Zugtheile
vor- und rückwärts schiebt, bis endlich
Signalmaste und der letzte Weichen-
thurm den Blick auf die offene Strecke
frei geben.
Alle diese verstreuten Theile des Bahn-
hofes, die Verkehrsanlagen, welche
den eigentlichen Wechsel verkehr zwischen
Bahn undPublicum in Personen- undGüter-
bahnböfen vermitteln, die Betriebs-
anlagen, in welchen der innere Dienst-
betrieb der Bahn, die Ausrüstung der
Locomotiven mit Wasser und Kohle, die
Bereithaltung und Reparatur des ge-
sammten rollenden Materials, die Auf-
lösung und Zusammenstellung der Züge,
die Aufsicht und Verwaltung besorgt
wird, sie alle, die in ihrer Gesammt-
beit die Bahnhofs anlagen bilden,
sind durch einen leitenden Gedanken
mit einander vereint. Und von ihrer
zweckmässigen Durchbildung und
entsprechenden gegenseitigen Anord-
nung hängt die gedeihliehe Lösung
der vielseitigen Aufgaben des Bahn-
hofes ab.
Indem nun diese Aufgabe selbst im
Laufe der Zeit mit der Art und Grösse
des Verkehrs wechselt und wächst, muss
auch die Geschichte der Bahnhöfe mit
jener des Verkehrs parallel laufen. Es
lassen sich denn auch in ihrer Entwicklung
allejene grossen EinflUsse wiedererkennen,
welche für das Verkehrsleben, für das Bahn-
wesen überhaupt von Bedeutung wurden :
der Einfluss fremdländischer Vorbilder,
die potenzirende Einwirkung eines aus-
324
Ernst Reitler.
gedehnten und in sich geschlossenen
Netzes, der belebende Einiluss wirth-
schaftlich günstiger Epochen, die steten
Fortschritte der Technik und das Streben
nach immer grösserer Sicherheit und
öconomischerer Gebarung. Ja, man darf
behaupten, dass, — selbst wenn uns keine
anderen Documente für die Geschichte der
österreichischen Eisenbahnen verblieben
wären als die nüchternen geometrischen
Grundrisse der Bahnhöfe in ihren ein-
zelnen Phasen vom Anfang bis zu ihrer
heutigen Ausgestaltung, — wir im Stande
wären, aus den todten Linien allein die
lebensvolle Entwicklung des Verkehrs-
wesens in grossen Umrissen herauszulesen,
wie wir aus dem starren Gestein die Auf-
einanderfolge erdgeschichtlicher Epochen
und das Aufsteigen des organischen
Lebens zu erschliessen vermögen.
Wie die grossen Bahnhöfe, so zei-
gen auch die kleineren Stationen bis
hinunter zu den bescheidenen Halte-
stellen eine von ähnlichen Einflüssen
beherrschte schrittweise Ausbildung:. Oft
ändern sie völlig ihren Charakter und
überschreiten die fiiessende Grenze,
die sie von den Bahnhöfen scheidet.
Die wachsende Bedeutung, . die sie
dem benachbarten Orte verleihen, gibt
ihnen dieser reichlich zurück. Die
fortschreitende Verzweigung des Netzes
erhebt sie zu wichtigen Knoten-
punkten; durch die steigende Ge-
schwindigkeit, durch die geänderte Be-
triebsweise, durch den Wandel in der
Richtung wichtiger Handelswege erfah-
ren sie eine durchgreifende Umwer-
thung, die in ihrer baulichen Anlage
zum Ausdruck kommt.
I. Der Stationsbau im L Decennium der Eisenbahnen.*)
Die Stationen der ersten Eisenbahnen
erzählen von einer eigenartigen Anpassung
an überkommene Einrichtungen, die selbst
die revoltirende Idee des Dampfbetriebes
bei ihrem Inslebentreten durchmachte.
Die alte gemächliche Betriebsführung der
Post, die trotz der durchgehenden Route
gewissermassen von Station zu Station
erfolgte, in jeder die Zahl der Beiwagen
dem fall weisen Bedarf anpassen und durch
den Wechsel der Pferde frische Kräfte
in den Dienst stellen Hess, sie war auch
in die ersten Eisenbahnen mit herüber-
genommen worden und blieb durch
eine Reihe von Jahren für die Anlage
der Stationen bestimmend. In Unkennt-
nis des fallweisen Bedarfes glaubte
man auch hier in jeder Station die
Möglichkeit bieten zu müssen, dem Zuge
Wagen anzuhängen, die Locomotive mit
Wasser zu versorgen, eine Umspann-
Maschine in Betrieb setzen und die
schonungsbedürftigen Fahrzeuge einer
schleunigen Reparatur unterziehen zu
können. Waren die alten Poststationen
dem Bedürfnis des Pferdewechsels ent-
sprechend je 15 km^ die Stationen der
Pferde-Eisenbahnen an 20 km von einander
entfernt, so wurden jene der Dampfeisen-
bahn vorwiegend mit Rücksicht auf den
Wasservorrath des Tenders in Abständen
von etwa 30 knt angelegt. Jede dieser
Stationen wurde nun aus den angeführten
Gründen mit Baulichkeiten und Ein-
richtungen — wenn auch in bescheidenem
Umfang — für alle Verkehrs- und Be-
triebszweige versehen und so für eine
Vielseitigkeit der Bestimmung ausge-
stattet, die heute nur den grossen Bahn-
höfen vorbehalten ist.
Dieser enge innere Zusammenhang
mit den Poststationen kam im äusseren
Bilde weniger zur Erscheinung. Schon
beim Auftreten der Pferde- Eisenbahn war
mit den Geleisen, die das Fahrzeug in
zwangläufio^er Bewegung hielten, mit dem
Wechsel, der den Uebergang auf das
benachbarte Geleise vermittelte, ein neuer
I •) In der I. und IL Periode, d. i. bis zum
Jahre* 1867, sind im Folgenden die Bahnhofs-
anlagjen beider Reichshälften, später nur die
I österreichischen behandelt. Die technische
! Entwicklung des Eisenbahnwesens Ungarns
1 seit 1867, s. Bd. HI.
Bahnhofsanlagen.
325
charakteristischer Zug in die Physiognomie
der Poststation hineingetragen worden.
Den Stationen der späteren Dampfeisen-
bahn gaben aber neben den Geleisen
sammt Wechseln und Drehscheiben vor-
nehmlich die eigenartigen Gebäude für
den Aufenthalt der Reisenden und für
die Wartung der Maschine und Wagen
ihr besonderes Gepräge: das Empfangs-
gebäude und die höl-
zerne Personenhalle, die
man so häufig an-
traf, die »Heitze« mit
ihren hochgestellten Bot-
tichen, der Güterschu-
pfen, in welchen die Wa-
gen behufs geschützter
Entladung eingeführt
wurden, die Werkstätten
und die Remisen.
Abb. 171. Stationsplatz Lest
der Pferde-Eisenbahn. [Nach einer Original
Zeichnung aus den Plänen von
Mathias Schönerer.]
Die starre Gerade, die den Geleisen der
Station die Richtung gab, wurde auch
zur Leitlinie für die ganze Anlage. Das
Streben nach thunlichster Uebersichtlich-
keit führte dabei gerne zu symmetri-
schen Anordnungen, und verleitete oft
zu einer übermässigen Gedrängtheit, die
zum Theil auch in jener Einheitlichkeit
der damaligen Dienstführung ihren Grund
hatte, welche alle Zweige
des Betriebes, des Ver-
kehres, der Zugförderung
und der Bahnerhaltung
in der Hand eines lei-
tenden Beamten ver-
einigte.
Aus diesen Gesichts-
punkten ergab sich in
den ersten Stationen der
Kaiser Ferdinands-Nord-
STATION GÄNSERNDORF 1839.
STATION BÖHM.-TRÜBAU 1845.
«Qltt
WH*WACHT{IIMAUS.
LR'IOOIMIU.
«ll/WAUNHtCH4E.
1 ■!•»>>«
Will»
H
iUN« PIAS-
n: $000
Abb. 172.
I iTi 11 ♦-
1:6000
WAftINgCMlSl .
Abb. 173.
STATION PARDUBITZ 1S45.
I IM I I
1.6000
Abb. 174.
Auch in die ganze Anordnung der
Station war ein neuer Zug gekommen.
Denn jene Ungezwungenheit, mit der sich
noch in den ersten Pferdebahn-Stationen
die Gebäude um die wenigen Geleise
gruppirten, ja mit der sich zuweilen die
ganze Anlage in dem geräumigen Hofe
eines Gasthauses etablirte, war unter dem
strammen Regime, das den Einzug der
Maschine überall begleitete und alles
ihrem geregelten Gange unterwarf, strenger
Ordnung und Gleichmässigkeit gewichen.
bahn und der k. k. nördlichen Staats-
bahn [Abb. 172 bis 174]*) die beliebte
Gegenüberstellung des Aufnahms- und
des Betriebsgebäudes, während Wagen-
remise und Güterschupfen dabei seitlich
untergebracht waren. Variationen des-
selben Principes zeigen die Stationen
der Wien-Gloggnitzer Bahn, mit der
auf dieser Linie öfter wiederkehrenden
*) Die Geleise sind durch einfache
Linien dargestellt.
326
Ernst Reitler.
symmetrischen Anordnung der Remisen,
wobei räumliche Beschränkung auch
das Nebeneinanderstellen der Gebäude, wie
in Gloggnitz [Abb. 1 75 und 1 76], nicht aus-
schloss. Letzterer Bahnhof illustrirt auch
die selbst in provisorischen Endstationen
der ersten Zeit beliebte Einführung des
Hauptgeleises in den Güterschupfen am
Ende der Station, eine Anordnung, die
wohl mit gewissen Vortheilen, aber auch
mit der Nothwendigkeit verknüpft war,
das Magazin bei Verlängerung der Bahn-
linie wieder abzutragen.
Den zahlreichen Baulichkeiten stand
eine dürftige Geleiseanlage gegenüber.
Die ganze Station dehnte sich bei der
üblichen Zugslänge von etwa 90 m nur
über 200 — 300 m aus. In den Nord-
bahnstationen waren gewöhnlich die
Nebengeleise zu beiden Seiten des Haupt-
geleises symmetrisch vertheilt, so dass
die über letzterem errichtete Halle vom
Aufnahmsgebäude entfernt zu stehen kam.
[Abb. 177.] Die Stationen der anderen
Bahnen zeigen dagegen meistens zwei
durchgehende Hauptgeleise, in denen
der Train einfuhr und die Maschine
Wasser nahm, während die an das
Aufnahmsgebäude anschliessende Halle,
ebenso Magazin und Werkstätte an
eigene Nebengeleise gelegt waren.
Diese Anordnung trat zuweilen mit
einer Menge von Weichenverbin-
dungen und Geleise-Untertheilungen auf,
welche die Manipulation mit Einzel-
wagen erleichtem sollte, die aber manch-
mal die Uebersichtlichkeit nur beein-
trächtigte.
Die Stationsplätze waren meist recht-
eckig eingefriedet und gemauerte Ein-
fahrtsthore hoben ihre Bedeutung beson-
ders hervor.
Zwischen diesen Stationen, die, wie
ersvähnt, im Mittel etwa 30 km von ein-
ander entfernt waren, wurden weitere
Nebenstationen und Haltepunkte in Ab-
ständen von je 7 km mit entsprechend
einfacherer Ausstattung angelegt. Die
Gleichförmigkeit der Forderungen, die
in den einzelnen Stationen nach dem
Grade ihrer Bedeutung zu befriedi-
gen waren, veranlasste Ghega, sie auf
den Staatsbahnen in fünf Typen zusam-
menzufassen, von denen die erste im
Bahnhof Prag vertreten war, während
die anderen den Abstufungen von der
vollständig ausgestatteten Zwischenstation
bis zur einfachsten Haltestelle entsprachen.
Auf der Wien-Gloggnitzer Bahn kam
die Rücksicht auf den grossen Personen-
verkehr, den die längs ihrer Strecke er-
schlossenen Naturschätze erwarten Hessen,
in einer grösseren Zahl von Haltepunkten
und in bequemeren Einrichtungen für
das Publicum zum Ausdruck. So wur-
den in der 48 km langen Strecke Wien-
Neustadt nicht weniger als 20 Halte-
stellen, also nach je 2*4 km angelegt,
in welchen zwar nicht alle Ziüge hielten,
die aber wenigstens mit einem Ausweich-
geleise, einem kleinen Aufnahms- und
Dienstgebäude und einem Brunnen für
anfällige Wasserentnahme versehen wur-
den. Die interessanteste Zwischenstation
dieser Linie war Baden [Abb. 178], deren
gedrängte aber zweckmässige Anlage
auf einem Flächenstreifen von blos 220 m
Länge und 30 w Breite schon im ersten
Jahre ihres Bestehens eine Frequenz von
200.000 Passagieren und einen Sonntags-
verkehr von 34 regelmässigen und mehreren
»Extratrains« bewältigen Hess, Die Sta-
tion war wegen des anschliessenden Via-
ductes 5*7 m über dem Terrain angelegt,
so dass sich durchwegs einstöckige Ge-
bäude ergaben. Die von Wien kommen-
den Züge hielten beim Stationsanfang,
wo die ankommenden Passagiere über
die gedehnte Rampe hinabstiegen; hier-
auf zog die Maschine den Train vor, um
sich mit Wasser zu versorgen und die
Reisenden einsteigen zu lassen, die über
die Treppe des Aufnahmsgebäudes in die
Personenhalle gelangt waren. Zwei grosse
Drehscheiben und gut vertheilte Weichen-
verbindungen unterstützten wesentlich
die Beistellung der Wagen aus der
Remise, einer offenen Halle, und das
rasche Wechseln oder Umstellen der
Maschine.
Konnten die Zwischenstationen der
ersten Bahnen durch ihre beschränktere
Bestimmung nur einen geringen Spiel-
raum für ihre Disposition gewähren,
so sah man sich in der Anlage der An-
fangs- und Endstationen vor grössere
Aufgaben gestellt, die stets eine eigen-
artige Lösung erforderten.
dGI-i
Der erste grosse Bahnhof Oesterreichs
war der Nordbahiihof in Wien.
[Abb.iygu. 1 80.) Beiseiner Anlage galt es,
am Alisgangspunkt des geplanten ausge-
dehnten Netzes dennoch ganz ungeklärten
Bedürfnissen des künftigen Verkehrs zu
entsprechen. Die Höhenlage des Bahn-
hofes war durch die Hochwasser- Ver-
hältnisse mit 4 tn aber dem Terrain ge-
geben, so dass das erste Geschoss seiner
Gebäude mit dem Niveau des Bahnhofes
zusammentiel. Die Gebäude umschlossen
von drei Seiten den rechteckigen Hof.
An der Strassenseite standen das Auf-
nahm sgebäu de und ein Wohnhaus für
Bedienstete, auf der anderen Längs-
seite die Remisen und Werkstätten,
während ein quergestelltes Magazin den
Bahnhof an der Stirnseite abschloss.
Innerhalb des so gebildeten Hofes liefen
im Ganzen sechs Geleise, die >Bahnen',
von denen je zwei dem Personen- und
dem Güterverkehr, zwei für die Ueber-
steüung der Fahrzeuge in die Remisen
genügen mussten. Sechsundzwanzig Dreh-
scheiben und zehn Weichen stellten die
Verbindung dieser Geleise untereinander
her. Indem die abreisenden Passagiere
STATION GLOGGNITZ iS^l.
durch das Aufnah ms gebäude über Treppen
auf den Perron gelangten, während für
die ankommenden eine zweite Treppe
beim Magazin in den Hof hinab
führte, war fdr deren Trennung vor-
gesehen. Auch der Fuhr werk sverkelir
war durch die Anlage der Zufahrts Strassen
vorsorglich geregelt, indem die beim
Magazin im Waarenhof abgefertigten
Wagen oder jene, welche zum Kohlen-
und Holzdepöt bei der Werkstätte fuhren,
längs der Strasse hinter den Remisen
und Werkstätten zu dem für die Aus-
fahrt bestimmten Thore gelangten. Das
Niveau des Bahnhofes gab zu einer ver-
ticalen Theihing des
Magazins Anh
durch welche die
Schwierigkeiten be-
hoben wurden, die
sich aus der zoll-
ämtlichen Forderung
ergab, den Bahnhof
wie ein Freihafen-
gebiet innerhalb der *""•
Verzelirungssteuer- Grenzen zu behandeln.
Im mittleren Geschoss gelangten die Wa-
gen auf dem Längsgeleise zur Ent-
ladung; nach Besichtigung der Waaren
seitens der Zollbeamten wurden sie auf
die an der Hofseite befindliche Terrasse
NOHDBAHKHOF WIEN iSäS.
iHcbl. pt[r. Katicr Fetdiinndi-NonilMho m Wim.
a<u dem Jobrt l8jS.j
gebracht, von wo sie mittels Krahnen
in die untenstehenden Fuhrwerke ver-
laden wurden. Ein unteres und oberes
Geschoss diente zu Lagerräumen.
So erfüllte dieser erste grosse Bahn-
hof in seiner Geschlossenheit und Ueber-
sichtlichkeit alle Bedingungen, um den
neu geschaffenen Verkehr in geregelte
Wege zu leiten. Und wenn auch die
rasch wachsenden Forderungen der Zeit
seine Flächenausdehnung bis heute auf
das Vierzigfache erweiterten und selbst
den letzten Rest seiner ursprünglichen
Einrichtung verschwinden liessen, so
wurde er doch seinerzeit mit Recht als
eine der grössten
besten
lagen des Conti nents
bewundert.
Die Höhenlage
des Nordbahnhofes
hatte es möglich
gemacht, den Ge-
" leisen hinter der
**■ Station ein Gefälle zu
geben. Man erzielte damit den Vortheil,
den Zug bei der Ausfahrt leichter in Gang
zu setzen und ihn bei der Einfahrt mit
grösserer Sicherheit zum Stillstand zu
bringen. Diese Anordnung blieb durch
mehrere Jahrzehnte im Bahnhofsbau be-
liebt, bis sie durch die grosse Ausdehnung
neuerer Anlagen und die Vervollkomm-
nung der Locomotiven und Bremsvorrich-
tungen ihre Bedeutung einbüsste.
Als Ausgangspunkt einer Bahn veran-
schaulichte der Nordbahnhof in Wien bei
derStellung seines Aufnahmsgebäudes eine
Bahnhofstype, die man heute als »Kopf-
station mit einem Längsgebäude • be-
zeichnen mUsste. In der Anlage des Bahn-
hofes Brunn [Abb. i8i und 1 82] erscheint
der Charakter des Endpunktes der Linie
noch schärfer betont, indem das Auf-
nahmsgebäude dem Bahnhof quer vor-
BAHNHOF BRUNN iS».
i
gebaut wurde. Damit war die Type einer
»Kopfstation mit Kopfgebäude« gegeben.
Bezeichnend waren hier die symmefrisch
angeordneten polygonalen Remisen und
die freistehende Halle, welche drei mitt-
lere Geleise umspannte. Das Auswechseln
der Maschine, das Aussetzen und Zu-
schieben der Wagen erfolgte, wie in
Wien, mittels einer Drehscheiben Strasse.
Die Voraussetzung, dass die Verbin-
dung mit Prag über Ol mutz genügen
werde, welche Annahme Brunn durch
das Kopfgebäude zu einer Endstation
stempeln Hess, wurde bald durch die
y
AHNHOF BRtNN
Abb. 1S4. Aulcht der Babnbafc dci WleD-Gloegnlticr Babn In WIcd
BAHNHOFE DER WIEN-GLOGGNITZER BAHN IN WIEN.
Ereignisse widerlegt. Bereits im Jahre
1 849 wurde B r (t n n [Abb. 1 83] durth den
Anschluss der Slaatsbahnlinie zu einer
• Durchgangsstation«, was die Abtragung
des jungen Empfangsgebäudes und den
Ersatz durch das seitlich gestellte Auf-
nah tnsge bände beider Anschlussbahnen
erforderte.
Kurz nach Eröffnung des Nordbahn-
hofes wurde der Bahnhof der Wien-
Gloggnitzer Bahn [1842} und dar-
nach jener der Raaber Bahn [1 846] in
Wien [Abb. 184 und 185] dem Betriebe
übergeben. Der weit ausgreifende Plan, der
diesen beiden ursprünglich gemeinsamen
Unternehmungen zugrunde lag, Wien
mit Triest und Pest zu verbinden,
kam in dieser imposanten Bahnhofsanlage
durch Schönerer zum Ausdruck.
Da die projectirte Verlegung des An-
fangspunktes der Bahn auf das Glacis, also
fast bis zum Herzen der Stadt, nicht die
I behördliche Genehmigung gefunden, so
1 wurde vor der Belvederelinie ein grosser
Platz ausgemittelt, auf welchem die
beiden ganz symmetrischen Bahnhöfe
I unter einem stumpfen Winkel zusammen-
' geführt wurden, wobei die Lage des
I Wien-Gloggnitzer Bahnhofes schon dem
, künftigen Anschluss an die Linie zum
I Hauptzollamt entsprach. Mit den Ver-
I bindungsgeleisen, welche die beiden
1 divergirenden Bahnlinien mit einander
! vereinigten, umschlossen die Bahnhöfe
I einen weiten Raum, der neben einem
Dienst- und Restaurationsgebäude und
, neben einer Wa^enremise eine ausge-
i dehnte Locomotiv werk statte — damals
! die gros st e derartige Anlage Deutsch-
j lands — aufnahm. 800 m von den Bahn-
[ höfen entfernt, waren die Heizhäuser neben
] den Hauptgeleisen untergebracht. Jeder der
: Bahnhöfe war durch ein Kopfgebäude ab-
I geschlossen, das zu beiden Seiten des
BahnhofsanJagen.
Vestibules je eine Treppe für die ab-
reisenden und ankommenden Passagiere
enthielt, welcher Theilung entsprechend
die beiden Geleisepaare der Halle für
aus- und einfahrende Züge bestimmt
waren. Die Reisenden stiegen indessen,
wie Ph. Volk in einer alten Beschreibung
dieses Bahnhofes berichtet, in der Halle
selbst weder ein noch aus, sondern die
Wagentrains hielten vor der Halle,
weiche daher mehr zum Aufenthalt der
Passagiere und zum Aufstellen der Wagen
diente. Für den Fr achtenv erkehr massten
anfänglich zwei Geleise genügen, die
hinter dem Aufhahmsgebäude in Strassen-
höhe lagen und mittels steiler Kämpen
in die hochgelegenen Hauptgeleise hinauf-
führten.
ihrer Anlage, wie : Trennung der an-
kommenden und abfahrenden Reisenden,
Sonderung der Zufahrten für »Ballen und
Gepäck«, Einfachheit der Verbindung
zwischen Zugsgeleisen undZugförderungs-
Anlage entwickelt. Wenn sich auch die
Anlehnung an die englischen Beispiele
meist nur auf die Uebernahme solcher
allgemeiner Grundsätze beschränkte, da
ja jeder grössere Bahnhof eine durch die
ortlichen Verhältnisse und die Schaffens-
weise des Ingenieurs bestimmte Indivi-
dualität erhielt, so waren doch auch
einige Elemente selbst, wie die polygonalen
Remisen in Brunn oder die Schupfen
mit dem innenliegenden Geleise unmittel-
bar dem englischen Vorbild entnommen.
Dagegen wurden die auf den dortigen
Der Bahnhof für die nach Gloggnitz
führende Linie wurde im Jahre 1842 dem
Betriebe übergeben. Seine zweckmässige
Anlage ermöglichte es bereits im ersten
Jahre seines Bestandes an manchen Sonn-
tagen 1 3.000 bis 16.000 Personen zu
befördern, ohne dass sich hiebei ein
Unfall ereignele.
Alle diese ersten Stationen der
österreichischen Bahnen waren unter
dem Einfluss englischer Vor-
bilder entstanden. Durch die Studien-
reisen hervorragender Ingenieure, wie
Ghega, Stopsl und Anderer, waren
die fremdländischen Erfahrungen nach
Oesterreich verpflanzt worden und schon
im Jahre 1838 werden in der ersten
technischen Zeitschrift Försters grosse
fremde Bahnhöfe in Wort und Bild vor-
geführt und die leitenden Grundsätze
I Guterbahnhöfen so beliebten Drehscheiben,
die das Ueberstellen der leichten und hand-
I liehen Wagen wesentlich beschleunigen,
hier gleich vom Beginne zu Gunsten der
< Weichen verbin dun gen auf das nothwen-
j digste Mass eingeschränkt. Und indem
I seither unsere Wagen aus wirth schaftlichen
Gründen immer grösser, aberauch schwer-
j fälliger gebaut wurden, blieb diese Rich-
I tung die herrschende, unbeschadet der
I Bedeutung, welche die Drehscheiben in
I vielen späteren Bahnhöfen gewannen.
Unter den vielen Vortheilen hatte man
aber auch einen grossen Irrthum aus
England mitgebracht : die Unterschätzung
I des künftigen Güterverkehrs gegenüber
dem Personenverkehr, welch letzteren
I man in jeder Richtung für belangreicher
j hielt. Aus diesem Grunde wurden auch
I alleStationen der erstenZeit mit Magazinen
Ernst R eitler.
und Geleisen so
kümmerlich be-
dacht, dass sich
schon nach kurzer
Zeit die Nothwen-
digkeit gründlicher
Abhilfe einstellte.
Diese Erfah-
rungen der ersten
Jahre wurden bei
dem Entwurf der
nächsten grossen
Bahnhöfe schon zu
Rathe gezogen : des
Bahnhofes der k. k.
Staatsbahn zu P ra g
[Abb. 186 und 187]
und jenes der Un-
garischen Central-
bahnzuPest[Abb.
188]. Sollte in Er-
sterem die Bedeu-
tung der industrie-
reichen Hauptstadt
Böhmens und seine
Aufgabe als Binde- _„„..,
glied zwischen dem
deutschen und ' ' ' °'aut der'v«ge
dem österreichi-
schen Netze zum Ausdruck kommen, so ;
hatte der Bahnhof in Pest den Forderungen
des bedeutendsten Handelsplatzes fUr die .
Producte Ungarns zu entsprechen.
Beide Bahnhöfe zeigen viele neue und i
verwandte Züge. In beiden ist die Tren-
nung der Bahnhofs-
theile für die beiden
Verkehrszweige und
für den Betriebs-
dienstdurchgefahrt,
so dass die Ausfahrt
der Personen- und
Güterzüge zum
Theil unabhängig
von einander er-
folgen konnte.
Trotzdem beide
Bahnhöfe von An-
fang an für den
Durchgangsverkehr
bestimmt waren, so
waren sie — der
damals herrschen-
den Vorliebe fol-
gend — doch in
Kopfform angelegt.
Diese Anordnung
hatte gegenüber
der Durchgangs-
form zwar den Vor-
theil, die Trennung
der ankommenden
lofes Piae vom Jahre 1845 ■ 1 1. 1
)ei(pei,ttve. und abgehenden
Passagiere zu er-
leichtern, was hier zum ersten Mal mit-
tels zweier Längsgebäude, zwischen
welchen sich die hallenüberdeckten Ge-
leise befanden, durchgeführt war; sie
hatte den weiteren Vortheil, das tiefe
Eindringen des Bahnhofes in die Stadt
BAHNHOF PEST il
Bahnhof sanlagen.
333
zu ermöglichen, der besonders in Prag
zur Geltung kam ; dagegen trug sie den
Nachtheil in sich, dass die durchgehenden
Personenzüge von der Ankunfts- auf die
Abfahrtsseite überstellt werden, dass femer
alle durchgehenden Güterzüge, die auf
dem Bahnhof nicht zu manipuliren hatten,
dennoch in diesen einfahren mussten.
Diese Uebelstände mussten später — be-
züglich der Personenzüge durch Einfüh-
rung von Zwischenperrons, bezüglich der
Güterzüge dagegen durch Herstellung
von Verbindungsbögen zwischen beiden
abzweigenden Linien, die eine Umgehung
der Station ermöglichten — wenigstens zum
Theile behoben werden
Der Aufgabe und Abgabe der Güter
wurden gesonderte, geräumige Schupfen
zugewiesen, welche in Prag zu beiden
Seiten der für die Aufstellung und
Ordnung der Wagen bestimmten Maga-
zinsgeleise, in Pest neben einander an-
gelegt waren.
Der Bahnhof in Pest lag inmitten
unverbauter Gründe, so dass seiner
späteren Erweiterung, auf Seite der Ma-
gazine kein Hindernis im Wege stand.
In Prag dagegen war man mit dem
Personen- und Güterbahnhof bis ins
Innerste der Stadt, bis hinter die Stadt-
mauern vorgedrungen, in welche sechs
Thore für die Durchfahrt der Züge ein-
gebaut werden mussten; blos die Heiz-
haus- und Werkstätten-Anlage war vor
den Thoren verblieben. Mit grosser Ge-
schicklichkeit hatte hier G h e ga den eng
bemessenen Raum innerhalb der Stadt-
mauern ausgenützt, eine Wagenremise
sogar in die bombenfest überwölbte Mauer
verlegt und das Heizhaus zwischen bei-
den Ausästungen glücklich imtergebracht.
Mit dieser sorgfältigen Ausnützung des
Raumes waren aber der Entwicklungs-
fähigkeit des Bahnhofes Fesseln an-
gelegt worden, die sich lange hindurch
sehr empfindlich geltend machten.
IL Der Stationsbau in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren
[bis zum Jahre 1867].
Mit der ruhig steigenden Entwicklung
des Eisenbahnwesens im Laufe der Fünf-
ziger-Jahre, welche den allmählichen Zu-
sammenschi uss der vereinzelten Linien
zu einem grossen Netze begleitete, kam
statt des unsicheren Tastens des ver-
flossenen ersten Decenniums der gereif-
tere Blick für die Bedürfnisse des Ver-
kehrs und die Erkenntnis der Noth-
wendigkeit einer gesteigerten Regelung
des gesammten Dienstes. Damit war aber
auch der Stationsbau durch Zuweisung
grösserer und deutlicher umgrenzter Auf-
gaben aus den primitiven Anfängen der
ersten Epoche herausgehoben.
Hatte man anfangs in Unkenntnis der
jeweiligen Verkehrsforderungen, die Zwi-
schenstationen vorsorglich mit allen Be-
triebseinrichtungen ausgestattet, so zeigte
sich bald eine — nur durch besondere
Ereignisse unterbrochene — Gesetz-
mässigkeit der Verkehrs Verhältnisse,
welche diese Vielseitigkeit der Stationen
überflüssig machte. Da überdies im Tele-
graphen ' ein wunderthätiges Instrument
erstanden war, das die Möglichkeit
schuf, den Betrieb längerer Strecken in
verlässlicher Weise von einzelnen Haupt-
punkten aus zu beherrschen, so wurden die
Zwischenstationen ihrer Bedeutung als
Reservestellen für Maschinen imd Wagen
entkleidet und konnten ausschliesslich
den Aufgaben des Personen- und Güter-
dienstes vorbehalten bleiben. Die Heiz-
häuser und Werkstätten, die man bis
dahin fast alle 30 ktn antraf, wur-
den nunmehr auf neuen Linien bis
auf 150 km und mehr auseinander ver-
legt und mit reicheren Mitteln aus-
gestattet. Auch auf den alten Linien
wird dieser Process bemerkbar, indem
einerseits W^erkstätten und Heizhäuser
in einzelnen Stationen vergrössert, in
zahlreichen anderen gänzlich oder zum
Theil ausser Benützung gestellt wurden.
Das Bahnnetz der xMonarchie, das im
Jahre 1848 etwa 1 100 km umtasste, dehnte
sich bis zum Schluss des nächsten De-
cenniums auf das Vierfache aus. War
schon diese Vermehrung der Bahnlinien
334
Ernst Reitler.
an sich für die Verkehrsentwicklung von
grösster Bedeutung, so trat noch der
Umstand hinzu, dass der Ausbau des
Netzes den Zusammenschluss der
ersten, bis dahin isolirten Bahnen be-
deutete, der nunmehr ganze Länder-
strecken mit einander in Verbindung
brachte. Durch die Verlängerung der
Nordbahn bis an die k. k. östliche [gali-
zische] Staatsbahn, durch den Ausbau der
ungarischen Linien bis nach Pest, durch
den Uebergang über den Semmering,
und durch die Wiener Verbindungs-
bahn waren nun die entferntesten Theile
des Reiches mit einander in Wechsel-
verkehr gesetzt und durch den Anschluss
in Oderberg und Bodenbach die Wirkungs-
sphäre des heimischen Bahnjietzes so-
gar über benachbarte Länder ausgedehnt.
Der hiedurch wesentlich gesteigerte
Verkehr erhöhte die Leistungen der
Stationen nicht blos bezüglich der Zahl
der umzusetzenden Frachten und Wagen
sowie der abzufertigenden ZiXgQy sondern
auch bezüglich der Zusammenstel-
lung der Züge selbst, infolge Ver-
mehrung der Ladestellen und der
Anschlusspunkte an andere Bahnen.
Dies musste aber in allen wichtigeren
Stationen das Bedürfnis nach einer
grosseren Zahl von Geleisen für Ran-
girzwecke wachrufen. Die Rege-
lung des gesammten Dienstes, welche
in der Betriebsordnung [1853] ihren ge-
setzlichen Ausdruck gefunden und welcher
in der General-Inspection [1856] eine
Hüterin bestellt worden war, das frische
Tempo, das im ganzen Verkehr ein-
setzte und sich schon in der Einschrän-
kung der Zugsintervalle von einer halben
Stunde auf 15, 10 und 5 Minuten ver-
rieth, musste auch auf die Anlage der
Stationen zu Gunsten einer freieren
und übersichtlicheren Dispo-
sition zurückwirken.
Durch die Fortschritte in der Ma-
schinentechnik, die namentlich im Bau
der ersten Gebirgslocomotive einen mäch-
tigen Anstoss gefunden, und durch die
immer allgemeinere Verwendung der
verbilligten Kohle, wurde der Transport
längerer ZiXge ermöglicht, welche
weit über das bisher übliche Mass hinaus-
gehende Geleiselängen erforderten.
So drängten die Umstände dazu, den
Stationsbau auf eine neue Grundlage zu
stellen und die bestehenden Anlagen in
diesem Sinne umzugestalten. Der neu-
gegründete Verein deutscher Eisenbahn-
Verwaltungen wies die einzuschlagende
Richtung, indem er durch Aufstellung
von »Grundzügen für die Anlage von
Bahnhöfen € [1850] auch in dieses Gebiet
Klarheit und Einheitlichkeit der An-
schauungen hineintrug.
Die Bedeutung der Hauptgeleise für
die Fahrten der Personenzüge erscheint
nunmehr in der Anlage der Stationen
stärker hervorgehoben. Die Lastzugs-
geleise erreichen nutzbare Längen bis
zu 400 w. Die Gütermagazine und Ram-
pen mit ihren ungleich ausgedehnteren
Lade- und Rangirgeleisen bilden auch
in Zwischenstationen in sich geschlossene
Theile des Bahnhofes, die je nach Be-
deutung der Station von denen für den
Personendienst mehr weniger deutlich
gesondert sind. Der Heizhausanlage wird
womöglich ein eigener Rayon zugewiesen.
Die Erfahrungen über das ständige und
rasche Anwachsen des Verkehrs lassen
dabei in neuen Stationen immer für die
Möglichkeit künftiger Erweiterungen Vor-
sorgen.
War es auf der einen Seite die
Kaiser Ferdinands-Nordbahn, welche, ge-
drängt durch die zuerst an sie heran-
getretenen grösseren Verkehrs-Anforde-
rungen und den Spuren ihrer eigenen
frühzeitigen Erfahrungen folgend, diesen
Abschnitt in der Geschichte des Stations-
baues mit ihren grossen Umgestaltungen
einleitete, so war es andererseits — bei
der späteren Staatseisenbahn-Gesellschaft
und der Südbahn — ein fremder Ein-
schlag in die heimische Entwicklung,
der dieser Epoche ihren Charakter gab,
indem durch die Berufung von Maniel
und Etzel der Schatz der besten fran-
zösischen und deutschen Erfahrungen in
Oesterreich eingeführt und hier dauernd
dem allgemeinen geistigen Besitzstand
einverleibt wurde.
Der Umschwung in der Austheilung,
also in dem Gesammtbilde der Stationen
dehnte sich aber auch auf die bau-
lichen Einrichtungen der Bahn-
höfe selbst aus, die damals zum Theil
336
Erast Reitler.
auf eine bis heute nur um Weniges
überholte Höhe gebiacht wurden. Bei der
Staats- und der Südbahn finden wir
die im Auslande bestbewährten Typen
f(lr alle baulichen Einrichtungen bereits
in "Normalien' zusammengestellt, durch
welche erst die fUr den sicheren und
wirthschaftlichen Betrieb gebotene Ein-
heitlichkeil und Uebereinstimmung aller
Details angebahnt wurde. Um die Wende
des sechsten Jahrzehnts traten die grossen
schmiedeeiser-
nen Reservoire
auf und im
Vereine mit
richtig be-
messenen
Rohrleitungen
und neuartigen
Säulenkrahnen
wird durch sie
ei ne freiere Ver-
thei iung der
Wasserentnah-
mestellen für
Locomotiven Abb. igo. s<
ermöglicht, die
bis dahin oft ängstUch an die Nähe
der Wasserstationen gebunden waren.
Den Drehscheiben wird durch ver-
besserte Construction eine grössere Ver-
wendung eröffnet und damit namentlich die
Einfuhrung der halbrunden Heizhäuser be-
günstigt, die den Locomotiven eine un-
abhängigere Ein- und Ausfahrt gestatten;
kleine Drehscheiben werden zum Ein-
stellen und Aussetzen einzelner Wagen
sehr verbreitet, zuweilen in Verbindung
mit Schiebebuhnen, mit denen sich ein
bis dahin äusserst selten angetroffenes
Element auf den Bahnhöfen einbürgert,
und die namentlich bei Wagenremisen als
Ersatz langer Geleise Verbindungen be-
liebt werden.
Die Nordbahn, der die günstige Lage
frühzeitig zu kräftigem Gedeihen verhalf,
hatte auch auf dem Gebiet des Stations-
baues zuerst die Kinderkrankheiten zu über-
winden. Zwischen den Jahren 1850 und
1854 sah sie sich zur Erweiterung fast aller
Stationen bemüssigt. Die Heizhäuser wur-
den vermehrt und zweckmässiger ver-
theilt, in Floridsdorf eine grosse Central-
wa gen werk Stätte errichtet, Magazine und
Aufnahmsgebäude vergrössert, die Sta-
tionen, in denen schon Züge bis zu 40
Wagen kreuzten, von 200 — 300 m Länge
auf das Doppelte gebracht; die bedeu-
tendste Umgestaltung musste indessen
der Wiener Bahnhof erfahren. [VgU
Abb. 189a, b und c]
Im Jahre 1840 war auf diesem Bahn-
hof der Güterverkehr aufgenommen
worden und schon im nächsten Jahre
erkannte man die dringende Nothwen-
digkeit seiner
Vergrösse-
rung. Manent-
schloss sich
daher, auf der
Ostseite des
Bahnhofes
eine geson-
derte Anlage
für den Güter-
dienst zu er-
bauen,diedann
beim Eintritt
weiterer Be-
ioD TaiTii. dUrfnisse eine
schrittweise
Vergrösserung gegen die Donau zulassen
wUrde. Im Jahre 1843 wurde mit dieser
ersten Erweiterung einer österreichischen
Station begonnen, die erst im Jahre 1852
ganz abgeschlossen war. Inzwischen hatte
sich der Güterumsatz des Bahnhofs von
870.000 Centner auf 5'/, Millionen er-
höht. Der alte Nordbahnhof ging aus
dieser ersten Umgestaltung stark verändert
hervor. Er hatte fünf im bisherigen Stations-
niveau, also auf dem Damm gelegene Ma-
gazine und Rampen erhalten, die verschie-
denen Verkehrsriclitungen bestimmt wur-
den, und die sich als Längsgebäude an die
föcherförmig vertheüten Geleisebündel,
für Lade- und Rangirzwecke, anschlössen.
Die Geleise waren an ihrem stumpfen
Ende durch eine Drehscheibenstrasse, die
sogenannte Ringbahn, verbunden, um
einzelne Wagen leichter zu überstellen.
Neben dem Aufnahmsgebäude war eine
g^rosse Wagenremise erbaut worden,
während ein Eilgutmagazin die Stelle
der alten Remise einnahm. In mehreren
an die Dammböschung gelegten Kohlen-
rutschen konnten schon über 8000 Centner
lagern. Die Geleiselänge des Bahnhofes war
Bahnhofsanlagen.
337
verzehnfacht worden, seine Gesammtlänge
von 270 auf 930 m gestiegen, die Zahl der
Locomotivstände von 2 auf 2 1 gewachsen.
Auch die Erweiterung des Per-
sonenbahnhofes war bereits im
Jahre 1845 als ein Bedürfnis erkannt
worden. Die schwebenden Verhandlun-
gen über den Anschluss der Verbindungs-
bahn Hessen indessen das Project erst
im Jahre 1860 zur Ausführung kommen.
Indem durch diesen Anschluss aus der
Kopfstation eine Durchgangsstation wurde,
behrte Halle überspannte fünf Geleise, die
mittels Drehscheiben unter einander und
mit dem Eilgutperron verbunden wurden,
welchen das neue Ankunftsgebäude hinter
die Werkstätte verdrängt hatte.
Seit dem Bau des neuen Güterbahn-
hofes im Jahre 1852 war aber der Nord-
bahn ein so bedeutender Verkehr zuge-
wachsen, dass sich neben der Erwei-
terung des Personenbahnhofes auch
eine solche des Güterbahnhofes neuer-
dings als nothwendig erwies. So wurde
RANN i86a.
1:6000
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Abb. 191.
KLAGENFURT 1863.
1:6000
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Mm
H
Abb. 19a.
in der man allerdings den Durchgangs-
verkehr für normale Züge nicht aufnahm,
musste das alte, quergestellte Magazin
seinen Platz räumen. Nun war erst der
Güterdienst völlig vom alten Bahnhof los-
gelöst und die ganze ursprüngliche Bahn-
hofsbreite konnte für Zwecke des Personen-
dienstes in Verwendung genommen wer-
den. Das alte, schlichte Aufnahmsgebäude
machte einem würdigen, imposanten Mo-
numentalbau Platz, dem ein zweites Längs-
gebäude für die ankommenden Reisenden
gegenüber gestellt wurde. *) Die lang ent-
*) Vgl. Abb. auf Tafel III, Seite 402, im
Abschnitt Hochbau von H. Fisch el.
Geschichte der Eisenbahnen. II.
denn diese Anlage zwischen den Jahren
1 860 und 1 864 durch die Angliederung von
zwei Dämmen und den Anschluss fächer-
förmig vertheilter Geleise bis an den Donau-
arm ausgedehnt, dem sich der äusserste
Damm bogenförmig anpasste. Die Bö-
schungen der Dämme wurden zu Rutschen
für Getreide, Holz, namentlich für Kohle
ausgenützt, für die damit ein Lager-
raum von 80.000 Centner Fassungsgehalt
geschaffen war. Die »Ringbahn« wurde
verlängert, die obere und untere Zufahrts-
strasse, die neben einander zu den hoch-
gelegenen Magazinen, beziehungsweise
deren Kellerhöfen und den Rutschen
zu
führten, weiter ausgebaut und die Heiz-
22
338
Ernst Reitler.
STATION WIENER-NEUSTADT 1864.
)
STATION CILLI 1846.
1:6000
r« « 4 j
M&O
ICO
Aül^AHW3 C'tWUM.
:3?4,
Abb. J94a
STATION CILLI 1863.
7^xt
Abb. 194 b.
häuser auf das Doppelte vermehrt. Die
Geleiselänge, die im Jahre 1852 gegen
die erste Anlage von i*8 knt auf 1% km
gestiegen war, erhöhte sich nun auf 28,
die Belagfläche der Magazine war in
diesen drei Etappen von 1500 m* auf
4900 und auf 9500 vi^ gestiegen.
Wie auf dem Wiener Bahnhof mussten
aber auch auf den meisten anderen Nord-
bahn-Stationen im Anfange der Sechziger-
Jahre neuerdings Erweiterungen vorge-
nommen werden. Bei einer fast unge-
änderten gesammten Betriebslänge wuchs
die Zahl der Nebengeleise der Stationen
vom Jahre 1858 bis 1868 von 54 auf
203 kni^ also auf das Vierfache, trotz-
dem gleichzeitig das Doppelgeleise, das
ja für die Stationen entlastend wirkte, von
135 auf 181 k^n verlängert worden war.
In den mustergiltigen Typen, welche
Etzel beim Bau der Kaiser Franz
Josef- Orientbahn, also der unga-
rischen und der croatischen, dann bei den
kärntnerischen Linien der Südbahn sowie
bei den Umgestaltungen der Stationen ihrer
Stammlinie zur Anwendung brachte,
treten die angeführten Vorzüge der neuen
Bauweise: Klarheit und Zweckmässig-
keit der gesammten Austh eilung, femer
Rücksichtnahme auf kommende Erweite-
rungen besonders deutlich in Erscheinung.
Die Hauptgeleise sind meist unmittelbar
vor das Aufnahmsgebäude geführt, die
Halle nur noch in den grössten Stationen
beibehalten, sonst durch gedeckte Perrons
oder eine Veranda ersetzt, wie wir
sie seither allgemein verbreitet sehen.
Vgl. Abb. 190 der im Jahre 1870 er-
3auten Station Tarvis.]
In kleineren Stationen, wie in Rann
und Klagenfurt [vgl. Abb. 191'
und 192], wurde das Gütermagazin dem
Aufnahmsgebäude gegenübergestellt und
dadurch der Vortheil gewonnen, die Ge-
Bahnhofsanlagen.
339
• • ■ ■« ■
H-fm
Abb. 195 b.
leise in der ganzen Stationslänge für
den Güterdienst auszunützen. In grösse-
ren Stationen wurde die Nebenein-
anderstellung des Personen- und
Güterbahnhofs beliebter, schon weil damit
die Kreuzung der Zufahrtsstrasse mit
dem Hauptgeleise vermieden werden
konnte. Bei dieser Anordnung wurde
das Magazin öfter, wie in Wiener-
Neustadt [Abb. 193], gegen das Auf-
nahmsgebäude um die Breite der erfor-
derlichen Magazinsgeleise zurückgesetzt,
was eine geradlinige Führung der Haupt-
geleise ermöglichte, oder beide wurden,
wid in Laibach [Abb. 195 b], in
gleicher Höhe gehalten, wobei der Raum
für einige Zugsgeleise und eine grössere
Geschlossenheit der Anlage gewonnen,
dieser Vortheil aber mit einer un-
günstigeren Führung der Hauptgeleise
erkauft wurde. Hier wie in anderen
Anlagen erscheint das Heizhaus immer
so abseits situirt, dass es den Ueberblick
über die Station nicht behindert und
eine leichte Verbindung mit den Haupt-
geleisen ermöglicht. Ausreichende Rangir-
geleise und durchgehende Drehscheibeh-
strassen erleichtern die Zusammenstellung
der ZWge,
In grösseren Theilungsstationen, wie
in Stuhlweissenburg [Abb. 196],
ist die Trennung der einzelnen Dienst-
zweige noch strenger durchgeführt und
sind die Geleise reichlicher bemessen. Der
Güterbahnhof zeigt hier die Type, die
in Ofen [Abb. 197] besonders schön
•durchgebildet ist. Zwei Reihen von
Gütermagazinen sind längs einer gemein-
samen Zufahrtsstrasse angelegt, während
sich von aussen die Lade- und Rangir-
geleise an sie anschliessen. Die Zustel-
lung ganzer Zugstheile erfolgt hier über
die Weichenverbindungen, während ein-
zelne Wagen über die Drehscheiben-
strasse und mittels der Schiebebühne
überstellt werden. Typisch ist auch die
Anlage der Getreidehallen in Ofen, die
nur zur vorübergehenden Lagerung der
mittels Bahn aus dem Innern Ungarns
kommenden und wieder nach dem
Westen zu verladenden Producte dienen
und daher keiner Zufahrtsstrasse bedürfen.
22*
Ernst ReitJer.
Schwierige Terrain Verhältnisse und die |
grossen Kosten der Grundeinlösung
zwangen in Ofen zu einer örtlichen
Trennung des Güter- und Personenbahn-
hofes, welch letzterer durch die über-
sichtliche Gesammtanordnung und die |
zweckmässige Lage der Eilgutrampen
bemerkenswerth ist. I
Unter den zahlreichen Stationen, I
welche Maniel um die Wende der ■
dungsbogen zwischen den beiden hier
einmündenden Linien konnte der Bahn-
hof vom durchgehenden Güterverkehr
entlastet werden.
Der grosse Umschwung, welcher im
sechsten Jahrzehnt im Stationsbau eintrat,
wird besonders deutlich, wenn man die
ersten primitiven Bahnhofsanlagen ihrem
Bestand aus der damaligen Zeit gegenüber-
stellt. Selbst ein flüchtiger Bück auf den er-
il dei nahnharea FetI
hiigtr.J.h
Fünfziger-Jahre auf den nördlichen und |
südöstlichen Linien der Staa tse isen- |
bahn - Gesellschaft zum Umbau
brachte und mit verbesserten Betriebs-
und Verkehrseinrichtungen versah, stand I
Pest in erster Linie. [Abb. 198.] Inner- j
halb der Jahre 1857 bis 1861 wurden
für diesen Bahnhof allein 1,500.000 fl. |
verausgabt. Sein Areal wurde mit Rück- '
sieht auf die künftigen Bedürfnisse des ,
Güterdienstes wesentlich ausgedehnt, 1
namentlich die Heizhäuser, die Werk- ,
Stätten und die Geleiseanlage erweitert; ■
durch den bereits genannten Verbin- ,
sten Nordbahnhof und jenen des Jahres 1852
und 1864 [Abb. 189], oder auf Stationen
wie Cilli und Laibach vor und nach
dem Umbau [Abb. 194 a, b und 195 a, b],
die durch diesen nicht einmal an Aus-
dehnung gewannen, die neuerbauten
grossen Bahnhöfe dieser Zeit wie Ofen
oder die später eingehender besprochenen
Bahnhöfe der k, k. südlichen Staatsbahn
in Triest aus dem Jahre 1857 [vgl, Abb.
206] und der Kaiserin Elisabeth-Bahn
in Wien aus dem Jahr 1858 [Abb. 227]
lehren den grossen Fortschritt, den diese
Epoche für den Stationsbau bedeutete.
342
Ernst Reitler.
Zu Ende der Sechziger-Jahre waren
fast alle Stationen der grossen Bahnen,
der Nordbahn, der Südbahn und der Staats-
eisenbahn-Gesellschaft den neuen Ver-
hältnissen und ihren erhöhten Forderun-
gen angepasst. Aber gerade die wich-
tigsten Bahnhöfe in Wien, Prag und Triest
waren zum Theil noch in ihrer ursprüng-
lichen, zum Theil schon in wesentlich
1 geänderter Gestalt hinter den neuen Be-
: dürfnissen weit zurückgeblieben, wie ge-
bieterisch sich auch das Verlangen nach
ihrer Vergrösserung geltend gemacht
hatte. Es musste erst eine Zeit kommen,
die noch ungestümer ihre Forderungen
zu erheben verstand, um ihren Umbau
gegen die vielen auftretenden Hindemisse
durchzusetzen.
III. Der Stationsbau in den Jahren 1867 — 1873.
Im Jahre 1867 setzte ein allgemeiner
wirthschaftlicher Aufschwung ein, dessen
rege Bauthätigkeit das Bahnnetz der
Monarchie innerhalb fünf Jahren ver-
doppelte, und welcher den Eisenbahn-
Verkehr zu einer ungeahnten Höhe empor-
schnellen Hess. Mit seinem Auftreten war
auch eine neue Aera in der Ent-
wicklung der österreichischen Bahnhöfe
verknüpft.
Auf den fünf alten Hauptlinien, die den
Mittelpunkt des Reiches radial mit der Peri-
pherie verbanden, auf der Nord- und Carl
Lud wig- Bahn, der Kaiser in Elisabeth-Bahn
und der verzweigten Süd- und Staats-
eisenbahn, die am Anfange dieser Epoche
einen Verkehr von jährlich 10,000.000
Passagieren und fast ebensoviel Tonnen
Fracht aufwiesen, war während dieser fünf
Jahre die Verkehrs - Leistung auf das
Doppelte gestiegen, während ihre Betriebs-
länge nur um 25^0 gewachsen war. Nun
erst war der Charakter des Massenhaf-
te n in den Verkehr hineingetragen, und wie
eine Hochfluth kam es über die Stationen,
namentlich über die Bahnhöfe der wirth-
schaftlichen Centren, die schon früher den
Anforderungen kaum gewachsen waren.
Da endlich jene Tage auch eine Reihe
grosser Fragen zur Reife brachten, die
— wie die Donauregulirung, der Hafen-
bau in Triest, die Schleifung der Prager
Festungswerke — den Umbau der Bahn-
höfe mitbestimmten, so sehen wir in dieser
Zeit fast alle grossen Bahnhöfe ihre lange
gehüteten Grenzen weit zurücksetzen
und zu riesenhaften Dimensionen hinaus-
wachsen : die Staatseisenbahn-Gesellschaft
erbaut in Wien einen Centralbahnhof,
der gleich hundert Hectare bedeckt, die
Südbahn Anlagen, die sich über 3 km
erstrecken, die Nordbahn Kohlenrutschen,
die anderthalb Millionen Centner auf-
nehmen, und alle Bahnhöfe, die der
Ausgangspunkt eines grossen Netzes
sind, werden selbst zu einem. Netz von
Geleisen, das bis 60 und 70 km umfasst.
Die Ausgestaltung dieser -Bahnhöfe
war aber nicht blos eine räumliche: die
ganze Anlage musste eine planmässige
werden, musste ein bestimmtes B e-
triebsprogramm aussprechen, um
bei dem lebhaften Verkehre die gebotene
Sicherheit und Raschheit aller Mani-
pulationen zu verbürgen. Denn durch
diese allein konnte erst jene Rege-
lung des gesammten Dienstbetriebes
zur That werden, die mit der Codifici-
rung des Wagenregulativs [1859], mit
der Erlassung des Betriebsreglements
[1863] und des Haftpflicht-Gesetzes [1869]
angestrebt worden war.
Dieser Betriebsplan musste in den
grossen Bahnhöfen auf eine noch weiter-
gehende Theilung der Anlage, und zwar
nach den Manipulationen der einzelnen
Zweige des Personen- und Güterdienstes
hinwirken. Auf den grossen Personen-
bahnhöfen, die durchwegs als Kopf-
stationen ausgeführt werden, wird die
Post, das Eilgutmagazin und die Wagen-
remise — wie auf dem Staatsbahnhof in
Wien [vgl. Abb. 203] — unmittelbar neben
das Aufnahmsgebäude verlegt, um ein
rasches Zu- und Abstellen der Wagen
bei den Personenzügen zuzulassen; durch
Einführung der Zungenperrons — wie
auf dem dortigen Südbahnhof — wird
die gleichzeitige Abfertigung mehrerer
ZWgo. mit erhöhter Ordnung und Sicher-
heit ermöglicht, durch ausreichende
Geleise vor der Halle erscheint für die
:i Babo ID Wien in
Djab
Zusammenstellung der Personenzüge, für
das Heinigen der Wagen und deren Aus-
stattung mit Leuchtmaterial vorgesorgt.
Auch die grossen Güterbahn-
höfe werden meistens als Kopfs Cationen
mit stumpf endigenden Geleisen an-
gelegt. Stückgüter und die verschie-
denen Rohproducte erhalten gesonderte
Bahnhofstheile zugewiesen; mit der An-
lage ausgedehnter Lagerplätze und ge-
deckter Lagerräume wird den auftreten-
den Wünschen des Publicums entsprochen.
Zahlreiche Rangir- und Ladegeleise und
die Bestimmung einzelner Magazine für
gewisse Verkehrsrichtungen sorgen für
einen beschleunigten Wagenumsatz, der
durch die gesetzliche Feststellung der
Lieferfristen, durch die Einführung der
Wagenbenützungs-Gebühr und durch das
Streben nach Ausnützung des rollen-
den Materials als eine Forderung der
Oeconomie sich gellend macht. Die Heiz-
hausanlage wird meistens zwischen Per-
sonen- und Güterbahnhof, beiden gleich
leicht zugänglich, angelegt.
Die Anschluss- und Kreuzungsstatio-
nen gewinnen durch die fortschreitende
Verzweigung des Bahnnetzes eine immer
erhöhte Bedeutunfi, die sich in der Ver-
grösserung der gcsammten Anlage wie
in der — vorerst vereinzelten — Ein-
führung neuer Typen ausspricht.
Für die Sicherung des Verkehrs
war durch die neue Signal-Ordnung vom
I Jahre 1873 die wichtigste Grundlage
\ geschaffen ; die Station s- Deckungssignale,
die zu Ende der Sechziger-Jahre erst ver-
I einzelt aufgetreten waren, bildeten nun
I ein unumgängliches Zugehör jeder
Linie mit lebhafterem Verkehr. Das
I Streben nach erhöhter Sicherheit fand
I aber auch in der gesammten baulichen
[ Anordnung seinen Ausdruck, und zwar in
; der genannten Vermehrung der Geleise
■ selbst, in den später zu besprechenden
I Keilbahnhöfen, die einen gesicherten
Austausch der Passagiere zwischen kreu-
I zenden Linien ermöglichten, in der thun-
! liebsten Vermeidung gegen die Spitze
befahrener Weichen im Zuge der Haupt-
i geleise, die bei falscher Stellung eine
grosse Gefahrquelle bilden, ferner In
der Einrichtung der kleinen Zwischen-
stationen eingeleisiger Bahnen für doppel-
. geleisigen Betrieb. Hiezu traten als wei-
tere Garantiecn für den Schutz des Per-
j sonals und des Publicums die ersten Ueber-
I brückungen ganzer Üahnhoftheile, um den
\ Zugang zu abseits liegenden Werkstätten
I ohne Ueberschreitung der Geleise zu er-
möglichen, und die Unter- oder L'eber-
I fQhrung belebter Zufahrts Strassen an den
1 Stalionsenden oder in den Bahnhöfen
selbst an Stelle der bis dahin üblichen
. Kreuzungen in Schienenhöhe.
! Auch das Streben nach öconomischem
Dienstbetrieb hinsichtlich der besseren
Ausnützung der Zugkraft und der Con-
centrirung der Werkstätten erhält in
dieser Epoche ungleich stärkeren Nach-
druck als zuvor und beeinflusst dem-
entsprechend das Gesammtbild der
Stationen. Die Züge fordern Aufstellungs-
geleise von 500 bis 600 m Länge, und
die Erbauung grosser Centralwerkstätten
— in Floridsdorf, Simmering, Bubna,
Mähr.-Ostrau u. a. — ermöglichten es zu-
gleich, andere Stationen auf Kosten
der bedeutungslos gewordenen kleineren
Werkstätten auszudehnen.
Die beiden Bahnhöfe vor der Bel-
vederelinie in Wien hatten durch mehr
als 20 Jahre fast unverändert den Wechsel
zweiten Hälfte der Sechziger-Jahre zum
Theile ausgeftihrt und später auf den
in Abb. 200 ersichtlichen Stand er-
gänzt wurde. Die beiden Hauptgeleise
der Sudbahn sammt den später hinzu-
getretenen Geleisen der Verbindungs-
bahn wurden mittels Verschwenkungen
um den Bahnhof herumgeführt. Alle
Geleise des Güterbahnhofes sind hier
auf beiden Seiten mittels Weichenslrassen
zusammengefasst, so dass die Züge von
beiden Seiten, von der Südbahn, wie
von der Verbindungsbahn, in alle Grup-
pen einfahren können Den Mittelpunkt
der Anlage bilden zwei Reihen von
Magazinen und Rampen mit einer ge-
1, unter den Geleisen geführten
FF ACHTENBAHNHOF MATZLEINSDORF.
der Zeiten überdauert, Ihre ungestörte
Symmetrie zeigte noch immer das Bild
ihrer einstigen Zusammengehörigkeit und
erzählte von der gemeinsamen Ent-
steh ungs- Geschichte der beiden grössten
Eisenbahn - Unternehmungen der Mon-
archie. [Abb. 199.]
Für den Güterdienst der SUd-
bahn in Wien hatte durch Jahre die
kleine Anlage in Matzleinsdorf ge-
nügen müssen, welche noch unter dem
Staatsregime an Stelle der dortigen
Personenhaltestelle errichtet worden war.
Im Jahre 1865 hatte der Güterumsatz
in Wien bereits 300.000 / erreicht,
so dass ein geordneter Verkehr nur
unter grossen Schwierigkeiten und mit
erheblichen Kosten aufrecht erbalten
werden konnte. Man entschloss sich da-
her, die Ladestelle Matzleinsdorf nach
einem umfassenden Gesammtproject zu
einem grossen Güterbahnhof auszu-
bauen, welcher unter Bolze in der
Zufahrtsstrasse und aussen liegenden
Verschubge leisen. Eine dritte Geleise-
gruppe bedient die Kohlenrutschen.
Mehrere Dreh Scheiben Strassen unterstützen
die Rangirung und die Wagen Zustellung.
Im Jahre 1861 war bereits neben dem
Personenbahnhof an Stelle des alten
Heizhauses eine Remise für 40 Maschinen
und eine grosse Werkstätte errichtet und
die Wasserversorgung mittels Donau-
I wassers durchgeführt worden. Der eigent-
I liehe Umbau des Personenbahnhofes, der
angesichts der herannahenden Weltaus-
stellung doppelt geboten war, konnte erst
in den Jahren 1868— 1873 unter Flattich
erfolgen. [Abb. 203 und 203.] *) An ein Kopf-
gebäude, das die imposante Halle und eine
grosse zweitheilige Aufgangs treppe auf-
nahm, wurden zwei Längsgebäude mit
Gepäcksräumen, den hocbgelegenenWarte-
Sälen und Bureaux an {je sc blossen. Fünf
von der Halle überspannte Geleise, deren
Zahl in den Achtziger-Jahren auf sechs
erhöht wurde, sind in drei Gruppen
angeordnet, die von den zwei Längs-
und den zwei Zungenperrons, welche
von einem Slirnperron ausgehen, um-
schlossen werden. Da alle HaJlengeleise
mit den zwei Hauptgeleisen durch doppehe
Weichen Strassen in Verbindung stehen,
so ist es durch eine solche Perronanlage
ermöglicht, die Züge unabhängig von
einander und in kürzesten Zeitintervallen
abzufertigen. Bereits im Jahre 1873 hatte
derneue Bahn-
hof in einer
Frequenz von
vier Millionen
Passagieren
die Feuerpro-
be seiner Leis-
tungsfähigkeit
zu bestehen.
Der Bahn-
hof der Staat s-
eisenbahn-
Gesellschaft
in Wien war
durch den Bau
der Ergän-
zungslinien
nach Brunn
und Marche^ Abb. »i. k»1id fut >cbw*re 1
mit einem
Schlage der Mittelpunkt eines einheitlich
geleiteten Netzes von 1597 km geworden
und bedurfte daher der Ausgestaltung zu
einem grossen Centralbahnhof filr GUter-
und Personenverkehr. Für den Umbau des
Raaber Bahnhofes, der in den Jahren
1867—1870 unter G. v. Rupperl er-
folgte, stellten aber die örtlichen Verhält-
nisse ganz andere Gesichtspunkte in den
Vordergrund, als dies bei seinem Nachbar
von der Südbahn kurz zuvor der Fall ge-
wesen. [Vgl. Abb. 203.] Hier war es gelun-
gen, neben dem alten Bahnhof eine Fläche
von fast 170OW Länge und 600 m Breite
zu erwerben, die keine öffentlichen
Wege berührte und daher ftir die Anlage
des Güterbahnhofes sehr geeignet war.
Die hohe Lage des alten Raaber Bahn-
hofes, für welche seinerzeit blos die
Rücksicht auf die Symmetrie mit dem
Bahnhof der Wien- G logg nitzer Bahn mass-
gebend gewesen war, hatte keine innere
Berechtigung mehr. Denn das durch die
Forderungen der Schiffahrt gegebene
Niveau der Donaucanal- Brücke im Zuge
i der neuen Linie nach Stadlau hätte ein
I für den Betrieb sehr nachtheiliges Gefölle
I vom Bahnhof aus nothwendig gemacht.
Sprach schon dieser Umstand für die
Abtragung und Tieferlegung des zu er-
j weitern den Personenbahnhofes, so trat
I noch ein anderer ausschlaggebender
I hinzu, dass es nämlich für die Erleich-
I terung des Betriebes geboten war, den
Güter- und
Personenbahn-
hof in gleiche
Höhe zu legen,
was unter Bei-
behaltung des
alten Niveaus
für den Güter-
bahnhof eine
grosse
Anschüttung,
Schwierigkei-
ten in der
Materialbe-
schafTungund
zwecklose
Kosten verur-
sacht hätte.
-aaten auf dem Fracbleababahof So wurde
'*"''•"'■ denn der alte
I Personenbahnhof unter steter Aufrecht-
■ haltung des Betriebes abgetragen und durch
I einen in Strassenhöhe liegenden Neubau
I ersetzt, der zwei Längsgebäude, eine zwei-
gelheilte Halle und sechs durch einen
Zwischenperron in zwei Gruppen getheilte
I Geleise umfasst. Die für die Abfahrt be-
' stimmten drei Geleise sind hier mittels
I Drehscheiben für daä Umsetzen von
Wagen, die Ankunfts gel eise mittels
I Weichen zum Ausschieben der Zugs-
maschine miteinander verbunden.
I Der neue Güterbahnhof erhielt eine
Theilung nach den drei Hauptlinien der
I Bahn: der nördlichen, südlichen und der
1 südöstlichen, welche Theilung auch in
den drei Gruppen der Magazine und
Rampen, der zugehörigen Lade- und
Rangirgeleise festgehalten ist. Zwischen
I je zwei Magazinsstrassen sind noch
346
BAHN HOF ASLACE DER SLDBAHN.
Freilade gel eise an-
geordnet. Die La-
gerfläche betrug
144,000 t«'. Zu En-
de der Achtziger-
Jahre wurden die
Anlagen nochdurch
Getreideschupfen
und einen Hohpro-
ducten-Bahnhof für
Kohle, Holz und
Petroleum vervoll-
ständigt.
Die grosse Er weit
des Wiener NordV
h o f e s im Jahre
welcher durch den D
arm eine natürliche G
gesetzt war, wurde
den mächtig angc
senen Verkehr rasch
holt. Innerhalb der
sten fünf Jahre wa:
Güterverkehr der
bahn wieder auf
Uoppelte,aiif3-6Mil]
Tonnen, gestiegen, ;
sondere hatte der K«
verkehr und insbeso
die Kohlenabgabe in
eine Höhe erreicht, w
die Anlage eines a
dehnten Kohlenb
hofes dringend erfor
Aber erst nachden
schwebende Frage dt
nauregulirung bei
entschieden und dam
umzulegende Trace
sehen \Vien und Fl
dorf festgestellt
konnte der Anschlus
künftigen Güterbahr
an die neue Ausfahrt
und so seine ganze
theilung bestimmt wt
[Vgl. Abb. 204.] Zwi
den Jahren 186g und
wurde diese gross; ^_
Erweiterung unter R. v. Stockert Die Ausbreitung der Bahnhofs fläche Über
durchgeführt ; für die Bahnhofsdämme 36 Hectare bedingte unter Anderem die
war eine Anschüttung von i'/j Millionen Einlösung eines grossen Häusercomplexes
Cubikmetern, die dem neuen Donau- — des Fischerdorfes — das 50OO Menschen
bett entnommen wurden, erforderlich, beherbergt hatte. Nach Cassirung des im
348
Bogen gelegenen Kohlen da mm es konnte
das Plateau, das die Magazine und
Rampen trug, erweitert und die Magazins-
fläche durch Neubauten wieder auf das
Doppelte des bisherigen Bestandes — auf
17.H60 m* ■— erhöht werden. Der neue
Kohlenbahnhof wurde durch die An-
schüttung von vier weiteren parallelen,
bis 900 »M langen Dämmen gewonnen,
deren Böschungen vorwiegend mit
Kohlenrutschen besetzt sind. Mit diesem
Umbau war jenes Gesammtbild des Bahn-
hofes geschaffen, welches auch der heutige
Bestand zeigt, trotz mancher nicht un-
wesentlicher Ergänzungen, welche ihm
die letzten Jahre gebracht haben.
des Bahnhofes gerade an jene Stelle
forderte, die zwischen Berg und Meer
kaum den nothdUrftigen Raum fUr eine
Communalstrasse offen liess, die sich aber
durch die geschützte Lage der Rhede
für die Anlage des Hafens besonders
empfahl.
Das Terrain für den ganzen Bahnhof,
wie für die Strassen und Plätze seiner
Verbindung mit der Stadt mussten erst
dem Meere durch bedeutende Anschüt-
tungen abgerungen werden, für die Quai-
mauern und Molos durch Versenkung
grosser Beton- und Steinmassen und durch
Ausbaggerung von Seeschlamm der feste
Untergrund geschaffen, für die Gebäude
Eine technisch wie wirthschaftlich |
gleich bedeutsame Umgestaltung erfuhr
in diesen Jahren der Bahnhof in Tri est.
Die erste Eröffnung dieses Balinliofes, im
Jahre 1857, war in berechtigter Weise
mit den grössten Erwartungen begrüsst
worden. War ja mit seinem Bau endlich j
die Linie geschlossen, welche Wien und
die Provinzen mit dem Adriatischen Meere '
verknüpften, dessen Erschliessung für den |
Österreichischen Export befruchtend auf
Industrie und Handel zurückwirken musste ! |
Die Central- Direction für die österreichi- ;
sehen Staatseisenbahn-Bauten in Wien, 1
unter deren Oberleitung der Bau dieses
Bahnhofes sowie der ersten Hafenanlage
erfolgte, hatte dessen Bedeutung wohl
zu würdigen gewusst ; sie war nicht vor
den grossen technischen Schwierigkeiten 1
zurückgeschreckt, welclie die Verlegung |
des Bahnhofes' über zehntausend Piloten
eingerammt, die Wildbäche Martesin und
Klutsch in weit überwölbten Canälen
unter den Bahnhof durchgeführt werden,
eine Reihe von öffentlichen und Privat-
gebäuden musste abgetragen, die Marine-
Akademie verlegt und dem herrschenden
Wassermangel durch die grossartige
Auresina- Wasserleitung begegnet werden.
Leider wurden aber dieser weisen
Opferwilligkeit, welche angesichts dei
grossen Aufgabe auch vor grossen
Kosten nicht zurückschreckte, an e '
Stelle Schranken gezogen, die den dauern-
den Erfolg der ganzen Anlage wesent'
lieh beeinträchtigten. Um die angren-
zende<Juaranlaine-Anstalt, das neue Laza
reth und seine ausgedehnten Baulich-
keiten zu schonen, die, am Fusse eines
Bergabhanges liegend, nicht umgangen
werden konnten, wurde die Bahn mittels
eines 7 tn hohen Viaductes über dieselben
hin weggeführt, der die Höhenanlage des
ganzen Bahnhofes mit 10 fn über dem
Seespiegel bestimmte. Wie vortheilhaft
auch anfangs die hiedurch gegebene
etagenförmige Gliederung des Aufnahms-
gebäudes und der Magazine erschien,
da sie in einfachster Weise die Trennung
des Freihafengebietes vom Zollgebiete
gestattete, so war doch der Bahnhof 1
gleichsam auf einen Isolirschemel ge- I
stellt, der Güterverkehr zwischen Schiff l
und Bahn durch den grossen Höhenunter- I
schied wesentlich erschwert und die Aus- 1
dehnung des Bahnhofes behindert. |
BAHNHOF UND HAFEN V
anlagen. 34g
stieg, begann sich die Beengtheit des
Bahnhofes wie des Hafens gegenüber so
grossen Anforderungen, die Erschwernis
der GUtermanipulation infolge der hohen
Lage der Geleise, und der Mangel an
geeigneten Lade Vorrichtungen, wie eine
drückende Fessel für den Handel fühlbar
zu machen. Der Verkehr drängte über
die künstlich errichteten Grenzen hinaus;
nachdem alle vorhandenen Plätze des
Bahnhofes, auch jene für das künftige
Aufnahmsgebäude für Zwecke des GUter-
dienstes ausgenützt worden waren, muss-
ten die hohen Umfassungsmauern des
Bahnhofes durchbrochen und die Geleise
mittels Rampen in das untere Niveau
In der gesammten Austheilung des
Bahnhofes waren die besten Grundsätze
der damaligen Bauweise zur Geltung
gekommen und die Dimensionen, den
Erfahrungen entsprechend, reichlich be-
messen. Zwei Magazine von 290 m Länge
mit einem Lagerraum von über 3 1 .000 >m*,
Kohlenmagazine mit einer Vorrichtung,
um die Kohle aus den Bahnwagen über
bewegliche Rutschen unmittelbar in die
Schiffe zu entladen, eine Rampe für Holz
und die zugehörigen Geleise bildeten einen
gesonderten Güterbahnhof, während statt
des gross angelegten Personenbahnhofes
vorläufig ein provisorisches Aufnahms-
gebäude diente. [Abb. 205 und 206.]
Indem sich aber der Güterumsatz des
Triester Hafens vom Jahre 1858 bis zum
Jahre 1865 auf das Fünffache erhöhte
und in diesem Jahre bis auf 1,000.000 f
geführt werden, theils um die unmittel-
bare Verladung zwischen Schiff und
Bahn wagen zu ermöglichen, theils um
die unten aufgestellten GUterschupfen
zu bedienen.
Durch diese vom Bedürfnisse erzwun-
genen provisorischen Bauten war aber die
Richtung gewiesen, in welcher allein
der so dringend gebotene Umbau und
die Erweiterung des Bahnhofes erfolgen
konnte: er musste von seiner Höhe herab
in ein tieferes Niveau verlegt werden.
Aber erst nachdem das Project für den
grossen, auch gesteigerten Anforderungen
entsprechenden Hafen mit drei Bassins fest-
gestellt worden war, dessen Ausführung
die Zeit vom Jahre 1867 — 1874 in An-
spruch nahm, konnte der Umbau des
Bahnhofes selbst im Jahre 1872 nach
dem Projecte von W. Flattichin Angriff
genommen werden. Die Quarantaine
I ■ hatte inzwischen den Platz geräumt
!* und so konnte der Bahnhof in
i Strassenhöhe sich in der Richtung
gegen Wien und gegen den Hafen
I erweitern.*) [Abb. 207,] Gegen das
- Meer zu wurden drei Magazine
j mit ausreichenden Geleisen, gegen
! Triest ein gesonderter Rohproduc-
I ten- Bahnhof mit Strassenlade-Ge-
I leisen angelegt. Hierauf erst konnte
der neue Personenbahnhof, ein
Kopfgebäude mit anschliessenden
Längs gebäuden, ausgelährt werden.
Eine neue grosse, halbrunde Loco-
motivremise und eine kleine Werk-
stätte wurden derart situirt, dass
der Grundcomplex abgerundet, die
Mi ramare- Strasse in schönem Zuge
unmittelbar neben dem Aufnahms-
Gebäude über die alte Bahnhofs-
fläche geführt werden konnte,
während von der bestandenen Heiz-
haus- und Werkstätten an läge nur
das langgestreckte Hauptgebäude
nunmehr jenseits der Strasse verblieb
und zu einem Wohngebäude um-
gestaltet wurde.
An den alten hochgelegenen
\ Bahnhof erinnerte nichts mehr, als
die zwei grossen Magazine, die in
ihrer Höhenlage belassen und mittels
steil ansteigender Geleise zugänglich
gemacht wurden. An ihren Enden
wurden sie durch einen Silo als
Querbau verbunden. Es war dies in
Oesterreich der erste jener gross-
artigen Elevatoren, die zur Aufspei-
cherung des mit der Bahn zuge-
fllhrten und mittels Schiffen zuexpor-
tirenden Getreides dienten. Das Ge-
treide gelangte hier aus den Bahn-
wagen in lief gelegene Trichter,
aus denen es mittels der von Dampf-
maschinen betriebenen Patemoster-
werke gehoben und mittels Trans-
portbändern und Transportschnecken
in die 474, an 13 m hohen quadra-
tischen Kästen [Silos] vertheilt
wurde, welche sich unmittelbar ins
Schiff entleerten. Da jeder Kasten
•) L'eber den Hafen und seine der
jüngsten Zeit angehörigen Magazins-
bauten siehe S. 364.
looo Meter-Centner Getreide fasste, so
war der Elevator zur Aufnahme von nahe-
zu einer halben Million Centner geeignet.
Leider hat die vollständige Unterbindung
des seinerzeit so lebhaften Getreideexportes
den Elevator seit einer Reihe von Jahren
seiner Bestimmung entzogen. [Abb. 208
zeigt noch den erst im Jahre 1880 abge-
tragen en Vi ad u et, während die Erweiterung
des Bahnhofes und des Hafens bereits
durchgeführt ist.]
Auch für den beengten Bahnhof der
Staatseisenbahn-Gesellschaft in
Prag war endlich die befreiende Stunde
gekommen. Die Stadtmauern, welche den
Bahnhof seit seiner ersten Anlage [vgl.
Abb. 187] in der Mitte durchschnitten und
die Verkehrs anlagen auf einen Raum von
230 m Länge und 140 m Breite ein-
schränkten, bildeten ein unübersteigbares
Hindernis für seine planmässige Erweite-
rung. Zwar wurde noch im Laufe der
Sechziger-Jahre vor den Thoren ein Theil
des Güterbahnhofes untergebracht, die
Werk Stätte bedeutend vergrössert, im
benachbarten Bubna der Güter- und Zug-
förderungsbahnhof zur Entlastung der
Prager Anlage erweitert. Aber erst
nachdem im Jahre 1871 die Bastei ge-
fallen war, konnte der Bahnhof unter
De Serres jene Ausgestaltung erhalten
[Abb. 209], die er noch heute fast unver-
ändert zeigt. Die beiden Hauptlinien von
Wien und Bodenbach sind durch einen
Bogen derart verbunden, dass Transito-
züge ohne Berührung des Bahnhofes durch-
gehen können, die Einfahrtshauptgeleise
der beiden Linien sowie die Ausfahrls-
geleise sind neben einander geführt und
einerseits an einen Längs-, andererseits
an den Zwischenperron gelegt. Durch
den letzteren wurden die Erschwernisse,
die sich aus der Benützung dieses Kopf-
bahnhofes für durchgehende Züge er-
geben, gemildert und seine Leistungs-
fähigkeit erhöht. Der Güterbahnhof er-
scheint durch ausgedehnte Magazine und
Geleise und durch einen tiefgelegenen
Kohlenbahnhof erweitert, dessen Zu-
führungsgeleise unter den Hauptgeleisen
geführt sind. Aber durch den ersten,
grundlegenden Fehler in der Anlage dieses
Bahnhofes als Kopfstation und durch die
rasch fortgeschrittene Verbauung waren
Ernst R eitler.
auch seiner Erweiterung Grenzen gezogen,
die eine freiere Anordnung und die
räumliche Ausdehnung nachtheilig be-
einflussten.
Unter den grossen Bahnhöfen der in
dieser Periode neu erbauten Linien, bei
welchen die Disposition frei war von
jener einschränkenden Rücksicht auf das
Bestehende, die bei der Umgestaltung
und Erweiterung eines alten Bahnhofes
immer mehr oder weniger ins Spiel tritt,
ist der unter Hell wag erbaute Nord-
westbahnhof in Wien besonders
Wenn auch die hervorragenden Lei-
stungen im Bau der grossen, planmässig
angelegten Endbahnhöfe den in Rede
stehenden Abschnitt der Geschichte der
Stationsanlagen das Gepräge geben, so
hielt doch auch die Thätigkeit in dem
Bau und der Erweiterung der Zwischen-
und Theilungsstationen bezüglich der
Vermehrung der Geleise, der Lademittel
und Heizhäuser mit dem mächtigen
Verkehrsaufschwung gleichen Schritt.
Vom Jahre 1868 bis 1873 hatte sich
die Betriebs länge der Nordbahn und der
beachtenswerth. Das durch seine über-
sichtliche Gliederung und seine reiche Di-
mensionirung ausgezeichnete Project kam
bis heute nur theilweise zur Ausführung.
Da die Verhandlungen über die Ein-
bindung des Personenbahnhofes in die ge-
plante Fortsetzung der Wiener Verbin-
dungsbahn nicht zu einem Erfolge führten,
so wurde dieser als Kopfstation angelegt.
Magazins- und Geleiseanlagen sind in drei
Gruppen getheilt, von denen zwei dem
Stückgüter- und eine dem Rohproducten-
Verkehr dienen. Die beiden, durch den gan-
zen Bahnhof geradlinig geführten Haupl-
geleise, die Einfahrtsge leise der genannten
drei Gruppen des Lastenbahnhofes, femer
des Kohlen- und des Maschinenbahnhofes
vereinigen sich an der Wurzel der ganzen
Anlage in einem Signalbahnhof, der von
einem hohen Signalthurm beherrscht wird.
Staats eisen bahn -Gesellschaft von iHookm
auf circa 2200 km, also um ao^ erhöht,
die Nebengeleise hatten dagegen um 6o''/o
bis auf etwa 1000 km zugenommen,
während zugleich das Doppelgeleise von
400 km auf 700 km vermehrt worden
war. Die Nordbahn allein investirte
' in dieser Zeit ein Capital von etwa
I 15,000.000 fl., um ihre Stationen auf
I der Höhe der Verkehrs- Anforderungen zu
erhalten.
Die zahlreichen, an den Grenzen er-
öffneten Bahnanschlüsse bedurften einer
I besonderen Ausbildung der Durchgangs-
I Station für die Aufgaben des Grenz-
I Verkehrs. Im Bahnhofe Tet sehen
der Nordwestbahn wurde diesen Forde-
rungen auf Beschleunigung der ZoU-
. manipuiation und des ZugUherganges
I unter m()glichster Ausnützung des Raumes
durch eine glückliche Lfisung entsprochen.
[Abb. 210 und 311.] Der ganze Bahn-
hof bildet ein flaches, gleich schenkeliges
Dreieck, dessen langgedehnte Basis die
zwei Gruppen der bis 900 m langen
Uebergabsgeleise bilden, zwischen welchen
die Transite Zollmagazine liegen. Der eine
der zwei kürzeren Schenkel dient dem
OrtsgUterdienst, der andere dem Personen-
verkehr. Der Bahnhof der Böhmischen
Nordbahn ist hier an jenen der Nord-
westbahn derart angeschlossen, dass eine
gemeinsame Zufahrtsstrasse die beider-
seitigen Magazine, wie die beiderseitigen
Aufnahmsgebäude bedient, welch letztere,
in ungleicher Höhe gelegen, durch einen
verglasten Gang mit einander in Ver-
bindung stehen.
durch die ganze Station bis über die
Endweiche hinausgeführt und in das Ne-
bengeleise erst zurUck gedrückt werden
mussten. Auf eingeleisigen Strecken,
wo die Spitzweichen nicht gänzlich um-
gangen werden konnten, wurde im Inter-
esse einer geregelten Zugseinfahrt jede
Zwischen Station [vgl. Abb. 213] zwei-
geleisig angelegt, so dass die haltenden
und sich bewegenden Züge immer die
linke Fahrtrichtung einhielten; und indem
diese Geleise hiebei gegeneinander ver-
setzt wurden, war das Befahren der
Spitz weiche im Bogen vermieden und
so wenigstens die Einfahrt in der Ge-
raden bewirkt.
Aber die beiden genannten Massregeln,
die im Jahrei 876 durch ministerielleVerord-
In den mittleren und kleinen
Zwischenstationen wurde in
dieser Periode der beginnenden Be-
schleunigung der Fahrten die Siche-
rung des Zugsverkehrs insbesondere in
Hinsicht auf die durchgehenden Schnell-
züge für die Geleiseanlage bestimmend.
Bereits in den früheren Jahren war
das Bestreben aufgetreten, die gegen
die Spitze befahrenen Wechsel im Zuge
der Hauptgeleise möghchst zu vermei-
den. Nunmehr wurde aber diese For-
derung systematisch festgehalten und in
Stationen doppelge leisiger Linien,
wie St. Peter-Seitenstetten fvgl. Abb. 212]
oder in dem älteren Cilli [Abb. 194b)
jede Spitzweiche grundsätzlich
vermieden. Dadurch war die unmittel-
bare Einfahrt der Züge in ein Neben-
geleise unmöglich gemacht, so dass sie
nungen verbindliche Kraft erhalten hatten,
bildeten doch nur eine vorübergehende
Episode in der Geschichte des Stations-
baues. Denn einerseits erwies sich der
Vorlheil für die Sicherheit des Betriebes,
der mit dem beschwerlichen Zurück-
schieben der Züge aus der freien Strecke
in das Nebengeleise erkauft werden
sollte, als ein sehr fraghcher und der
Weichenbogen, den nun alle Schnellzüge
der eingeleisigen Bahn durchfahren
mussten, als sehr belästigend — anderer-
seits wurden diese Massnahmen durch
die Verbesserung der Wei ebene onstruc-
tionen und durch die gesicherte Central-
stellung der Weichen bald überboten.
Wenn man daher auch noch heute die
Zahl der Spitzweichen in den Haupt-
geleisen möglichst einschränkt, so unter-
lässt man es doch nicht, die, oft
mehr als 700 m langen Nebengeleise,
an beiden Enden ins Hauptgeleise ein-
zubinden. Um dabei in Zwischen-
stationen doppel gel eisiger Bahnen die
Kreuzung eines Hauptgeleises zu ver-
meiden, werden die Nebengeleise zu bei-
den Seiten der Hauptgeleise vertheiJt.
[Vgl. Abb. 214.] In Zwischenstationen
ein geleisiger Bahnen wird das Haupt-
geleise wieder wie vor Jahren an bei-
den Stationsenden geradlinig geftlhrt.
Die Gebäude werden in beiden Fällen
mit Rücksicht auf fallweise Erweiterungen
möglichst auf einer Seite vereinigt.
STATION ST. PETEH-SEITENSTETTEN,
Bahnhofsanlagen.
355
IV. Der Stationsbau der jüngsten Zeit.
Mit dem Beginne der Achtziger-
Jahre erhielt der Eisenbahn-Verkehr von
Neuem eine anfangs sanft ansteigende
Tendenz, die aber bald unter der Einwir-
kung eines rasch erstandenen und ausge-
dehnten Localbahnnetzes, unter dem bele-
benden Einfluss tarifarischer Massnahmen
und der gebesserten allgemeinen wirth-
schaftlichen Lage, trotz der Ungunst zoll-
politischer Verhältnisse, in steiler Linie
zu einer Höhe hinaufführte, die alles
Frühere weit hinter sich Hess. Welch un-
gleich grössere Leistung war den Stationen
vom Jahre 1895 gegenüber jenen vom
Jahre 1873 zugefallen, wenn auf den
Bahnen der Monarchie statt der dama-
ligen 44 Millionen Passagiere, nunmehr
146 Millionen, statt der 34 Millionen
Tonnen 107 zum Transport gelangten,
statt der 53 Millionen Zugskilometer
deren 164 aufgewiesen wurden! War
auch in dieser Zeit das Bahnnetz um
80% gewachsen, so fiel doch bei dem
Umstand, als der Zuwachs meist Local-
bahnen und Bahnen zweiter Ordnung
betraf, der grösste Antheil der Mehr-
leistung bei diesem auf das Dreifache
gestiegenen Verkehre den bestandenen
Hauptlinien zu. So zeigte die Südbahn
bei fast unveränderter Betriebslänge eine
Zunahme des Personenverkehrs von
9*2 auf 19 Millionen Passagiere, des
Güterverkehrs von 4*2 auf 8*7 Millionen
Tonnen; die Nordbahn, deren Haupt-
bahnnetz durch den Bau minderwerthiger
Linien um ein Viertel der Länge ver-
mehrt worden war, ein Anwachsen
von 3*3 Millionen Passagiere auf 10,
und von 4 auf 1 1 Millionen Tonnen
Fracht. Die belebtesten Bahnhöfe er-
reichten dabei eine tägliche Wagenbewe-
gung von mehr als 9000 Wagen und
eine Frequenz von mehreren Hundert
Zügen.
Der grosse Apparat, der für die
Bewältigung eines so mächtigen Ver-
kehrs in Bewegung gesetzt werden
musste und der desto rascher functioni-
ren sollte, je mehr er an Umfang ge-
wann, musste naturgemäss ungleich
zahlreichere und bedeutsamere Gefahr-
quellen hervortreten lassen, denen zu
begegnen war, und musste ein desto
sichereres Ineinandergreifen alier Theile
erfordern, als jede Stockung in diesem
Getriebe weit zurückwirkte und sich in
dem grossen Haushalt der Bahnen un-
gleich empfindlicher fühlbar machte.
Das Streben nach weitestgehender Si-
cherheit und nach möglichster Oecono-
m i e ist es daher, das dem Stationsbau der
jüngsten Zeit die Signatur verleiht und
das namentlich zu jenen grossen modernen
Knotenpunkts- Bahnhöfen führt, die den
Höhepunkt unserer Bahnhofstechnik be-
zeichnen.
In den Einrichtungen für die centrale
Weichen- und Signalstellung
war dem Eisenbahn-Betrieb ein neues,
wirksames Mittel an die Hand gegeben,
ohne welches es kaum möglich gewesen
wäre, die Ein- und Ausfahrt der ZiXgt
bei deren rascher Folge in noch halb-
wegs übersichtlichen Stationen mit Ver-
lässlichkeit zu sichern. Von der Mitte der
Siebziger-Jahre an hatten diese Einrich-
tungen in schrittweiser Vervollkommnung
den Aufstieg des Verkehrs begleitet.
Durch die Zusammenziehung der Stell-
vorrichtung mehrerer Weichen in einen
Centralapparat war zunächst der Vor-
theil gewonnen worden, das Umstellen
der Weichen der Möglichkeit eines Miss-
griffes seitens des unter gefährlichen
Geleise-Ueberschreitungen hin- und her-
eilenden Weichenwärters zu entziehen.
Den gefahrbringenden Irrthümern des
Centralwärters selbst wurde später durch
die im Apparate hergestellte Abhängig-
keit zwischen Weichen und Signalen
vorgebeugt, indem die Signalisirung der
erlaubten Einfahrt erst nach der »Verrie-
gelung« der Weichenstrasse erfolgen
kann, die selbst an die richtige Stellung
aller zugehörigen Weichen gebunden ist
Da endlich die immer raschere Folge
der ZVige noch die Gefahr einer vor-
zeitigen Umstellung der W^eichen sei-
tens des Centralwärters unter dem
darüber befindlichen Zucr aufkommen
liess, so wurde ihm durch die Ein-
führung des »Fahrstrassen- Verschlusses«
23*
356
Ernst Reitler.
die Möglichkeit benommen, die Entriege-
lung und Umstellung der Weichen vor-
zunehmen, so lange nicht der Stations-
beamte von seinem Bureau aus den
Fahrstrassen-Verschluss mittels des Block-
apparates elektrisch auslöste oder so
lange nicht der Zug selbst nach Passi-
rung der letzten Weiche diese Auslösung
mittels eines automatisch wirkenden elek-
trischen Schienencontactes bewirkte.
Aus dem Bedürfnis nach Sicherung
der Zugseinfahrten in den Stationen her-
vorgegangen, wirkte die Einführung der
Stellwerke selbst auf den Stationsbetrieb
und auf die Geleiseanlage zurück, indem sie
ein um so klareres, der Einrichtimg des
Apparates entsprechendes Bild aller Zugs-
bewegungen erforderte. Jeder Fahrtrich-
tung der Personenztlge wird nun ein be-
stimmtes Hauptgeleise zugewiesen, das
— namentlich in Stationen mit leb-
hafterem Verkehr — von allen Manipu-
lationen möglichst unabhängig gemacht
wird. Die Zahl der Weichen in diesen
Hauptgeleisen — insbesondere jene der
Spitz weichen — wird auf das noth wen-
digste Mass beschränkt. Um die bis
dahin allgemein üblichen Verschiebungen
im Hauptgeleise zu vermeiden, bei denen
ein Zugstheil über die letzte Weiche auf
die freie Strecke gezogen und seine
Wagen über die Weichenstrasse in die
einzelnen Geleise vertheilt wurden, wird
nunmehr in Stationen mit bedeutenderem
Rangirdienst neben dem Hauptgeleise ein
gesondertes Auszugsgeleise angeordnet
[vgl. Abb. 217], in welchem die Rangi-
rung ohne Berührung des Hauptgeleises
erfolgt. Bei noch umfangreicherem Rangir-
dienst wird dieses Auszugsgeleise der-
art an die Nebengeleise angeschlossen
[vgl. Beilage Fig. 2], dass auch die Einfahrt
der Güterzüge in die Nebengeleise ohne
Behinderung der Verschubarbeit und
ohne Gefährdung durch den verschie-
benden Zug vor sich geht. In gleicher
Weise wie die Auszugsgeleise werden
auch Ablenkungsweichen [vgl. Abb.
248] zur Flankensicherung der auf den
Hauptgeleisen verkehrenden ZügQ und zur
Verhütung von Streifungen, Sandgeleise
zum Autfangen entlaufener Wagen und
dergleichen angeordnet. Auch die Ver-
bindung weiter auseinander liegender
Bahnhoftheile wird durch eigene Geleise
ohne Berührung der Hauptgeleise ver-
mittelt. Den Fahrten der Locomotive
ins Heizhaus, dem Zuschub reparatur-
bedürftiger Wagen zu den Werkstätten,
dem Verkehr zwischen den strenge getheil-
ten, den verschiedenen Dienstzweigen
zugewiesenen Bahnhofsbezirken werden
bestimmte Geleise vorbehalten. Kreuzun-
gen von Personenzugs-Hauptgeleisen im
Niveau werden in neuen Stationen mit
einigermassen lebhafterem Verkehr ebenso
auf der freien Strecke grundsätzlich ver-
mieden, jene mit Lastzugsgeleisen mög-
lichst eingeschränkt. In Theilungs- und
Kreuzungsstationen wird der Austausch
der Passagiere zwischen den einzelnen
Bahnlinien ohne Ueberschreitung der
Geleise ermöglicht, bei dem immer wach-
senden Verkehre endlich durch die Ver-
legung jedes Hauptgeleises an einen ge-
sonderten Perron und durch schienenfreie
Verbindung der Perrons untereinander
jedwede Geleiseüberschreitung seitens des
Publicums ausgeschlossen.
Alle diese Mittel für die erhöhte
Sicherheit des Verkehrs waren zugleich
die geeignetsten, den ganzen Betrieb zu
beschleunigen. Sie allein wären aber
nicht im Stande gewesen, den gewaltigen
Kreislauf der Wagen stets in dem ge-
botenen Fluss zu erhalten, wenn er nicht
in den Districten des dichtesten Verkehrs
durch die Anlage selbständiger und
leistungsfähiger Rangirbahnhöfe,
femer durch den weiteren Ausbau der
Güterbahnhöfe, namentlich hinsichtlich
der Lagerräume und Lagerhäuser
die kräftigste Förderung erhalten hätte.
In den wichtigeren Kreuzungs- und
Anschlussstationen, wo die Güterzüge aus
mehreren Richtungen zusammentreffen,
dort aufgelöst und zu neuen Zügen zu-
sammengestellt werden müssen, hatte
das Rangirgeschäft einen Umfang ange-
nommen, dem gegenüber sich die Er-
weiterung der alten Bahnhöfe durch den
steten Anschluss neuer Geleisegruppen
als unzulänglich erwies. Die hieraus sich
ergebende Ueberfüllung der Stationen
musste kostspielige Stockungen im ganzen
Zugsverkehr hervorrufen, die sich bei
lebhafterem Verkehre umso störender
fühlbar machten. Zu Ende der Siebziger-
Bahnhofsanlagen.
357
Jahre war ein österreichischer Bahnwagen
insgesammt nur etwa 33 Tage im Jahre auf
der Strecke in Bewegung, die andere Zeit
über war er durch die Lademanipulationen,
Uebergabe und Uebemahme von Wagen,
durch die Zollbehandlung u. s. w., insbe-
sondere aber durch die langwierigen V e r-
schubarbeiten in den Stationen fest-
gehalten. War es daher schon mit Rück-
sicht auf die bessere Ausnützung der
Wagen ein dringendes Gebot der Wirth-
schaftlichkeit durch zweckmässig ange-
legte, von den Güterbahnhöfen losgelöste
Rangiranlagen die Verschubarbeiten zu
beschleunigen, so drängten auch die
hohen, nicht zu unterschätzenden Kosten
der Rangirarbeit selbst zu solchen Mass-
nahmen. Erforderte doch die Ran-
girung der ZiXge auf den Bahnen der
Monarchie im Jahre 1878 schon einen
Aufwand von 5,000.000 fl., der bis
zum Jahre 1895 auf 8,500.000 an-
wuchs; und betragen doch allein die
Wege, welche die Maschinen bei dieser
scheinbaren Sysiphusarbeit in den Sta-
tionen zurücklegen, ein Viertel bis ein
Drittel der von den Zugsmaschinen für
den eigentlichen Transport geleisteten
Nutzkilometer !
Im Jahre 1870 hatte sich die Nordbahn
bereits genöthigt gesehen, neben dem
Kohlenbahnhof in Mähr.-Ostrau einen
selbständigen Rangirbahnhof zu errichten,
in welchem die von den Gruben kommen-
den Wagen verschiedenster Bestimmung
nach Richtungen und Stationen zu Zügen
formirt wurden. Auf diesem Bahnhof
wurden, wie in einzelnen ähnlichen
Anlagen kleineren Umfanges, die Wagen
von der sich hin- und herbewegen-
den Locomotive in die einzelnen hori-
zontal liegenden Vertheilungsgeleise ein-
geschoben. Wenige Jahre später wurde
durch die Einführung der in Sachsen und
England mit grossem Erfolge verwendeten
Ablaufgeleise eine wesentliche Ver-
besserung in diese Anlagen hineinge-
tragen. Indem auf diesen Verschubbahn-
höfen das Auszugsgeleise, auf welches
die umzurangirende Wagenpartie zu
stehen kommt, ein starkes Gefälle erhielt,
rollten die einzelnen Wagen und Wagen-
gruppen nach Lösung der Kuppelung
von selbst, infolge der Schwere in jenes
Geleise ab, für welches die Weichen ge-
stellt worden waren. Der Umstand, dass
sich bei solchen Ablaufgeleisen die Thätig-
keit der Maschine höchstens auf das ruck-
weise Vorwärtsschieben des Zuges um
einige Wagenlängen beschränken konnte,
dass also das Zeit und Kraft raubende
Hin- und Herbewegen der Wagen ent-
fiel, dass die Fahrzeuge mit bedeutenderer
Geschwindigkeit, also ungleich rascher in
die Geleise abrollten, wobei die rechtzeitige
und gefahrlose Umstellung der Weichen
von dem Centralweichenthurm aus besorgt
wurde, musste für die Leistungsfähigkeit
solcher Bahnhöfe und für die Oeconomie
ihres Betriebes von grösster Bedeutung
werden. In der That ergaben eingehende
Erhebungen, dass mit diesem Rangir-
verfahren im Vergleiche zu jenem auf
horizontalen Geleisen die zu leistende
Arbeit in der kürzesten Zeit, auf kleinstem
Raum, auf billigste Weise und mit der
geringsten Gefahr für Menschen und
Material bewerkstelligt werden konnte
und die seitherigen Erfahrungen haben
diese Vorzüge immer aufs Neue bestätigt.
Die Aussig-Teplitzer Bahn
ging damit voran, sich diese Vortheile
zu Nutze zu machen, indem v. Emperger
im Jahre 1876 in Aussig [Abb. 215] den
ersten Abrollbahnhof Oesterreichs erbaute.
Dem dortigen Bahnhof fällt — vom Per-
sonenverkehr abgesehen — die Aufgabe
zu, die vornehmlich aus dem böhmischen
Braunkohlenrevier kommenden Wagen
nach den einzelnen Verwendungsstellen
des ausgedehnten Elbeumschlages und
des Locodienstes in Aussig selbst, ferner
nach den Stationen der anschliessenden
Staats- und Nordwestbahn zu ordnen.
Zu diesem Zweck werden die einfahren-
den ZiXge aus den rechts der Hauptgeleise
liegenden Geleisegruppen auf die Ablauf-
geleise I, II und III überstellt, von wo
sie gleichzeitig in die Vertheilungsgeleise
abrollen. Im Jahre 1876 kam blos die
Rangirgruppe I zur Ausführung, die beiden
anderen, entsprechend dem gestiegenen
Bedürfnis, erst im Jahre 1882, nachdem
durch die Regulirung der Biela für sie
das Terrain geschaffen worden war. Die
auf die Aussig-Teplitzer Bahn zurück-
kehrenden leeren Kohlen- und sonstige
Güterwagen werden in einer gesonderten
358
Gekisegruppe gesammelt und zu Zügen
zusammengestellt.
Das wesentliche Zugehör aller Ran-
girbahnhöfe, der Umladepeiron eine
zwischen zwei Geleisen situirte schmale
Bühne, auf welcher die Wagen behufs
Vervollständigung der Ladung oder
behufs Ausscheidung beschädigter Fahr-
zeuge umgeladen werden, ist auch hier
entsprechend beigefügt.
Ein mächtiger Verkehr wird auf dem
Aussiger Bahnhof, auf verhältnismässig
beschränktem Raum, in Ordnung und
Sicherheit abgewickelt. Die Zahl der inner-
halb eines Tages den Bahnhof berühren-
den Züge steigt bis 250, die Wagen-
bewegung, d. i. die Summe der in der
Station ein- und austretenden Wagen bis
zu 9300 und die Zahl der abgeroJlten
Wagen bis 2400.
Auf der Kaiser Ferdinands -Xordbahn
kam eine Abrollanlage im Jahre 1880 unter
R. V. S t o c k e r t in der Station Mä h r. -
Ostrau-Montanbahn noch vereinzelt
zur Ausführung, bis Ast gelegentlich der
grossen Ergänzungsbauten der Nordbahn
im Jahre 1889 diese rationelle Rangir-
methode in grösserem Umfang bei den
Bahnhöfen Prerau, Mähr.-Ostrau
und Floridsdorf verwerthete.
Der Verschubbahnhof Prerau [vgl.
Beilage Fig. 2] ist typisch für eine Reihe
ähnlicher Anlagen. Neben den Hauptge-
leisen — von diesen durch ein Geleise ftlr
Maschinen fahrten getrennt — dehnt sich
der lange Zugsbahnhof, der zur Aufnahme
der einfahrenden und zur Formirung der
abgehenden Züge dient; an diesen schlies-
sen sich die Vertheilungsgeleise — hier
in zwei Gruppen — an, in welche die
Wagen aus den beiden zugehörigen Ab-
laufgeleisen abrollen.
Auf den Linien der k. k. Staats-
bahnen finden wir bereits um die Mitte
der Achtziger-Jahre die unter Bischoff
V. Klammstein erbauten Abrollbahn-
höfe B r i g i 1 1 en au bei Wien und N u s 1 e-
V r5o vice bei Prag. Unter Stanß wurde
in jüngster Zeit der Bau einer ganzen
Reihe grosser Abroll bahnhöfe in Angriff
genommen, von denen jener in Pilsen
[vgl. Beilage Fig. 4] bereits in Be-
trieb gesetzt wurde. In diesem Bahn-
hof, dem Kreuzungspunkt dreier Linien,
Beüage resp. Tafel i
» Bahnhofsanlagen * .
BAHNHOF PILSEN.
PERSONEN- UND GÜTER-BAHNHOF.
(NACH DEM UMBAU.)
!i Ib
BAHNHOF PILSEN 1895. [vor dem umbau.)
2-- -'- '^
BAHNHOF PRERi
Bahnhofsanlagen.
tretftin Züge aus sechs Fahrtrichtungen zu-
sammen. Indem sich hier der Zugsbahn-
hof, der die einfahrenden Güterzüge
aufnimmt, oberhalb der beiden Ablauf-
geleise befindet, künnen die eingelangten
Züge unmittelbar in eines derselben
Überstellt werden, ohne die Abrollarbeit
des anderen zu behindern, so dass bei 1
dieser Anordnung hintereinander
liegender Geleisegruppen auch jene Zeit '
für die Verschub arbeit nutzbar gemacht
ist, welche bei nebeneinander lie-
Staatsbahnen den Rangirbahnhof in
Brigittenau und in Penzing, der Wiener
Nordbahnhof jenen in Floridsdorf, die
Prager Bahnhöfe jene in Nusle-VrSovice,
in Bubna und in Lieben u. a. m.
Durch die seit den Achtziger -Jahren
eingeführte elektrische Beleuchtung, die
heute fast in allen grösseren Bahnhöfen
anzutreffän ist, wurde die Laschheit und
Sicherheit aller Manipulationen, die
Leistungsfähigkeit der Anlagen noch
weiter erhöht.
Abb. ite. Einfahrt- nnil VcrlhcllDnesgclclt
genden Gruppen, wie in den zuvor an- |
geführten Bahnhöfen, zum Einschieben der
Züge ins Ablaufgeleise erforderlich wird.
Die Loslösung des Rangirdienstes
vom tlüterbahnhof drängte sich vor
Allem in den Theilungs- und Kreuzungs-
stationen auf, in denen der Ortsverkehr
im Verhältnisse zu dem mächtigen
Durchgangsverkehr nur von untergeord-
neter Bedeutung war. Aber auch die
grossen Endbahnhöfe, die mit ausgedehn-
ten Geleiseanlagen für den lebhaften
Ortsgüterdienst versehen waren, mussten
bei den steigenden Forderungen durch
Vorbahnhöfe, die vornehmlich Rangir-
zwecken dienen, entlastet werden.
So erhielt in den letzten Jahren fast
jeder grosse Bahnhof seinen Vorbahnhof:
die beiden Wiener Bahnhöfe der k, k.
Mit dem Bau gesonderter Rangir-
bahnböfe, insbesondere mit Ablaufge-
leisen, war also ein neuer, erfolgreicher
Weg betreten, um jene unausweichlichen
Hemmungen möglichst einzuschränken,
welchen die Bewegung der gewaltigen
Wagenmassen durch die Auflösung und
Zusammenstellung der Züge unterworfen
ist. Durch die Vergrösserung der
Zwischenstationen, durch die Herstellung
von Ueberholungsgeleisen, nament-
lich aber durch die wesentliche Ver-
mehrung der Ausweichstellen auf
eingeleisigen Strecken, wurde in gleichem
Sinne auf die Verdichtung der Zugsfolge
überhaupt und auf die Minderung Jener
Erschwernisse hingearbeitet, welche die
immer zahlreicheren Personenzüge für
die ungehinderte Folge der Güterzüge
36o
:hr
luf
et,
361
ZU jener periodischen Wagennoth Anlass
geben, die von den Eisenbahnen wie vom
Publicum gleich drückend empfunden wird.
Der Wiener Nordbahnhof, dessen
Wagenumsatz durch den Bau des Ran-
girbahnhofes in Floridsdorf wesentlich
beschleunigt worden war, erhielt in
jüngster Zeit einen weiteren Kohlenbof
angegliedert, durch den sein Fassun^sge-
halt auf I \ Millionen Meler-Centner Kohle
und auf 1500 Wagenladungen Holz er-
höht wurde. Die weiten Dimensionen,
zu denen dieser Bahnhof damit an-
gewachsen war, rechtfertigt der Verkehr,
der sich innerhalb seiner Grenzen ab-
spielt. An lebhaften Tagen werden
hier über 10.000 t Güter umgesetzt,
worunter die Kohle allein bis zu 7000 /
ausmacht. Eine Wagenburg von über
3000 Fuhrwerken wird täglich mobili.sirt,
um die abgehenden Waaren zuzustreifen
und die angekommenen von den weit-
gedehnten Lagerplätzen und den Maga-
zinen der Bahn ihrer Verwendung zu-
zuführen.
Der im Zuge befindliche Neubau
des Güterbahnhofes Brunn bot Gelegen-
heit, die besten Erfahrungen für eine
ungehinderte und billige Gtltermani-
pulation in weitestem Umfange zu ver-
werthen.
Der Nordbahnhof in Brunn
war bis in die jüngste Zeit nur un-
wesentlich über das Territorium hinaus-
gewachsen, welches ihm nach seiner Er-
öffnung und nach Durchführung der
Linie nach Prag im Jahre 1849 zu-
gemessen worden war. Und wenn auch
in diesem engen Räume die Magazine
im Laufe der Jahre auf Kosten der
Werkstätte und der Heizhäuser nach
Möglichkeit erweitert worden waren,
der Bahnhof in Gerspitz und die »Filiale
Brtlnn* ihm einen Theil der Betriebs-
aufgaben abgenommen hatten, so mussten
seine Verkehrsanlagen doch hinter den
wesentlich gestiegenen Forderungen zu-
rückbleiben. Das Gesammtbild des Bahn-
hofes Brunn hatte sich allerdmgs durch
die Bauten der Staatseisenbahn-Gesell-
schaft wesentlich verändert, die nach
dem Bau der Linie nach Wien ihre
Magazine vergrössert und im Jahre 1886
den »unteren Bahnhof- zu einem grossen
Aufstellungs- und Rangirbahnhof um-
gestaltet hatte. Der Nordbahnhof selbst
konnte aber diesen Wandlungen nur
wenige Aenderungen gegenüberstellen.
Erst die Rücksicht auf erhöhte Sicherung
des mächtig angewachsenen Personen-
verkehrs, der auf diesem Bahnhol
Reisende von den zwei Wiener Linien,
von Prag, Prerau und
Tischnowitzzusammeii-
führte und der sich zum
überwiegenden Theil
auf der Nordbahn ab-
spielte, gab den ent-
scheidenden Anstoss zu
einem völligen Umbau
des Briinner Nordbahn-
hofes.
Zunächst wurde ein
neuer, ausreichender
Güterbahnhof erbaut,
um nach Cassirung des
allen Raum zu gewin-
nen für die Anlage eines
grossen, modernen Pe
Gemäss dem in Abb. 2
und in Ausführung befi]
wurde der ganze Viaduc
zawabrücke in den m
hof einbezogen, wodun
ausmass des BrUnner
auf das dreifache seim
Bestandes gebracht wu'
Magazinen und Rampei
güterverkehr sind die Sl
für den Rohproductenvei
während die Kohlenruts
der Stadt abgewandten I
legt sind. Durch die
Balinhofes über dem um
ist neben der Zufahrtsst
hochgelegene Magazinss
geworden, durch dere
im Anschlüsse an die Mi
gedehnte Lagerräume g'
In diese Lagerräume,
von der Zufahrtsstrasse
werden auch die Bahnvi
eine Rampe durch l
Drehscheiben, theÜs dir
. werken eingeführt. U
arbeit bei den langgestre
nicht durch das Zu- un
zelner Wagen unterbrec
wie dies bei denallgemei
hnigen Ladebühnen der
hier Ast die in Oestei
unbekannten zahnförmi
Anwendung, bei denei
fünf bis sechs Wagen
theilungen bezüglich dt
von einander unabhäng
363
Wicklung
nommen.
Der
Abb. 310. CmBchlagpiatze der Aq»ie-TepUUer
Der Kohlenbahnhof besteht aus strahlen-
förmig vertheilten Dämmen mit Rutschen.
[Abb. 218.] Die Geleise jedes Dammes
liegen in sanftem Gefäile, um das Ran-
giren der Wagen zu erleichtern, und
sind an ihrem Ende durch Schiebe-
bühnen für das raschere U eberstellen
entleerter Wagen verbunden. Ein ge-
sondertes Auszugsgeleise, Dreh- und
Laufkrahne, Aufzüge in den Magazinen
vervollständigen die Ausrüstung des
Bahnhofes.
Ein von den Bahnhöfen losgelöster
Zweig des Güterdienstes, der Umschlag
an schiffbaren Flüssen, ist in den
letzten zwanzig Jahren zu einem bedeut-
samen wirth-
schaftlichen Fac-
tor erstarkt imd
hat immer aus-
gedehntere An-
lagen erfordert.
Insbesondere
haben die nord-
böhmischenUm-
schlagplätze
parallel mit
der vorschrei-
tenden Reguli-
ning der Elbe in
diesem Zeitraum
der Aussig-
Teplitzer
Bahn in Aus-
sig trat bereits
im Jahre 1858
in Benützung.
Während zwei
Jahre später eine
Tagesleistung
von 55 Wagen
noch als au ss er-
gewöhnliches
Ereignis be-
grüsst wurde,
ist sie heute auf
Bahn in AuMig a. d. Elbe. 1400 Wagen ge-
stiegen, der jäht-
I liehe Güterumschlag — fast ausschliess-
j lieh Kohle — auf 1,500.000 t ange-
; wachsen. Die Schleppbahn läuft hier [vgl.
Abb. 219] mit zwei Geleisen, die 33 »«
über dem Normalwasser liegen , längs der
auf Beton fundirten Quaimauer oder auf
mächtigen Steinschlichtungen, von denen
aus die Kohlenwagen in die Boote ent-
laden werden. Die ursprüngliche Quai-
länge von 315 w stieg mit dem Baue
des ersten Hafens im Jahre 1864. und
mit jenem des zweiten, des Osthafens,
im Jahre 1891 bis auf 5 kyn. Die Häfen
sind durch Thore gegen Hochwasser ge-
schützt. Im Jahre 1886 wurde strom-
aufwärts der I km lange Umschlagplatz
c auf dem Umscblaeplati
364
Ernst Reitler.
für Stackgüter errichtet, wo auch drei
Dampfkrahne thätig sind, welche, längs
des Wassers ei tigen Krahngeteises laufend,
die Umladung zwischen Schiff und Bahn-
wagen oder Magazin vermitteln. [Vgl.
Abb. 319—221.]
Der Umschlagplatz der Nord-
westbahnin Laube [Abb. 222 und 233]
dient fast ausschliesslich dem StUckgUter-
Verkehr. Im Jahre 1872 von Hohen eg-
ger projectirt, dankt er den Anstoss zu
seiner Erbauung — die I 2 Millionen Gulden
erforderte — den im Jahre 1879 aufgestell-
ten Sperrtarifen des Deutschen Reiches,
welchen Maasregeln gegenüber der öster-
reichischen Industrie durch den Elbe-
Umschlag ein billiger, gemischter Export-
weg geboten werden konnte. Heute
weist der Umschlagplatz einen 2-3 km
langen Quai auf, dessen stromaufwärts
liegender Theil dem Import, der -abwärts
liegende dem Export bestimmt ist. An
die zwei Quaigeleise schliessen sich vier
Import- und zwei Export- Magazine und
eine grosse Petroleumrampe. Die weite-
ren Geleise für Aufstellungs- und Rangir-
zwecke sind durch Weichen und durch
zwei Dampf- Schiebebühnen verbunden.
Die reiche Ausstattung mit mechanischen
Vorrichtungenbeschleunigt die Verladung:
14 Dampfkrahne mit 8 — 10 tn Ausladung
und 2000 t Tragkraft laufen wie in Aussig
längs des wasserseitigen Krahngeleises
und sind mit Trommeln zum Herbei-
ziehen der Wagen versehen. Für die
Umladung des Getreides dienen acht
eiserne, trichterförmige, im Boden ver-
senkte Kasten, die das Getreide aus den
Bahnwagen aufnehmen und aus denen
es wieder mittels zweier fahrbarer Eleva-
toren auf eine selbstthätige Wage ge-
hoben und in die Schiffe entleert wird.
Die Gefahren des Hochwassers, dessen
Höchststand die Schienenhöhe in Aussig
um 5 tn, in Laube sogar um 8 m über-
ragt, erforderten besondere Sicherungen.
Um dem Hochwasser eine geringere An-
griffsfläche entgegenzusetzen, bestehen die
GUterschupfen des Umschlagplatzes in
Aussig aus eisernen, fest verankerten
Gerippen, die mit Wellblech gedeckt und
mit Holz wänden verschalt sind, welch
letztere zur Zeit des Hochwassers ent-
fernt werden. In Laube dagegen sind
365
die Schlipfen aus Holz und zerlegbar
eingerichtet, und werden sammt dem
etwa nicht abgefertigten Inhalt, ferner
sammt den beweglichen Ladekrahneii,
Schiebebühnen und Wechselständern,
kurz Allem, was nicht niet- und nagel-
fest ist, bei Hochwassergefahr nach
Tetschen zurückgeführt. Die Nothwendig-
keit, diesen Rückzug so rasch wie müg-
Tetschen, welche, mit entsprechenden
mechanischen Hebevorrichtungen ausge-
stattet, zur Aufnahme von Gütern dienen,
die nicht gleich zum Umschlag kommen.
Zu den Elbeumschlagplätzen in Aus-
sig und Tetschen, in Rosawitz und
Schönpriesen treten demnächst an der in
Kegulirung befindlichen Moldau die neuen
Umschlagplätze in Prag, die einen
Abb. 711. UnncblagplSl» der Oeiteirckhl
lieh durchzuführen, da zwischen dem ,
Aviso einer drolienden Ueberfluthung und
ihrem Eintritte in der Regel nur ein
Zeitraum von 20 Stunden liegt, femer
die Forderung, die Manipulation bei dem
gestiegenen Verkehr möglichst zu be-
schleunigen , drängten in den letzten
Jahren dazu, der bestandenen Zuführungs-
linie von Tetschen eine zweite unter
grossen Kosten anzufügen.
Gleichsam als Ergänzung der beiden i
genannten Umschlagplätze dienen die j
ausgedehnten Lagerhäuser in Aussig und |
weiteren Aufschwung des böhmischen
Seh iffahrts- Verkehrs erwarten lassen.
Die ReguHrung der Donau bei
Wien im Jahre 1873 gab den Anstoss
zum Bau der Wiener Donau-Ufer-
bahn, die theils mittelbar, theiJs un-
mittelbar alle in Wien einmündenden
Bahnen miteinander verbindet und in
deren Zuge dem Güterumschlag eine
Lände von ungefähr 8"6 km Länge
für das Anlegen der Schiffe und aus-
reichende Lagerhäuser zur Verfügung
stehen.
366
Abb. 134. Traieci
;, Kn
Eine interessante Verschmelzung von
Bahnhof und Hafen, von Eisenbahn- und
Schiffahrtsbetrieb bietet die im Jahre
1883 eröffnete Traject-Anstalt in
Bregenz [Abb. 224], in welcher die
Bahnwagen vom festen Geleise auf einen
Trajectskahn überstellt und über den
Bodensee geführt werden. Lieber 30.000
Wagen werden hier jährlich im An-
schluss an die Bahnen Badens, Würt-
tembergs und der Schweiz mittels der
Kähne überführt.
Auch der erste
Hafen Oesterreichs,
Tri est, hielt, seiner
Bedeutung entspre-
chend, mit dem ra-
schen Gange moder-
nerVerkehrsent Wick-
lung Schritt und die
umfassenden Ergän-
zungsbauten des letz-
ten Decenniums stell-
ten ihn in die vor-
derste Reihe der con-
tinentalen Seehäfen.
Der aus den .Sieb-
ziger-Jahren stam-
mende neue Hafen
mit seinen drei Bas-
sins hatte um das
Jahr 1880 sieben
grosse Lagerhäuser
und entsprechende Abb. 315. Hjdiauii
Manipulations-Geleise er-
halten. Mit der Aufhe-
bung des Freihafens, die
im Jahre 1891 erfolgte,
wurde beschlossen, das
nunmehr auf circa 40 ha
eingeschränkte Freigebi
mit einem Complex reich-
heb bemessener Lager-
häuser und Schupfen
zustatten und mit den voll-
kommensten, modernen
Lademitteln zu versehen.
[Abb. 207, 225 und 226.]
Erst durch diese grossen
Ergänzungsbauten, die
vorwiegend in den Jah-
ren 1888— 1893 ausge-
ll*ü"»1"''''' ^'^^^ wurden, ist der
Triester Hafen ganz auf
die Höhe seiner Aufgabe gestellt und den
grössten europäischen Seehäfen ebenbürtig
geworden. Die Angliederung eines vierten
Hafenbassins bei Verlegung des Petroleum-
Hafens an das äusserste Ende der Bucht
von Muggia vermehrte die Wasserfläche
der Bassins auf 20 lia, während die
Länge der anlegbaren Quais im Frei-
hafen auf 3620 «I, die gesammte verfüg-
bare Quailänge auf 7600 m anstieg.
Durch die Anlage eines neuen Kangir-
bahnhofes, durch die Vermehrung der
367
M an ipu lation s - Geleise und durch die
Verbindung der Südbahn und der Hafen-
station mit dem Bahnhof der k. k. Staats-
bahnen in St. Andrea sind die in Triest
vorhandenen Geieise auf 68 km ange-
, wachsen. Die Lagerhäuser [Magazine]
und die der vorübergehenden Einlagerung
dienenden Schupfen [Hangars], insge-
sammt 31 Gebäude, stellen heute dem
Handel 1 74.OOO jm* belegbare Fläche
zur Verfügung, die sich nach dem be-
vorstehenden Ausbaue hinter dem Bassin
IV noch um 46.000 ni* erhöhen dürfte.
Die Raschheit und Billigkeit der Ver-
ladung wird durch eine Reihe gross-
artiger, hydraulisch betriebener Vorrich-
tungen gefördert, die schon heute 52
Krahne — meist mit l'/t' Tragkraft —
54 Aufzüge und 20 Spills umfassen und
die in nächster Zeit um weitere 14 Krahne,
30 Aufzüge und vier Spills vermehrt
werden sollen. [Vgl. Abb, 225 und 226.]
Wie der gewaltige, täglich wachsende
Güterverkehr der jüngsten Zeit den
Stationsbau in neue, erfolgreiche Bahnen
gedrängt hatte, so führte auch der mäch'
tig angeschwollene Personenverkehr des
letzten Decenniums, die grosse Zahl de;
Schnell- und Personenzüge, die herr-
schende, sich immer verschärfende Ten-
denz nach möglichster Kürzung dei
Reisedauer und die hiedurch wesent-
lich erschwerten Aufgaben bezüglich dei
Sicherheit des Betriebes auch im Gebiete
der Personen-Bahnhöfe zu neuen
Lösungen.
Die meisten Kopfbahnhüfe in den
grösseren Städten hatten zwar bereits in
den Siebziger-Jahren einen Umfang er-
halten, der bei der erhöhten Leistungsfähig-
keit infolge Einführung der Weichen- und
Sig^nalsicherungen auch den gestiegenen
Forderungen noch zu entsprechen ver-
mochte; bei einigen musste indessen auch
durch Ergänzungsbauten, so beim Süd-
bahnhof in Wien, durch Einfügung eines
weitern sechsten Hall enge leises [vgl.
Abb. 202], beim dortigen schon aus dem
Jahre 1 858 stammenden Westbahnhof
[Abb. 327] durch Angliederungeines neuen
Perrons ausserhalb der Halle die äusserste
Grenze der Leistungsfähigkeit wesentlich
368
DEB WESTBAHNHOF IN WIEN.
PRAGEBHOF 1961.
I. JIO. PHtanbof Ui:u
Bahnhofsanlagen. 369
hinausiferückt werden. Wie dehnbar diese
Grenze ist, möge die Thatsache beweisen,
dass es selbst bei dem bescheidenen
Umfange des Wiener Westbahnhofes .
durch Ausnutzung aller Umstände daselbst
möglich wurde, an einem Tage des stärk- '
sten Verkehrs innerhalb 1 8 Stunden eine 1
Frequenz von mehr als 1 00.000 Passa-
gieren mit 142 abgehenden und 137 an-
kommenden Zügen zu bewältigen. Auch
auf dem Wiener Nordbahnhofe [vgl,
Abb. 189] war durch die in letzten Jahren ,
erfolgte Umlegung der Hauptgeleise,
welche nun in der ganzen Länge des
Bahnhofes, 1 km weit, geradlinig geführt
sind, mit der besseren Uebersicht eine
erhöhte Sicherheit gewonnen.
STATIOS ALT-PAKA DER OST EHR.
NOHDWKSTBAHN UKI> sL'U-NORÜtlEl'TSClIES
VEKBINDI.'XUSBAHN i'iTJ-
Ungleich mehr als die grossen End-
bahnhöfe waren indessen die allen A n-
schluss-undKreuzungsstationen
hinter den Forderungen der neuen
Zeit zurückgeblieben, jene Knoten-
punkts-Bahnhöfe, in denen ZHge aus
verschiedenen Richtungen gleichzeitig
zusammentreffen und wo der rege Aus- '
tausch von Personen und Wagen und
der Uebergang ganzer Ztlge mit mög- ,
lichster Sicherheit und griisster Beschleu-
nigung vor sich gehen soll.
In den alten Anschlussstationen, wie
in Prerau vor seiner letzten Umge-
staltung [vgl. Tafel I, Fig. 1], wurden die
personen befördern den Züge aller Fahrt-
richtungen vor dem Aufnahmsgebäude
zusammengeführt, so dass das Ueber-
schreiten mehrerer Geleise seitens der den
Zug wechselnden Passagiere geboten und
die gleichzeitige oder in kurzen Zeit-
abstiinden sich folgende Aufnahme und
Abfertigung von Zügen erschwert war.
370
Ernst Reitler.
HÜLLEIN
Abb. 232.
ZAUCHTL.
Abb. 233
GÖDING
Abb. 234.
STAUDING
TROPPAU.
rrr
tej[oi
. ikUfNAHMSCCa.
rr-
WOMNOClL
8TÄASSC
Abb. 236.
Abb. 235
In Kreuzungsstationen, wie in Pilsen vor
dem Umbau [vgl. Tafel I, Fig. 3], trat noch
der nachtheilige Umstand hinzu, dass die
Hauptgeleise der verschiedenen Linien
sich innerhalb der Station kreuzten. Diese
N'achtheile wurden
mit der Einführung
der Keil- und
Inselbahnh öfe
und deren Com-
bination mit det*
Kopfform zu
Gunsten eines ge-
sicherten und Öco-
nnm Ischen Betrie-
bes vermieden.
Die Station
Pragerhof [Abb.
228] zeigt schon im
Jahre 1861 den
ersten Versuch, den
Austausch der Pas-
sagiere zwischen
den Anseht uss-
linien ohne Schie-
nenüberschreitung :
dort der hallen überdeckte Perron zwi-
schen die Hauptgeleise der Südbahnlinie
Wien-Triest und jene des nach Ofen
abzweigenden Flügels gelegt ist. Freilich
war hier noch das Aufnahmsgebäude von
dem >Inselperron> durch mehrere zu
Abb, 7KJ. Bahnhof Troppan. Analcfat dei
ZuQKonperronl.
vermitteln, indem
überschreitende Geleise getrennt. In
Alt-Paka [Abb. 230], wo die Süd-nord-
deutsche Verbindungsbahn und die Nord-
westbahn einander kreuzen, wurde das
Aufnahm sgebäude und der Perron in den
Zwickel der aus-
einandergehenden
Bahnarme verlegt,
so dass Züge bei-
der Linien gleich-
zeitigundunmittel-
bar vor dem Perron
vorfahren können
und auf diesem der
schienen freie
Wechselverkehr
der Passagiere er-
folgt. Die Zufahrt
zu dem Aufnahms-
gebäude findet hier
von der offenen
Seite des durch die
Bahnarme gebilde-
ten Keiles statt,
welchem diese Sta-
tionstype den Namen des »Keil bah n-
hofes> verdankt. Auch in Deutsch-
Brod, wo die vorbenannten Bahnen
zusammentreffen, zeigt das Aufnahms-
gebäude [Abb. 229] die aus der keilför-
migen Anlage des Bahnhofes sich erge-
bende Qaerstellung.
In Alt-Pak a, wo grosse Terrain-
schwierigkeiten eine freiere Disposition
behinderten, erfolgte noch die Kreuzung
der Hauptgeleise in der Station selbst,
also im Schienenniveau. Bei den anderen
Anlagen ähnlicher Art, welche Hellwag
im Zuge der Nordwestbahn im Jahre
1872 erbaute, so in Neu-Kolin, in Väetat-
Pfivor, 11. a. wurde aber die Kreuzung
der beiden Linien immer mittels Ueber-
brückungen, also entsprechend weit ausser-
halb der Station vorgenommen, und
wurden dann die
unabhängi.
gen Haupt-
geleise in
der Station
selbst parallel
neben einan-
der geführt.
[Abb. 231,]
Die parallele
Lage der
HauptgeleiseerJeichterte deren Verbindung
mittels Weichen zum Uebergang ganzer
Züge, und gestattete eine zweckmässige
Anordnung der von beiden Bahnen ge-
meinsam benützten Baulichkeiten, wie
des Aufnahmsgebäudes, der Wagenremise
und des Umladeschupfens. Der ganze Bahn-
hof erhielt dadurch eine rechteckige, lang-
gestreckte Form, ohne dass hiedurch das
Wesentrich*-;. des Keilbahnhofes berührt
worden wäre. Die Zufahrt erfolgte auch hier
I von der offenen Seite des Keiles. Auf der
I vom Aufnahmsgebäude abgewandten Seite
1 der Hauptgeleise wurden die gesonderten
Güterbahnhöfe der beiden Anschluss-
■ bahnen angeordnet.
Wie die Keil form des Bahnhofes
I durch den Zusammenschluss der Geleise
I blos auf einer Seite des Aufnahms-
I gebäudes und des Perrons entstand,
I während die andere Seite für die Zufahrt
I vom Orte offen blieb, so entstand die
I Inselform, sobald diese Baulichkeiten
I durch hinzutretende Nebengeleise, wie in
HuUein [Abb.
232], auf al-
1 e n Seiten
von Geleisen
umschlossen
Beim Bau
der Städte-
bahn und der
Local bahnen
seitens der Nordbahn, welcher in zahl-
reichen Stationen der alten Linien An-
schlüsse und Kreuzungen forderte, bot
sich Ast Gelegenheit, die Type der Insel-
bahnhüfe mit der Kopfform verschieden-
fach zu combiniren, um die neuen An-
lagen den wech.-ielnden örtlichen Ver-
hältnissen und der Art des jeweiligen
Anschlussverkehrs möglichst anzupassen.
In dem genannten Bahnhof Hullein
erfolgt der Wechsel verkehr der Reisenden
zwischen den Richtungen Wjen-Krakau
und Kojetein-Bielitz schienenfrei durch
das Aufnahmsgebäude, an welches die
Hauptgeleise beider Linien unmittelbar
herantreten. Der Zugang von der tief
gelegenen Zufahrtsstrasse zu dem von
Geleisen rings umschlossenen Insel-
gebäude wird durch einen kurzen, die
zwischen liegen den Geleise unterfahrenden
Tunnel vermittelt. Auch in Zauchtl
[Abb. 333], wo die Localbahnen nach
Bautsch und Fulnek an die Hauptbahn
anschliessen, empfahl sich die Verwendung
der Inselfomi durch Umlegung der Haupt-
geleise des alten Bahnhofes und durch
die Erbauung eines Inselgebäudes, zu
dessen Stirnseite die Zufahrts Strasse nach
Kreuzung des Loc albahn -Geleises hinführt.
Um hier auch einen schienen freien Zugang
vom Aufnahmsgebäude zu der in Kopf-
form belassenen Einmündung der Neu-
titscheiner Localbahn zu schaffen, wurden
beide durch einen Personen-Durchgangs-
tunnel unter den Geleisen des Bahnhofes
Zauchtl verbunden. In Troppau[Abb. 235
und 237] wurde der gesicherte Wechsel-
verkehr zwischen den Zügen der Nord-
bahn, denen der Localbahn nachBennisch
und der Staatsbahnlinie nach jägemdorf
durch den an den Hauptperron an-
schliessenden Zungenperron vermittelt,
nachdem die dort befindliche Heizhaus-
anlage verlegt worden war. Stauding
[Abb. 236], wo ein einfacher Uebergangs- 1
Steg den Localbahnperron mit dem ,
Hauptgebäude verbindet , G ö d i n g
[Abb. 234], wo für die jenseits der Haupt- j
geleise einmündende Localbahn nach Saitz
gleichfalls ein Steg dient, während das
diesseits mündende Holicser Geleise gar '
unmittelbar auf den Vorplatz der Station |
geführt ist, zeigen Beispiele, wie die an- !
gestrebte Sicherung des Personenverkehrs ;
mit besonderer Einfachheit und Billigkeit |
der Anlage vereint wurde, wo dies durch 1
den bescheidenen Verkehr der Flügelbahn
gerechtfertigt war.
In den Knotenpunkten mit besonders
dichter Zugfolge erwies sich aber auch
die Theilung des Verkehrs nach Bahn-
linien, wie sie in den bisher be-
sprochenen Bahnhofstypen diwchgeführt
war, für die völlige Sicherung des Be-
triebes und für den Schutz des Publicums
[Nach einer pbolagiaphlacbcn Aufnafams
noch nicht als ausreichend. Für solche
Bahnhöfe ergab sich die Nothwendigkeit
eiirer weiteren Theilung nach Fahrt-
richtungen; es erwies sich als ge-
boten, jedes Hauptgeleise an eine
eigene Perronkante zu legen, von
welcher aus der Zug unmittelbar be-
stiegen werden kann, femer durch die
schienen freie Verbindung der Perrons
untereinander und mit dem Aufnahms-
gebäude jede Geleiseüberschreitung aus-
zuschli essen.
Eine solche Trennung nach Fahrt-
richtungen war in Zwischen Stationen —
in denen es sich ja in vereinfachter Weise
immer blos um zwei Hauptgeleise han-
delte — schon zu Ende der Siebziger-Jahre
in Aufnahme gekommen. Um diese Zeit
hatte die Kaiserin Elisabeth- Bahn damit
begonnen, in einigen beliebten Ausflugs-
slationen in der Nähe Wiens Uebergangs-
stege zwischen dem Auftiahmsgebäude
und dem selbständigen Perron des jen-
seitigen Hauptgeleises zu errichten,
während die Südbahn bald darnach —
im Jahre 1883 — in Mödling den ersten
Verbindungstunnel zwischen den beiden
Bahnhofseiten herstellte. War in den
Zwischenstationen — wie auf der Kaiser
Franz Josef- Bahn — eine gesonderte
Personen- und Gepäckscassa auf dem
jenseitigen Perron vorgesehen, so konnte
Steg oder Tunnel durch einen schienen-
freien Zugang zu der vom Orte ab-
gewendeten Bahn-
hofseite ausser-
halb der Station
ersetzt werden.
So entstanden
seit den Achtziger-
Jahren auf den be-
. lebten Wiener Lo-
calstrecken der drei
genannten Bahnen
jene zahlreichen
doppelseitigen Sta-
tionen, die uns mit
ihren langgestreck-
ten, wein umrankten
Veranden freund-
lich begrüssen, Sta-
tionen, die durch
die augenfällige
' " *■' Zweckmässigkeit
ihrer Anlage, durch die ersichtliche Be-
schränkung auf die noth wendigsten Ein-
richtungen einen geradezu ästhetischen
Eindruck und das beruhigende Gefühl
vollster Sicherheit erwecken. So sind auch
die Haltestellen der Wiener Stadtbahn mit
beiderseitigen Perronsund Aufnahms-Ge-
bäuden ausgestattet. [Vgl. Abb. 238 und
239.] Ein schönes Beispiel einer derartigen
Zwischenstation, die durch die zweckmäs-
sige Anlage einem gesicherten Massen ver-
kehr gewachsen ist, bietet das heutige B a-
den nachdem in jüngster Zeit unter Zelinka
durchgeftlhrten Umbau. [Abb. 240.] Da die
Personen- und Gepäckscassen für beide
Fahrtrichtungen im ebenerdigen Vestibüle
des stadtseitigen Empfangsgebäudes ver-
einigt sind, so ist der jenseitige Perron mit
dem Vestibüle durch einen Zugangstunnel,
mit dem Vorplatz durch einen zweiten
Abgangstunnel verbunden und so ist im
Verein mit den Aufgangs- und .Abgangs-
treppen des diesseitigen Perrons eine voll-
ständige Trennung des ankommenden vom
abreisenden Publicum beider Fahrtrich-
tungen durchgeführt.
In Mödling, wo der Laxenburger
Flügel an die Hauptlinie der Südbahn
anschliesst, ist der jenseitige Perron insel-
artig von dem nach Triest gehenden
Hauplbahn-Geleise und dem Laxenburger-
Geleise umschlossen. [Vgl. Abb. 241.] In
Knotenpunkts - Stationen, wo aber nicht
blos für drei Geleise — wie In Mödling —
sondern wo für vier, sechs und mehr
Hauptgeleise gesonderte Perronkanten
anzulegen waren, ergab sich die Noth-
wendigkeit, mehrere solcher Inselperrons
an einander zu reihen. Damit war die in 1
den neueren Knotenpunkts- Bahnhöfen all-
gemein gewordene Type der »Durch-
t;angsstatton mit mehreren schienenfrei |
sie weiter nördlich unterfahrenden Wiener
Verbindungsbahn. Zwischen den sich
kreuzenden Bahnen findet hier ein
äusserst lebhafter Wechsel von Passa-
gieren, jedoch kein directer WagenUber-
gang statt. Zwei Inselperrons, die dem
starken Personenverkehr entsprechend
breit dimensionirt sind, trennen die Haupt-
BAHNHOP MEIDLIN'G.
PERSONENBAHNHOF ST, POLTEN.
zugänglichen Inselperrons« gegeben, die
fallweise auch mit der Kopfform für die
hier einmündenden Anschlusstinien com-
hinirt wird.
Die erste derartige Anlage erstand
in M e i d 1 i n g unter Prenninger
im Jahre 1887. Meidling [Abb. 242—
244] ist einerseits eine Theilungs-
station, über welche vom Pötten dorfer
Flügel der SUdbahn ein durchgehender
Zut;sbetrieb auf die Haupthnie gegen
Wien unterhalten wird, andererseits ist
es Kreuzungsstation der Südbahn mit der
geleise der drei hier vereinigten Bahn-
linien, während ein Uebergangssteg die
schienenfreie Verbindung des Längs-
perrons und der beiden Mittelperrons her-
stellt. Die Hauptgeleise dienen zugleich
für die Durchfahrt der Güterzüge, welche
unmittelbar hinter der Station unter
dem Schutze einer wohl durchgebildeten
Sicherungsanlage in den Lastenbahnhof
I Matzleinsdorf einfahren.
Nur die zweckmässige, die Fahrten
der Personenzüge von einander völlig
\ unabhängig gestaltende Anlage ermög-
376
Ernst Reitler
lichte es, dass an einzelnen Tagen in
dieser Station schon bis 387 Züge an-
standslos verkehren, innerhalb einer Stunde
auf der Hauptlinie der Südbahn allein,
bis 27 Züge abgefertigt werden konnten.
Kurz darnach, im Jahre 1890, wurde
unter Bischoff v. Klammstein der
Bahnhof St. Polten [Abb. 245] 'n
seiner heutigen Anlage eröffnet. Jedes
Hauptgeleise der Linie Wien-Salzburg
und des hier abzweigenden Flügels nach
Tulln sind hier von zwei Inselperrons
und dem Hauptperron, die durch einen
Tunnel verbunden sind, schienenfrei zu-
girgeschäft in einen gesonderten, den be-
reits besprochenen Vorbahnhof zu ver-
legen und so auf dem Haupt b ahn hof
selbst Platz zu schaffen für einen
allen Forderungen genügenden Personen-
und Maschinenbahnhof. Durch diese im
Jahre 1888 unter Ast durchgeführten
Umgestaltungen rückte der alte Prerauer
Bahnhof hinsichtlich seiner Ausdehnung,
seiner Austheilung und seiner Einrichtun-
gen in die Reihe modernster Bahnhöfe vor.
Auch dieser Bahnhof (Abb. 246] zeigt die
Durchgangsform mit zwei durch Tunnels
verbundenen Inselperrons, so dass jedes
gänglich gemacht. Die Güterzüge werden
um den Bahnhof herumgeführt und fahren
unmittelbar in den anschliessenden Ran-
gir- und Lastenbahnhof ein. Für die
auf der Seite des Aufnahms-Gebäudes
einmündende Linie nach Leobersdorf
mit hier endigendem Zugsbetrieb em-
pfahl sich die Anordnung der Kopfform,
also eines stumpf endigenden Geleises
längs eines vom Hauptgebäude ausgehen-
den Perrons,
Der Bahnhof I'rerau [vgl. Tafel I,
Fig. 2], der Verkehrsmittelpunkt der
Nordbahn, in welchem heute täglich bis
140 Züge und bis 4300 Wagen von
Wien, Brunn, Olmütz und Krakau
sammenströmen, hatte schon in den Acht-
ziger-Jahren eine Aufgabe zu bewältigen,
der die alte Anlage trotz der steten Ei
Weiterungen nicht mehr in rationeller Weise
gerecht werden konnte. Man entschloss
sich daher, den gcsammten Transito-
Güterdienst, also das umfangreiche Ran
[ Hauptgeleise der Linie Wien-Krakau
' und der beiden Anschlussbahnen un-
! mittelbar zugänglich sind. Ein Doppel-
' geleise für Güterzüge umgeht den Bahn-
' hof und mündet in die Einfahrtsgeleise
' des Vorbahnhofes. Dieser ist indessen mit
[ dem Hauptbahnhof auch in unmittel-
! bare Verbindung gebracht, um die Zu-
l fahrt zu den Heizhäusern und zur Filial-
' werkstätte, femer zu dem in seiner alten
l Lage belassenen kleinen Ortsgüterbahnhof
zu bewerkstelligen. Die Sicherung der
' Fahrten besorgen drei C^entrals teil werke
mit elektrisch bedienten Weichen und
I Signalen.
I In Pilsen, wo sich die drei frem-
den, nunmehr verstaatlichten LinienWien-
I Eger, Prag-FUrth und Dux- Eisenstein der
I Franz Josef-Bahn, der Böhmischen West-
■ bahn und der Pilsen -Priesener Bahn
kreuzen, von denen jede daselbst einen
eigenen Güter- und Maschinenbahnhof,
eine eigene Werk Stätten an läge und zum
Theil auch einen eigenen Personenbahn-
hof besass, musste unter der gemeinsa-
men Leitung des Staates und bei dem
ansteigenden Verkehr die Verschmelzung
dieser Bahnhofscomplexe zu einem ein-
heitlich angelegten Centralbahnhof im
Interesse eines rationellen Betriebes zur
Nothwcndigkeit werden. Der Mangel fast
jedes Zusammenhanges zwischen den alten
Bahnhofstheilen macht es erklärlich, dass
führt sind. Da es sich hier empfiehlt,
die sechs den verschiedenen Richtungen
zugewiesenen Einfahrts- und Durch-
fahrtsgeleise für Güterzüge zwischen
Aufnahmsgehäude und Peraonenzugs-
Hauptgeleise zu legen, so soll der mittlere
Perron als Hauptperron ausgestaltet
und mit dem Restaurant und den Warte-
sälen versehen werden, um diese Räume
mehr in den Mittelpunkt der ganzen An-
Abb. 147. Bahnhof HUtlcldorf-Hsckios.
BAHNHOF HÜTTELDORF- HACK IN G.
*^i«e,
bei diesem von Stane eingeleiteten,
heute noch nicht ab (geschlossenen Umbau
kaum mehr als eine Werkstätte in die neue
Anlage hinübergerettet werden kann, ja
dass auch diese ihren Platz räumen
dürfte, falls an den Bau einer grossen
Centralwerkstätte geschritten werden
wird. [Vgl. Tafel I, Fig. 4]
Drei Inselperrons werden hier die
Fahrtrichtungen der drei sich kreu-
zenden Bahnlinien trennen, welche auf
der Westseite des Bahnhofes mittels
L'eberbrückungen übereinander wegge-
i läge zu rücken. Zwei Personentunnels und
' ein Gepäckslunnel sollen den schienen-
j freitn Zugang zwischen Vorgebäude und
Perron vermitteln. An die in den Per-
I s onen bah nhof eingeschobenen sechs Last-
I zugsge leise schliesst sich der geschil-
] derte, bereits ausgebaute Rangirbahnhof
i an, neben dessen Abrollgeleiseii sich der
! Zugsbahnhof für die Aufstellung aus-
' fahrender Züge befindet.
Die jüngsten Kreuzungs- und An-
I Schlussbahnhöfe, die nach den modernen
I Principien erbaut sind, Heiligenstadt,
378
Ernst Reitler.
Hauptzollamt und Hütteldorf-
Hacking, verdanken ihre Anlage
dem unter der Leitung ßischoff's
von Klammstein stehenden Bau der
Wiener Stadtbahn. Hütteldorf- Hacking
[Abb. 247, 248], an der Hauptlinie
Wien-Salzburg gelegen, die hier auch den
Vorortezügen dient, ist einerseits eine
Theilungsstation für die nach Purkersdorf
transitirenden Züge der Wienthal-Linie,
andererseits eine Kopfstation fUr deren
Localzüge, wie für jene der Wiener Ver-
bindungsbahn, der nunmehrigen Südring-
linie. Die Geleise werden von vier Insel-
und zwei Längsperrons bedient, die durch
einen Tunnel verbunden sind. Auszugs-
geleise behufs rascher Umsetzung der
Züge für die Rückfahrt, ausreichende
D6pötgeleise, Maschinen - Aufstellungs-
und Ausrüstimgsgeleise ermöglichen es,
den hier kräftig pulsirenden Verkehr in
gesicherter und geordneter Weise abzu-
wickeln.
Der mächtige Verkehrsaufschwung
des letzten Decenniums hat dazu ge-
führt, dass wir in Oesterreich heute
mitten in einer Epoche grosser Bahn-
hofsbauten stehen. Das Schwergewicht
dieser Thätigkeit liegt im Umbau wichti-
ger Knotenpunkte, wo an Stelle alter, *
unzulänglicher Anlagen Personen- und
Güterbahnhöfe nach den entwickelten,
modernen Grundsätzen erstehen. Die
vereinzelten hier vorgeführten Bauten,
die uns in dieser Richtung die letzten
Jahre brachten, werden in der allernäch-
sten Zeit zu einer stolzen Reihe sehens-
werther Bahnhöfe ergänzt sein. In Rei-
chenberg und Karlsbad, in Brück a. M.
und in Wiener-Neustadt steht der Bau
grosser Centralbahnhöfe unmittelbar be-
vor und auf den Linien der Staats-
Bahnen sehen wir ausser in Pilsen ^uch
in Lemberg und Budweis, in Salzburg,
Prag und Knittelfeld grossartige Anla-
gen theils schon im Werden, theils in
Vorbereitung für den baldigen Bau.
Diese rege Bauthätigkeit fordert auch
ungewöhnliche Mittel. Die Kaiser Per- |
dinands - Nordbahn hat im Decennium
1886 — 1896, in welcher Zeit sich der
Verkehr ihres Hauptbahnnetzes mehr als
verdoppelte, 1 4 Millionen Gulden verbaut,
um ihre schon so oft erweiterten Sta-
tionen, abgesehen von allen Oberbau-
Erneuerungen, durch Umgestaltungen und
Erweiterungen auf der Höhe der gestie-
genen Forderungen zu halten. Und die
sechs letztgenannten Bahnhöfe der k. k.
Staatsbahnen allein werden durch den
Umbau einen Aufwand von mehr als
1 1 Millionen Gulden beanspruchen. Diese
bedeutenden Investitionen erweisen sich
jedoch nicht blos segensreich im Inter-
esse einer erhöhten Sicherheit, sondern
sind auch das unabweisliche Gebot einer
weiter ausschauenden Oeconomie.
Bei dem flüchtigen Rundgang durch
die Stationsanlagen der österreichischen
Bahnen, bei welchem zugleich ein Zeit-
raum sechzigjähriger Entwicklung zu
durchmessen war, musste naturgemäss
Vieles und manch Wesentliches dem
eilenden Blick verborgen bleiben. Aber
wenn es auch möglich gewesen wäre,
den Schauplatz jenes vielgestaltigen
Treibens, das sich im Innern der Bahn-
höfe, für das grosse Publicum unsichtbar,
gleichsam hinter den Coulissen abspielt,
in seinem weiteren Umfange zu be-
leuchten, die hundertfaltigen Einrichtungen
für die besonderen Zweige des Bahn-
betriebes näher zu betrachten — so wären
doch die führenden Linien in dem Bilde
der Stationsentwicklung hiedurch kaum
berührt worden.
Die ersten Bahnhöfe der grossen
Städte mit ihrem beschränkten, aufkeimen-
den Verkehr und ein grosser Endbahnhof
unserer Zeit, der an einem Tage einen
Verkehr von 100.000 Menschen vermittelt
und viele Tausend Tonnen Güter in
Umsatz bringt — eine alte Station mit
ihren gedrängten primitiven Anlagen und
ein moderner Knotenpunkts-Bahnhof, der
trotz der weiten Ausdehnung nicht der
Uebersichtlichkeit entbehrt — sie kenn-
zeichnen die äussersten Glieder der Ent-
wicklungsreihe, welche der österreichische
Stationsbau seit seinem Beginne durch-
laufen.
Die sich stets erneuernden und ver-
mehrenden Bedürfnisse, die vom ersten
Tag der Eisenbahnen an in den Bahn-
höfen zu befriedigen waren, hatten auch
Bahnhofaanlagen.
auf diesem Gebiet zu einem eigenartigen
Kampf ums Dasein gefUhrt, indem der
wachsende Umfang der einzelnen Dienst-
zweige über den ihnen zugewiesenen
Rahmen hinausdrängte und diese sich
gegenseitig das Terrain streitig matten.
An der Hand der einzelnen Entwicklungs-
stadien der Bahnhöfe lässt sich schritt-
weise der — von dem vorschreitenden Aus-
bau der Städte oft beeinflusste — Process
verfolgen, wie sich Personen- und Güter-
Dienstanlagen auf gegenseitige Kosten
und auf Kosten der Heizhäuser und
Werkstätten erweiterten, imd wie das für
die Ortlichen Verhältnisse minder Belang-
reiche an die Peripherie oder aus der Station
hinausrtlcken musste. Die Zwischenglieder
dieser Stadien bilden jene Compromisse,
die in der steten Station s- Erweiterung
zwischen der Rücksicht auf das Bestehende
und dem Streben nach Vermehrung und
Verbesserung geschlossen wurden, und
in denen Uebersichtlichkeit und systema-
tische Gliederung nicht immer die Ober-
hand gewinnen konnte.
Die neueste Zeit brachte in den Bau
und in die Umgestaltungen der Stationen
eine bedeutsame Wendung. Der Geist
exacter wissenschaftlicher For-
schung hat auch auf diesem Gebiet seinen
Einzug gehalten, indem er die Methode
lehrte, mit Hilfe der Erfahrung die com-
plicirten Erscheinungen des Bahnhofs-
Betriebes zunächst zu entwirren, sie auf
ihre einfachen Elemente zurückzuführen
und erst für diese die Einrichtungen zu
schaffen, die zu ihrer Befriedigung führen.
Dadurch entstand jene besprochene
weitgehende Speciatisirung, die sich
ebenso in den grössten Bahnhöfen durch
deren Theilung nach den verschiedensten
Betriebs- und Verkehrsforderungen aus-
spricht, wie in jenen kleinen Stationen,
die mit den vollkommensten Mitteln für
die Erfüllung einer einzigen grossen
Verkehrsaufgabe ausgestattet sind. Es
liegt im Wesen einer derartigen systema-
tischen Arbeitstheilung, dass die Leistungs-
fähigkeit solcher moderner Anlagen un-
gleich dehnbahrer sein wird gegenüber
den erhofften weiteren Steigerungen des
Verkehrs, und dass solche Anlagen daher
die besten Bürgschaften bieten ftir die
Erfüllung der Forderungen, an welche
die Culturmission der Eisenbahnen ge-
knüpft ist: Die Forderung nach Billig-
keit, nach Raschheit und vor Allem
nach Sicherheit des Betriebes.
Hochbau.
Von
Hartwig Fischel,
Architekt, In^^enieur der Kaiser Ferdinands-Nordbahn.
Hochbau.
I. Theil.
Entwicklung in Oesterreich-Ungarn bis zum Jahre 1867.
Die ersten Privatbahnen.
^y ELTER wie jeder Gedanke an eine
A-\ Ausbildung der Verkehrsmittel ist
■^ -^ das Bedürfnis der Menschen nach
einem schützenden Obdach. Es gab den
Anstoss zur Entwicklung einer profanen
Baukunst, welche zuerst unter dem Ein-
fluss der Denkmale religiöser Kunst, dann
durch die Prachtliebe der Grossen und
Mächtigen, und endlich durch die Be-
dürfnisse des Volkes zu selbständiger
Bedeutung heranwuchs. Die ungezählten
Probleme einer fortschreitenden CuJtur-
entwicklung haben ihr immer neue Auf-
gaben zugeführt, von denen viele als
endgiltig gelöst und überwunden zu be-
trachten waren, bevor das Eisenbahn-
wesen entstand. Jede grosse Nation,
jede grosse Epoche im Geistesleben der
Völker hatte ihren formalen Ausdruck in
dieser steinernen Sprache gefunden. Zu
Beginn dieses Jahrhunderts war eine Pause
von technischer und künstlerischer Un-
fruchtbarkeit eingetreten. Eine lange
Kriegszeit hatte die materiellen und
productiven Kräfte der europäischen
Staaten erschöpft, und es bedurfte eines
kräftigen Impulses, um die erlahmte
wirthschafthche Thätigkeit wieder zu
erwecken. Dieser Impuls erfolgte nun
durch die Erfindungen und Bestrebungen
im Hinblicke auf die Verbesserung und Er-
leichterung des Verkehrs, welche mit der
Construction des Eisenbahngeleises und
der Locomotive ihrem Ziel in unerwartet
rascher und vollkommener Weise nahe-
gerUckt wurden.
Dem Bauwesen war mit einem Schlage
eine Fülle neuer und grosser Arbeitsgebiete
erschlossen, auf welchen zwar in erster
Linie der Strassen- und Brückenbau- Inge-
nieur seine Thätigkeit entfalten konnte, wo
aber auch dem Hochbau-Techniker grosse
Aufgaben erwachsen sollten, deren Lösun-
gen für das gesammte Bauwesen bedeu-
tungsvoll wurden. Wenig Raum war im
Anfange dem Architekten gegönnt, knüpfte
doch das junge Eisenbahnwesen unmittel-
bar an den Strassenverkehr und seine
Einrichtungen an, welcher nur Bedarf an
Nutzbauten, wie Postanstalten, Speditions-
und Lagerhäuser, Remisen, kannte. Diese
der Ausstattung nach so einfachen, dem
384
Umfange nach nur selten ausgedehnten
Anlagen mussten zunächst die Vorbilder ,
abgeben für jene Hochbauten, welche das
Eisenbahnwesen ins Leben rief. Wenn
auch die Rücksichtnahme auf einen ge- >
steigerten Personenverkehr, auf die be-
sonderen Einrichtungen für Maschinen
und Wagen eine Erweiterung des Bau- i
Programms mit sich brachten, so waren
doch die Unsicherheit des materiellen
Erfolges, der Mangel an ausreichenden
Erfahrungen viel zu grosse Hemmnisse
für eine Uebersch reitung der engsten
öconomischen Grenzen auf dem Gebiete
des Hochbaues.
So zeigen die ersten Eisenbahn-
Hochbauten noch wenig Charakteristi-
sches in Bezug auf Construction oder
Aufbau, nur in der Art ihrer Anord-
nung und Gruppirung lassen sich von
Anfang an gewisse Principicn erkeniicii,
deren fortschreitende Entwicklung auch
für die formale Gestaltung der Hoch-
bauten wesentliche Consequenzen mit sich
führte. Vergegenwärtigen wir uns das
Aussehen einer Eisenbahnstation der
ältesten Periode. In der beschreibenden
Darstellung der Budweis-Linz-Gmundener
Eisenbahn schildert F. C Weidmann im
Jahre 1843 den schönen, grossen Bahn-
hof bei Lambach. Dieser Bahnhof,
ein Areale von 6800 1~* [24.458 m*]
umfassend, besteht aus folgenden Ge-
bäuden ;
1. Das 45" [85-3 m] lange und 6»
[ii"4 B(] breite Wirths- und Wohnhaus,
soh'd gebaut, mit Ziegeln gedeckt. [Es
enthielt Locale für das Wirthsgeschäft
und 14 Fremdenzimmer, Kanzlei locale,
Beamtenvvnhnungen und Stallungen für
48 Pferde.]
2. Ein 12" [22-8 «(] langes, 6" [11-4 m]
breites, mit Ziegeln gedecktes Magazin
zur Aufbewahrung der Güter und Unter-
stellung einiger Personenwagen.
3. Das Schmiedegebäude, nebst der
Wächter Wohnung, an welche ein hölzerner
Wagenschlipfen angebaut ist.
Die massiven Gebäude hatten hohe
Dächer, waren glatt verputzt, die Dimen-
sionirung der Stockwerke, der Fenster
und Thüren, das ganze schmucklose
aber gediegene Acussere entsprachen
den guten bürgerlichen Wohngebäuden
385
kleiner Städte. «Der freie PJatz vor den
Gebäuden«, sagt Weidmann, »ist zum
Theil mit Bäumen bepflanzt. Auch sind
Sitze für Gäste angebracht, welche lieber
im Freien verweilen und speisen wollen.
Gegenüber den Gebäuden befindet sich
auch ein recht arti(res Gärlchen mit
niedlichen kleinen Anlagen, üer ganze
Bahnhof ist mit einer Flanke umfriedet.
Der Anblick des Treibens auf dem Bahn-
hofe gewährt ein recht bewegtes Bild, Es ist
dies einer der lebhaftesten Stationsplätze
der Bahn.« Diese naive Darstellung ist
ebenso charakteristisch für das Aussehen
der Anlage wie für die Auffassung von
ihren Zwecken.
Als die Gründer der ersten Loco-
motivbahn Oesterreichs — der Kaiser
Ferdinands- Nordbahn — sich die .'Auf-
gabe stellten, die Keichshauptstadt Wien
mit dem verkehrsreichen Norden zu ver-
binden, wurden die projectirenden Inge-
nieure und Architekten rücksichtlich der
Ausgestaltung der Gebäude und Betriebs-
anlagen vor eine Reihe schwieriger und
wichtiger Aufgaben gestellt. Es galt hier
Anlagen zu schaffen, welche den Verkehrs-
bedürfnissen einer grossen Stadt anzu-
passen waren, und welche dem Betriebe
eines ausgedehnten, auf Erweiterung be-
rechneten Unternehmens genügen sollten. I
Anhaltspunkte für solche Anlagen gab es I
damals lediglich in England, wo zwei i
Bahnen bereits im Betriebe waren. Es |
war für das österreichische Unternehmen I
sehr förderlich, dass die Gründer des- I
selben die eingehendsten Studien an jenen |
bewährten Mustern vornehmen Hessen.
Ihre Einrichtungen entsprangen vielfach
den Sitten der Bevölkerung. Besondere
Beachtung war der Bequemlichkeit des I
reisenden Publjcums geschenkt ; so war j
es schon bei diesen ersten Anlagen
möglich, mit Strassenfuhrwerk in die
Ankunftshallen längs der Perrons ein-
fahren zu können. Bedeckte Hallen
schützten fast in jeder kleinen Station
die Ein- und Aussteigenden; Wagen-
remisen beherbergten die Personenwagen.
Die Güterschupfen enthielten Geleise für
die Frachtwagen. Kreuzungen im Niveau
des Strassenverkehrs wurden durch
Efagenanlagen sorgfältig vermieden. Ein
Bericht über ausländische und öster-
reichische Bahnhöfe in Förster's Bau-
zeiCung [1838] bringt als Resultat solcher
Studien die Feststellung allgemeiner Prin-
cipien, welche zumeist noch heute Giltig-
keit haben. Es heisst daselbst :
• Bei einem wohleingerichteten D^-
pöt für Keisende und Waaren müssen
I. die abgehenden von den an-
kommenden Passagieren streng
geschieden sein. 2. Muss für die
Unterkunft der Passagiere bis zur Abfahrt
durch eigene Locale gesorgt sein, wobei
der Bequemlichkeit der Controle halber
die Reisenden der verschiedenen Classen,
d. i. die Inhaber der im Preise ver-
schiedenen Fahrkarten, wieder von ein-
ander zu trennen sind. 3. Die Passa-
giere dürfen weder beim Kommen
oder Abgehen noch sonst unter
irgend einer Bedingung die Bahn
kreuzen m U a s e n, wonach die Einfahrt
in den Sammelplatz und die Ausgänge
aus demselben zu disponiren sind.
4. Für schwere Waarenballen, sodann
für das schwere Gepäck der Passagiere
müssen eigene Einfahrten in Räume
zur damit vorzunehmenden Manipulation
und Verladung vorbedacht sein, auch ist
die möglichst directe Verbindung der zu
versendenden Waaren trän Sporte mit der
386
Eisenbahn zu berücksichtigen. Ist mit
dem D^pöt oder Stationsplatz ein Maga-
zininingsort verbunden, so muss eine
bequeme Communication zwischen diesem
und den auf der Eisenbahn anlangenden
Lastwaggons stattfinden. 5. Für Re-
misen zur Unterbringung der betreffen-
den Personen- oder Lastwägen
muss vorgesorgt sein und müssen die
Wagen, falls eine leichte Reparativ, z. B.
Schmieren der RadbUchsen u. a. m.
nöthig wird, ohne alle Schwierigkeit von
der Bahn dahin geschafft werden können.
6. Für wichtige Reparaturen sollen die
nöthigen Werkstätten, als Schmieden,
Tischlereien etc. in der Nähe angebracht
sein. 7. Kommen Locomotive in den
Stationsplatz, so muss für bequeme
Verbindung zwischen ihrem Ein Stell-
platz und der Bahn gesorgt werden,
auch ist zu erwägen, dass in diesem
Falle Kohlenmagazine und Was-
serreservoirs in der Nähe anzuord-
nen seien, damit sich der Dampfwagen
mit Wasser und Kohle versorgen könne,
auch müssen die zur Instandhaltung von
dergleichen mit allem Nöthigen ver-
sehenen Werkstätten sich in Bereitschaft
finden. Nur dann, wenn allen diesen
Bedingungen gehörig entsprochen ist,
wird die Circulation der Reisenden und
Guter ohne Hemmnisse und Störungen
geschehen können. i
Aus derselben Quelle [1^39] erfahren
SUdoD Baden. [1841.]
wir, dass der erste Bahnhof Wiens, die
• Hauptstation der Nordbahn« [vg-1.
Abb. 249 sowie Abb. 164 und 165, Bd. I,
I. Theil], einen 6897Q" [24.829 m*]
grossen, von einer 8' [2'5 m] hohen, mit zwei
Einfahrten versehenen Mauer abgeschlosse-
nen Kaum umfasste, aber innerhalb dieses
regelmässig als Rechteck gebildeten, ebe-
nen, 14' [4'4 »i] über dem umgebenden
Terrainerhabenen Plateaus warendie Hoch-
bauten nach ihren verschiedenen Zwecken
gruppirt und durch Geleise verbunden, für
alle einzelnen Bedürfnisse warnach der herr-
schenden Ansicht in möglichst reichlicher
Weise vorgesorgt. »Dieser Raum«, heisst es
in der citirten Beschreibung, »ist in drei,
nach den Erfordernissen des Betriebes, be-
stimmte Abtheilungen gesondert, und zwar
in den Raum für den Personenverkehr,
in jenen für die Manipulation mit den
.Maschinen und endhch in jenen für
den Waarenverkehr. In der ersteren
befindet sich das Haupt- und Auf-
nah m s g e b ä u d e für die Passagiere und
die Wagenremise, in der zweiten die Re-
mise für die Locomotive n, das
Heizhaus, das Kohlenmagazin, die
Werkstätten für Schmiede, Schlosser,
Drechsler, Tischler, Sattler etc. und das
Wohngebä ud e des Maschinen- Direc-
tors. In dem dritten Räume endlich steht
das grösste Gebäude, welches das k. k.
ZoHamtslocale und das Waaren-
magazin enthält.» [Vgl.Abb.i79undl8o.]
387
Abb. 151. ADlicbt d
«. [18*5.1
So sehen wir bei dieser ersten Wiener
Bahnhofs anläge schon alle wichtigen, fUr
den Eisenbahn -Hochbau charakteristischen
Gebäude- Typen vertreten, denen die wei-
tere Entwicklung nur wenige und unter-
geordnete Gattungen hinzuzufügen hatte.
Nur in der Art, wie dieseTypen ausgebildet
wurden, wie sie räumlich wuchsen und
formal an Ausdruck gewannen, darin
können wir die eingreifende Thätigkeit
des Eisenbahn- Architekten beobachten.
Betrachten wir das Hauptgebäude
der Nordbahn [vgl. Tafel I, Fig. II]
näher, so erfahren wir aus der alten
Beschreibung darüber folgendes: »Der
Zugang für die Reisenden lag im
Mittel des Verwaltungshauses, welches
folgende Räume und Bestimmungen hatte :
Vom Vestibüle des Erdgeschosses gingen
die Personen, welche in den Wagen ersten
und zweiten Ranges fahren wollten, in
das mit dem Anfange der Bahn in der
Waage liegende erste Geschoss Über die
erste Stiege und lösten die Fahrbiilets
an der Gasse im ersten Stock. Ein
Raum daselbst diente als Saal für die
Fahrenden in den Wagen II. Glasse, ein '
Raum für die der I, Classe und ein
Saal für die der III. Classe, welche ihren
besonderen Aufgang über eine zweite
Treppe hatten, indem sie vorher die
Billets an der Gasse im Erdgeschoss
zunächst der Stiege nahmen. Die übrigen
Räume des Stockwerkes waren für das
Mautheinnehmeramt und die ZoUgefälls-
wache bestimmt sowie für das Polizei-
personale, welches die Pässe der An-
kommenden und Abgehenden zu unter-
suchen hatte. Im Erdgeschosse des Ge-
bäudes waren gegen die Strasse zu
Wohnimgen für das Dienstpersonale und
rückwärts Keller und Räume zur Luft-
heizung. Im zweiten Stockwerke des
Gebäudes waren Säle für Kanzleien des
technischen Personales und Wohnungen.«
Wir sehen also auch im Detail bereits
für die wichtigsten ■ Raumbedürfnisse
des Personenverkehrs Vorsorge getroffen,
wenn dies auch vorläufig nur in beschei-
denem Umfange rUcksichtüch der Aus-
masse und Ausstattung geschehen konnte.
So vorsorglich man nun bei der
Anfangsstation mit der Disponirung vor-
gegangen war, so sehr war man oft auf
der Strecke geneigt, mit provisorischen
Anlagen der Entwicklung der Verhält-
nisse Spielraum zu geben. Die Dar-
stellung der Station »Wagram« zeigt
25-
n Sagor. [Cllll-Latbacb.) [SUdllibe StaaUbahDcn, iB^ii.)
uns den Zustand vom Jahre 1839. Ein
Hauptgebäude [vgl. Abb, 250, ferner
Bd. I, I . Theil, Abb. 1 54 und Tafel I, Fig. I]
aus verputzten Kiegelwänden enthält
den Locomotivschupfen, die Wasser-
station, den Kohlenschupfen, Kanzlei-
und Warteräume, daneben sind nicht^^
weniger als drei ebenso grosse Gast-
häuser und eine Verkaufsbude errichtet,
welche für das neugierige Publicum be-
stimmt waren, das dem Anblick der in
die hölzerne Halle einfahrenden Züge zu
Liebe dort verweilen wollte. Die Neuheit
des Unternehmens
brachte es mit sich,
dass selbst eine von
der Natur stiefmütter-
lich behandelte Ge-
gend zu einem Ziel
für Lustfahrten wurde,
und dass aolchen Ver-
hältnissen von den
Bahnverwaltungen
Rechnung getragen
werden musste. Aber Abb. 154- siaiiun ;
auch in Wien selbst '" "
konnte es geschehen, dass ein Hauptbalin-
hof mit Rücksichtnahme auf solche dem
Eisenbahn- Verkehr nicht direct entnom-
mene Bedürfnisse projectirt wurde. Die
zweite, im Jahre 1 840 erbaute, grosse
Bahnhofsanlage vor der Belvederelinie
am Ausgangspunkte der Wien-Glogg-
n i t z e r und Wien -Pressburger
Liniehatte die Form eines gleichschen-
keligen Dreieckes. *) «Die zwei gleichen
Schenkein stiessen nach der Stadt zu unter
beinahe rechtem Winkel zusammen und
ihnen entlang waren die eigentlichen Bahn-
höfe für die Bahn nach Neustadt und Press-
burg projectirt. Zwischen den beiden >co-
lossalen« Personen hallen, wovon jedoch
erst die eine an dem Ausgangspunkte des
Neustädter Flügels errichtet wurde [1842],
befindet sich ein schöner, freier Raum zum
Vorfahren und Aufstellen von Equipagen.
Die hintere Seite dieses Vorplatzes wird
von der Terrasse eines grossen, drei-
stöckigen Gebäu-
desbegrenzt, dessen
Hauptfront nach Wien
zu gerichtet ist. Die
Gesellschaft hat die
herrliche Aussicht, die
dieser Punkt gewährt,
zu ihrem Vortbeile be-
nutzt und die eben-
erdigen Locali täten
des eben genannten
eioui. iHrunn-Prdg.] Hauscs ZU einem
""""""' '^"^ Gasthauslocale
eingerichtet. Die oberen Etagen enthalten
Wohnungen f U r Beamte, das Ba u-
und die verschiedenen Administra-
tions-Bureau x, dann einen Saal für die
Generalversammlungen. * Durch die räum-
liche Entfernung von dem Centrum der
■'1 Vgl Bd. I, 1. Theil, Abb. 179 und im
Ahsduiittc: I)nhnhofsanlaf;ea vonE. R eitler,
.Abb. 1N4, [S5 und 197.
3««
Stadt waren hier besondere Verhältnisse
{jegcben, welche eine Vergrösserung
des Bauprogramm es bedingten. Die Ab-
trennung der Restauration, der Bureaus
und Wohnungen vom Haupt- und Em-
pfangsgeltäude ergab für dieses eine eiii-
fache Üisponiruiig der Räume; dazu kam
noch die Stellim^ des Gebäudes vordem
Ende der Geleise, welche ihm die erleich-
terten Bedingungen und die Kennzeichen
eines .Kopfgebäudes, [vgl. Tafel I,
Fig. III sowie Bd. 1. Abb. 174 und 175]
gaben. Die Gleichheit der Verhältnisse be-
züglich der Niveaux von Bahn und Zu-
fahrtstrasse mit jenen, die beim Wiener
Nordbahnhofe massgebend waren, gestattet
eine Gegenüberstellung beider Empfangs-
gebäude als Typen verschiedener Systeme,
Was beim Xordbahnhofe in einem
Längsgebäude parallel zu den Ge-
leisen bei geringer Gebäudetiefe an
Räumen nebeneinander gereiht war, er-
scheint hier in gedrängter Anordnung
und geschlossener Form vor den Köpfen
der Geleise, bei schmaler Fa^adcnbil-
dung und tiefer Grundrissform. An-
stossend an da.s geräumige Vestibüle,
das hier zum Hauptraum wurde, lag im
Strassengeschoss dem Ein gange gegen-
über das Cassalocale für die drei Classen,
seitlich die Gepäcksexpedition ; symme-
trisch lagen zwei zweiarmige Stiegen,
eine als Zugang zur Personenhalle, eine
als Abgang für die Ankommenden be-
nützt; letztere führte zu einer Arkade,
vor der auf der Strasse das städtische
Fuhrwerk aufgestellt war. Das Bahn-
geschoss enthielt nur für die Passagiere
I. und n. Classe Warteräume; die 86'
[33'5 '«] breite und 370 [l 16-9 m] lange
l'ersonenhalle, welche sich in der ( 'lehäude-
breite anschloss, sollte mit ihrem Kopfper-
ron und den beiden Längsperrons gleich-
falls als Warteraum dieiien. Es ist kein
Zweifel, dass die Geschlossenheit dieser
Grundrissform dem Architekten für die Aus-
bildung der Baumasse günstiger und gefü-
giger erscheinen musste. Doch gestattete
die nothwendige Rücksicht auf die Mög-
lichkeit einer Weiterführung der Linie über
ihren Ursprung hinaus nur selten die An-
wendung von Kopfgebäuden; kam man
doch in BrUnn wenige Jahre nach Erbauung
der ersten Bahnhofsanlage zu der Ncith wen-
digkeit, das als Stirngebäude ausgeführte
Haus [vgl. Abb. hji, Bd. I, 1. Theil|
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Jüchen S.aa,shahn,.o. (Wicn-CIOBgntl* iS«,] IV. Auf.
G. Ger^ck C f-tifi. \V. \Varl«aal. Wo. WobDuiij
demoliren zu müssen, weil die Fortsetzung
der Linie erfolgte.
Eine Längsgebäude -Type der Wien-
Gloggnitzer Bahn führt unsere Abbildung
vom Aufnahmsgebäude Baden [Abb. 251]
vor Augen.
Principiell wichtig für die späteren An-
lagen war die Schaffung einer geräumigen
Personenhalle in Wien, die allerdings
noch mit hölzernem Dachstuhle aber in
freigebigem Ausmasse hergestellt war.
[\'al Abb. 175, Bd. I, i.Theil.] Es wurde
seitdem fast keine grosse Endstation mehr
ohne Personenhalle projectirt und selbst
die Zwischen Stationen erhielten in reich-
lichem Masse sogenannte • Einsteighallen •,
welche eine Eigenthümlichkeit der ältesten
Stationsanlagen bilden. Von der primitiv-
sten Ausbildung in reiner Holzconstruction
[vgl. Abb. 163, Bd. I, I. Theil], wie sie die
ältesten Nord bahn Stationen aufweisen,
ging man auf die Anwendung von Stein-
pfeileni mit Dächern in Holz- und Eisen-
constructionen über. [Abb. 172, Bd. 1,
I. Theil.] Diese Hallen waren ein- oder
mehrschiffig, je nach der Zahl der zu
überdeckenden Geleise, und erhielten
nur in grossen Stationen seitlichen Ab-
schlus sdurch Fenster wände.
Nicht immer war es möglich, diese Ob-
jecte unmittelbar an die Flucht des Stations-
Gebäudes anzuschli essen, wie z. B. in
Gloggnitz [vgl. Abb. 245, Bd. I, i. Theil],
sondern recht häufig bildeten die Hallen
selbständige Baulichkeiten, standen oft
mitten in den Geleiseanlagen der Stationen
und waren nicht immer mit den Gebäuden
', durch Gänge verbunden, da letztere in
I kluger Voraussicht einer späteren Geleise-
vermehnmg oder aus anderen Gründen
I oft recht weit von den Geleisen wegge-
! rückt waren. Auch bei Magazinen war
man für den Schutz der Wagen gegen
Witterungseinflüsse besorgt, und wo man
nicht direct in die Waareninagazine ein-
I fuhr, wendete man seitlich angebaute
I Wagenhallen an ; erst später entstanden
aus den Hallen Veranden, aus den
Anbauten der Magazine Vordächer.
I Bei gewissen Endstationen spielten
die Waarenmagazine eine wichtige Rolle.
■ So hatte Leipnik [1842] den ganzen
Frachten verkehr von Galizien und Schle-
sien längere Zeit als Endstation der Nord-
bahn aufzunehmen. Die Bahnhofsanlage
I war von einem dreithorigen Portal abge-
■ schlössen. [Vgl. Abb. 190, Bd. I, i. Theil,]
Empfangs gebäude und Magazin waren
genau gleich gross, 38* [72 »1] lang und
4° [7-6 w(] tief, einander gegenüber ge-
stellt, und schlössen fünf Geleise derart
ein, dass auf jeder Seite das zunächst-
liegende Geleise von einem durch Pfeiler
gestützten Vorbau geschützt war.
Olmütz hatte [iS42] ähnliche DJmen-
sionirung und Anordnung bei seiner ältesten
Bahnhofsanlage. [Vgl. Tafel 1, Fig. IV,
Abb. 187, Bd. 1, I. Theil.] Nur waren hier
die vier Geleise zwischen Magazin und
Empfangsge bände von einem 9'/^*' ['8 m]
weiten hölzernen Hallendach überspannt.
Diese Gebäude waren, mit Rücksicht auf
die nahe Festungsanlage, nur aus verputz
ten Riegel wänden hergestellt, und mussten
lange als Provisorien ihren Dienst machen.
Die Grün drissanord nun g dieser Aufnahms-
gebäude ist typisch geworden. In langge-
streckter Form, bei möglichst geringerTiefe
der Tracte, enthalten sie die wichtigsten
Räume nebeneinander gereih t. Das
Vestibüle liegt in der Mitte und enthält dem
Eingang gegenüber die Gepäcksaufgabe
und die Gassen ; seitliche Eingänge führen
zu den Wartesälen dircct, ohne Gänge. Re-
staura tionslocali täten wurden sogar unmit-
telbar von der Strasse zugänglich gemacht.
Bei kleineren Stationen fand natürlich
eine weit compendiösere Form der Grund-
seiben Hause zu liegen. Dann erhält
das Gebäude ein noch weniger charakte-
ristisches Aussehen, das von dem ein-
fachen kleinstädtischen Wohngebäude
wenig abweicht, [Vgl. Abb. 253—355
sowie Tafel II, Fig. 7, 8, 9 und 10 und
Bd. l. I. Theil, Abb. 158.]
Remisen für Wagen sind sehr zahl-
reich in den Endstationen disponirt, da
man die theilweise unbedachten Personen-
wagen nicht im Freien aufstellen konnte.
Remisen für Locomotive wurden oft
ähnlich den Wagenremisen angeletit;
die »Heizhäuser» waren getrennt
risse Anwendung ; man war noch bestrebt,
verschiedenen Zwecken dienende Anla-
gen in einem Gebäude zusammenzufassen.
Die Wasserstation spielt dabei eine we-
sentliche Rolle. Sie musste stockhoch
sein, um die grossen HoJzbotliche für
das Speisewasser der noch kleinen Loco-
motiven hoch genug zustellen; darunter
war der Brunnen [mit einer gar oft nur
durch die Hand bedienten Pumpe] und ,
ein gemauerter Kessel zum Warmen des
Wassers angeordnet, Naturgemäss nahm
diese Anlage die Mitte des Gebäudes
ein, wo die Wartesäle und Kanzleien
durch ebenerdige Anbauten angefügt
werden konnltn. Wo das erste Stock-
werk für W'iilmunf^'en ausgenützt wurde,
kommen die iv't.sc-rvoire seitlicli iii d^-ni-
udee der Kaiserin EllsdOelta-Uabn. [iSjg.]
von diesen als selbständige kleine Ge-
bäude meist mit einer Wasserstation ver-
bunden ; sie hatten die Locomotive mit vor-
gewärmtem Wasser und mit Kohlen zu ver-
sorgen und standen daher an den .Stations-
enden bei der Ein- und Ausfahrt. Charak-
teristisch ist die Anlage des Briinner
Bahnhofes [1839]. [Abb. 157 und 159, Bd. I,
I. Theil sowie Abb. 181 und 182, Bd. II.]
Vor der Einfahrt in die freistehende drei-
schiflige Wagenhalle, hinter der das frei-
stehende, ijuergelegte Aufnahmsgebäude
.■iich erhob, wurden s_\nimclrisch zwei pa-
villonarttge Remisen errichtet; eine für
Wagen, eine für Locomotive. -Jede bildete
ein regelmässiges Zwölfeck, von 13"
[22-S Hl] Durchmesser, älinlich jenen der
London- Birminnliam- Hahn [vgl. Kopf-
R
i .
leiste S. 383] im Mittelpunkt mit einer
grossen Drehscheibe, nach welcher die
zwölf Geleise radialiter zusammenliefen.'
Wir haben hier die älteste Form der später
so verbreiteten polygonalen Heizhäuser
vor uns. Zunächst der Locomotivremise
und mit ihr in Verbindung standen
Werkstätten für die Schlosser, Drechsler
etc. und in einiger Entfernung das Heiz-
haus* [für zwei Maschinen].
Die ersten Staatsbahnbauten.
Mit dem Eingreifen des Staates in
die Angelegenheiten des Eisenbahnbaues
erfährt auch der Hochbau eine merkliche ,
Förderung. Die Behandlung der Aufgaben
gewinnt an Grossartigkeit und Einheit- I
lichkeit. Der bald nach der Brilnner Anlage j
vom Staate errichtete Prager Bahnhof j
[1844] [Abb. 252 und 211, Bd. I, i. Thetl
sowie Abb. 187, Bd. II] zeigt eine weit-
gehende Rücksichtnahme auf künftit^e Be- 1
dürfnisse, so dass er durch lange Zeit ohne |
wesentliche Veränderung bestehen konnte
und in seinen Hochbauten theilweise noch j
heute entsprechende Dienste leistet. Bei
dieser Anlage sehen wir zum ersten Male, '
allerdings durch die Lage der Gebäude vor 1
und hinter den Prager Festun gs mauern von j
vornherein bedingt, einedeutlicheXrennung
des Personenbahnhofes vom Manipula-
tionsbahnhofe, hier ^innerer" und 'äusse- 1
rer" Bahnhof genannt. Die Thore der
Festungsmauem waren in den mittleren
sechs Oeffnungen für Wagenremisen be-
stimmt; ausserdem gab es im äusseren
Bahnhofe noch drei Remisen für Personen-
wagen und eine Remise für Locomotive;
diese grosse Zahl von Räumen, welche nur
zum Schutze der Personenwagen gegen
Witterungseinflüsse bestimmt waren, ist ein
charakteristischer Zug ältester Bahnhofs-
anlagen, welcher immer mehr verschwin-
det, je mehr die Verbesserung der Wagen-
construction ihre Wetterbeständigkeit ins
Auge fasst. Sämnitliche Hochbauten des
Prager Bahnhofes zeigen einen einheit-
lichen Rundbogenstil mit einfachen
Schmuckfomien und ansehnlichen Ver-
hältnissen. Dem Aufnahms gebäude
mit seiner Abfahrtshalle ist ein eigenes
Ausgangsgebäude mit einer An-
kunft s halle derart gegenübergestellt,
dass eine Galerie und die Untersuchungs-
halle für die Zollbehörden den Uebergang
vermitteln. Auch hierin also eine Trennung
nach Verkehrsbedingungen. Das Haupt-
gebäude ist durch Thürme besonders
betont und zeigt in seinem Grundriss
eine sehr bemerkenswerthe Ausbildung
derjenigen principiellen Anordnungen,
welche im OlmUtzer Aufnahmsgebäude
angedeutet erscheinen. Das geräumige,
in der Mitte angeordnete Vestibüle schliesst
sich an einen 62* [il7'6 m] langen und
14' [4-43 w] breiten Gang, welcher in
die ebenerdigen Tracte zu beiden Seiten
des zweistöckigen Mittelbaues übergreift
und den Zugang zu sämmtlichen wichtigen
Räumen vermittelt. Das Vestibüle ist nur
eine centrale Erweiterung dieses Ganges,
um für (fassen und Gepäckaufgabe ge-
eignete Plätze zu schaffen und einer an
dieser Stelle zu erwartenden grösseren
Menschenansammlung Raum zu geben. Der
gesammte Flächeninhalt der Abfahrts-
localiläten betrug schon nahe an lOOO [j*
[3597 ;«^]. Dieses Grundrissschema gibt
eine noch heute allgemein gebräuchhche
Lösung der Aufgaben eines Längsgebäu-
des, wie sie späterhin unzählige Male in
den verschiedensten Dimensionen zur Aus-
führung gelangte.
Die Linie Olmütz-Prag hatte aber
auch für die Übrigen Stationsgebäude
massgebende Typen. Es ist begreiflich,
dass man mit den häufiger werdenden
Hochbau aufgaben und der naturgemässen
Wiederholung ähnhcher Bedingungen
darauf geführt wurde, die Anordnung der
Stationen sowie die Anlage der Gebäude
durch bestimmte Typen zu generali-
siren. Die Wien-Gloggnitzer Linie hatte
drei Classen von Stationsanlagen unter-
schieden. »Für sämmtliche Staatseisen-
bahnen des österreichischen Staates wurde
die Bestimmung gegeben, dass die ver-
schiedenen Stationsplätze je nach der
Wichtigkeit des nächstgelege-
So ist der älteste Bahnhof in Pest
[1846] [Abb. 195, Bd. r, I. Theil] eine Kopf-
station mit grosser Hallenanlage gewesen,
während die übrigen Stationen der >Üngari-
schen Centralbahn« [Pest-Waitzen, Pest-
Szolnok und Marchegg-Pressburg] sich
nach weit bescheideneren Typen ordnen
Hessen. Insbesondere dort, wo die Han-
delsverhältnisse Stapelplätze von beson-
derer Wichtigkeit schufen, war auch die
Bahnhofsanlage mit speciellen Vorkeh-
rungen einzurichten.
Eine Anlage solcher Art war der
Staatsbahnhof in Triest.") [1857.]
Hier war im Gegensatz zu den bisher be-
trachteten Fällen gerade der Gütertrans-
port besonders massgebend und durch die
Verbindung mit einer neuen Hafenanlage
erwuchsen technische Schwierigkeiten
besonderer Art. Der Personenverkehr
nen Ortes in fünf Classen einzu-
theilen seien.« Die kleinste Type bestand
nur aus einem Wächterhaus mit Wasser-
station. Dann wuchs die Zahl der
Warteräume im Gebäude, aber die
Wasserstation blieb noch damit combinirt ;
dann wurde die Wasserstation dem Auf-
nah msgebäu de gegenüber als selbstän-
diger Bau errichtet und bei grösseren
Typen mit Remisen und Werkstätten
combinirt. Endlich erhielt das Auf-
nah msgebäude noch eine Personenhalle
derart vorgestellt, dass der Verblndungs- 1
gang zwischen beiden Objecten rechts
und links mit Wartesälen eingeschlossen
werden konnte.
Die Endstation bildete als Sitz der .
Verwaltung eine Anlage von erhöhter
Wichtigkeit und entwickelter Ausbildung ;
hier traten am häufigsten abnormale Ver- I
hältnisse auf, welche eine Abweichung
von generellen Typen und Anpassung
an locale Bedingungen noth wendig
machten.
spielte ausnahmsweise eine untergeordnete
Rolle, so dass das Aufnahmsgebäude bis
zum Jahre 1883 auf seine definitive
Gestaltung warten musste und inzwischen
durch ein Provisorium ersetzt wurde.
Hingegen machten die übrigen Erforder-
nisse den Bahnhof damals zur grOssten
Anlage der Monarchie. Infolge der noth-
wendig gewordenen Uebersetzung der neu-
en Lazarethanlage mi teinem 96" langen
und theilweise mil einer Art Glasveranda
überdeckten Viaduct mussten zwei Etagen
angelegt werden, von denen die obere mil
der Geleiseanlage 32' [10 m] und die untere
mit den Zu fahrts Strassen und Quaimaueru
des Hafens 9'/»' [3 "*] ^^^^ dem Meeres-
spiegel lag. Zusammen umfassten die
beiden Plateaux eine Fläche von 55.000 |~i'*
[197.800 w(*] von der ober 40.000 G"
[143.900 m*] der See durch Anschüttung
abgewonnen wurden. Die Auf- und
•I Vgl. Bd. II, E. Reitler, Bahnhofs-
anlagen, Abb. 205 und Bd 1, 1 Theil, H. S t r ach.
Die ersten Staatsbahnen, Abb. iHo und 281.
3<)6
Abirabsmagaziae enthielten in ihren
beiden Geschossen zusammen 860O fj"
[30.928 wi*] Lagerfläche. Es waren dies
die wichtigsten und hervorragendsten ;
Hochbauten der ausgedehnten Anlage,
welche gleich von Anfang an eine massive
Durchführung erfuhren. Wie man sieht,
hat es auch den ersten Bahnhofsanlagen '
Oesterreichs nicht an Grossartigkeit ge-
fehlt und haben alle neuen und wichtigen
Aufgaben des Eisenbahn-Hochbaues schon ,
die Pionniere dieses Faches zu be- ;
schäftigen gehabt; wenn auch im Anfange
allerdings nur die, technische Seite der
Lösungen mit besonderer Aufmerksamkeit
behandelt wurde.
Es ist natürlich, dass die architek-
tonische Ausgestaltung der grösseren
Hochbauten, das ist insbesondere der
Aufnahms- und Empfangsgebäude von |
Verhältnisse zu jener Zeit: »Auch Nobile's
Nachfolger in Amt und Würden, Hofliau-
rath Paul Sprenger, bewegte sich an-
fangs in den ihm vorgezeichneten Bahnen
und was das Bezeichnendste seiner ganzen
Stellung war, er bureaukratisirtc die
^anze Architektur von Staats wegen.
Handelte es sich um die Errichtung eines
öffentlichen Gebäudes, so musste der
Hofbaurath nicht nur sämmtliche Pläne
gutheissen, sondern in wichtigeren Fällen
wurden Pläne am Sitze der obersten
Baubehörde von den dort fungirenden
technischen Beamten selbst entworfen,
wobei Sprenger als ein einflussreiches
Mitglied dieser Staatsbehörde entweder
die leitenden Ideen angab und die Slil-
gattung bestimmte, oder auch fremde
Ideen nach seinem Geschmack modi-
(icirte, • — » Um das Jahr i S40
dem herrschenden Geschmack jener Tage
abhängig war, in weiche der Beginn der
• Eisenbahnzeit, fällt. Ein Bericht Uberdie
Münchner Kunstausstellung desJahres 1 838
in Förster's Bauzeitung charakterisirt '
diesen Geschmack sehr gut, indem er sagt :
»In der heurigen Kunstausstellung
zeichnete sich zur Freude aller gebildeten
Bautechniker der Architektensaal durch
seine ebenso gut durchdachten, als rein-
lich gezeichneten Pläne, wovon die
meisten zu Prachtgebäuden, aus, denn
fast alle trugen sichtlich das Gepräge
eines reinen, nüchternen Bau-
stiles, in Bezug der Anordnung der
Fa^-aden sowohl, als der Vermeidung
jeder widersinnigen Constniction und
barocken Form. Als Heros glänzte
H. Rösner, Professor an der k, k. Aka-
demie der bildenden Künste in Wien.« .
Uem Führer durch .Alt- und Neu-Wien-,
welcher 1S65 vom OesterreiL-hi sehen In-
genieur- und Architekten-Verein heraus-
gci;cben wurde, entnehmen wir ferner
folj^ende Stelkn (lh,.-r dii; WiL^noi' Bau-
herum begann auch in Wien ein Um-
schwung der Anschauungen in Bezug
auf das Wesen und die Bedeutung
monumentaler Bauten fühlbar zu wer-
den. Der Huf ausgezeichneter Leistun-
gen in verschiedenen Städten Deutsch-
lands, die brennende Frage Über die
Erfindung eines neuen Baustils,
die erwachte Begeisterung für mittelalter-
liche Bauwerke, gefördert durch eine Reihe
von kunstarchäologischen Schriften, und
die Aufnahmen von alten Bauwerken
durch wissenschaftlich gebildete Künstler
drangen auch bis an die Donaustadt,
und es machte sich der Eindruck der
deutschen Kunstbewegung vorerst durch
eine kräftige Opposition gegen den Hof-
baurath Luft..
Natürlicherweise sehen wir auch im
Eisenbahn- Hochbau diese Verhältnisse
sich wiederspiegeln. Hatte noch der Lon-
doner Bahnhof derBirmingham-Bahn [siehe
Kopfleiste S, 3)^1] einen strengen dorischen
l'ropyläen-liau an der Stelle des Einganges,
so war diL'Si-r trocken antikisirende Baustil
auch für den ältesten Noriibahnhof, den
Bahnhof der Gloggtiitzer Bahn in Wien,
bei entsprechend geringeren Mitteln für
decorativen Aufwand massgebend. Nach-
dem die Projectanten der Eisenbahn-
Hochbauten vielfach aus dem Staatsdienste
hervorgingen, ist die äussere Verwandt-
schaft in der einfachen Gestaltung der
Gebäude leicht zu erklären; es entstand
hiebei eine Art officiellen Baustils, der
umso eher angewendet werden konnte,
als die Programmbedingungen anfänglich
an 'constructive Ausbildung und räum-
liche Ausdehnung noch keine ungewöhn-
lichen Anforderungen stellten. Bei den
niirdlichcn Linien ; der Nordbahn, der
Olmütz-Prager Linie etc. war hauptsäch-
lich Anton Jüng-
ling als Architekt
thätig.
Bei den südli-
chen .Staatsbahnen
begegnen wir dem
Architekten Moriz
Lahr, welcher da-
zu berufen war,
durch lange Zeit ^^^b »i. Innsbruck
auf den österreichi-
schen Eisenbahn-Hochbau Einfluss zu neh-
men. [1838 — 1857.] Wenn er einerseits
durch die Schule Stier's, durch Studien-
reisen in Italien, durch Antheihiahme
an den Bauten Sprenger's künst-
lerische und praktische Vorbildung erhalten
hatte, so waren die in Gemeinschaft mit
Ghega unternommenen, sogar bis nach
Amerika ausgedehnten Informations-
reisen geeignet, ihm die weitestgehende
Kenntnis der bereits zu Tage geförderten
Resultate des Eisenbahnwesens zu ver-
schaffen und ihm einen weiten Blick zu
sichern. Dies war umso wichtiger, als
Lühr in seinen leitenden Stellungen
nicht blos als .Architekt zu wirken hatte,
sondern auch Stations- und Betrieb s-
anlagen, ja sogar auch Brücken zu
projectiren und auszufUhen hatte.
Unter seinen ersten Mitarbeitern ist
Johann S a I z m a n n zu erwähnen, der mit
der Ausführung der ersten Rohbauten auf
der Semmeringbahn [vgl. Klamm Abb. 248,
Bd. I, I. Theil etc.] einer wichtigen Aufgabe
des Eisenbahn - Hochbaues zuerst die
nöthige Rücksicht zutheil werden liess.
I Es wurde sehr früh die Xothwendigkeit
I erkannt, der Ueberwachung und Erhal-
tung der Hochbauten möglichst geringe
Lasten aufzubürden, ohne dabei den
guten Geschmack in Bezug auf die
äussere Gestaltung zu beeinträchtigen.
Dies führte zur müghchsten Ausnutzung
des wetterfesten Baumaterials auch för
decorative Zwecke, was ausserhalb Oester-
reichs schon lange in Uebung war.
Ja in einzelnen Grenziändem Oester-
reichs kam es vor, dass die Bahnhofs-
anlagen direi-t durch ausländische Ein-
wirkung hervorgerufen wurden. So ist
im ehemaligen Krakauer Gebiete schon
im Jahre 1845 durch die Krakau-Ober-
I schlesisehe Bahn eine grosse und sehr
übersichtlich dis-
ponirte Bahnhofs-
anlage geschaffen
worden, welche
I auch eine Halle mit
eiserner Dachcon-
struction enthielt;
Das Aufnahmsge-
bäude Krakau
[k. k. s.«i,i>«h,., ,S59). [s- Abb. 264] war
nach dem Schema
; der Durchgangsstationen angeordnet mit
einem grossen Längsgebäude für den öffent-
, heben Verkehr, das durch einen Mittelbau
mit niedrigen Seitenflügeln und höheren
Eckpavillons gegliedert erschien, welchen
letzteren auf der anderen Hallenseite zwei
Eckpavillons für Betriebslocalitäten ent-
I sprachen. Die Architektur des einfachen
' Putzbaues mit flachen Blechdächern und
. Rund bogen Öffnungen wies auf Berliner
Einflüsse hin. In dieser Zeit machten
sich auch noch von anderer Seile deutsche
Einwirkungen fühlbar. Im Jahre 1847
trat der .Verein der deutschen
Eisen bahn- Verwaltungen- mit
Anschluss Oesterreichs zusammen und
wenn die wohlthätige Wirksamkeit dieses
' Vereines für den Hochbau auch nicht
sofort sehr bedeutungsvoll wurde, so
bildete doch der Austausch der Erfah-
I rungen und des Wissens hervorragen-
] der Fachleute eine Quelle der Anre-
gung und Belehrung, welche in der
präciseren Ausgestaltung und sorgfälti-
geren Durchführung der Bauten zum
, Ausdruck kam.
Einführung von Normalien für den
Hochbau. Kaiserin Elisabeth-Bahn.
Von grösster unmittelbarer Bedeu-
tung war der Einfluss Frankreichs, welcher
nach Entstaatlichung einzelner Linien
in O esterreich auftrat.
Mit der Gründung neuer Gesell-
schaften begann eine Bewegung sich
Geltung zu verschafTen, welche dadurch
geftirdert wurde, dass zur technischen
und administrativen Leitung der Bahnen
Persönlichkeiten vom Auslande herange-
zogen wurden, die neue Anregungen
mitbrachten. Insbesondere ist hier die
Thätigkeit der Staatseisen bahn -Gesell-
schaft in Un-
garn zu er-
wähnen. Ge-
neral-Director
j. Maniel,
aus Frankreich
nach Wien be-
rufen, verstand
es, den in sei-
ner Heimat
sehr entwickel-
ten Hochbau-
Typen durch
Anpassung an
österreichische ^,^ ^ ^^^^^^, .^^ .^
Verhältnisse
Eingang zu verschaffen. Ihm verdanken wir
die ersten gründlichen Hochbau-
Normalien. Mit äuss erster Sorgfalt wur-
den für den Bau deir Linie Szegedin-Temes-
vär [1856 bis 1857] unter Beobachtung der
ortsüblichen Bauweise, der bei den Aus-
führungen sich ergebenden Erfahrungen,
für alle nur voraussichtlichen Fälle und
Detailfragen mustergiltige Zeichnungen
angefertigt. W. Flattich war es zuerst,
dann K. Schumann im Verein mit
A. Paul, welche diese Arbeiten unter
Maniel's directer Beeinflussung durch-
führten.
Der Rohbau, welcher zuerst bei der
Semmeringbahn [vgl. Station Klamm, Tafel
11, Fig. 7] Verwendung gefunden hatte, er-
hielt nun principieHe Anwendung für alle
constructiven Theile, wie für Gesimse,
Lisenen, Bögen und Einrahmungen von
Oeffnungen, und zwar den örtlichen Ver-
hältnissen entsprechend, zuerst als Ziegel-
rohbau. Der Putz blieb auf glatte Flächen
I beschränkt. Auch das Dach wurde durch
1 vorspringendeGiebelundTraufconstnictio-
1 nen mit Verzierung der sichtbaren Holz-
, theile betont, so dass im Allgemeinen
das Hervorkehren der constructiven
I Principien charakteristisch war. Im In-
j nern erhielten die Holzconstructionen
I durch Heranziehung von Eisen zu Ar-
' mirungen eine leichte und elegante Ge-
\ staltung, welche sogar mitunter decorativ
I verwerthet wurde, z. B. als sichtbare
I Holzdecke von Wartesälen, Hiemit er-
; scheint durch rationelle Ausnützung der
I Materialien und geschmackvolle Benützung
, constructiver Motive eine Charakterisirung
des Zweckes
der Gebäude
mit den Anfor-
derungen der
Bauöconomie
verbunden. Die
Grundrissanla-
gen zeigten ins-
besondere bei
den Aufnahms-
gebäuden klare
und knappe
Anordnungen,
welche in vie-
™h..„<- ™ I. n v .a«! len Fällen noch
embefg-CieniowlIier Buhn, I8Ö6.] . . r ■ j-
heute befnedi-
. gende und oft angewendete Lösungen
; bilden. So zeigt z. B. ein Gebäude
i mittlerer Grösse Gross-Kikinda [1857]
! eine Gliederung durch Mittel- und
j Eckpavillons und Z wisch entracte. Das
I Vestibüle mit der Gepäcksauf gäbe und
I den Cassalocalen hegt in der Mitte.
; Links sind die Wartesäle mit vorgeleg-
, tem Gang; am Ende hegt der Re-
staurationssaal. Rechts sind reichlich
I disponirte Bureaux, am Ende die Locale
für die Post. Auch das Streben nach
hohen, luftigen und hellen Räumen
I findet seinen Ausdruck durch Entfernung
I der Zwischendecken und Anordnung
I einer sichtbaren Dachconstniction in den
I Wartesälen, die durch Untertheilung des
grossen Raumes mit Hilfe von höl-
zernen Zwischenwänden entstehen. Diese
Anlagen waren als Vorstudien wichtig
I und gaben vielfach Anregung für spätere
; Arbeiten.
Unter den im Entstehen begriffenen
neuen Bahnen erhielten die ungarischen,
croatischen und Kärntner Linien der späte-
ren Sudbahn für den Hochbau Bedeutung.
[Vgl. Tafel II, Fig. I —6.] Die Berufung
Etzel's verschaffte auch hier ausländischen
Eingüssen Geltung, welche sich vorerst in
einer klaren Grundriss-Disposition äusser-
ten, die jener der oben besprochenen sUd-
ungarischen Typen verwandt war. Ofen
erhielt auf seinem vom Güterbahnhof
vollständig getrennten Personenbahnhöfe
ein stattliches Aufnahmsgebäude mit Halle.
Die strenge Trennung der zwei Längs- |
tracte für Ankunft und Abfahrt, welche, |
symmetrisch zur
Halle gelegen,
die durchgehen-
den Geleise ein-
schliessen, sowie
die abersichtliche
Vertheilung der
Räume machten
diese Anlage zu
einem guten Ty-
pus einer Endsta-
tion ohne Kopf-
gebäude, Kani-
zsa und Stuhl-
weissenburg
zeigen gleichfalls '
typische Anla- Abb. «j. Bibahof a>
gen, und zwar fUr
Zwischenstationen grösserer Gattung, bei
denen einem stattlichen Längsgebäude j
eine ansehnliche Halle in Holz- und Eisen- |
construction vorgelegt ist. In Prag er- i
hof war diese Halle ganz frei gestellt.
[Vgl. Abb. 255.]
Im Aeusseren hat man es hier zumeist
mit einfachen Putzbauten zu thun. Doch
verschaffte Flattich, zur Leitung des
Hochbauwesens unter Etzel berufen, dem 1
Rohbau auch bei der SOdbahn Geltung. I
Schon bei der Umgestaltung der Local-
strecke Wien-Vöslau wurde das dort vor-
handene Steinmaterial verwendet, um dem
Detailformen einer an tiki sirenden Renais-
sance, welche schon von früher her einge-
führt waren, eine constructiv und ästhe-
tisch befriedigende Durchbildung zu geben.
Bei einigen ungarischen Strecken wurde
das Ziegelmaterial herangezogen, um
einfachere ländliche Gebäude im Roh-
bau herstellen zu können. [Vgl, Tafel II,
Fig. 1 und 3.]
Wichtig ist bei den erwähnten Local-
bahnstationen auch die principielle An-
wendung von Veranden an Stelle
der zur Cassirung gelangenden alten
Hallen selbst bei den kleinsten An-
lagen. Sie dienten als Warteraum ins-
besonderewährend der Sommermonate und
waren daher mit Gittern abgeschlossen,
und wurden mindestens 16' [5'05 m]
vom nächsten Hauptgeleise entfernt an-
geordnet, um die Trennung der Ein- und
Aussteigenden zu ermöglichen. Dadurch
unterschieden sie sich von gewöhnlichen
Einsteige -Per-
rons. Etzel's aus-
iUhrliche Publi-
cation zeigt, mit
welcher Gründ-
hchkeit bei die-
sen Bauten die
Durchbildung
des Details er-
folgte, und wel-
cher Werth nun
schon auf eine
einheitliche plan-
mässige Ausge-
staltung des
Hochbaues ge-
;h, iEg«-Hot, i*s.i legt wurde.
Gleichzeitig
traten an anderer Stelle Bestrebungen
zur Hebung der technischen und ästhe-
tischen Qualitäten des Hochbaues auf,
welche Beachtung verdienen. Beim
Baue der Kaiserin Elisabeth-
Bahn [1857 — 1860] wurde den Archi-
tekten viel Spielraum gelassen. Einge-
leitet wurden die Arbeiten noch vor
seinem U ebertritt in den Staatsdienst
durch Lühr, welcher nach neuerlichen
Studien in Deutschland und Frankreich
an ein (^orps von jüngeren Kräften:
Bayer, Patzelt, Thienemann, die
Ausführung der verschiedenen Hochbauten
vertheilte, so dass ohne eigentliche Nor-
malisirung jedem Einzelnen eine gewisse
Freiheit gelassen war. Bei den Werk-
stätten, Remisen und anderen Nutzbauten
des Wiener Bahnhofes wendete Thiene-
mann einen sorgfältig studirten Ziegel-
rohbau an, der reichere Detailbildung,
Abb, «4. Aufnab
als bisher üblich war, zeigte, und bei dem
gehrannte Formsteine zu Ziergliedem in
Verwendung traten. Auch in den Putzbau
der Aufnahmsgebäude mischen sich Terra-
cotta und Ziegeldetails, und gewisse An-
klänge an das Mittelalter in Zinnen und
ThUrmchen, Bogenfriesen und Eckrund-
stäben lassen den Geschmack der Zeit er-
kennen. [Vgl. Abb. 256 — 261.] Nach-
dem nun dem Localverkehr von Anfang
an schon Beachtung 'geschenkt wurde,
finden wir ausgedehnte Veranden, welche
mitunter vor, zumeist aber neben die
Aufnahmsgebäude gestellt waren. Die
grössten übjecte waren das Wiener
und das Salzburger Aufnahms-
gebäude. Das letztere erhielt durch
Bajer eine glückliche Anordnung, die
durch gute Massengruppirung und ge-
schickte Betonung der Mittel- und Eck-
bauten aus dem ungünstigen lang-
gestreckten BaukOrper eine beachtens-
werthe architektonische Leistung zu Wege
brachte. Beim Wiener Empfangs-
gehäude musste infulge der grossen
Reichhaltigkeit des Programms auf Ein-
heitlichkeit der Gesammtwirkung ver-
zichtet werden. Es ist dies der erste
in der Reihe der gn.ssen Wieiier Bahn-
höfe, welcher den gesteigerten Au-
' forderungen einer neuen Zeit Rechnung
i trägt und in die Reihe der monumen-
talen Anlagen der grossen Stadt eintritt.
[Vgl. Tafel IV, Fig. 4.] Allerdings fällt
I er auch schon in jene Wiener Bau-
epoche, welche sich die Stadtregulirung
zur Aufgabe machte und der Lösung
grosser baulicher Probleme entgegen
kam. Ein grosses Ankunfts- und ein
gleiches Abfahrtsgebäude umschliessen
mit einem quer vor den Kopf der Geleise
gestellten Administrationsgebäude die
27'5 m weite und 164 tn lange Halle.
Die Längsgebäude, in sich abgeschlossen,
mit ebenerdigem Mittelbau und höheren
Eckbauten sind doppeltractig angelegt,
so dass Höfe entstanden, die zu Gärten
verwendet wurden. Auffallen der weise
waren die Warteräume strassenselts an-
geordnet. Eine opulente Portalan läge
und stattliche Eingangs- und Ausgangs-
vestibule schmückten die Mittel bauten.
Das Kopfgebäude ist gleichfalls für sich
abgeschlossen, von grösserer Höhe und
mit EckthUrmchen ausgezeichnet, um den
Prospect von der Stadtseite zu heben;
es entspricht der Hallenbreite. Für diesen
Bahnhof ist noch heute charakteristisch,
dass das l'uhlicum .seinen Weg durch das
Vestibüle direct auf den Perron nimmt, zu-
meist ohne Berührung der Warteräume.
Beeinflusst durch die ersten mittelalter-
lichen Studien und jene romantische Be-
wegung, welche damit zusammenhing, sind
[mehr noch wie die Hochbauten der
Kaiserin Elisabeth-Bahn] einige im süd-
lichen Ungarn zu Ende der Fünfziger-
Jahre entstandene Bauten, die von Wiener
Technikern projectirt wurden, z. B. die
Bahnhöfe der Theissbahn, welche bei der
Siebenbürger Bahn Nachahmung fanden.
[Kasch au- Karls bürg.] Auch viele gali-
zische Bahnhöfe und die etwas späteren
Anlagen in der Buliowina, wie der Lem-
berger und der Czernowitzer Bahn-
hof, schÜessen sich diesen eigenthüm-
lichen, heute so befremdenden Arbeiten in
formaler Hinsicht an. [Vgl. Abb, 262 und
265.] In grossem Gegensatz hiezu stehen
jene Empfangsgebäude, welche im nörd-
lichen Böhmen entstanden, als es sich
zum zweiten Male ereignete, dass aus-
ländische Kräfte direct in das hei-
mische Bauwesen eingriffen. Im Jahre
1865 wurde durch Herz von Herten-
ried die Eisenbahn Hof-Eger erbaut.
Die bei dieser Gelegenheit vom bayrischen
Architekten B Ü r c k 1 e i n entworfenen
ansehnlichen Aufnahmsgebäude von
Franzensbad und Asch [Abb. 263] und
jenes von Eger, das Hügel erbaute,
mtlssen infoige ihrer breiten Anordnung
und sorgfaltigen Ausführung als sehr be-
merkenswerthe Leistungen bezeichnet
I werden. Flache Dächer, schwache Ge-
simsgliederungen und antiki sirende De-
tails tragen den Charakter der damals
in München herrschenden Geschmacks-
richtung.
Solche Schwankungen in der formalen
Behandlung des Eisenbahn- Hochbaues
charakterisiren namentlich jene Epoche,
in der man in Oesterreich wie anderwärts
nach einer energischen Hebung der Bau-
j thätigkeit strebte. Die Ueberwindung der
I älteren, •nüchternen" Bauweise führte
I zunächst noch zu den mannigfaltigsten
I Experimenten und Versuchen mit der
! Neubelebung alter Stilrichtungen, bis sich
allmählich durch eine mehr auf das Con-
structive gerichtete Belhätigung jene
charakteristische Bauweise entwickelte,
die dem Eisenbahn- Hochbau heute cigen-
thUmlich ist. Insbesondere waren es
grosse Aufnahmsgebäude in Endstationen,
welchen man manchmal durch Anlehnung
an ältere, den Zwecken und Aufgaben
des Eisenbahnwesens ganz ferne stehende
' Architektur-Bestrebungen einen erhöhten
I Glanz zu geben versuchte. Dabei gelang
es aber doch immer wieder, jene
' Wege zu finden, auf welchen man zu
I einem charakteristischen Ausdruck der
neuen Forderungen gelangen musste.
I Diese besonderen Leistungen haben auch
1 stets den nachhaltigsten Eindruck her-
vorgerufen und den günstigsten Erfolg
I gehabt.
Fortbildung in der österreichischen Reichshälfte
bis zum Jahre 1898.
Die grossen Endbahnhöfe in Wien
und die neuen Gebirgsbahnen.
Es konnte nicht fehlen, dass die zu-
nehmende Entwicklung des Verkehrs-
wesens auf das älteste österreichische
Locomotivbahn-Unternehmen seine Wir-
kung ausübte. Mehr als zwei Decennien
waren seit der Erbauung des ersten
Aufnahmsgebäudes in Wien verflossen
und das unerwartet rasche Wachsen der
Bedurfnisse hatte es mit sich gebracht,
dass die Wiener Bahnhofs an läge der Nord-
bahn im Jahre 1864 bereits eine Fläche
von 56.350 Q" [303.860 m*] einnahm,
also mehr als achtmal so gross war,
wie die Anlage von 1838. Auch auf
der Strecke war das Bedürfnis nach
Vergrösserung der Hochbauten vorhan-
den. Die Verwaltung der Nordbahn
zog daher die württembergischen Archi-
tekten Theod. Hoffmann und Fr.
Wilhelm zur Ausarbeitung der Pläne
für Umirestaltungen der Hochbauten
heran. Die meisten grossen Stationen, wie
Prerau, Oderberg, gaben zu umfassenden
Arbeiten Veranlassung ; hier hatte Fr.
Wilhelm durch einige Zeit seinen Wir-
kungskreis, den er aber bald mit einer
viel längeren Thätigkeit im Hochbau-
Bureau der Südbahn vertauschen sollte,
während Hoffmann's Arbeiten durch lange
Zeit den Nordbahnbauten das eigen-
thümliche Gepräge gaben. Die ausgedehn-
teste Umgestaltung, die eingreifendste
Veränderung betraf das Wiener Auf-
nahmsgebäude [Abb. Tafel III, Fig. IV,
und Tafel IV, Fig. I], das von Hoffmänn
(1859 — 1865] seine jetzige Gestalt er-
hielt. Die für die Weiterentwicklung
des Verkehrs so günstige Situirung und
allgemeine Anordnung dieses Bahnhofes
ergab gerade für den Architekten grosse
Erschwerungen. Die geringe Tiefe des
ihm gegebenen Bauplatzes, die grosse
Zahl der erforderlichen, nicht unmittelbar
vom Verkehr bedingten Räume für Ad-
ministrations-, Restaurati ons- und andere
Zwecke behinderten eine freie Disposition.
Eine rege Phantasie verleitete den Archi-
tektenzurAnwendungspätromanischerund
maurischer Motive, welche einen reichen
omamentalen Schmuck begünstigten und
enge, hochschlanke Verhältnisse im Ge-
folge hatten [vgl. Abb. 266], ThUrme und
Zinnen dem Streben nach einer bewegten
Silhouette zur Verfügung stellten. Dieser
romantische Grundzug gibt dem Bau in
vielen Hinsichten eine Sonderstellung.
Seine gediegene und sorgfältige technische
Durchführung zeugt aber für die Wandlung
der allgemeinen Anschauungen Über die
Bedeutung von Bahnhofsbauten ; wo sonst
mit grösster Sparsamkeit Jedem Schmuck
aus dem Wege gegangen wurde, war nun
eine Prachtentfaltung in echtem Baumate-
rial möglich, die das Staunen der Zeitge-
nossen erregte. Die allgemeine Anordnung
ist die einer reinen Durchgangsstation, wo-
durch die Angliederung an andere Bahn-
hofsanlagen sehr begünstigt wird. Wäh-
rend hier die Bedingungen flir die Entwick-
lung der Geleiseanlage glücklicher waren
als für den Hochbau, trat der entgegen- ,
gesetzte Fall ein, als die Anlagen vor ,
der Belvederelinie in Wien einer i
Umgestaltung unterzogen wurden. Aus den j
1869 und 1874 wurde der Umbau des alten
Wiener Aufnahmsgebäudes der Glogg-
nitzer Bahn vollzogen, [Vgl, Abb. 267,
Tafel III, Fig. III, und Tafel IV, Fig. IL]
Günstige Bedingungen des Programms und
der bestehenden Verhältnisse ermöglichten
eine klare, einfache und gross räumige
südlichen Staatsbahnen, der Franz Josefs-
Orientbahn und anderen Unternehmungen '
hatte sich die Südbahn- Gesellschaft ge- ,
bildet, welche beim Ausbau ihrer Linien |
und bei der Umgestaltung der bestehenden
Hochbauten dem Architekten W. Fiat- I
tich und seinem inzwischen herangezo- ;
genen Mitarbeiter Fr. Wilhelm einen ,
grossen Wirkungskreis gab. Zwischen
kiici Nordttnhnbufc» . [1%7-j
Disposition, die lange Bauzeit eine
sorgfältige und solide Durchführung in
gutem Steinmaterial. Bei der ersteren
fiel sehr in die Wagschale, dass
ein eigenes Administrations- und ein
davon getreimtes Hestaurationsgebäude
bestanden, welche Anlagen inzwischen
erweitert worden waren. Die Stellung
des Gebäiides vor den Geleiseenden er-
»
i
4o6
Hartwig Fischel.
|l»70.]
gab eine geschlossene Baumasse, die
opulente Vestibüle -Anlage [Abb. 268], die
Anordnung breiter Stirn- und Längsperrons
gestattete den Warteräumen eine unterge-
ordnete Rolle zuzuweisen und so konnte
hier in einfacher und glücklicher Form
eine räumlich und ästhetisch befriedigende
Anlage geschaffen werden, die selbst bei
dem ungewöhnhchen Anwachsen des
Personenverkehrs nach 25Jährigem Be-
stände ihren Zwecken gut entspricht.
Aber auch die ruhige und vornehme
architektonische Wirkung des Aufbaues
ist hervorzuheben, bei welchem Flattich
mit Anlehnung an Schinkel und antike
Vorbilder, jene einfache Formensprache
wählte, die so gut mit den grossen Raum-
und Massendispositionen harmonirt.
Wesentlich schwieriger war die Anlage
des Staatsbahnhofes [Abb. Tafel III.
Fig. II, und Tafel IV, Fig. III] [1867 — 1870
in Wien architektonisch befriedigend zu
lOsen, welcher mit dem Baue der Linie
Wien-Brtinn und der Verbindung des
I mährisch-böhmischen mit dem ungari-
I sehen Netze der Gesellschaft aus dem
! alten sogenannten »Pressburger Bahn-
I hof« sich entwickelte. Es war zwar
' auch hier durch den günstigen Umstand,
I dass die Gesellschaft in der Stadt ein
I eigenes ansehnliches Administrationsge-
I bäude errichten Hess, ein hinderlicher
1 Bestandtheil des Program mes eliminirt,
, allein die Nähe des Arsenals und die
■ damit zusammenhängende Bedingung
der Rücksichtnahme auf eine fortificato-
1 rische Lufdinle verbot jede ansehnliche
' Höhenentwicklung. Die allgemeine Dis-
I Position bot viele Vortheile. Durch Sen-
. kung der hochgelegenen Geleise wurde
I ein sehr grosses ebenes Terrain geschaf-
, fen, auf dem für einen ausgedehnten
I facherftirmig angeordneten Frachtenbahn-
' hof und den mit Längsgebäuden dem
I Typus einer Durchgangsstation entspre-
I chend angeordneten neuen Personenbahn-
I hof Platz war. Dieser erhielt eine sehr
, klare CSrundrissdisposition.
Der Hochbauchef der Gesellschaft,
Architekt K. Schumann, nahm fran-
zösische Vorbilder in Verwendung und
wies diesen entsprechend der Ge-
päcks-Auf- und -Abgabe die gebührende
Rolle im Gebäude zu, indem er im Ab-
fahrts- und Ankunft stracte grosse Ge-
päckshallen anordnete; sie fügen sich
der Gesammtan Ordnung der Räume
organisch ein, welche als typisch für
schieben und füllte die ganze Strecke
von der Belvederelinie bis Meidling mit
den zu ihrer Endstation gehörigen An-
lagen aus. Wir sehen da einerseits die
verschiedensten Hochbauaufgaben in ihrer
Weiterentwicklung ; die ausgedehnten
Werkstätten; die Gasanstalten und Heiz-
häuser, die Magazine und Schupfen,
Wasserstationen, Remisen, Depots und
Arbeiter-Wohnhäuser.
eine Hauptstation mit Längsgebäuden
gelten kann. Der Aufbau bietet aller-
dings keine einwandfreie Lösung, nach-
dem er sich nicht ungehindert entwickeln
konnte. Im Zusammenhang mit dem
Südbahnhofe bildete sich eine Verkehrs-
anlage von grossartigen Dimensionen
imd reicher Mannigfaltigkeit in der Lö-
sung verschiedenster Aufgaben heraus.
Während die Staatseisenbahn sich in
der Breitenrichtung entwickeln konnte,
war die Südbahn gezwungen, in der Län-
genrichtung zu erweitern, sie mus.ste ihren
Frachten bahnhof nach Matzleinsdorf ver-
'S-l
Jede dieser Aufgaben war im Laufe der
Jahre durch Studien und Versuche immer
zweckmässiger und vollkommener gelöst
worden, bis sie endlich in einigen, den mo-
dernen technischen Anforderungen ent-
sprechenden Typen ihren Ausdruck fand,
die dann als Gemeingut der Eisenbahn-
Techniker allgemeine Verbreitung und
Anwendung fanden. Andererseits können
wir da beobachten, wie sich diese Hoch-
bauanlagen unter sich gruppiren und
innerhalb des grossen Rahmens der Ge-
sammtanlage abgeschlossene Baugruppen
bilden, die selbst schon für sich die Aus-
4o8
dehnung der grössten alten Gesammt- '
anlagen übertreffen. j
Die Bedürfnisse des Zugsförde- '
rungsdienstes, des Gütertrans- I
portes, des Verschub- und Rangir- i
dienst es und endlich das Colonie- j
System für Wohngebäude führten !
zu solchen selbständigen Theilen, die je !
nach den Haupterfordernissen und localen i
Wicklung und Vervollkommnung verfolgen
zu können. Diese Vervollkommnung
wurde durch die Einführung des N'or-
matienwesens erleichtert, die früher oft
willkürlichen und zufälligen Einflüssen
unterliegende Behandlung der Eisenbahn-
Hochbauten wurde systematisch geregelt.
Besondere Ausbildungen blieben im
Allgemeinen mehr den Endstationen vor-
Verhältnissen der einzelnen End- und
Zwischenstationen, an verschiedenen ,
Orten besonders bevorzugt und aus-
gebildet wurden. Aus den räumlich be-
schränkten Bahnhöfen von ehedem sind
so Systeme von zwecklich verschiedenen
Anlagen geworden, die erst in ihrer
Aneinanderreihung ein vollständiges Bild
eines modernen Bahnhofes geben. Es
ist begreiflicherweise nicht möglich, hier
auf die Entwicklungsphasen dieser Special-
anlagen näher einzugehen. Wir müssen
unsere Aufmerksamkeit in erster Linie auf
die für den Personenverkehr wichtigen Ge-
bäude beschrilnken, um wenigstens in die-
sem schwierig.sten und wichtigsten Theü
des Eisenbahn- Hochbaues die stetige Ent-
behalten, während im Uebrigen so viel
wie möglich die Verwendung vorhan-
dener guter Lösungen Platz griff. Die
durch das Baumaterial und andere locale
Einflüsse gebildeten Bedingungen ver-
ursachten in erster Linie die Variationen,
welche diese allgemein giltigen Typen
in ihrer Weiterbildung erfuhren. Zu den
hervorragendsten und einflussreichsten
Arbeiten auf diesem Gebiete zählen die
Bauten der Südbahn, welche imtcr
Flattich's Leitung auf den Linien Inns-
bruck-Bozen [eröffnet 1867], und Vil-
lach-Franzensfeste [eröffnet 187 1],
und anderwärts ausgeführt wurden. [Vgl.
Abb. 269 und 272 sowie Tafel V.] Der
Umstand, dass bei diesen beiden Gebirgs-
Abb. 370. Mlttellra^l des Nor
bahnen Bruchsteine und Hausteine ver-
schiedenartigster Beschaffenheit verwendet
werden konnten, ohne dass der Bau-
öconomie Nachtheile zu erwachsen brauch-
ten, und dass die Durchführung der Pläne
und Detail Zeichnungen mit grossem Ge-
schmacke und vollkommenster Sach-
kenntnis erfolgte, sichert den Hochbauten
dieser Linien eine bleibende Bedeutung.
Die Behandlung des Ziegelrohbaues in Ver-
bindung mit Haustein und des Bruchstein-
rohbaues mit Haustein, dann der sichtbaren
Holzconstructionen in den Dachstöcken,
die Combination von Holz- und Eisen-
constructionen bei Veranden etc. sind bei
diesen Stationsgebäuden ebenso sorg-
fällig als glücklich in constructiver und
formaler Hinsicht durchgeführt.
Als charakteristische Beispiele mögen
Spital an der Drau [Ziegelrohbau],
Toblach [Abb. Tafel V), Lienz [Bruch-
steinrohbau] herausgegriffen werden. Durch
Gruppirung stockhoher und ebenerdiger
Tracie, durch Belebung des Mauerwerks
mit Eckarmirungen, durch Ausbildung der
■Mlbahnhof« In Prag. |1»73.]
Dachgiebel und Schöpfe wurden die Ge-
bäudemassen gegliedert, wurde die Sil-
houette bewegt, so dass die freie Lage
der Stationsgebäude ausgenützt, die Rück-
sicht auf die landschaftliche Umgebung
betont erscheint. Man kann behaupten,
dass diese Gebäude Schule machten,
dass nirgends früher und besser der
Charakter einfacher ländhcher Eisenbahn-
Hochbauten getroffen wurde, als in den
Hochbauten der Südbahn. Es gingen
daher auch aus dem Hoch bau -Bureau
der Südbahn zahlreiche Kräfte hervor,
welche bei anderen Unternehmungen
die Studien der Südbahn fruchtbringend
verwertheten. So wurden von dem Archi-
tekten C.Schlimp [1869 bis 1872] die
] Hochbauten der N ordwes tbahn durch-
I geführt, bei denen allerdings auf die
! Verwendung von Putzbau und auf Ver-
I einfacbung der Ausstattung Rücksicht
genommen werden musste. [Vgl. Bd. I,
) 2. Theil, Abb. 47 und 48.] Im Bahn-
; hofe'Prag der Nordwestbahn wurde
I der Versuch gemacht, dem Mittelbau
durch eine Portalarchitektur im Sinne
der römischen Triumphbögen besondere
Geltung zu verschaffen — allerdings
auf Kosten der übrigen Bautheite, welche
schmucklos blieben. [Abb. 370.]
werden und blieb als vereinzelte Leistung
eines aus Deut'tchland berufenen Archi-
tekten ohne Contact mit einheimischen
Traditionen. Hier wurde in der Absicht,
der Halle im Mittelbau eines quer vor
Abb. rji. Vcsiibul« d» i
Auch der Tetschener Bahnhof [Abb.
271] weist in seiner Aussen- Architektur
antikisirende Elemente auf [Architekt
Frey] und besitzt im Innern gute Raum-
wirkungen.
Der Wiener Bahnhof der Nordwest-
bahn [von W. Bäumer 1870 bis 1S73]
[Abb. Tafel Ml. Fif,'. I, und Tafel VI,
Fig. III] niuss zu den Versuchen frerechnet
lahnbofts Trti..:hea. I1871.J
die Geleiseenden gelegten und vorwiegend
zu Administrationszwecken bestimmten
I Gebäudes einen architektonischen Aus-
I druck zu geben, einem schwer zu lösenden
I baulichen Problem nahe getreten. Es ist
; kein Zweifel, dass gerade die räumliche
; Grossartigkeit der Bahnhofshalle dem
Architekten das Mittel an die Hand gibt,
ein Empfangsgcbaude in monumentalem
Sinne zu behandeln ; dann wird aber
stets die Einbeziehung von Tracten,
welchezu Wohn- und Verwaltungszwecken
dienen sollen und naturgemäss viele
kleinere Räume mit bescheidenen Axen-
weiten enthalten müssen, als schwer-
wiegendes Hindernis empfunden werden,
wie dies in dem vorliegenden Falle er-
kennbar ist. Die Grundriss-Anordnung des
Wiener Nordwestbahn hofes wurde mit
Rücksicht auf eine künftige Erweiterung
projectirt, so dass das heute bestehende
Empfangsgebäude eigentlich nur die
grössere Hälfte des für die Zukunft be-
rechneten Baues bildet.
Der fast gleichzeitig für die Franz
[osef-Bahn von den Prager Archi-
tekten Uli mann und Barvicius entwor-
fene und 1872 vollendete Bau des Auf-
nahmsgebäudes in Wien [Abb. Tafel III,
Fig. V, Tafel VI, Fig. 11] wurde im Gegen-
satze zum Nordwestbahnhofe räum-
lich beschränkt angelegt und musste
schon nach seiner Einverleibung in das
Netz der k. k. Staatsbahnen einer Er-
weiterung unterzogen werden ; er gehört
wie der Bahnhof der Kaiserin Elisabeth-
Bahn und der Nordwestbahn in Wien
zu jenem Typus von B ah nhofsan lagen
mit getrennten Längsgebäuden für An-
kunft und Abfahrt, welcher sich durch
ein vor die Geleiseenden gestelltes Ad-
ministrationsgebäude dem Typus der
eigentlichen Kopfstation mit Kopfgebäu-
:■ SadbahntiofM In Gm.
den nähert. Das Amtsgebäude schtiesst
sich an die Längstracte unmittelbar an
und ist ohne grosse Ansprüche als ruhige
und würdige Baumasse mit zwei thurm-
artigen Aufbauten gegliedert.
Auch den stattlichen Prager Franz
Josef- Bahnhof haben dieselben Archi-
tekten gesc halfen.
Das jüngste Wiener Aufnahmsgebäude,
welches am Ende einer neuen Bahn-
anlage errichtet wurde, ist vorläufig
noch das 1881 eröffnete, vom Archi-
tekten F. von Gruber entworfene Ge-
bäude der Aspang-Bahn. [Abb. Tafel
IV, Fig. V, Tafel VL Fig. V.] Es ist ein
langes, eintractiges Empfangsgebäude pa-
rallel zu den Geleisen mit ebenerdigem
Mittelbau für öffentliche Räume und
Eckpavillons nach dem Typus der Längs-
gebäude für Durchgangsstationen. Die
entsprechend reichliche Dimensionirung
der Vestibules und Warteräume und die
übersichtlicheGrundrissdispositionmachen
diese Anlage zu einer charakteristischen
für die gegebenen bescheidenen Verkehrs-
verhältnisse, Es fehlt hier eine Hallenan-
lage, welche durch einen langen Einsteig-
perron ersetzt wird; was man in früheren
Tagen sehr gerügt hätte, findet heute
immer mehr Verbreitung; öconomische
Rücksichten einerseits und die Rücksicht
auf Erweiterungsfähigkeit andererseits,
machen die Hallen in Oesterreich immer
seltener, während die Vermehrung der Ge-
leisezahl und der Grundsatz der Vermei-
dung von Geleise-Ueberschreitungen die
Einsteigperrons mit Flugdächem immer
zahlreicher werden lassen. Haben die
grossen Hallenbauten in O esterreich
überhaupt keinen fruchtbaren Boden
gefunden, so zeigen die jüngsten Neu-
bauten nur immer mehr die Bevor-
zugung bedeckter Perron an lagen in
Verbindung
mit Personen-
durchgangs-
Tunnels.
Es möge
bei dieser Ge-
legenheit ein
Rückblick auf
die Entwick-
lung der eiser-
nen Hallendä-
cher in Oester-
reich gestattet
sein, welcher
die geringe
Betonung und
Verbreitung
derselben er-
' kennen lassen Abb. 17}. Bübmiacb-mai
wird.
Hallenanlagen und die
Ergä mu ngsnetze .
Die älteste eiserne Hallenconstruction
Oesterreichs findet sich in Krakau, bei
dem im Jahre 1845 durch die Krakau-
Obersch lesische Bahn errichteten Auf-
nahmsgebäude; sie weicht derzeit einer
neuen Anlage. Die Hallenweite von 28 m
wurde in einer dreischiffigen Anordnung
durch zwei Säulenreihen untertheilt. Die
geradlinigen Binder zeigten ein leichtes
Stabwerk in einer dem belgischen System
verwandten Anordnung.
Der historischen Folge nach ist die
Halle im Aufnahmsgebäude der Kaiserin
Elisabeth -Bahn in Wien zu erwähnen
(Abb. 257], welche die lichte Weite von
274 m mit einem Dachstuhle nach dem
System Polonceau ohne Zwischen stützen
überspannt. Dieses System, welches
durch die leichte und elegante Form der
Binder das Auge befriedigt, wurde in
Wien auch bei einigen anderen grösseren
Hallen angewendet, so bei der des Süd-
' bahnhofes [Abb. 367] für 36- 1 m Spann-
I weite und beim Franz Josef- Bahnhofe
) [Abb. Taf. VI, Fig. II] mit 287 m
Breite. — Weniger günstig ist der Ein-
I druck, den die schweren, parabolischen
I Sichelträger machen, welche beim Nord-
1 westbabnhofe zur Bewältigung der Spann-
I weite von 39 jm angewendet wurden; beim
! Nordbahnhofe hat man auf eine dreischif-
fige Anlage zu-
rückgegriffen,
wodurch die
32'2 m grosse
Hallenbreite
wesentlich ver-
ringert wurde
[um circa iojm];
die Dachnei-
gung ist eine
verhältnismäs-
sig steile, es
konnte hier ein
System von
Gitterträgern
' mit Bindern in
der Kielbogen-
formangewen-
irlacbe TraDavcrialbabn. det Werden, daS
keine Querver-
bindungen zur Aufhebung des Seiten-
schubes benöthigt. Dadurch wurde ein
hoher und freier Hallenraum erreicht,
aber der Nachtheil beengter Einsteig-
geleise in den Kauf genommen. Die
Staatseisenbahn - Gesellschaft war bei
ihrerWiener Halle durch die Beschränkung
der Höhe mit Rücksicht auf das nahe
Arsenal zu einer zweischiffigen Anordnung
gezwungen. [Abb. Taf VI, Fig. I.] So
führte hier die grosse Hallenbreite von
40"3 tn zu einer Doppelanlage nach dem
System Polonceau.
Zu den elegantesten Hallenanlagen
neuerer Zeit ist die des Triester Bahn-
hofes der Südbahn zu rechnen, welche
gelegentlich der Umwandlung des alten
provisorischen Personen - Bahnhofes in
eine definitive Anlage zur Ausführung
kam, [1883.] Wie beim Wiener Südbahn-
hofe, haben wir es hier mit einem Kopf-
gebäude und einer Kopfstation zu ihun,
bei welcher die Hallenanlage und das
Hallendach massgebend für den vorge-
legten Baukörper wurden. Die Vesti-
imiKebÜude der SUdbabn ia Trteit. [iSS).]
bule-Anlage in der Hallenbreite füllt
auch hier einen hervorragenden Mittel-
bau aus, der- in der F'a9adenbildung
diese Anordnung zum Ausdruck bringet,
[Vgl. Abb. 274 und 275.] Während
jedoch in Wien eine geradlinige Binder-
form auftritt, wurde in Tri est eine
segm entförmige Trägerconstruction mit
leichten Querverbindungen als Bind er-
form filr das Hallendach gewählt, dessen
Spannweite von 31 m jener der Wiener
Anlage nahe kommt. [Abb. Taf. VI,
Kg. IV.J
Wie aus dieser Ueb ersieht erhellt,
kann man wohl im Allgemeinen be-
tonen, dass in Oesterreich den Bahnhofs-
hallen nicht jene hervorragende Rolle
im Bahnhofsbau zufiel, weiche diese Bau-
theile bei vielen Anlagen des Auslandes
spielen, was übrigens mit der relativ
langsamen Verbreitung des Eisens als
Baumaterial des Hochbaues in Oester-
reich zusammenhängt.
Die weitgehende Einflussnahme des
Eisen constructeurs auf die Disponirung
■ von Hochbauprojecten gehört aber auch
einer jüngeren Epoche an, als jene
' grossen österreichischen Anlagen und
i macht sich naturgemäss in neueren
I Arbeiten auch bei uns immer mehr
I fühlbar. Seit dem vollständigen Sieg
j des gewalzten Baueisens über das ge-
I gossene kann man beobachten, wie ge-
wisse Aufgaben des Eisenbahn - Hoch-
baues besonders zu Versuchen herange-
zogen werden, das Eisen principiell als
! Constructionsmaterial zu verwerthen. Die
1 Rücksichtnahme auf freie Circulation
von Menschen und Waaren drängte zur
1 Beseitigung von Zwischen stützen und
( Zwischenmauern; die grösseren Anfor-
derungen an Licht und Luft begünstigten
I die Anwendung von Oberlicht-Beleocli-
i tungen und abnorm grossen Fenster-
. Öffnungen. Die wachsenden Raumbedürf-
! nisse führten zu ungewöhnlichen Aus-
I massen der Vestibüle und Säle, zu grosseii
I Spannweiten der Decken und Dächer.
t Endlich waren Rücksichten auf rasche
I Herstellung, ohne Störung bestehender
Verhältnisse, auf Feuersicherheit und tionsmateriale und im Zusammenhange
Dauerhaftigkeit in vielen Fällen sehr mit Eisen traten hinzu, um dem Bau-
von Einfluss. I Constructionswesen wichtige und um-
Verbesserungen in der Ziegeltechnik, wälzende Hilfsquellen zu erschliessen,
Ueberh and nähme der Anwendung des deren sich der Eisenbahn-Hochbau früher
Cementes als Bindemittel sowie seine | als viele andere Hochbaugebiete bemäch-
Verwendung als selbständiges Constriic- tigte. Neue charakteristisch moderne
4i6
Elemente bereicherten in formaler Hin-
sicht nun auch die Ausdrucks weise, die
Formensprache, welche sich immer mehr
von jenen noch unbeholfenen und oft
schwerfälligen Elementen und Typen ent-
fernte, deren sich die älteste Epoche des
Eisenbahn-Hochbaues bediente. Solche
Umwälzungen gingen in Oesterreich nur
nicht so rasch vor sjch, wie anderwärts,
waren doch die grössten baulichen Auf-
gaben bereits in einer gründlichen Weise
gelöst, welche für lange Zeit die Auf-
merksamkeit der Projectanten auf kleinere
und engere Gebiete verwies.
Während also noch zu Ende der Sech-
ziger- und zu
Beginn der Sieb-
ziger-Jahre in
Wien allein fünf
grosse Endbahn-
höfe ihre Aus-
bildung fanden,
brachte die
nächstfolgende
Zeit mehr eine
Verwerthung
der gewonnenen
Erfahrungen bei
kleineren Auf-
gaben in den
Provinzen. Nun
machten sich ^^^ ^^ Bahnhof Zau
auch überall die
wohlthätigen Folgen jener gediegenen
Schulung bemerkbar, welche insbesondere
in den Arbeiten der Staatsbahn und Süd-
bahn gelegen war. Ihre Nachwirkung
zeigte sich in einer Reihe von Leistungen,
welche über die ganze Monarchie ver-
breitet sind und die Namen ihrer Ur-
heber: Grosser, Flank, Grund,
Dacbler, Setz und Unger an die
früher genannten anreihen. Ueberall dort,
wo ganz neue .Anlagen entstehen konnten,
zeigt sich das Streben nach Verwerthung
und Weiterbildung des bisher Erreichten
deutlich. So z. B. als der Staat sich
der Ergänzung des Hauptnetzes an-
nahm.
Die Linien Tarvis - Pontafel,
I n n s b r 11 c k - L a n d e c k, die Böh-
mische Transversalbahn bringen
in verschiedener Richtung, je nach den
durch örtliche Verhältnisse gegebenen
Bedingungen, dieses Weiterschreiten auf
! begonnenen Pfaden zum Ausdruck. Das
1 stattliche Aufnahmsgebäude in Pontafel,
die zahlreichen Zwischen Stationen der
! Arlbergbahn [Abb. Tafel V] [Fr.
j Setz] verwerthen in anziehender W'eise
I das Baumaterial des Gebirges; die ge-
I steigerten Verkehrsbedürfnissedrßckensich
] in entwickelten Grund rissanlagen aus
' und die etwas derbe formale Behandlung
I der Details entspricht den seit der Er-
' bauung der Pusterthallinie gestiegenen
' Ansprüchen an Raschheit und Ein-
[ fachheit der Durchfuhrungsarbeiten.
; Während im Gebirge der Materialbau
zur Betonung
des Bruch Stein-
roh bau es mit
massiger Ver-
wendung von
Haustein geführt
hat, sehen wir in
jenen Ländern,
fiir welche das
Ziegelmaterial
charakteristisch
ist, den Ziegel-
rohbau zum
Principe erho-
ben ; wie z. B.
bei der B ö h m i-
cb.i. |No.d.ab..i [.8g,., schenTrans-
versalbahn.
j [Abb. 273.] In noch weitergebender Weise
I führte W. Ast in Mähren und Schlesien
j den Ziegelrohbau ein, als die Ergänzungs-
I bauten der Nordbahn nach ihrer Con-
I cessions- Erneuerung in Angriff genommen
: wurden. [A. Dachler.] An Stelle des fast
ganz eliminirten Hausteins wurde durch
Anwendung verschieden getonter, d. i.
^ gelblicberundröthlicher, lichter und dunkler
Fai;adeziegeln ein belebendes Element in
I die F a i;a den bil düng gebracht. Für die
I kleineren Gebäude blieb die Mitwirkung
I der sichtbaren hölzernen Giebelwände und
■ Dachvorsprünge wesentlich. [Vgl. Mla-
I detzko, Tafel V.] Bei grösseren Aufgaben,
I wie in Tcschen [vgl. Bd. I, 2. Theil, Abb. 73],
I Bielitz, Üstrau, wo es sich um Aufnabms-
gebäude von ansehnlichen Dimensionen
. handelte, wurde durch pavillonartige Aus-
I bildung einzelner Gebäudetheileund steilere
I Dachformen die Wirkung der sonst zu
Abb. 177. UiDKciUltetea Aurpabm^ebaude Kra]
lordbabn [iSg;.]
niedrigen Baumassen gehoben und im Auf-
bau eine lebhaftere Gruppirung erzielt.
Die Flächen erhielten durch die Theilung
mit Bändern und Lisenen au^ hellen
Ziegeln gegenüber den glatten Mauergrün-
den aus dunklerem Material die nöthige
Gliederung, welche bei dem Mangel star-
ker Gesims bildungen, bei der Vermeidung
aller complicirten Formsteine nöthig war.
In Bezug auf die Grundrissbildung
wäre der Bahnhof Zauchtl [Abb. 276]
besonders zu erwähnen, als Typus einer in
Oesterreich verhältnismässig selten ange-
wendeten Anlageform. Es ist ein Insel-
bahnhof, bei dem das Hauptgebäude auf
zwei Langseiten von Geleiseanlagen ein-
gefasst ist und auf einer Schmalseite
gegen die Zufahrtsstrasse stösst. Vom
Vestibüle aus ist eine Tunnelanlage zu-
gänglich gemacht, welche die Verbin-
dung mit einer abseits liegenden End-
station einer fremden Localbahn her-
stellt. (Zauchtl-Neutitschein.] In der Haupt-
sache nähern sich die Inselgebäude den
Kopfgebäuden, indem ihre Symmetrie-
achse parallel zu den Geleisen gerichtet ist,
während jene der Längsgebäude senkrecht
zu den Geleisen steht. Als wesentlicher
Bestandtheil der Anlage tritt ein um-
laufender Perron hinzu, der einen Ver-
kehr längs der Geleise und von einer Seite
zur anderen ermöglicht. Wenn diese Per-
rons nun das Gebäude der Vor- und Warte-
räume und Bureaux nicht einschliessen
können, so tritt gewöhnlich eine Theilung
in zwei Baugruppen ein, welche eine
Verbindung des Längsperrons zwischen
den getrennten Gebäuden ermöglicht,
wie dies in Zauchtl der Fall ist. Am
relativ häufigsten finden wir die Insel-
bahnhöfe bei den neueren Anlagen der
Oesterreichischen Nordwestbahn, wie z. B.
in Deutschbrod, Neu-Kolin, Tinifit, Väetat-
Pfivor etc. Doch haben solche Aufgaben
in Oesterreich noch nicht zu so hervor-
ragenden Hochbauten Veranlassung ge-
geben, wie in Deutschland.
Umgestaltungen und neueste
Anlagen.
Die grössten und häufig auch die
schwierigsten Aufgaben des Eisenbahn-
baues fallen in dieser jüngeren Epoche
zumeist in das Gebiet von ausgedehnten
Umgestaltungsarbeiten, wie solche z. B.
im Aufnahmsgebäude Krakau [Abb. 277],
Prerau.Lundenburg von der Nordbahn oder
von den k. k, Staatsbahnen an den Wiener
Aufnahmsgebäuden der Franz Josef-Bahn
und Kaiserin Elisabeth -Bahn durchgeführt
wurden und für Lemberg, Prag, Pilsen
4i8
^^^^
^S^^^S^
fl Wien. II. Fraiii Josef-Il.lhn Witn. III. 1
etc. in Projectirung und DuchfÖhning
begriffen sind. Wenn hier auch dem
Architekten für die äussere Gestaltung
grosse Fesseln auferlegt waren, wenn die
Grundrisse nicht die Einheitlichkeit ganz
selbständiger Lösungen aufweisen können,
so drückt sich wieder gerade bei solchen
Arbeiten oft am deutlichsten das Wach-
sen der Bedürfhisse, die Aenderung in
den Anschauungen aus. Die Begriffe
von Raumgrösse, die Forderungen an
Luft und Licht, das Verlangen nach
breiten Communications wegen sind so
gestiegen, dass ganze alte Gebäude-
theile aufgebraucht werden, um einen
einzigen neuen Saal zu schaffen, dass
sich die neuen Conturen in weiten
Entfernungen
um den alten
Kern legen.
Manchmal
werden neue
Gebäude ne-
ben die alten
gestellt, wie ,
in der Nord-
bahnstation
Schönbrunn,
wo beide als
ein Complex,
dann ge- ^^^ ^ ,,,„„ m^„,„ ^
meinsam den
neuen Zwecken zu dienen haben; und
da tritt die Grösse und Höhe des mo-
dernen Hauses neben den bescheide-
nen Dimensionen des alten Bestandes
augenfällig zu Tage, so dass dem ehemals
recht würdigen älteren Gebäude später
eine vergrösserte Silhouette gegeben
werden musste, damit es neben dem statt-
lichen Neubau in Ehren bestehen kann.
Bei solchen Arbeiten, die meist unter
besonders schwierigen äusseren Verhält-
nissen, bei Aufrechterhaltung eines leb-
haften Verkehrs, mit grosser Beschleuni-
gung und nicht selten auch ohne Rück-
sicht auf die Jahreszeit durchgeftlhrt
werden müssen, kommen alle Hilfsmittel
der modernen entwickelten Bautechnik
in Betracht, wird die Leistungsfähigkeit
der Projectanten wie der ausübenden
Organe auf die härteste Probe gestellt,
wenn die Aufgaben auch seilen zu den
dankbaren gehören. Zu den wesentlichen
Grundbedingungen der Arbeiten früherer
Epochen, der möglichst hohen Dauer-
haftigkeit bei weitgehender Bauöconomie
tritt in unserer Zeit die Forderung grosser
Raschheit der Durchführung in den
Vordergrund. Es ist natürlich, dass
damit die Anwendung erprobter Con-
structionsmittel und einfacher Detail -
bildung Hand in Hand geht Trotzdem
aber treten gleichzeitig immer neue
Aufgaben an den Eisenbahn - Hochbau
heran, welche Versuche mit ganz
neuen Constructionen und Verfahren mit
sich bringen, die Gelegenheit geben,
für wichtige Verbesserungen Erfah-
nmgsmaterial zu sammeln. So waren
die ausgedehnten Perronanlagen mit ih-
ren Pult- und
Flugdächem
eine Veran-
lassung, die
Well-
blechdächer
in Verbin-
dung mit ei-
sernen StOtz-
constmctio*
nen zu ver-
wenden.
[Siehe Abb.
Tafel VI, Fig.
VIIundVllL]
Die Personendurchgangs- Tunnels, welche
infolge ihres Zusammenhanges mit den
Aufnahmsgebäuden rücksichüich ihrer
Ausbildung in der Regel auch dem Hoch-
bau anheim fielen, brachten die Verwen-
dung der Monier-Gewölbe mit sich ; grosse
Magazinsbauten, wie das neue Waaren-
magazin der Nordbahn in BrUnn [Abb.
278], begünstigten die Anwendung des
Stampfbetons in Verbindung mit Eisen-
constructionen. Ebenso wurde das Holz-
cementdach, die bauliche Verwendung der
Theerpappe bei W-änden und Dächern, der
Klinkerplatten für Böden und Wände,
und vieler anderer neuer und neuester
bau technischer Errungenschaften vom
Eisenbahn -Hochbau begünstigt, und es
war derselbe für diese Neuerungen schon
dadurch von Bedeutung, dass die grosse
Ausdehnung und starke Benützung seiner
Anlagen eine geeignete Gelegenheit zur
Erprobung der Gediegenheit neuer Hilfs-
27*
(ordbahn In Brüan. [iSvi.]
420
Hartwig Fischel.
mittel ergab; hiezu trat die Möglichkeit
einer sorgfältigen Ueberwachung und
einheitlichen Durchführung der Arbeiten,
so dass nicht selten die Erfahrungen
des Eisenbahn-Hochbaues massgebend
wurden, wenn es sich um die monumen-
tale Verwendung erprobter Constructions-
Neuerungen handelte. So bildete der
Eisenbahn-Hochbau ein Arbeitsfeld wich-
tiger Art, das in steter Wechselwirkung
mit anderen Baugebieten blieb, wenn auch
gerade in Oesterreich diese Thätigkeit
einen mehr stetigen und internen Charakter
trug, so lange die Gelegenheit zu neuen
grösseren Leistungen fehlte. Ein Ueber-
greifen in femer liegende Gebiete der
Baukunst trat indessen in Oesterreich
mitunter auf.
Schon zu Beginn der Siebziger-Jahre
hatte der Bau von Administrations-
Gebäuden im Charakter städtischer Pri-
vatbauten, der Bau von Wohnhäusern als
Capitalsanlage für Pensionsfonds den An-
fang gemacht ; wie z. B. die hieher gehöri-
gen Bauten der Oesterreichisch-Ungari-
schen Staatseisenbahn-Gesellschaft in Wien
und Pest. Einen weiteren Schritt unternahm
die Südbahn, als sie damit begann, an kli-
matischen Curorten ihrer Strecke im Ge-
birge und an der See Hotel-Anlagen zu
errichten, auf welchem Gebiete sich bald
auch die Kaiserin Elisabeth-Bahn bethä-
tigte. Diese Unternehmungen haben insbe-
sondere dadurch ihre Bedeutung erhalten,
dass sie im Zusammenhange mit guten
Eisenbahn- Verbindungen einigen Orten zu
ungeahntem Aufschwung verholfen haben,
welche für die leidende Menschheit, ins-
besondere für die Bewohner der Reichs-
hauptstadt, seither von wohlthätigstem
Einfluss waren. Damit im Zusammen-
hang stand ein Aufschwung der Alpen-
und See-Hotels im Allgemeinen, denen
der ermuthigende Erfolg jener durch
Eisenbahn - Verwaltungen geschaffenen
ersten Einrichtungen zugute kam. Die
immer noch wachsenden Anlagen auf dem
Semmering und in Abbazia, deren Aus-
führung von Wilhelm geleitet, von Fr.
Schüler angeregt war, die älteren von
Flattich errichteten und ebenso prospe-
rirenden Hotels in Toblach, Landro, Schlu-
derbach, die von Bischoff ins Leben
gerufenen Bauten in Zell am See und
Tarvis sind in erster Linie zu nennen.
Wenn diesen Leistungen auch die sorg-
fältigste und aufmerksamste Durchbildung
zutheil wurde, so spielen sie natur-
gemäss doch nur eine episodische Rolle
unter den zahlreichen neueren Aufgaben
des Eisenbahn-Hochbaues.
Wesentlich wichtiger für seine Zukunft
und nicht minder abhängig von den
modernsten Anforderungen entwickelter
Verkehrs Verhältnisse sind jene Arbeiten,
welche wir als die jüngsten Leistung^en
des Eisenbahnbaues in Oesterreich zu
begrOssen haben. Die Gestaltung der
Wiener Stadtbahn brachte ver-
schiedene Aufgaben mit sich, welche so
recht geeignet waren, neuen Impulsen
Raum zu geben.
Der Architekt O. Wagner, welcher zur
Lösung dieser Aufgaben berufen war, hat
gerade diesem Moment der Neuerungen
sein Augenmerk zugewendet. Die eben
ihrer Vollendung entgegengehenden Bau-
ten [vgl. Tafel VII] bilden in ihrer kla-
ren und strengen Disposition, in ihrer
consequenten technischen Durchbildung
mit Benützung und Betonung modemer
Constructionen, in der Vermeidung ver-
brauchter und von fremden Bedingungen
übernommener Formen eine drastische
Illustration zu den schriftlich geäusserten
Principien des genannten Architekten.
Er sagt in seiner »Modernen Architek-
tur« einerseits, »dass der Architekt trach-
ten muss, Neuformen zu bilden, oder jene
Formen, welche sich am leichtesten unseren
modernen Constructionen und Bedürfnissen
fügen, also schon so der Wahrheit am
besten entsprechen, fortzubilden«. Und
an anderer Stelle : ». . . zur Composition
gehört ferner die künstlerische Oeconomie.
Darunter soll ein modernen Begriflfen ent-
sprechendes, bis an die äussersten Grenzen
reichendes Masshalten in der Anwendung
und Durchbildung der uns überlieferten
Formen verstanden sein. « Diese Dogmen
werden dadurch entsprechend ergänzt,
dass ihr Urheber in der »antikisirenden
Horizontallinie, der tafelförmigen Durch-
bildung, der grössten Einfachheit in der
Formgebung« einerseits und andererseits
im »energischen Vortreten von Con-
struction und Material« das Programm
für die nächste Zukunft erblickt. Es
Tafel VII.
. [Nach pbt>io£rapb<ichcD Aufnahmen von H. Patni.]
unterliegt wohl keinem Zweifel, dass
gerade der Eisen bahn- Hochbau von dem
Gelingen und dem Erfolge solcher Ver-
suche und Bestrebungen grossen Vortheil
ziehen kann.
Obwohl in massigeren Formen, so hat
doch auch er jene zahlreichen Wand-
lungen mitgemacht, welche die Archi-
tekturbestrebungen dieses Jahrhunderts
kennzeichneten, wir brauchen hier nur
an die Versuche in maurischem und
mittelalterlichem Stil zu erinnern, denen
die Adoptirung französischer, italienischer
und auch deutscher Renaissance gefolgt
ist. Und nun eröffnen uns wieder jene
neuesten Arbeiten einen Ausblick in die
Zukunft, welcher den Anschluss an jene
älteren Bestrebungen erwarten lässt, die
für die Zeit kurz vor dem Entstehen der
Eisenbahnen charakteristisch waren.
Aeusserlich sind es ganz ähnliche Aus-
druck smittel, welche der Schluss des
Jahrhunderts seinem Beginne gegenüber
stellt. Wenn aber heute die Rückkehr
zur Einfachheit mit Recht grundsätzlich
gefordert wird, so unterscheidet sich diese
modernste Phase von jener älteren, we-
sentlich durch das volle Beherrschen der
grossartigen inzwischen erfolgten Fort-
schritte der technischen Wissenschaften,
durch das Verarbeiten und Weiterbilden
der bisherigen Leistungen aller gerade
durch die Eisenbahn einander so nahe
gerückten Völker. Hiezu treten die
grossen Veränderungen, welche die An-
schauungen von Raum und Zeit im Bau-
wesen erlitten haben.
Solchen Verhältnissen Rechnung zu
tragen, den Ausdruck hiefUr bei unseren
speciellen österreichischen Bedin-
gungen zu finden, bleibt auf dem Ge-
biete des Eisenbahn-Hochbaues
eine Aufgabe für die allernächste Zeit. Die
gediegene und weitbUckende Art, mit
welcher die jüngsten Arbeiten dieses
Faches behandelt wurden, bietet die
beste Gewähr dafür, dass der Augen-
blick neuer, grösserer Anforderungen
auch die Kräfte zu ihrer glücklichen Er-
füllung vorfinden wird.
Locomotivbau.
Von
Karl Gölsdorf,
k. k. Baurath Im Eiaenbahn-Mlnisterium.
DIE grossen Umwälzungen, welche
die Locomotive zu Beginn der
Dreissiger-Jahre in England und
Amerika auf dem Gebiete des Handels,
Verkehrs und der Industrie hervorge-
rufen hatte, waren auf dem Continente
nicht unbeachtet geblieben. Unser Vater-
land stand wohl nicht in der ersten
Linie jener Staaten, welche sich des
neuen Verkehrsmittels bemächtigten ; die
Entwürfe aber zum Baue grosser Loco-
motivbahnen, die schon 1830 von dem
Professor F. X. Riepl verfasst und von
Freiherrn Salomon von Rothschild
kräftigst gefördert wurden, übertrafen,
was die Entfernung der zu verbindenden
Orte und Länder anlangt, alle bis dahin
in Anregung gebrachten Projecte in Eng-
land und Amerika.
Im Auftrage des Freiherm von Roth-
schild studirte Riepl 1830 den Locomotiv-
bau in England auf der Liverpool -Man-
chester Bahn. Von demselben Finanzmanne
wurde im Jahre 1836 Ingenieur Bret-
Schneider nach England geschickt, um
bei Stephenson in New-Castle upon Tyne
eine Locomotive anzukaufen.
Freiherr von Sina, der bis zum Jahre
1836 der provisorischen Direction der
Nordbahn angehörte, trat aus dieser
Körperschaft aus und verfolgte selb-
ständig den Bau einer grossen Eisenbahn,
die den Süden unserer Monarchie mit Wien
verbinden sollte. Er sicherte sich die Mit-
arbeiterschaft des Bauführers Mathias
Schönerer, der beim Baue der Linz-
Budweiser Bahn viele Erfahrungen ge-
sammelt hatte, und veranlasste, dass der-
selbe in Begleitung des Mechanikers
Kraft 1837 nach England und Belgien
und nach Amerika reiste, 'um in diesen
Mutterländern der Eisenbahnen und auf
dem classischen Boden des Maschinen-
baues die neuesten Fortschritte und Er-
fahrungen über Eisenbahnen und Dampf-
wagen zu Studiren und in Oesterreich
anzuwenden«.*)
Als am 4. März 1836 dem Wechsel-
hause Rothschild eine Privilegiums-
Urkunde zur Erbauung einer Eisen-
bahn zwischen Wien und Bochnia er-
theilt wurde und Georg Freiherr von
Sina am 15. März 1836 die Erlaubnis
zu den nöthigen Vorerhebungen und
Terrain- Aufnahmen für die Wien-Raaber
Eisenbahn erhielt, stand der Locomotiv-
bau in England schon auf einer solchen
Höhe der Entwicklung, dass bereits
die Grundformen für Personen-
und Guterzug-Locomotiven fest-
gelegt waren.
Die von Stephenson im Jahre 1833
geschaffene Type »Patentee« ist das
Vorbild für englische und vielfach
auch continentale Schnellzug-Locomotiven
bis in die Siebziger -Jahre. Die nach
den Plänen des berühmten Ingenieurs
Daniel Gooch bei Stephenson 1837
gebaute Schnellzug- Locomotive »\orth
ch, Die ersten
426
Karl Gölsdorf.
Star« beförderte zu einer Zeit, als in
Oesterreich die ersten Spatenstiche für
die Wien- Raaber Bahn gemacht wurden,
die Personenzüge auf der Great-Westem-
Bahn mit einer Geschwindigkeit von 80
bis 90 knt pro Stunde.
Stephenson baute im Jahre 1834 die
erste Güterzug- Locomotive mit sechs
gekuppelten Rädern und Innencylindem
für die Leicester- und Swannington-
Bahn. So schwer sind die Züge, welche
diese Locomotive »Atlas« befördert,
dass sich die Directoren dieser Bahn
allwöchentlich über die Leistungen dieses
Meisterwerkes berichten lassen.
Weder für die in England bereits
üblichen Geschwindigkeiten, noch für
die Beförderung besonders schwerer
Lasten lag damals in Oesterreich schon
das Bedürfnis vor. Die Angst vor den
Gefahren, die das neue Verkehrsmittel
in sich bergen könnte, war überdies so
gross, dass beispielsweise bei der. Nord-
bahn die grösste Fahrgeschwindigkeit
der Personenzüge auf vier Meilen pro
Stunde festgesetzt wurde. In England for-
derten die bereits vorhandene Industrie und
die verhältnismässig nahe beisammen
liegenden Handelsstädte grosse Fahr-
geschwindigkeiten. In Oesterreich sollte
die in den Anfängen vorhandene Industrie
erst gehoben werden. Die mit den eng-
lischen macadamisirten, ebenen Strassen
keinen Vergleich zulassenden österreichi-
schen Verkehrswege gestatteten nur so
kleine Geschwindigkeiten, dass Fahr-
geschwindigkeiten von drei bis vier
Meilen mit der Locomotive schon weit
über die Bedürfnisse reichend betrachtet
wurden. Bretschneider und Schönerer
wählten daher in England und Amerika
Locomotiv-Typen, die sich für die Beför-
derung der Personenzüge und Lastzüge
in gleicher Weise eigneten.
Nachdem bereits am 13. und 14. No-
vember 1837 Versuchsfahrten auf der
Nordbahnstrecke zwischen Floridsdorf
und Deutsch-Wagram angestellt worden
waren, machte die von Stephenson ge-
baute Locomotive »Austria« eine von
der Regierung angeordnete Probefahrt,
»zur Prüfung der Maschinenführer und
zur Constatirung, dass die Direction die
in dem Privilegium ausgesprochene Be-
dingnis, »bis 4. März 1838 eine Meile
der Bahn fertiggestellt ai habend, erfüllt
habe. Die »Austria« war auf drei Achsen
gelagert und hatte innen liegende Dampf-
cylinder; die beiden vorderen Achsen
waren gekuppelt- [Vgl. Bd. I^ i. Theil»
Abb. 160, Seite 158.]*)
Aehnliche Locomotiveit waren für die
Nordbahn auch von Taylor in W^arr-
ington [1839] und von Jones Tarn er
und Evans [1841] gebaut worden. Aus
historischem Interesse wird noch heute
Jones Tamer's Maschine »Ajaxc von der
Nordbahn in ziemlich gut erhaltenem
Zustande aufbewahrt. [Vgl. Seite 471,
Tafel I, Fig. i.]
Ausser den vorerwähnten Typen er-
hielt die Nordbahn eine zur Beförderung
der Personenzüge bestimmte Locomotive
von Rennie in London [1839, vgl. Bd. I,
I, Theil, Abb. 150, Seite 148] und im
Jahre 1841 vier Locomotiven von
Sharp in Manchester. [Vgl. Abb. 192,
Bd. I, I. Theil, Seite 202.]
Diese Locomotiven von Sharp können
ihrer Bauart nach als die ersten Schnell-
zug-Locomotiven Oesterreichs angesehen
werden. Auch für die Wien-Gloggnitzer
Bahn lieferte diese Fabrik in demselben
Jahre eine grössere Anzahl von Loco-
motiven derselben Type.
Die Nordbahn hatte ihre ersten Loco-
motiven aus dem Mutterlande der Eisen-
bahnen bezogen, und sich hauptsächlich
die Erfahrungen der Stammbahn der Welt,
der Liverpool- Manchester Bahn, zu Nutze
gemacht.
Der Nordbahn gebührt aber das Ver-
dienst, die erste Locomotive in Oester-
reich gebaut zu haben. Dieselbe wurde
unter Leitung des englischen Ingenieurs
Baillie, welcher die Nordbahn-Werkstätte
einrichtete, nach dem Vorbilde der eng-
lischen Locomotiven im Jahre 1840 her-
gestellt; sie erhielt den Namen »Patriae
und war vom Jahre 1841 bis zum Jahre
1862 in Verwendung.
Mathias Schönerer hatte Gelegenheit,
im Dienste der Wien-Raaber Bahn ausser
den Locomotiven in England, auch die
*) Unter den von Stephenson für die
Nordbahn gebauten Locomotiven befanden
sich auch zwei Stück zweiachsige Locomo-
tiven, vgl. Bd. I, I. Theil, Abb. 149, S. 148.
Locomotivbau.
427
Locomotiven in Amerika zu studiren.
Die einfachere Bauart der letzteren, die
Möglichkeit, mit denselben scharfe Krüm-
mungen und selbst schlechten Oberbau
leicht und sicher befahren zu können, ver-
anlasste ihn daher, im Jahre 1838 bei
Norris in Philadelphia die Locomotive
»Philadelphia« anzukaufen. [Vgl. Bd. I,
I. Theil, Abb. 178, Seite 180.]
Ueber diese Maschine äussert sich
Freiherr von Sina in der am i. October
1838 abgehaltenen!. Generälversammlung
der Actionäre der Wien-Raaber Bahn
bei Besprechung der Geschäfts-Rechnun-
g^en, dass »von den getroffenen Vorbe-
reitungen insbesondere anzuführen sind:
I . Die Anschaffung der amerikanischen
Locomotive »Philadelphia«, welche bereits
mit allergnädigster Erlaubnis Sr. Majestät
nächst Neu-Meidling an jenem Orte des
Wiener Berges aufgestellt wurde, wo sie
im nächsten Jahre zur Transportirung der
Erd- und Schotterwagen während des
Baues in Verwendung tritt.*)
Um bei der nahe bevorstehenden Ab-
reise des amerikanischen Ingenieurs hin-
sichtlich der guten Zusammenstellung und
des Ganges dieser Maschine gesichert zu
sein, ferner um andere Dampfwagenführer
gehörig instruiren zu können, fanden wir es
zweckmässig, daselbst auch eine kurze
provisorische Holzbahn errichten zulassen.
Die Hauptproben dieser Maschinen
haben bereits in Amerika auf der »Phil-
adelphia- und Columbia-« Eisenbahn statt-
gefunden, und können erst nach Erbau-
ung eines Theiles unserer Bahn wieder-
holt werden.
Da die Construction einfacher als
die der englischen ist, so wird sie ohne
Anstand in österreichischen Fabriken
nachgeahmt werden können und da sie
femer weniger und leichter herzustellende
Reparaturen erheischt, scharfe Krümmun-
gen und grosse Steigungen zu überwin-
den fähig ist, endlich der Rauchfang das
Herausfliegen glühender Kohlenbestand-
theile besser als die englischen beseitigt,
so unterliegt es keinem Zweifel, dass deren
Einführung für die österreichischen Eisen-
*) In Zusammenhang mit jenen Ereig-
nissen erhielt die Brücke, welche den Ein-
schnitt der Südbahn bei Meidling überspannt,
den Namen »Philadelphia-Brücke«.
bahnen von besonderem Nutzen sein
wird.
2. Die weitere Bestellung von zwei an-
deren Locomotiven in Amerika und von
elf, mit den neuesten Verbesserungen und
theilweise amerikanischer Constructions-
art versehenen Dampfwagen in England
bei den berühmtesten Fabrikanten, welche
im Laufe der nächsten zwei Jahre eintreffen
werden, und die noch glücklicherweise
um billige Preise accordirt wurden.
3. Der Ankauf diverser amerika-
nischer und englischer Musterexemplare
von Rädern, Achsen, Lagern . u. s. w.
zu Eisenbahnwagen, von Drehscheiben,
Ausweichschienen, Wassersäulen, Krani-
chen, Wagen, Werkzeugen u. s. w.
4. Die Bestellung einer Partie diver-
ser Maschinen sammt Zugehör zur Er-
richtung einer grossen Werkstätte am
Wiener Haupt-Stationsplatze der Bahn,
um die Dampf- und anderen Wagen
sowie das übrige Eisenbahn-Geräthe
immer im guten Stande erhalten zu
können, wodurch allein der zweckmässige,
wohlfeile und ungestörte Betrieb aus-
gedehnter Eisenbahnen, vorzüglich jener
mit Dampfkraft, zu erreichen ist.
Der Bau dieser Werkstätte, deren
Plan von einem der besten englischen
Mechaniker rectificirt*) wurde, soll im
Frühjahre ohne Zögerung beginnen, nach-
dem ein Theil der Maschinen bereits
eingetroffen ist, und der Antrag besteht,
unseren Mechaniker Kraft noch im Laufe
des Winters nach England zu schicken,
um die noch fehlenden Maschinen zu
übernehmen, sich genaue Kenntnis über
den Betrieb aller Theile dieser Werk-
stätten zu verschaffen sowie einige prak-
tisch erprobte Arbeiter dafür anzuwerben.«
Im Gegensatze zu den in den Jahren
1837 — 1841 aus England eingeführten
Locomotiven von Stephenson, Sharp,
Hawthom, Rennie u. s. w. mit inner-
halb der Rahmen liegenden Dampf-
cylindern und gekröpften Treibachsen,
wiesen die von Norris bezogenen Loco-
motiven aussenliegende Dampf cy linder
und gerade Treibachsen auf. Die Her-
stellung gekröpfter Achsen setzte in den
♦) Sollte heissen »entworfen wurde«,
denn er rührte von John Haswell her.
428
Karl Gölsdorf.
Werkstätten Einrichtungen voraus, über
welche man damals nicht verfügte.*) Die
von Freiherm von Sina ausgesprochene
Vermuthung, dass Locomotiven ameri-
kanischer Bauart in Oesterreich leichter
nachgeahmt werden könnten, als jene
englischer Bauart, fand daher ihre
Bestätigung. Die Locomotive »Philadel-
phia« war das Vorbild, nach welchem die
erste Locomotive in der Maschinenfabrik
der Wien-Raaber Bahn 1841 hergestellt
wurde ; auch die erste, aus der Locomotiven-
fabrik von Günther in Wiener-Neustadt
1843 hervorgegangene Locomotive war
eine Nachbildung dieser Locomotive von
Norris.
Diese beiden Fabriken konnten den
grossen Bedarf an Locomotiven in den
Vierziger-Jahren nicht decken, immer noch
musste das Ausland herangezogen werden.
Für die weitere Ausbildung der für die
Österreichischen Bahn- und Verkehrs-
verhältnisse geeigneten Locomotiv-Typen
sind aber die genannten Fabriken mass-
gebend, so dass die älteste Geschichte
der Locomotive in Oesterreich eigentlich
die Geschichte der ältesten Locomotiv-
Fabriken ist.
lieber die Maschinenwerkstätte der
Wien- Raaber Bahn wird in der IL General-
versammlung der Actionäre dieser Bahn
am I. October 1839 mitgetheilt, dass
bereits ein grosser Theil derselben unter
Dach gebracht wurde, so dass die Auf-
stellung der Maschinen demnächst er-
folgen und das Ganze in Betrieb gesetzt
werden kann. Schon während des Baues
dieser Werkstätte wurden in derselben
300 Schotter wagen, fast alle Schlosser-
und Schmiedearbeiten für die Baulich-
keiten ausgeführt und 73 Arbeiter be-
schäftigt.
Am 21. April 1840 wurde die »Ma-
schinenwerkstätte im Beisein Seiner k. k,
Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erz-
herzogs Johann in Thätigkeit gesetzt« .
In der III. Generalversammlung der
Actionäre der Wien-Raaber Bahn, am
6. März 1841, macht Freiherr von Sina
*) Selbst gewöhnliche, glatt gedrehte
Transmissionswellen mussten Anfangs der
Vierzig;er-Jahre noch aus Enjjland bezogen
werden, nachdem die hiesigen Fabriken nicht
die geeigneten Drehbänke besassen.
die Mittheilung, diese Werkstätte dem
allgemeinen Bedürfnisse zugänglich
machen zu wollen, und gedenkt hiefür
ein Landesbefugnis anzusuchen. In der-
selben Generalversammlung wird femer
berichtet, dass bei einem Stande von
465 Arbeitern in dem Zeiträume von
10 Monaten, unter der Leitung des Herrn
John Ha s well, unter anderen Arbeiten
ausgeführt sind:
»An Locomotiven und Tendern ameri-
kanischer Art : Eine Locomotive imd vier
Tender ganz vollendet, und die Ausführung
des grössten Theiles von fünf in Arbeit
stehenden Locomotiven.
An verschiedenen Maschinenbestand-
theilen, Locomotiv-Cylindem und Rädern,
Schalenrädern etc. lieferte die Giesserei
seit 17. August 1840 807 Centner.«
• Die in diesem Berichte als fertiggestellt
angeführte Locomotive »Wien« kam am
6. Juni 1841 in Dienst; ihre Bauart ist
aus Tafel I, Fig. 2, Seite 471, ersichtlich.
Bis auf kleine Unterschiede waren die
anderen fünf erwähnten Locomotiven,
»Hietzing«, »Schönbrunn«, »Belvedere*,
»Liechtenstein« und »Altmannsdorf«, ge-
nau so gebaut wie die Locomotive
»Wien« ; sie gelangten noch alle im Jahre
1841 zur Ablieferung.
Als Schönerer einfach die Leitung
John Hasweirs erwähnte, ahnte wohl
Niemand, welche Bedeutung dieser Mann
dereinst auf dem Gebiete des Locomotiv-
baues erlangen werde, nicht allein in
Oesterreich, sondern auf dem ganzen
Continente. So mannigfach sind die von
ihm entworfenen Typen, so durchdacht
die von ihm angegebenen Detailcon-
structionen, und so werthvoU die von
ihm ersonnenen Arbeitsprocesse, dass es
eine Ehrenpflicht für den heutigen Tech-
niker ist, dieses Mannes zu gedenken,
dessen oft nicht beachtete, vielfach in Ver-
gessenheit gerathene Ideen und Construc-
tionen heute erst volle Würdigung finden.
John Haswell [Abb. 279] wurde im
Jahre 1812 zu Lancefield bei Glasgow
geboren. Nachdem er an der Ander-
sonian University in Glasgow seine
Studien beendet hatte, widmete er sich
der technischen Praxis. Mit 22 Jahren
ist er im Schiffsbau-Bureau in der be-
rühmten Fabrik von William Fairbairn
Locomotivbau.
& Co. thätig. Im Jahre 1837 entwarf
er auf Veranlassung Schönerer's die Pläne
für die Reparatur- Werkstätte der Wien-
Raaber Bahn, und wurde 1839, an
Seile des Mechanikers Kraft, mit der
Ausführung dieser Pläne betraut. Als
die Werkstätte fertiggestellt war, über-
nahm er selbständig die Leitung der-
selben, und führte, neben Reparatur-
arbeiten an rollendem Eisen bahn- Material,
sofort auch den Neubau desselben ein.
Die von ihm in dieser Fabrik errichtete
Eisengiesserei war die erste in Wien, und
die erste, welche mit
Cokes arbeitete.*)
Unter John Has-
well wurden auch die
ersten Schalen guss-
räder in O esterreich
angefertigt.
Im weiteren Ver-
laufe dieser Abhand-
lung werden an ge-
eigneter Stelle die
vielen Verbesserun-
gen und Neuerungen,
welche Haswell ge-
schaffen, Erwähnung
finden.
Bereits im Jahre
1842 stellte sich die
Nothwendigkeit her-
aus, stärkere Maschi-
nen für die Wien-
Gloggnitzer Bahn an- ^^^
zuschaffen. Im Allge-
meinen der Locomotive »Wien« ähnlich, j
stellten die stärkeren Locomotiven • We i 1-
burg" und >Brandhof* einen grossen '
Fortschritt dar. Die Heizfläche war von
rund 33 m' auf rund 50 tn* vergrösserl
worden; an Stelle der Treibräder von
1*264 "* Durchmesser gelangten solche
von 1-475 w Durchmesser zur Anwendung.
Die Ueberlegenheit der für die Nord- I
bahn und Wien-Raaber Bahn gelieferten j
Locomotiven von Stephenson und Sharp
in Bezug auf Ruhe des Laufes bei grösserer I
Geschwindigkeit, veranlasste Haswell 1 842 j
bis 1843, Locomotiven mit innerhalb der I
Rahmen liegenden D am pfcy lindern nach ,
*) Zur Schonung der steiermärkischen .
Industrie gestattete die Regierung nicht die \
Verwendung von Holzkohle, ]
dem Vorbilde der Sharp'schen Type zu
bauen. Die Vollkommenheit der Einrich-
tungen in der Maschinenfabrik war schon
so weit gediehen, dass die Fertigstellung
der gekröpften Kurbelachsen keine Schwie-
rigkeiten mehr bot. Von diesen Locomoti-
ven [vgl. Tafel I, Fig. 3, Seite 471], bei
denen an Stelle der amerikanischen, aus
Barreneisen geschmiedeten Längsrahmen,
die englischen Rahmen aus Holz, mit Blech
armirt, zur Anwendung gelangten, wurden
zwei Stück — »Thalhof« und .Schott-
wien« — für die Wien-Gloggnitzer Bahn,
und ein Stück —
»Gallileo. — für
die lombardisch- ven e-
tianische Ferdinands-
Bahn gebaut. Die
Treibräder dieser Lo-
comotive hatten einen
Durchmesser von
1738 tu.
Bei fast sämmt-
liehen bis zum Jahre
1843 in Oesterreich
gebauten und vom
Auslandeeingeführten
Locomotiven wurde
die Umsteuerung [Vor-
oder Rückwärislauf]
durch sogenannte Ga-
belsteuerungen be-
wirkt. Neben grosser
Complication hatten
In Haswen diese Steuerungen den
Nachtheil, dass die-
selben, wenn nur ein Dampfvertbeilungs-
schieber angeordnet war, eine Ausnutzung
der Expansivkraft des Dampfes nicht zu-
liessen.
Haswell war der Erste, der in Oester-
reich die den Namen Stephenson 's che
Coulissen Steuerung führende Umsteue-
rung, und zwar an der im Jahre 1844
für die Wien-Gloggnitzer Bahn gebauten
Locomotive •Meidling* anwandte.*)
Die Maschine «Meidling« war
eigentlich keine neu gebaute Locomotive;
bei ihrer Herstellung fanden die noch
•) Wie in England, Belgien und Deutsch-
land fehlte es auch in Oesterreich nicht an
Bestrebungen, noch vor Bekanntwerden der
einfachen Stephenson' sehen Coulissensteue-
rung, Steuerungen, welche eine variable
430
Karl Gölsdorf.
brauchbaren Reste der bald nach Eröffnung
der Wien-Gloggnitzer Bahn explodirten
Locomotive »Liesing« Verwendung.
Die Kessel der damals in Oesterreich
gebauten Locomotiven hatten keinen
Dampfdom auf dem Langkessel, sondern
eine kuppelartig überhöhte Feuerbüchse,
nach dem Vorbilde der »Philadel-
phia«.*) Diese- Kuppel war nicht nur
schwierig herzustellen, sie war auch,
wegen der grossen unversteiften Flächen
nicht geeignet, dem Dampfdrucke sicher
Widerstand zu leisten. Die Explosionen
der Locomotiven »Liesing« imd »Schön-
brunn« und später der »Mürz« von Nor-
ris, waren nur auf diese mangelhafte
Construction zurückzuführen. Haswell
ging daher schon 1843 auf die englische
Form der Kessel über, welche bei einer
nur massig überhöhten äusseren Feuer-
büchse, die Anwendung eines besonderen
»Domes« auf dem Langkessel zur Dampf-
entnahme voraussetzte. Diese Dome wur-
den [nach dem Vorbilde der Sharp'schen
Locomotiven] mit einer aus blank gescheu-
ertem Messingblech hergestellten Ver-
schalung umgeben, welche, der damaligen
Geschmacksrichtung Rechnung tragend,
eine grosse Anzahl von Simsen, Leisten
u. s. w, aufwies. Haswell Hess die ersten
dieser Verschalungen von einem Kupfer-
schmiede in Lanzendorf anfertigen ; selbst
der grosse Preis von 300 fi. C.-M. pro
Stück hinderte nicht, diese nach heutigen
Begriffen unschöne Zierrath lange Jahre
hindurch beizubehalten.
Die Locomotive »Meidling« bleibt
überdies noch dadurch bemerkenswerth,
dass die Rahmen, abweichend von der
amerikanischen und englischen Aus-
führungsweise, aus einem hochkantigen,
mit Blech armirten Futtereisen bestanden.
In Wiener-Neustadt und Umgebung
heisst noch heute im Volksmunde die
dort bestehende Locomotiv-Fabrik die
»Schleife«. Ursprünglich eine Gewehr-
lauf-Schleiferei, später eine W^attefabrik,
Expansion ermöglichen, zu erproben und zu
Studiren. Besonders die Meyer'sche Doppel-
schiebersteuerung wurde vielfach ausgetünrt.
Eine der ersten von Günther in Neustadt
gelieferten Locomotiven, die »Carolinenthal«,
war mit dieser Einrichtung versehen.
*) Diese Kesselconstruction rührte von
Bury in England her.
wurden die Räumlichkeiten dieser Anlage
für den Bau von Locomotiven eingerich-
tet, nachdem am 28. Februar 1842 zwi-
schen Karl von Prevenhuber, Bevoll-
mächtigten des Eisenwerksbesitzers Josef
Sessler im Krieglach, dann den Herren:
W. Günther, Ingenieur der Wien-
Raaber Bahn, Heinrich Bühl er und Fi-
delius Armbrust er ein Vertrag ge-
schlossen worden war, in welchem Hen
Sessler sich verpflichtete, dem Consortium
den nöthigen Material-Credit sowie einen
Baarcredit von 40.000 fl. C.-M. zur
Verfügung zu stellen, während die übri-
gen Gesellschafter den Ankauf eines
Fabriksgebäudes, dann die Einleitung
und Durchführung des Baues von Loco-
motiven übernahmen.
Die ersten sechs Locomotiven, welche
in dieser Fabrik nach dem Vorbilde der
> Philadelphia« 1842 — 1843 gebaut wur-
den, die »Sedletz«, »Florenz«, »Plass«,
»Carolinenthal«, »Hohenstadt« und
»Hohenmauth«, waren für die nördliche
Staatsbahn bestimmt. [Vgl. Abb. 280
und Tafel I, Fig. 4, Seite 471.]
Sie hatten ein Dienstgewicht von
rund 15 / und arbeiteten mit einem
Dampfdrucke von 5'/» Atmosphären.
Locomotiven ähnlicher Construction, je-
doch mit grösserem Kessel und stärkerem
Triebwerke wurden von Wiener- Neustadt
noch 1845 für die nördliche Staatsbahn,
und 1846/47 für die Nordbahn geliefert.
Auch die weiteren von Norris in
Philadelphia, und die zu Beginn der
Vierziger-Jahre von Cockerill in Seraing
und von Meyer in Mühlhausen in Oester-
reich eingeführten Locomotiven [vgl.
Bd. I, I. Theil, Abb. 215, Seite 231] waren
von derselben B^auart, und zeigten ähn-
liche Grössenverhältnisse.
Im rückwärtigen Theile jenes Gebäude-
complexes, in welchem 1851 die Sigl'sche
Maschinenfabrik in der Währinger-
strasse in Wien etablirt wurde, hatte
Norris aus Philadelphia Mitte der Vier-
ziger-Jahre den Bau von Locomotiven
und Tendern begonnen, um der immer
noch regen Nachfrage nach Locomotiven
seines Systems billiger genügen zu
können.
Norris, der in Amerika bis in die
Sechziger-Jahre bahnbrechend auf dem
J
Locomodvbau.
Gebiete des Locomodvbaues wirkte,
hatte im Jahre 1842 drei kleine Loco-
motiven angefertigt, welche getreue
Nachbildungen der oft erwähnten »Phil-
adelphia« im Massstabe von nur i : 4
waren. Er suchte die Erlaubnis nach,
diese Miniatur-Locomotiven den continen-
talen Herrschern überreichen zu dürfen.
Ein Exemplar gelangte in den Besitz
des Kaisers Nikolaus von Russland, ein
Exemplar wurde dem König Louis
Philipp von Frankreich Überreicht; die
dritte Maschine erhielt Erzherzog Franz
Karl, der Vater unseres Monarchen.
In Russland mit blossem Danke, in
Frankreich mit
Bestellungen
entlohnt, er-
hielt Norris in
Oest erreich die
Erlaubnis, für
dieH erste llung
seiner Loco*
motiven eine
Fabrik einrich-
ten zu dürfen.
Aus dieser
Fabrik gingen ocomot v* er
in den Jahren 1844 bis 1846 eine
Reihe von Lccomotiven und Tendern
hervor, deren Bauart aus Abb. 281 er-
sichtlich ist.
Der Verkehr auf den österreichischen
Bahnen nahm bald derart zu, dass selbst
die starken, ungekuppelten Locomotiven
von Haswell, welche bereits eine Treib-
achs-Bei astung von 12 Vi t aufwiesen,
nicht mehr hinreichten. Fast gleichzeitig
mit Cockerill in Seraing modihcirte Gün-
ther 1844 die Type der »Philadelphia«
derart, dass an Stelle des zweiachsigen
Drehgestelles eine Laufachse angeordnet
wurde, und zur Erzielung eines höheren
Adhäsionsgewichtes zwei unter sich durch
Kuppelstangen verbundene Räderpaare
Anwendung fanden.
Die von Neustadt in diesem Jahre
nach dieser Bauart für die Nordbahn
gelieferten Locomotiven »Koloss« und
• Elephanti erregten ob ihrer Leistungs-
fähigkeitallgemeines Aufsehen. [Abb. 282.]
Als Haswell an den Bau stärkerer
Maschinen schritt, behielt er, um die
Sicherheit des Laufes in den Krümmun-
gen nicht zu beeinträchtigen, das zwei-
achsige Drehgestelle der »Philadelphia«
bei, nur fügte er ein zweites Treibräder-
paar ein. Die Achsanordnung dieser
ebenfalls fast gleichzeitig von Cockerill
geschaffenen Type erhielt sich mit Ver-
besserungen in den Einzelheiten lange
Zeit auf vielen österreichischen Bahnen
bei den Personenzug- Locomotiven.
Die ersten zwei dieser Locomotiven,
»Adlitzgraben* und »Kaiserbrunn«
für die Wien-Gloggnitzer Bahn, hatten
Treibräder von 1422 m Durchmesser
und ein Gesa mm tge wicht von 22'/» t-
[Vgl. Tafel II, Fig. i, Seite 472.]
Um die aus
den Unregel-
mässigkeiten
des Oberbaues
sich ergeben-
den Entlastun-
gen und Ueb er-
lastun gen ein-
zelner Räder
und Achsen
unschädlich
zu machen,
' ' wandte man
schon in den Vierziger-Jahren Ausgleich-
hebel [Balanciers] zwischen den Trag-
fedem zweier Aclisen an. Diese oft den
Amerikanern zugeschriebene Erfindung
findet sich in Amerika nachweislich erst
1845 bei den Locomotiven von Rogers.
Ohne die Frage der Priorität zu berühren,
sei bemerkt, dass bereits im Jahre 1844
die für die Nordbahn von Cockerill ge-
lieferten Locomotiven mit Balanciers ver-
sehen waren, und dass Haswell als der
erste in Oesterreich, diese Construction
bei den Locomotiven »Adlitzgraben« und
»Kaiserbrunn« zur Ausführung brachte.
Einige Jahre hindurch reichten diese
Maschinen, jedoch mit Treibrädem von
nur r264 m Durchmesser, auch für die
Beförderung der Güterzüge aus. Fast
alle der damals bestehenden Locomoliv-
Fabriken des In- und Auslandes —
Günther, Kessler in Esslingen, Maffei
in München, Cockerill in Seraing u. s. w.
— lieferten bis 1850 eine grosse An-
zahl derartiger Locomotiven für die süd-
lichen, südöstlichen und nördlichen Staats-
bahnen sowie für die Kaiser Ferdinands-
432
Karl Gölsdorf
Nordbahn. [Vgl. Bd. I, i. Theil, Abb. 236,
Seite 252.]
Bald war aber auch diese Type
nicht mehr geeignet, den Anforderungen
zu entsprechen. Wieder war es Has-
well, der im Jahre 1846 mit der Loco-
motive »Fahrafeld« für die Wien-Glogg-
nitzer Bahn dem Bedürfnisse Rechnung
trug. Die »Fahrafeld« war die erste
in Oesterreich gebaute Güterzug-
Locomotive mit sechs gekuppel-
ten Rädern. In Bezug auf Grösse der
Heizfläche — rund 130 m^ — übertraf
sie alles bisher Dagewesene.*) [Vgl.
Tafel II, Fig. 2, Seite 472.]
In den einzelnen Bestandtheilen ver-
bessert und verstärkt, mit allen Neue-
rungen der Gegenwart versehen, reprä-
sentirt diese Type die bis vor wenigen
Jahren ausschiesslich und selbst heute
noch vielfach gebaute normale Güterzug-
Locomotive österreichischer und deutscher
Bahnen. [Vgl. Tafel XVI, Fig. 3 und 4,
Seite 486.]
Das zweiachsige vordere Drehgestelle
der »Philadelphia« hatte sich bei dem
ältesten, vielfach sogar ohne Laschen- Ver-
bindung ausgeführten Oberbau der ersten
Bahnen Oesterreichs vorzüglich bewährt.
Die mit dieser Anordnung der Lauf-
achsen versehenen Locomotiven waren
aber für grössere Geschwindigkeiten als
35 bis 40 ktn pro Stunde nicht geeignet,
weil die bei der damaligen Construction
der Drehgestelle bedingte Neigung der
Dampfcylinder gegen die Horizontale,
oder, bei horizontaler Anordnung der
Cylinder, deren weite Lagerung nach
vorne, einen unruhigen Gang der Ma-
schine erzeugten. Dieser unruhige Lauf,
fälschlich dem Drehgestelle selbst zu-
geschrieben, veranlasste fast alle Con-
structeure Oesterreichs, bei der Auf-
stellung von Typen, welche ausschliess-
lich für die Beförderung von Personen-
zügen bestimmt waren, das Drehgestelle
zu verlassen.
♦) An der Locomotive »Fahrafeld« war
ein Apparat angebracht, durch welchen ein '
Theil lies aus dem Blasrohr entströmenden '
Dampfes condensirt und wieder zur Kessel- 1
Speisung verwendet werden konnte. In 1
besserer Form wurde dieser Condensator ,
später von Kirchweger in Deutschland aus-
geführt.
Stephenson hatte 1842 die sogenannte
»Patentlocomotive« constniirt. Die Er-
fahrung hatte gezeigt, dass bei den
damals üblichen Längen der Siederohre
von 2' 5 bis 2*8 w die Heizgase mit
einer Temperatur von rund 700* dem
Rauchfange entströmten. Um den Brenn-
stoff besser auszunützen, wandte Stephen-
son Siederohre von rund 4*2 f#f Länge
an. Kessel mit diesen langen Siede-
rohren hätten bei der Anordnung einer
Achse hinter dem Feuerkasten einen
sehr grossen Radstand erfordert, welchen
man nach den zu dieser Zeit herrschenden
Ansichten tiber Curvendurchlauf nicht für
zulässig erachtete; Stephenson verlegte
daher alle Achsen unter den Langkessel.
Die geringe Belastung der Endachsen,
der grosse Ueberhang rückwärts und
vorne, verursachten aber einen äusserst
unruhigen Lauf, so dass diese Type
ihrer Bestimmung als Personenzug- Loco-
motive nicht entsprach, und trotz vieler
guter Detailconstructionen, einen grossen
Rückschritt darstellte. Dennoch fand
diese Constniction auf vielen Bahnen
des Continentes Eingang, insbesondere
in Deutschland und Frankreich.
Als Haswell im Jahre 1846 für die
südöstlichen Staatsbahnen eine speciell
für die Beförderung der Personenzüge ge-
eignete Locomotive bauen sollte, acceptirte
er die vorerwähnte Construction; es
wurde jedoch nur ein Stück nach dieser
Bauart, die Locomotive »Bets«, ausgeführt.
[Vgl. Tafel II, Fig. 3, Seite 472.] Die Fehler
dieser Type vielleicht voraussehend, modi-
ficirte er die in demselben Jahre für dieselbe
Linie erbauten weiteren vier Stück Per-
sonenzug - Locomotiven — »Czegledt,
»Abonvi«, »Pilis« und »Monor« — der-
art, dass an Stelle der vor dem Feuer-
kasten liegenden, wenig belasteten Lauf-
achse eine mit der Treibachse gleich bela-
stete Kuppelachse Anwendung fand.
[Vgl. Tafel II, Fig. 4, Seite 472.] Die ge-
kuppelten Räder hatten einen Durchmesser
von i'SSo wi; das Adhäsionsgewicht be-
trug 18 f. An Stelle der innerhalb der
Räder angeordneten Rahmen, in den
Sechziger-Jahren mit Aussenrahmen und
Kurbeln gebaut, figurirt diese Type heute
noch auf den meisten österreichischen
Bahnen als Personenzug- Locomotive.
I
Locomotivbau.
Mit der Type »Fahrafeld« und den
letztgenannten Locomotiven »Czegled«
u. s. w., war in Oesterreich eine ganz
bestimmte Richtung für die weitere Ent-
wicklung der Personenzug- oder Schnell-
üug- Locomotiven und der Güterzug-Loco-
motive festgelegt worden. Die in allen
Kronländem der Monarchie angefangenen
und schon dem Verkehre übergebenen
Theilstrecken der grossen Bahnen bildeten
aber noch kein geschlossenes Netz; die
Verbindungsglieder — Semmering u. s, w.
— harrten noch des Ausbaues. Die An-
forderungen, welche der Verkehr dereinst
auf den grossen zusammenhängenden
erfand dieser, um die Entwicklung des
Werkstätten wesens hochverdiente Mann
die nach ihm benannten 'Baillie'schem
Schnecken federn, welche, mit Ausnahme
von Amerika, heute in der ganzen Welt
bei den Buffern und Zug Vorrichtungen
sämmtlicher Locomotiven, Tender und
Wagen Verwendung finden. *) Spiral-
förmig oder schraubenförmig gewundene
Federn waren damals wohl schon be-
kannt; die Querschniltsform des gewun*
denen Stahles gab aber nur geringe
Durchbiegung oder Einsenkung. Die
Idee Baillie's, ein dünnes Stahlblatt so
zu wickeln, dass die Kraftrichtung die
Bahnen an Geschwindigkeit undLeistungs-
fähigkeit stellen würde, konnte man nicht
ermessen : der Locomotivbau bewegte sich
daher Ende der Vierziger- und Anfang
der Fünfziger-Jahre in dem Rahmen der
Bedürfnisse des Augenbhckes, so das-)
die vielen nach den bisherigen Vorbildern
in Oesterreich bis Beginn der Fünfziger-
Jahre gebauten Locomotiven kein be-
sonderes Interesse bezüglich Conception,
Leistung und Schnelligkeit beanspruchen.
Von grösster Wichtigkeit sind aber die in
dieser Zeit gemachten Verbesserungen an
den einzelnen Bestandtheilen, insbesondere
Stoss- und Zugvorrichtung betreffend.
Der mit den ersten für die Nordbahn
bestimmten Stephenson 'sehen Locomo-
tiven nach Oesterreich gekommene eng-
lische Ingenieur Baillie, Übernahm,
nachdem er Ende der Dreissiger-Jahre
die Nord bahn -Werk Stätte in Wien ein-
gerichtet hatte, die Leitung der in Pest
errichteten Reparatur- Werkstätte der süd-
östlichen Staatsbahnen. Im Jahre 1IS46
> Sern. I» Wien. (!««,.]
Hochkante des Blattes trifft, gab leichte
Federn mit einer so grossen Einsenkung
und Widerstandsfähigkeit, dass erst mit
diesen Federn die Frage der Zug- und Stoss-
vorrichtungen einer befriedigenden Lösung
zugeführt war. Haswell und Günther
wandten dieselben zunächst als Trag-
fedem bei den meisten in den Jahren
1847 bis 1855 gebauten Locomotiven an.
[Vgl. Abb. Tafel II, Fig. 4 und Tafel IV.
Fig. I, Seite 472 und 474.]
Bei den alten englischen Postkutschen
und den meisten anderen Strassenwagen
•) Die illtesten Locumotiven Oesterreichs
hatten zur Milderung dt;s beim Anfahren an
andere Fahrzeuge auftretenden Siusses an
dem vorderen Brustbaume entweder nur
einfache, mit Blech beschlairene H'>lz-
stöckel, cJtr nach dem ViirbilJe der im-
Eartirten enf;lisi;hen Locomotiven Stoss-
issen »der Stnssballen, bestehend aus einer
cvlitidrischen, mit Rosshaar gefüllten I.eder-
hülse, welche mit Eisenrinnen und einer vor-
deren hiiizernen Stossplatle armirt waren,
[Vgl. Tafel l, Fig. 2 und 3, Seite 471.]
23
434
Karl Gölsdorf.
war der Abstand der Aussenfläche der
beiden auf einer Achse sich drehenden
Räder mit fünf Fuss bemessen. Als die
ersten Eisenbahnen in England gebaut
wurden, richtete sich die Spurweite —
Abstand der Innenseiten der Schienen-
stränge — nach diesen Fahrzeugen, nach-
dem man mit denselben diese Bahnen be-
fahren wollte und zu diesem Zwecke an
der Rad-Innenseite Spurkränze anbrachte.
Die Spurweite ergab sich hieraus mit
4 ' 8V2 " [englisch] gleich 1*435 m.
Diese Schienenentfernung fand von Eng-
land aus in Amerika Eingang und wurde,
mit Ausnahme von Russland und Baden, ♦)
Ende der Dreissi ger-Jahre von allen con-
tinentalen Staaten angenommen.
Die Spurweite war und blieb lange
Zeit hindurch das einzige Mass, welches
die »technische Einheit« aller Bahnen
repräsentirte. Mit dieser Einheit war aber
ein internationaler Durchgangs- Verkehr,
selbst ein Verkehr auf den einzelnen
Bahnen eines Landes nicht möglich, nach-
dem wegen Verschiedenheit der Stoss- und
Zug Vorrichtungen die Fahrbetriebsmittel
der einzelnen Bahnverwaltungen nicht
unter einander gekuppelt werden konnten.
Nachdem im Jahre 1846 die preussi-
schen Bahn Verwaltungen zur Ausarbeitung
gemeinschaftlicher Bestimmungen sich
vereinigt und den Beschluss gefasst
hatten, ihren Verband auf alle conces-
sionirten deutschen Eisenbahn - Verwal-
tungen auszudehnen, traten im Jahre 1847
die Kaiser Ferdinands-Nordbahn und die
Wien-Gloggnitzer Bahn dieser Vereini-
gung bei. Vierzig dieser Vereinigung an-
gehörige Bahnverwaltungen beschlossen
in der Ende 1847 in Hamburg tagenden
Versammlung, für ihren Verband den
Namen »Verein Deutscher Eisenbahn-
Verwaltungen« anzunehmen.
Die von diesem Vereine**) in der
ersten Technikerversammlung im Jahre
1850 aufgestellten Normen über einheit-
lichen Bau der Fahrbetriebsmittel ent-
hielten — zunächst nur für Wagen und
Tender — bereits bindende Vorschriften
über die gegenseitige Entfernung der Buffer
und Höhe derselben über der Schienen-
Oberkante, und ebenso Vorschriften über
die Situirung der Zugvorrichtungen. In
Oesterreich war die Anordnung der Buffer
so sehr verschieden von der aufgestellten
Norm [sie standen eng beisammen], dass
in der Zeit des Ueberganges auf das ein-
heitliche Mass vier Buffer, und zwar zwei
enggestellte und zwei weitgestellte, beim
Neubau vieler Locomotiven Anwendung
fanden. Erst 1862 waren sämmtliche Fahr-
betriebsmittel auf den Hauptlinien mit
regelrecht gestellten Buffern versehen.
»Recta sequi.« In Stein gegraben ist
dieser Wahrspruch der alten österreichi-
schen Eisenbahnbauer auf dem Portale
des im Jahre 1841 bei Gumpoldskirchen
durch den Katzbichel getriebenen Tunnels
zu lesen. »Geradeaus« war der Grund-
satz dieser Pionniere; keine verlorenen
Gefälle, keine unnöthigen örtlichen Stei-
gungen und Vermeidung von scharfen
Krümmungen, welche den Betrieb er-
schweren und vertheuem könnten ! Un-
begreiflich erscheint dem modernen Bau-
Ingenieur diese Traceführung; aber begreif-
lich und nothwendig war sie nach dem
Stande der damaligen Locomotiv-Technik.
Doch kaum ein Jahrzehnt war ver-
flossen, da stand die Locomotive so
leistungsfähig und vollkommen da, dass
*) Die im Grossherzogthum Baden mit
einer Spurweite von r6oo nt angelegten
Staatsbahnen wurden bald mit grossen Kosten
auf die normale Spur von 1*435 m umgebaut.
**j Der Verein deutscher Eisenbahn-Ver-
waltungen, ursprünglich nur den Interessen
eines Staates dienend, umfasst heute
nahezu alle Bahnen des Continents.
Die von ihm aufgestellten Normen über den
Bau sämmtlicher Fahrbetriebsmittel, welche
von Zeit zu Zeit, den Fortschritten ent-
sprechend, neu aufgelegt, revidirt und er-
weitert werden, enthalten Vorschriften über
die einheitliche Anordnung von Zug- und
Stossvorrichtungen, über die einheitliche An-
ordnung und Form der Anschluss- Stücke
[Kuppelungen], der durch geh enden Luftdruck-
und Luftsaugebremsen und der Dampf-
heizungen, über Ueberlegbrücken zwischen
den Personenwagen u. s. w., so dass erst die
Thätigkeit dieses Vereines den internationalen
Verkehr ermöglichte. Die, alle Gebiete der
Technik umfassende Geistesarbeit, welche zu
diesem Erfolge führte, stempelt den Verein
zu einem Centralpunkte der Wissenschaft;
sein alle continentalen Staaten berührender
Einfluss macht ihn auch zu einem politischen
Factor ersten Ranges, so dass wohl kaum ein
anderer Verein der Welt ihm an Ansehen
und Bedeutung gleichkommt.
Locomotivbau.
435
Ghega, der Erbauer der Semmering-
bahn, alle Einwendungen Berufener und
Unberufener niederkämpfend, die Eignung
der Locomotive für Steigungen von i : 40
und Krümmungen von 190 m behaupten
und beweisen konnte. *)
Gegen die Verfechter des Seil betrieb es,
gegen die Anhänger der atmosphärischen
Eisenbahnen, selbst gegen das Votum des
Oesterreichischen Ingenieur - Vereines
setzte Ghega es durch, dass die Ausschrei-
bung eines hohen Preises für die den Anfor-
derungen des Semmering am besten ent-
sprechende Locomotive, hohen Ortes Beach-
tung fand und auch angeordnet wurde.**)
Das im Monate März 1850 veröffent-
lichte Programm fUr die Construction einer
druck 125 Centner [7 t], und beschränkte
die grösste Höhe der Maschine mit 15'
[4740 m] und die grösste Breite mit 9'
[2-844 *«]■ Ausser der Vorschreibung
der nöthigen Armaturstücke des Kessels
war noch die Bestimmung aufgenommen,
dass die Bremseinrichtungen ein Anhalten
der allein, mit einer Geschwindigkeit von
vier Meilen [etwa 30 km] fahrenden Loco-
motive auf 80 Klafter [etwa 152 m] er-
möglichen sollten. Keinerlei sonstige Vor-
schriften hinderten die Entfaltung des
technischen Erfindungsgeistes.
Ende Juli 185 1 waren in Payerbach
vier Locomotiven zur Preisbewerbung
eingelangt: die >Bavaria< von Maffei
in München, die »Seraing« vonCockerill
Semmering -Locomotive war, nachdem
auch das Ausland zur Preisbewerbung
herangezogen werden sollte, in drei
Sprachen abgefasst. Als Leistung war
verlangt die Beförderung eines Zuges
von 2500 Wiener Centnern [140 /] mit
l'/j Meilen [li"25 km] Geschwindigkeit
pro Stunde auf der Steigung von i : 40.
Das Programm normirte als höchsten
zulässigen Dampfdruck lOJ Pfund pro
Quadratzoll, als grössten zulässigen Rad-
*) Bereits im Jahre 1846 wurden die Linie
und in Württemberg die Bahn über die Rauhe
Alp mit Steigungen von 1:40 und 1:45 an-
standslos mit Locomotiven betrieben.
••) Vgl. Bd. 1, I. Theil, H. Strach. Die
ersten Staatsbahnen, Seite 273, und Bd. II,
C. Werner, Tracirung.
liv. d<t Kordbihu. (.&I4.]
in Seraing, die «Wiener-Neustadt«
von Günther in Wiener-Neustadt und die
• Vindobona. von Haswell in Wien.
[Vgl. Abb. 260 bis 263, Bd. I, I. Theil,
S. 277 und 278*) und Tafel III, Fig. 1 und 2,
Tafel IV, Fig. I und 2, S. 473 und 474,]
Die Locomotive •Bavaria« war auf
vier Achsen gelagert, von denen die
beiden vorderen ein Drehgestelle bil-
deten ; der Tender hatte drei Achsen.
Die Räder des Drehgestelles und die
Räder des Tenders waren in gewöhn-
licher Weise durch Kuppelstangen ver-
bunden. Von der hinter dem Feuerkasten
angeordneten Treibachse der Locomotive
*) Die Preis -Locomotiven trugen folgende
Fabrications- Nummern: »Bavana« 7z, »Se-
raing* 290, »Wiener-Neustadtt 73, »Vindo-
436
Karl Gölsdorf.
wurden die Tenderachsen durch inner-
halb der Rahmen liegende Kettenräder
und Kette ohne Ende angetrieben; in
derselben Weise war die Kuppelung des
Drehgestelles mit der vor dem Feuerkasten
liegenden Kuppelachse durchgeführt, so
dass das Gesammtge wicht von Locomotive
und Tender als Adhäsionsgewicht nutzbar
gemacht werden konnte.
Die Locomotive »Seraing« hatte vier
Achsen und vier Dampfcylinder, von denen
je zwei in einem Drehgestelle gelagert
waren ; die Dampfcylinder waren inner-
halb der Rahmen angeordnet. Der Kessel
bestand eigentlich aus zwei mit den Rück-
seiten aneinander stossenden Kesseln, be-
sass somit zwei getrennte Feuerbüchsen,
zwei Systeme von Siederohren und hatte
vorne und rückwärts einen Rauchfang.
Längs des Kessels waren Wasserkasten
angeordnet; ein kleiner zweiachsiger
Tender diente zur Mitführung der Kohle.
Aehnlich gebaut in Bezug auf die
Räder- und Cylinder- Anordnung war die
»Wiener-Neustadt«.*) Sie hatte jedoch
*) Der Entwurf dieser Maschine rührte
von dem leider im frühesten Mannesalter
verstorbenen Ingenieur Frank her.
einen in gewöhnlicher Weise ausgeführten
einfachen Kessel mit sehr langen Siede-
rohren. Die Dampfcylinder lagen ausser-
halb der Rahmen. Speisewasser und
Kohle waren auf der Maschine selbst
untergebracht.
Wenig principiell Neues bot die
»Vindobona« in der Gruppirung der
Achsen. Sie hatte, als sie zur Abliefe-
rung gelangte, nur drei gekuppelte,
in einem starren Rahmen gelagerte
Achsen ; eine derselben war hinter der
Feuerbüchse angeordnet. Bei der Abwäge
stellte es sich heraus, dass die Vorder-
achse überlastet war; mit grösster Be-
schleunigung wurde daher zwischen der
ersten und zweiten Achse noch ein Räder-
paar eingeschaltet, so dass aus dieser drei-
achsigen Maschine ein Achtkuppler wurde.
Auch bei den anderen Preis-Locomo-
tiven kamen beträchtliche Ueberschrei-
tungen des vorgeschriebenen Raddruckes
vor. Um nicht alle Locomotiven zurück-
weisen zu müssen, sah sich die Com-
mission veranlasst, das Wort Raddruck
so auszulegen, dass darunter nur jenes
Gewicht zu verstehen sei, mit dem ein
Rad durch die Federn belastet wird.
Tabelle über die Hauptabmessungen der Preis-Locomotiven.
Dampf- "y :-£ i Treibräder '| Siederohre \
Name der ,; cyhnder ^ 6 ^
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Locomotive ' • rs xs « ^ ^ ^ß
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Anmerkung
G
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Bavaria
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Seraing
Wiener- |'
Neustadt
Vindobona '
2 508 , 85 !i 764
! I; i| .|
4 i 422 I 72 I 712 '1
I .1 li
4 ; 330 85 ' 632 ■:
2 448 85 1 579 :
M
8
8
8
229
2x170=
1067
1X06 I 180
0948 i 286
4424;^ 175-0 il 2-3
3192 I' 1880, 2 2
I '
6 484 I 183-6 17
73*00
5600
64-20
Gewicht mit
Tender
Gewicht ohne
Tender
3372 , 176-2 1-59 I 47-15
I
jj
;i Gewicht ohne
Tender
Nachdem die Mitte August 1851
vor<;enommenen Leerfahrten und Brems-
versuche bei keiner Maschine einen An-
stand erjreben hatten, wurden Ende des-
selben Monates die Leistunj^sproben vor-
genommen.
Die * B a v a r i a « betorderte auf der
Stei<^un<r von i : 40 einen Zu<r von
2640 Centnern mit 2*44 Meilen Ge-
sch\vindi«;keit; die >Serainirf^ 2523 Cent-
ner mit 1*88 Meilen, und die »Wiener-
Neustadt« und die »V^indobona« jede
2500 Centner mit i 7j Meilen.
Die »Bavaria« hatte die Programm-
Forderung weitaus überboten; überdies
erreichte sie ihre Leistung mit einem
Brennstoff- Verbrauche, der, auf die Lei-
stunj^seinheit bezogen, viel kleiner war,
als der Verbrauch der anderen Preis-
Locomotiven. Es wurde ihr daher der
LocoRiotivbau.
Preis von 20.000 Ducaten zuerkannt. Die
anderen Maschinen: •Wiener-Neusladt«,
»Seraingt und'Vindobona» — letztere erst,
nachdem einige wesentliche Aenderungen
vorgenommen waren — wurden um
10.000, gooo, beziehungsweise 8000 Du-
caten vom Staate angekauft.
Jede der Preis-Locomotiven hatte die
vorgeschriebene Leistung erreicht; aber
schon die Probefahrten hatten gezeigt,
dass keine dieser Maschinen geeignet
war, als Type für die Semmering-Loco-
motive zu dienen.
Die 'Eavaria', durch ihren grossen
Kessel, die grossen Dampfcylinder und
Maschine, welche nur zwei gekuppelte
Achsen besitzt; sie wäre für die Anfor-
derungen des Semmering nicht mehr
geeignet gewesen.
Nach fruchtlosen Versuchen, die Kette
zu verstärken, wurde die »BaYaria« demo-
Hrt. Ihr bester Bestandtheil, der Kessel,
wurde in der Grazer Betriebs werk statte
der sUdhchen Staats bahnen als stationärer
Kessel aufgestellt. Mitte der Sechziger-
Jahre, als schon der grösste Theil der
Werkzeugmaschinen in die neue Haupt-
werkstätte Marburg übertragen war,
lieferte dieser Kessel, dessen Rost und
Heizfläche, nach dem heutigen Stande der
Abb. Hflj. EDgeitb-Loeomollve der s<
. [i8>t.l
den grossen Kolbenhub,*) befähigt eine
ausserordentliche Zugkraft auszuüben,
konnte diese Zugkraft nicht in dauernder,
störungsloser Weise auf die Räder über-
tragen, nachdem' die Kette selbst mit
der grössten Sorgfalt nicht in gutem
Zustand erhalten werden konnte. Als
nach Beendigung der eigentlichen Probe-
fahrten weitere Versuchsfahrten gemacht
wurden, um die Haltbarkeit der Kette
zu erproben, waren vier geschulte Ar-
beiter unter Leitung eines Ober-Ingenieurs
nicht im Stande, trotz gewissenhafter
Untersuchung, Messung und Reparatur
der Kette nach jeder Fahrt, dieselbe
länger als einige Tage vor Bruch und
zum Bruche führender Dehnung zu be-
wahren.
Die Weglassung der Kette hätte die
Locomotive in Bezug auf Adhäsion oder
Zugkraft gteichwerthig gemacht mit einer
a »Rocket" wurde bis
neiite keine Locomotive
grösseren Hub [764 m.«]
") Seit der i
heute auf dem C(
gebaut, welche eii
als die •Bavariac besessen hätte.
Technik für Leistungen von einem hal-
ben Tausend von Pferdekräften hinrei-
chend war, noch einige Zeit den Dampf
für eine 'fünfzöllige Wasserpumpe* ; dann
wurde auch er zerschlagen. Sic transit
gloria mundi.
Die Locomotive »Seraing«, welche in
Bezug auf Formvollendung und Gedie-
genheit der einzelnen Bestandtbeile an
die modernen Constructions weisen heran-
reichte,*) war ihrer Kesselanlage nach
insoferne misslungen, als für die Ent-
nahme von trockenem Dampf nicht
genügend vorgesehen war. Die An-
ordnung grösserer Dampfdome hätte
diesen Uebelstand behoben. Die Be-
weglichkeit der Untergestelle bedingte
Gelenke in den Dampfleitungen, welche
auf die Dauer nicht dicht zu halten
waren. Durch die Lage der Dampf-
cylinder innerhalb der Rahmen, war die
Zugängliehkeit des Triebwerkes sehr
•) Sie war e
438
Karl Gölsdorf.
erschwert. Alle diese Mängel wären zu
beseitigen gewesen ; das Princip der Type
war lebensfähig: es feierte auch wieder
seine Auferstehung im Jahre 1869 mit
den Locomotiven System »Fairlie«,*)
die, abgesehen von einigen Detailcon-
structionen, getreue Nachbildungen der
»Seraing« waren. In vielen Exemplaren
wurden diese Fairlie-Locomotiven für
Süd- und nordamerikanische Bahnen, für
Russland, Finnland, Schweden, Norwegen
und verschiedene andere Staaten gebaut.
Einwandfrei in Bezug auf die Dampf-
entnahme aus dem Kessel, hatte die
»Wiener -Neustadt« mit der »Seraing«
den Fehler gemein, dass ihre gelenkigen
Dampfleitungen schwer in Stand zu
halten waren. Die Construction der
Untergestelle war ausserdem wenig glück-
lich durchgeführt, so dass die freie
Beweglichkeit in den Krümmungen nur
in beschränktem Masse vorhanden war.
Dem Principe nach aber nicht verfehlt,
bildete die »Wiener-Neustadt« das Vor-
bild, nach welchem Ende der Sechziger-
Jahre die Doppel- Locomotiven, System
»Meyer«, erbaut A\urden.**) Die in
neuester Zeit auf vielen französischen,
deutschen und schweizerischen Bahnen
construirten Locomotiven, Bauart »M al-
le t«, mit vier Dampfcylindern sind ihrer
Conception nach auf die »Wiener-Neu-
stadt« und die »Seraing« zurückzuführen.
Die »Wiener-Neustadt« ist noch dadurch
bemerkenswerth, dass sie die erste
in Oesterreich gebaute Tender-
Locomotive war.
Diese beiden Preis-Locomotiven wurden
wegen ihrer Mängel bald beiseite ge-
stellt. Nachdem sie Jahre hindurch im
Hofe der Wiener Reparatur-Werkstätte
der südlichen Staatsbahn gestanden,
wurden sie zerlegt, und die Kessel an
Eisenhändler verkauft.
Auf den letzten Platz war von den
Preisrichtern H a s w e 1 Ts » Vindobona «
gestellt worden. Und doch war diese
Locomotive diejenige, welche einige Jahre
*) Die erste derselben »Little wonder«
wurde für die schmalspurige Festiniog-Bahn
in England gebaut.
**) Die erste derselben war die Locomo-
tive »L^Avenir« für die Luxemburgische
Centralbahn.
später mit etwas veränderter Stellung
der Achsen die Type der Berg- Locomotive
auf dem Continente wurde. Nicht das
allein ; manche ihrer Einzelheiten sind
unter anderen Namen als dem Has-
welTs bekannt und als grosser
Fortschritt aufgegriffen worden.
Die »Vindobona« war mit einer Ein-
richtung versehen, welche ein Bremsen
ohne Anwendung von Bremsklötzen er-
möglichte. Beim Leerlaufe der Loco-
motive wird bei Stellung der Steuerunj^;^
auf die der Fahrt entgegengesetzte Rich-
tung Luft angesaugt und comprimirt.
Dieser Vorgang war bei der »Vindo-
bona« als Bremse benützt; um die Luft
nicht durch die Rauchkammer-Gase ver-
unreinigt in die Cy linder gelangen zu
lassen, wurde dieselbe nach Schluss des
Blasrohres, durch eine besondere Klappe,
welche mit der freien Atmosphäre in
Verbindung stand, angesaugt, und einem
Ventile zugeführt, welches diese Luft
unter regulirbarer Pressung wieder ent-
weichen Hess. In Einzelheiten verbessert,
ist die später bekannt gewordene Riggen-
bach'sche Gegendampf- [Repression s-]
Bremse, welche heute bei allen Zahnrad-
Locomotiven und vielen Gebirgs- Loco-
motiven Deutschlands Anwendung findet,
nichts anderes als eine in Vergessenheit
gerathene Erfindung HaswelPs.
Die »Vindobona« war die erste Loco-
motive, bei welcher die zur Versteifung
der inneren Feuerbüchsdecke angewandten
Barrenanker durch Schrauben ersetzt
waren, welche die innere Feuerbüchs-
decke mit der flachen äusseren Decke
versteiften. Geringes Gewicht, leichte
Zugänglichkeit und Möglichkeit, die
Feuerbüchsdecke vom Kesselstein zu
reinigen, bildeten die Vorzüge dieser
Construction, welche später unter dem
Namen » Belpaire'sche Feuerbüchse« auf
sämmtlichen Bahnen Eingang fand.
Durch ihren grossen festen Radstand
wirkte die »Vindobona«, trotzdem die
dritte Achse keine Spurkränze hatte,
zerstörend auf die Krümmungen der
Bahn ein. Dieser Umstand veranlasste
Haswell, nach den Probefahrten die rück-
wärtige Kuppelachse durch ein zwei-
achsiges Drehgestell zu ersetzen, welches
aber nicht wie bisher üblich, um einen
Locomotivbau.
zwischen den Drehgestellachsen gelager-
ten Zapfen drehbar war, sondern, mit
einer Deichsel versehen, seinen Drehpunkt
weit nach vorne gerUckt hatte. Abge-
sehen von der Rückstell-Einrichtung, ist
dieses Drehgestell identisch mit dem ;
im Jahre 1857 in Amerika patentirten 1
■ Bisell' -Gestell, das auch aufdemCon- !
tinente, insbesondere in der Ausführung |
mit nur einer Achse vielfach angewandt i
wurde.*)
Während das neue Drehgestell an- ,
gebaut wurde, nahm Haswell auch an 1
dem Kessel eine wesentliche Aenderung
vor. Der Dampfraum des Kessels hatte
sich als zu klein erwiesen, um trockenen
Bedenken veranlassende ovale Querschnitt
des Kessels und das geringe Adhäsions-
gewicht waren Ursache, dass sie eben-
falls das Schicksal der anderen Preis-
Locomotiven theilte: sie wurde dt-molirt.
Nur der Kessel fand noch einige Jahre
hindurch Verwendung als stationärer
Kessel der Betriebswerk statte in Laibach.
Die Preisrichter schlössen ihre Thätig-
keit am 21. September 1851 mit der
Abfassung eines Protokolls, in welchem
die Bedingungen angeführt waren, denen
eine für den Betrieb des Semmering
geeignete Lucomotive entsprechen müsste.
Auf Grund der bei den Probefahrten ge-
sammelten Erfahrungen wurde bestimmt,
Abb. Ä|. Engen h-Locomoilv« d
Dampf zu liefern. Haswell setzte auf j
die FeuerbUchse und auf den Lang- 1
kessel hinter dem Rauchfange noch zwei !
Dome auf, welche mit dem bestehen- '
den Dome durch ein weites Rohr ver- I
bunden waren.
Durch diese Anordnung der Dome j
wurde der Dampfraum wesentlich ver- '
grössert, überdies aber noch der Vor- 1
theil erreicht, dass der Dampf, um zum
Regulator zu gelangen, nicht den Wasser-
spiegel bestreichen musste; die Möglich- ,
keit, auf diesem Wege Wasser an sich
zu reissen, war ihm somit benommen.
Heute werden fast alle neueren Loco-
motiven Oesterreichs mit dieser Anord-
nung der Dome ausgeführt. [Vgl. Tafeln
XVH bis XX, Seite 487 bis 490.]
Auch nach den vorgenommenen
Aenderungen erwies sich die »Vindobona«
für den Semmering nicht geeignet. Der
zu klein gewählte Raddurchmesser, der
•) Vgl. Seite 4Ai-
■.T sUdltchcD suaiababn. [1S5O.I
dass die Belastung aller Räder als Adhä-
sionsgewicht nutzbar gemacht werde;
die Achsen sollten femer in Drehgestellen
gelagert sein. Die Vorschriften über den
grössten zulässigen Achsdruck und Dampf-
druck u. s. w. waren dieselben, wie in
dem Programme vom März 1850.
In der Abtheilung für Eisenbahn-
betriebs-Mechanik des k. k. Ministeriums
für Handel und Gewerbe wurde imter
Leitung des k. k. technischen Rathes
Freiherm Wilhelm Engerth sofort an
die Ausarbeitung eines den genannten
Bedingungen entsprechenden Projectes
geschritten ; auf Grund dieses Projectes
lieferte die Locomotiv-Fabrik von Cocke-
rill in Seraing einen Entwurf, der, mini-
steriell genehmigt, die Grundlage für
die definitive Ausführung der »Engerth-
Locomotive« bildete. [Vgl, Abb. 265,
Bd. r, I. Theil, Seite 280]
In dem Hauptrahmen der Locomotive
waren unter dem Langkessel drei imter
einander gekuppelte Achsen gelagert. Das
440
Karl Gölsdorf.
*) Nach dem genehmigten Cockeriirschen
Entwurf fertigten auch Maffei, Haswell und
Günther Pläne an» welche dem k. k. Handels-
ministerium vorgelegt wurden. Der Maffei-
sche Plan zeigte als Kuppelung der Räder
des Tendergestells mit jenen des Haupt-
rahmens Kette oder Zahnrad, während Gün-
ther eine Riemen -Kuppelung proponirte,
welche mit Leitrollen gespannt werden sollte.
♦*) Die Hauptabmessungen dieser Loco-
motiven waren: Cylinderdurchmesser474 /;n»,
Kolbenhub 6io mm, Treibraddurchmesser
1068 mniy Dampfdruck 7 4 Atmosphären, Rost-
fläche 1-40 m"*, Totale Heizfläche 150 ;//',
Dienstgewicht 56.100 kg, Adhäsionsgewicht
36.000 ~k;r.
m
auf zwei Räderpaaren ruhende Tender-
gestell umfasste die Feuerbüchse und
war universalgelenkig vor derselben mit
dem Hauptrahmen verbunden; ein Theil
des Kesselgewichtes wurde durch seitlich 1
an der Feuerbüchse angebrachte Consolen ;
auf das Tendergestell übertragen. Die j
Wasserkasten waren längs des cylindri- 1
sehen Kessels angeordnet; die Kohle war
auf dem Tendergestelle untergebracht. Um
der Bedingung, die Belastung sämmtlicher
Achsen als Adhäsionsgewicht nutzbar zu
machen, zu entsprechen, war an einer der
ersten Maschinen eine Zahnrad-Kuppe-
lung zwischen den Achsen des Haupt-
rahmens und des Tenders vorgesehen.*)
Die Lieferung der ersten 26 Stück
Engerth-Locomotiven wurde an Cockerill
und E. Kessler in Esslingen tibertragen,
welche gemeinsam unter Intervention
Engerth's die Detailpläne entwarfen. Nur
in, für den Fachmann beachtenswerthen
Details verschieden, waren diese Ma-
schinen in Bezug auf Kessel und Me-
chanismus unter einander gleich gebaut.**)
Die ersten Locomotiven dieser Type,
die »Kapellen« von Kessler und die
*Grünschacher« von Cockerill, wur-
den im November 1853 eingeliefert und
machten Ende desselben Monates mit
günstigem Erfolge ihre Probefahrten.
[Vgl. Bd. I, I. Theil, Abb. 266 und 267,
Seite 281 und 282.] Auch zur Beförderung
der Personenzüge auf dem Semmering
und für Güterzüge auf Flachlandbahnen
bestimmt, wurde diese Type bald
darauf, im Jahre 1854, mit Treibrädern
von 4' [1*264 ^^] Durchmesser und später
™t 47*' [1*343 ^] Durchmesser gebaut.
[Abb. 283 und 284.]
Mit innerhalb der Rahmen liegenden
Dampfcylindem, zwei gekuppelten Achsen,
Treibrädem von 1*580 bis 1*738 m Durch-
messer, und dreiachsigem Tendergestelle
ausgeführt, fand dieses Locomotiv-System
als Personenzug-Locomotive auf den
südöstlichen und südlichen Staatsbahnen
und auch im Auslande [Schweiz] grosse
Verbreitung. [Abb. 285 und Tafel V, Fig. i,
Seite 475.] Insbesondere behielt die Staats-
eisenbahn-Gesellschaft diese Type lange
Zeit hindurch bei; noch im Jahre 1873
wurde eine grössere Anzahl dieser
Maschinen für die genannte Bahn geliefert.
An den vielen Lieferungen der
Engerth-Locomotiven für Oesterreich be-
theiligten sich nicht allein die inländi-
schen Firmen Günther und die Maschinen-
Fabrik der Oesterreichisch-Ungarischen
Staatseisenbahn - Gesellschaft [Haswell],
sondern auch die ausländischen Fabriken
Cockerill, Kessler und Maffei.
Nach vielen misslungenen Versuchen
wurde die Absicht aufgegeben, die Ach-
sen des Hauptrahmens mit jenen des
Tendergestells durch Zahnräder zu
kuppeln. Die Adhäsion der drei gekuppel-
ten Achsen des Hauptrahmens war aber,
nachdem sie wegen Aufbrauch des Wasser-
vorrathes am Ende der Fahrt von 720
Centnem auf 660 Centner sank, allein nicht
mehr hinreichend, um unter ungünstigen
Witterungsverhältnissen die für die Beför-
derung von 2500 Centnem nöthige Zug-
kraft zu geben. Die für den Semmering ge-
bauten Engerth-Locomotiven entsprachen
überdies nicht den aufgestellten Bedin-
gungen über zulässigen Achsdruck; die
rückwärtige Tenderachse war derart
überlastet, dass sie mit 18 bis ig t auf
die Schienen drückte und bald schädliche
Einflüsse auf den Oberbau äusserte.
Kette und Zahnrad hatten sich als
Kuppelung der Räder zweier gelenkig
mit einander verbundener Gestelle nicht
bewährt. Die zahlreichen, noch vor Er-
bauung der Engerth-Locomotive von
Maffei, Kessler, Cockerill, Kirchweger,
Tourasse u. s. w. eingereichten Pläne,
in welchen die Lösung dieses Problemes
durch Blindwellen, Baldwin'sche Dreh-
gestelle, Motorgestelle, Mittelschiene mit
seitlich angepressten und durch Dampf
angetriebenen Rollen u. s. w. gedacht
Locomotivbau.
war, konnten, weil a priori deren prak-
tische Undurchführbarkeit constatirt wer-
den konnte, keine Berücksichtigung
finden.
Da griff Haswell im Jahre 1855 auf
die »Vindobona» zurück und modificirte
ihre Achsenanordnung derart, dass sämmt-
liche vier Achsen unter dem Langkessel,
vor der FeuerbUchse gelagert waren ;
um in scharfen Krümmungen die nUthige
Gelenkigkeit zu geben, erhielt die vor
dem Feuerkasten hegende Kuppelachse,
auf eine von Ghega im Jahre 1851 ge-
machte Anregung hin, eine seitliche
Verschiebbarkeit in den Lagern und
dasselbe Spiel in den Kuppelzapfen.
mit beiden Rädern gleichen Druck auf
die Schienen ausübte.
Diese Haswell'sche Balancierachse,
bei vielen Typen, welche aus der Ma-
schinenfabrik der Oesterreichisch-Unga-
rischen Staatseisen bahn -Gesellschaft her-
vorgingen, angewandt — zuletzt bei
dem Drehgestelle der für die Ungarischen
Staatsbahnen im Jahre 1874 gelieferten
Schnellzug-Locomotiven [vgl. Tafel X,
Fig. 4, Seite 480] — fand auch im Auslande
Nachahmung und wurde von der Schweiz
aus, wo sie bei vielen Tramway-Loco-
motiven eingeführt wurde, als >Brown-
scbe Achsel bekannt.
Die »Wien-Raab., für die sUdöstü-
Abb. aSs. Engirth-LocomoHTe .
Diese Griippirung der Räder ist
bis in die Gegen wart beibehalten
worden; nach diesem Vorbilde, |
dem ersten Achtkuppler des 1
Continentes, der Locomotive |
»Wien-Raab«, wurden die Ge- ;
birgs-Locomotiven fastsämmtli- j
eher Staaten Europas entworfen.
[Tafel V, Pig. 2, Seite 475.]') I
Die Locomotive »Wien -Raab* ist '
überdies noch durch die Construction '
der Achslager bemerkensw£rth. Die |
Lagergehäuse je einer Achse waren >
durch Traversen verbunden, die um 1
Zapfen derart schwingen konnten, dass
die Achse, einen Balancier darstellend,
*) Die Locomotive ■-Wien-Raiih", und die I
später zur Besprechung gelangende Loco- .
motive der Bahn für den Wiener-Neustädler 1
Akademie- Biiu [siehe Seite 442] waren die ,
ersten ilslerrcidii sehen Locomotiven, die zur '
Otfentlichen Ausstellung kamen, und zwnr auf
der Pariser Weltausstellung 18^;, wo die
»Wien Kaah. die uuldtne Medaille erhielt. '
CT lUdllchea SUatibahn. [lSj6.|
chen Staatsbahnen bestimmt, machte
auch viele Fahrten über den Semmering,
wobei ein sicherer, zwangloser Lauf in
den Krümmungen und trotz ihres gerin-
gen Gesammt gewichtes eine grosse
Leistungsfähigkeit constatirt wurde.
Die französische Nordbahn und fran-
zösische Ostbahn hatten in den Jahren
1855 bis 1857 eine grosse Anzahl von
Engerth-Locomotiven von Schneider in
Creusöt u. s. w. bezogen. Abweichend
von der Originalausfiihrung Engerth's
hatten diese Locomotiven, »Systeme
Engerth modifiä>, nach dem Vorbilde
der sWien-Raab« vier gekuppelte, vor
dem Feuerkasten liegende Achsen ; auf
dem Tender gesteile, dessen Achsen hinter
der Feuerbüchse gelagert waren, ruhte
nur ein sehr geringer Theil des Kessel-
gewichtes. Alle Vorräthe waren auf
dem Tender untergebracht, so dass an
diesen Maschinen, weil die seitlichen
Wasserkasten in Wegfall kamen, das
Karl G«Isdorf.
A ti h äs ions gewicht, auch nach Aufzeh- ,
rung der Vorräthe constant blieb. Der I
schädliche Einfluss der Tendergestelle |
auf den Oberbau veranlasste die Ost* I
bahn [1860] den Tender von der Ma-
schine unabhängig zu machen und den- I
selben in normaler Weise mit der ■
Locomotive zu kuppeln. Um eine Ueber-
lastung der rückwärtigen Locomotiv- ,
Achse zu vermeiden, wurde vor der !
Rauchkammer ein Gegengewicht aus ,
Gusseisen eingebaut. Mit dieser zweiten
Aenderung war die modificirte Engerih- j
Locomotive in ihrer Bauart identisch :
geworden mit der Locomotive »Wien- ;
Raab*. Als auch
die südlichen
Staatsbahnen
wieder in Privat-
besitz übergin-
gen, wurde von
der neuen Ver-
waltung diese von
Frankreich her-
übergekommene
Reconstruction
der Semmering-
Engerth-Locomo-
tiven sofort in An-
griff genommen. Abb. JS6, Per.onentug.I
Eine vierte Kup-
pelachse mit seitlicher Verschiebbarkeit
wurde eingeschaltet, und ein besonderer
zweiachsiger Tender in gewöhnlicher
Weise mit der Locomotive gekuppelt.
Ende 1864 waren alle 26 Maschinen dieser
Gattung umgebaut. Später mit neuen
Kesseln versehen, im Gestänge und an-
deren Details verstärkt und modernisirt,
stehen sie heute noch in Verwendung.
Die meisten der mit den grösseren
Rädern [4' Raddurchmesser] für die süd-
lichen Staatsbahnen gebauten Engerth-
Locomotiven wurden von der SUdbahn
bei Erneuerung der Kessel in gewöhnliche
Sechskuppler mit Schlepptender um-
gebaut; auch diese Maschinen sind noch
immer gut brauchbare Locomotiven.
Anfangs der Fünfziger-Jahre bestand
die Absicht, sänimtliche Militärbildungs-
Institute Oesterreichs in einer grossen
Gentral-Anstalt in Wiener-Neustadt zu
vereinigen. Die Steine zu diesem Baue
wurden aus den Brüchen von Fischau,
in der Nähe von Neustadt, bezogen. Auf
Anregung GUnther"s wurde eine Schmal-
spur-Bahn mit einer Spurweite von ,1'
[0948 m] nach Fischau gebaut, und der
Steintransport durch Locomotivkratl
bewerkstelligt. Zu diesem Zwecke lie-
ferte Günther in den Jahren 1854 und
1855 drei Locomotiven, die von de^i
seit Bestand der Fabrik dort thätigcn
Ingenieur Johann Zeh entworfen waren.
Abgesehen davon, dass sie die ersten
in Oesterreich gebauten Schmal-
spur-Locomotiven waren, sind diese Ma-
schinen besonders dadurch be merke ns-
werth, dass an ihnen zum ersten
Male einach-
sige Drehge-
stelle zur An-
wendung gelang-
ten. [Tafel V,
Fig. 3, Seite 475 !
Sie waren auf vier
Achsen gelagert:
die beiden mittle-
ren waren gekup-
pelt ; rückwärts
und vorne befand
sich ein Deichsel-
gestell.DieseAchs-
otoinöiive der ladiiciicii gruppirung, wel-
'■"^^■' che im Jahre 1857
bei einer grüsseren Anzahl von Personen-
zug-Locomotiven für die südliche Staats-
bahn angenommen wurde [Abb. 2*<6j, isl
mit geänderter Art der Einstellbarkeit
der Endachsen, in Frankreich nach einem
Viertel-Jahrhundert, später bei Schnellzug-
Locomotiven fast allgemein angewendet
worden. Auch in Oesterreich findet sieh
diese Achsstellung [type Orleans genannt]
in neuerer Zeit wieder, bei den nach Zeich-
nimgen der französischen Orleansbahn ge-
bauten S c hn el 1 zug- Loc om oti ven der Oester-
reichisch-UngarischenStaatseisenbahn-Ge-
sellschaft. [Vgl. Tafel XVI, Fig. 3, S. i^t]
Für die Lambach - Gmundner Bahn
construirte Zeh in den Jahren 1855 and
1856 zwei Typen i eine Personenzug-
Locomotive mit zwei gekuppelten Achsen
und vorderem zweiachsigem Drehgestelle
[Tafel V, Fig. 4, Seite 475],') und eine
Locomotivbau.
filnfachsige Güterzug- Locomotive, die bei
drei gekuppelten Achsen unter dem Lang-
kessel, an beiden Enden ein einachsiges
Dcichselgestelle aufwies ; die Wasser-
kasten waren längs des cylindrischen
Kessels angebracht. [Tafel VI, Fig. I,
Seite 476.] In Bezug auf Achsstellung,
Lage der Dampfcylinder und der Wasser-
kasten ist diese Locomotive vollkommen
gleich mit der 40 Jahre später gebauten
Tender- Locomotive für die Wiener Stadt-
hahn.
Diese einachsigen Deichselgestelle
von Zeh, später unter dem Namen
• Bissei ■ Gestelle« bekannt geworden,
ermöglichten das zwanglose und leichte
Personenzug- Locomotiven, an denen er
ein zweiachsiges vorderes Deichsel-
gestelle, nach dem Vorbilde der modifi-
cirten »Vindobona', anbrachte.
Bei allen bisherigen Ausfuhrungen
derartiger Gestelle wurde die Last des
Kessels durch einfache Gleitpfannen
auf dasselbe Übertragen. Um die der
leichten Einstellbarkeit entgegenwirkende
Reibung in den Pfannen wegzubringen,
war bei den genannten Personenzug-
Locomotiven [Tafel VI, Fig. 2, Seite 476]
die U eher tragung des Kessel gewichtes
auf das Drehgestelle durch ein Pendel
bewirkt. Nur in constructiven Einzel-
heiten verschieden, Ist diese Einrich-
Befahren sehr scharfer Krümmungen.
Bei Locomotiven mit sehr kurzem, festem
Kadstande und grossem Ueberhange an-
gebracht, verursachten sie aber, weil
überdies eine geeignete Rucks teil -Vor-
richtung fehlte, schon bei massiger Ge-
schwindigkeit einen derart unruhigen
Lauf, dass sie bald ebenso als verfehlt
angesehen wurden, wie das falsch beur-
theilte zweiachsige amerikanische Dreh-
gestelle mit centralem Mittelzapfen.
In fast noch grHsserem Masse äusserte
sich der genannte Uebelstand bei den
von Haswell im Jahre 1857 für die süd-
lichen Staatsbahnen gebauten vierachsigen
gekauft, befindet sich, nach Entfernung aller
im Laufe der Jahre erfolgten Zuthaten Jn
den ursprünglichen Zustand versetzt, als
Geschenk der genannten Fabrik im histori-
schen Museum der k. k. Staatsbahnen.
tung von Haswell identisch mit dem
1877 bei den Locomotiven der Kronprinz
Rudolf-Bahn zur ersten Ausfuhrung ge-
langten Kamper' sehen Deichselgestelle
mit Pendelaufhängung.
Mehr Beachtung als alle anderen
Bahnen Oesterreichs schenkte die Nord-
bahn schon frühzeitig der Entwicklung
des Schnellzug - Verkehrs. Die
äusserst günstigen Neigungs- und Rich-
tungsverhältnisse der Trace, erlaubten
auch grössere Geschwindigkeiten,
Als die alten Sharp'schen Schnell-
zug-Locomotiven nicht mehr ausreichten,
wurde zwischen 1846 und 1851 eine
grössere Anzahl von Personenzug- Loco-
motiven, ähnlich denen von Haswell für
die südöstlichen Staatsbahnen geliefer-
ten, bezogen. Zur Erzielung eines ruhi-
J
Karl GOtsdorf.
Abb. 1S% Scbue11tue-LD<;[>mo1J
geren Laufes, wurde diese Tvpe 1853 I
mit innerhalb der Rahmen liegenden |
Da mpfcy lindern von Haswell ausgeführt, j
Locomotiven derselben Bauart lieferte ^
auch Cockerill im Jahre 1853 für die
Nordbahn. [Abb. 2S7.] !
Der kurze Radstand und die grossen i
überhängenden Massen der Feuerbüchse ]
und der Cylinder paraiysirten voll- ,
ständig die Vortheile der innenliegen- ■
den Da mpfcy linder. Die von der Nord-
bahn im Jahre 1856 bei Maffei in Miin- j
chen bestellten Schnellzug-Locomotiven |
[Abb. 288] erhielten daher einen längeren
Radstand, und vier gekuppelte Treibräder
von i'Sgö m Durchmesser; die Kuppel-
achse war hinter dem Feuerkasten ge-
lagert. Die Lage der Dampfcylinder
innerhalb der Rahmen wurde beibehalten.
Diese, selbst nach heutigen Anschauungen,
vollkommene Schnellzug- Type, die den
grössten, damals in Oesterreich vorhan-
denen Raddurchmesser besass, wurde
auch von Haswell 1857 für die Nord-
bahn gebaut, jedoch mit innerhalb der
Räder liegenden Rahmen an Stelle der
von Maffei angeordneten Aussenrahmen.
[Abb. 289.] Aehnliche Eilzug- Locomotiven
mit Rädern von 1738 m Durchmesser,
wurden von der genannten Fabrik auch
für die südlichen und südöstlichen Staats-
hahnen geliefert. [Vgl. Bd. I, 1. Theil,
Seite 382, Abb. 322.]
Von grils.serem Interesse, als die letzt-
genannten Tvpen, war aber eine Locomo-
tive, welche von Haswell im Jahre 1S57 für
die Theissbahn gebaut wurde, denn sie
repräsentirle eine Bauart, die unter der
■dbfthn. [1^.]
Bezeichnung »gekuppelte Crampton-Lo-
comotivc' in den Siebziger-Jahren in
Frankreich und später auch in Deutsch-
land vielfach ausgeführt wurde. •) [Vgl.
Bd. I, I. Theil, Seite 443, Abb. 357.] Die
geringe Belastung der gekuppelten Räder,
besonders des hinter dem Feuerkasten
gelagerten Räderpaares, waren Ursache,
dass alle diese, an sich vorzüglichen
Typen auf Bahnen mit grösseren Stei-
gungen nicht mit Erfolg verwendet
werden konnten. Ueberdies wurde der
lange feste Radstand vielfach als be-
denklich für das Befahren der Krüm-
mungen angesehen. Der Bau specieller
Schnellzug-Locomotiven wurde dadurch
wieder auf Jahre hinausgerückt, und
theilweise auch mit Begründung, weil
im Allgemeinen noch kein Bedürfnis
nach höheren Geschwindigkeiten als 50
bis 60 km vorlag.
Locomotiven mit ausserhalb der
Räder liegenden Rahmen und auf den
Achsen aussen aufgesteckten Kurbeln
waren schon seit der ältesten Periode des
Locomotivbaues bekannt, hatten aber in
Oesterreich bis in die Mitte der Fünf-
ziger-Jahre keine Anwendung gefunden,
mit Ausnahme der von Maffei gelieferten
Nordbahn -Schnellzug- Locomotiven und
der Semmering-Concurrcnz- Locomotiven
»Seraing«, »Bavaria' und »Wiener-Neu-
stadt..
*) Die Original-Cnimpton-Locomotiven
hatten ein grosses Treibräderpaar hinter dem
Feiicrkasteii, zwei Laufräderpaare unter dem
Laiiijkessel und aussen liegende, weit nach
rückwärts gL'sdiobene Dampfcylinder.
Locomotivbau.
Josef Hall, der Director der MafTei-
schen L o com otiv- Fabrik in Mllnchen, war
ein Hauptverfecbter der Aussenr ahmen,
welche eine Hefe Lagerung des Kessels
und breite Federbasis erlaubten : Be-
dingungen, die man für den ruhigen Gang
für unbedingt nöthig hielt. Abgesehen
von diesen nur eingebildeten Vortheilen,
boten die Aussenrahmen bei Anordnung
aller Achsen unter dem Langkessel
den unbestreitbaren Vorzug einer Ver-
minderung des beiderseitigen Ueber-
banges, weil man sowohl mit der Feuer-
bijchse als auch mit den Cylindem näher
an die Endachsen rücken konnte. Um
hei Aussenrahmen und aussen liegender
Steuerung die
sonst nöthige
Gegenkurbel
an der Treib-
kurbel zu ver-
meiden, con-
struirte Hall
1853 bei den
Locomotiven
der bayeri-
schen Staals-
bahnen eine
Kurbel, an
welcher Kur-
belblatt und
Excenter-
. .. . Abb. TSa. Schnelliue-Locon
Scheiben ein
Stück bildeten.*) Die ersten Locomo- j
tiven in Oesterreich mit diesen soge-
nannten Ex centerkurbeln waren Per-
sonenzug-Locomo tiven, die Maffei 1857 1
für die Pardubitz- Reichenberg er Bahn '
lieferte. Sie hatten zwei gekuppelte '
Achsen und vome ein zweiachsiges j
amerikanisches Drehgestelle. [Tafel VI,
Fig. 3, Seile 476.] Die Excenterkurbel |
wurde seit dieser Zeit typisch für '
Oesterreich; fast alle Schnellzug- Loco- 1
motiven, welche nach dem Jahre 1S73
hier gebaut wurden, sind mit diesen i
Kurbeln ausgeführt.
Ein Hauptnachtheil der bisherigen
Kurbeln war die durch sie bedingte weite
Entfernung der Cy lindermitten. Hai! ver-
•) Aehnliche Kurbeln, jedoch nur
einer Excenterscheibe zum .-antriebe
Pumpe, hatte die Locumotive »Seraing«
minderte diese Entfernung wesentlich da-
durch, dass er im Jahre 1858 den Hals
der Kurbeln als Lager ausbildete. In
demselben Jahre übernahm Hall die
technische Leitung der Locomotiv-Fabrik
von Günther; die ersten nach seinen
Plänen [für die südliche Staatsbahn] ge-
bauten Güterzug- Locomotiven waren mit
diesen Kurbeln versehen. [Abb. 290.]
Die leichte Zugänglichkeit aller Be-
standtheile, die universelle Verwend-
barkeit dieser Locomotiven mit kurzem
Kadstande und der [bei den damaligen
Geschwindigkeiten) ruhige und sanfte
Lauf dieser Maschinen waren so in die
I Augen springende Vorzüge, dass fast
alle Bahnen
Oesteneichs
das Hall'sche
System ac-
ceptirten.
Die in
den Sechzi-
ger-Jahren
mit wech-
selnden Stei-
gungen, Ge-
fällen und
horizontalen
Strecken und
vielen schar-
fen Krüm-
' ' mungen an-
I gelegten Bahnen forderten einfache,
überall gleich gut verwendbare Ma-
schinen. Der kurze Radstand, der Uber-
I hängende Feuerkasten und, als Reme-
1 dur, der Aussenrahmen und die Hall'-
' sehen Kurbeln werden in Oesterreich
j heimisch. Ein Jahrzehnt des Stillstan-
des in der Typenentwicklung beginnt;
I wohl hatte man während dieser Zeit
' weitere Verbesserungen einzelner Be-
I standtheile und im Fabrica tionsprocesse
durchgeführt; doch das Festhalten an
i den genannten Principien brachte es mit
sich, dass Oesterreich in diesem Jahrzehnt
vom Auslande auf dem Gebiete des
Locomotivbaues überholt wurde.
Wenn zu Beginn der Vierziger-Jahre
I der Zug aus dem Bahnhofe der alten
Wien-Gloggnitzer Bahn herausfuhr, da
i bückten sich Führer und Heizer hinter
Karl Gölsdorf,
die kuppe laitig Überhöhte FeuerbOchse
der alten Haswell'schen Maschinen, um
einigen Schutz zu tinden gegen das aus
dem Rauchfange zu Beginn der Fahrt
ausgeworfene, mit Russ vermengte Wasser.
Und diese Kuppel war auch der einzige
Schutz gegen den heulenden Schneesturm,
gegen Regen und Kälte. Als die Kuppeln
nicht mehr gebaut wurden, waren Führer
und Heizer selbst dieser primitiven Deckung
beraubt. Lange Jahre bedurfte es, bis auch
bei uns die Erkenntnis Wurzel fasste, dass
der Mann, in dessen Händen das Wohl
und Wehe von Hunderten von Menschen
liegt, vor Wetterun bill geschützt sein
müsse. Doch nicht auf einmal wurde
das gethan, was geschehen konnte. Irrige
Anschauungen über Beschränkung des
freien Ausblickes und die Annahme, eine
allzugrosse Bequemlichkeit könnte die
Aufmerksamkeit des Führers vermindern,
Hessen das heutige, mit Fenstern, Ventila-
toren, SeitenthUren und Hängesitzen aus-
gestattete Ftlhrtrbaus auf der Locomotive
nur stückweise entstehen.
Die vorerwähnten HaH'schen Güter-
zug - Locomotiven waren die ersten
in O esterreich gebauten Locomotiven,
welche eine verticale, mit runden
Fenstern versehene Schutz wand auf
der Feuerbüchse aufwiesen. Die im
folgenden Jahre für die Kaiser Franz
Josef-Orientbahn gebauten Locomotiven
boten schon mehr Schutz, indem die ver-
ticale Blechwand nach rückwärts ab-
gebogen war, so dass sie ein kurzes
Dach bildete.
Im zweiten Bezirke Wiens befand
sieh in der heutigen Circusgasse eine
j Maschinenfabrik, welche sich mit der
1 Herstellung von Stabilmaschinen und
Mühleneinrichtungen befasste. Diese
Fabrik von Specker wurde bei den Un-
ruhen des Jahres 1848 ein Raub der
Flammen. Jahre hindurch standen die
ausgebrannten Mauern und zerstörten
Maschinen unbenutzt. Da kaufte im Jahre
1851 Georg Sigl die noch brauchbaren
maschinellen Einrichtimgen, Transmis-
sionen, Modelle und Geräthe an, und
richtete mit diesen Resten in der Wäh-
ringerstrasse, dort, wo in den Vierziger-
Jahren Norris Locomotiven gebaut hatte,
eine Fabrik ein zur Herstellung von Buch-
druckerpressen. Das Unternehmen gedieh :
von Jahr zu Jahr musste Sigl die Anlage
erweitern. •)
Der Bedarf an Locomotiven u'ar in
Oesterreich so gross geworden, dass die
beiden bestehenden Fabriken denselben
nicht mehr decken konnten ; Sigl fasste
daher den Entschluss, Locomotiven zu
bauen. Im Jahre 1857 lieferte er seine
erste Locomotive ab, welche in Anbetracht
des Umstandes, dass Buchdruckerpressen
den Grund zu seinem Vermögen gelcf^t
hatten, den Namen "Gutenberg* erhielt.
Sie war lUr die südliche Staatsbahn be-
•1 Georg Siel war im Jahre 18 II in
Breitenfurth [Nieae rüsterreich] geboren. Er
lernte das Schlosserhandwerk und kam nach
seiner Wanderschaft durch Deutschland und
Oesterreich nach BerHn, wo er 18^4 eine
kleine Fabrik für den Bau von Buchdrucker-
pressen errichtete.
Als er seine Wiener Fabrik gründete,
behielt er dennoch seine Berliner Fabrik bei.
Im Jahre iH6i pachtete er die im Jahre vor-
her in den Besitz der österreichischen Credit-
Anstalt übergegangene Günther'sche Loco-
motiv-Fabrik in Wiener-Neustadt; im Jahre
1*467 ging diese Fabrik in sein Eigenthum über.
Zahlreich sind die Unternehmungen, an denen
er sich weiterhin betheilig^e, ebenso zahlreich
die Objecte, welche er in den Bereich der
Fabrication einbezog; Oelpressen, Schiffs-
maschinen, Wasserhaltungs-Maschinea, Arse-
nal - Einrichtungen, Trägerconstructionen
(unter Anderem auch der Dachstuhl für die
Votivkirche in Wien] u. s. w.
ImJahrei875wurde die Wiener-Neustädter
Loeomotiv-Fabrik in eine Actien-Gesellschaft
umgewandelt, denn infolge der Wirkungen
des Jahres 1873 musste Siel alle seine Unter-
chmungen, bis auf die Wiener Fabrik,
welcher nur mehr der allgemeine Maschinen-
bau fliege fand, abgeben. Sigl starb im
Jalire 18H7.
Locomotivfaau.
stimmt, und zwar fUr die Beförderung
von gemischten und von Güterzügen ;
weder in Einzelheiten noch in ihrer Bau-
art bot sie irgend Bemerkens werthes.
[Abb. 291.] Gleich Günther, beziehungs-
weise Hall, welcher später bei Sigl in
Wien auf die technische Leitung einige
Jahre hindurch grossen Einfluss nahm,
pflegte Sigl den Bau der Aussenrahmen-
Locomotive mit Hall'schen Kurbeln.
Entsprechend der raschen Entwick-
lung des Locomotivbaues, repräsentirte
der Locomotivpark jeder Bahn eine
Musterkarte der verschiedensten Typen ;
selbst in Einzelheiten war, nachdem der
Entwurf und die Detaillirung der Loco-
motiven von den
Fabriken und
nicht von den
Bahnen ausging,
keine Einheit vor-
handen. Als mit
dem Hall'schen
Locomotiv- Sy-
steme, die den
damaligen Ver-
hältnissen ent-
sprechende Bau-
art gefunden war,
gingen fast alle j^^^ ^, j.„,^ i^^^^
in dieser Periode
entstandenen Bahnen, um einen einheit-
lichen Locomotivstand zu erhalten, von
dem Grundsatze aus, dass Personenzug-
und Güterzug- Locomotiven nur in Bezug
auf Raddurchmesser und Cy linde rdurch-
messer verschieden sein sollten, in Bezug
auf Kessel und Zugehör, Achslager,
Federn u. s. w, aber vollkommen gleich
zu halten wären. Dieses Princip wurde
durchgeführt bei den Locomotiven, welche
von Günther, Sigl in Wien und später
Haswell in den Jahren 1859 bis 1866
für die Galizische Carl Ludwig-Bahn,
Böhmische Westbahn, Pesl-Losonczer
Bahn u. s. w., femer von Günther für
die Kaiser Franz Josef-Orientbahn [1859]
geliefert wurden. [Vgl. Abb. 292 bis 295.]
Auch die Personenzug- und Güterzug-
Locomotiven, welche in Wiener - Neu-
stadt von F. Fehringer, dem der-
zeitigen Director dieser Fabrik, für die
Ungarischen Staatsbahnen entworfen wur-
den, waren nach diesem Grundsatze ge-
baut. [Vgl. Tafel VI, Fig. 4 und Tafel
VII, Fig. I, Seite 476 und 477.] Diese
beiden Typen wurden noch Ende der
Siebziger-Jahre an vielen anderen Bah-
nen [Albrecht - Bahn, Pilsen - Priesener
Bahn u. s, w.] mit geringfügigen Aen-
derungen in der Armatur u. s. w. an-
geschafft.
Die Locomotiven der erstgenannten
Bahnen bildeten auch das Vorbild, nach
welchen später die Personenzug- und
Güterzug- Locomotiven der Kaiserin Eli-
sabeth-Bahn [vgl. Tafel VII, Fig. 2,
Seite 477], Kronprinz Rudolf-Bahn und
Kaiser Franz Josef- Bahn ausgeführt
wurden.
Eine der we-
nigen Bahnen,
welche nicht
gleich den Aus-
senrahmen an-
nahmen, war die
Kaiserin Eli.sa-
beth-Bahn. Zeh,
der 1858 in den
Dienst dieses Un-
ternehmens trat,
behielt, als er die
ersten Locomo-
tiven für das-
selbe construirte,
den Innenrahmen bei. Erst die späteren
Jahrzehnte zeigten, dass Zeh den rich-
tigen Weg eingeschlagen hatte ; denn
die häufigen Anbrüche der Achsen im
Halse der Hall'schen Kurbeln sind diesem
Systeme anhaftende Eigenthümlichkei-
ten. Keine neuen Züge in der Con-
ception selbst bietend, sind die alten
Westbahn - Locomotiven von Zeh [vgl.
Tafel VII, Fig. 3 und 4, Seite 477]
durch gediegene Detailconstructionen be-
merkenswerth. Viele dieser aus den
Jahren 1858 imd 1859 stammenden [Inder
Maschinenfabrik der O est erreich isch- Un-
garischen Staatseisenbahn - Gesellschaft
und bei Günther gebauten] Maschinen
sind noch in Verwendung.
Eine bemerke nswerthe Locomotive
mit Hall'schen Kurbeln wurde im Jahre
1860 nach Plänen der Südbahn in der
Maschinenfabrik der Staatseisenbahn-
Gesellschaft gebaut. Diese Güterzug-
Locomotive [Abb. 297], welche in die
von G. Sitgl. [1857.]
448
Karl Göladorf.
Hall'sche Treibkurbel eine Gegenkurbel
fUr die Aussensteuerung eingepresst hatte,
wurde für diese Bahn in mehr als zwei-
hundert Exemplaren [und zwar bis zum
Jahre 1873] ausgeführt. Auch für die
Mohäcs-Fünfkirchner Bahn und die Mäh-
rische Grenzbahn wurden derartige Loco-
mottven gebaut; selbst der Nordbahn
diente diese Type als Vorbild für ihre
ersten mit Stahlkesseln versehenen Güter-
zug-Locomotiven, [Tafel VIII, Fig, i,
Seite 278.] Unter den, in diesem Zeiträume
vom Auslande bezogenen Locomotiven
verdienen die von Kessler für die südliche
Staatsbahn und die Sudbahn gelieferten
Güterzug- und Personenzug -Locomotiven
wegen der ge-
radezu künstle-
risch durchge-
führten Formen
Erwähnung.
(Vgl. Abb. 296
und 398.] In
der Gesammt-
anordnung ist
die letztere der
genannten Ma-
schinen iden-
tisch mit den
von Maffei für
die Pardubitz- ^,, ^ G«„„ag.Loco«o..v,
Reichen berger
Bahn gebauten Personenzug-Locomoti-
ven. [Vgl, Tafel VI, Fig. 3, Seite 47;6.]
In Bezug auf die Detailconstruction
wurde sie massgebend für die späteren
Personenzug- Locomotiven der Südbahn
und Oesterreichi sehen Nordweatbahn.
Nicht in den Rahmen der damals
Üblichen Constructionsweise passend, I
war eine Locomotive, die von Günther |
im Jahre 1858 zum Baue der Kaiser |
Franz Josef-Orientbalm gehefert wurde. ]
[Vgl. Tafel VIII, Fig. 2, Seite 478.] 1
nie Maschine ist dadurch bemerkens- 1
werth, dass sie die erste ftir Oester- ,
reich gebaute zweiachsige Tender-Lo-
comotive war. Sie hatte Aussenralimen,
Kxcenterkurbeln, und zwischen die Rah-
men eingebaute Was.serk asten. |
Der Director der Maschinenfabrik 1
der Ocstcrreichisch-Ungarischen Staats- 1
cisenbahii - Ges;;llschaft, Haswell, war '
auch einer der weiiitren Coiistructeure, ;
welche den Aussenrahmen nicht sofort
einführten.
Erst die guten Ergebnisse bei ande-
ren Bahnen veranlassten ihn, denselben
bei einer Lieferung von Schnellzug-
Locomotiven im Jahre 1861 anzuwenden.
Wie nahezu alle Schöpfungen dieses
Mannes, zeigten auch diese Maschinen
wesentliche Unterschiede gegenüber den
bereits bestehenden Typen.
Diese für die Staatseisenbahn -Gesell-
schaft bestimmten Locomotiven waren
auf drei unter dem Langkessel beünd-
lichen Achsen gelagert; es war nur
eine Treibachse mit HaU'schen Kurbeln
vorhanden, welche sich vor der Feuer-
büchse befand.
Diese Ma-
schine wies die
grössten bis da-
hin in Oester-
reich ausgeführ-
ten Treibräder
auf : Durch-
messer 6' 6"
[2055 »«]. Die
Feuerbüchse
hatte einen sehr
grossen Ueber-
hang, wegen
der auf der
Treibachse in-
nerhalb der Rahmen aufgekeilten Excen-
terscheiben. In allen Einzelheiten mit den
anderen Locomotiven dieser Lieferung
vollkommen gleich, war die letzte, die
»Duplex!*), dadurch verschieden, dass
an ihr vier Dampfcylinder angebracht
waren, die auf unter 180" versetzte Kur-
beln wirkten. [Vgl. Tafel VIII, Fig. 3, Seite
478.] Diese Anordnung bezweckte einen
vollständigen Ausgleich der hin- und
hergehenden und der im Kreise beweg-
ten Massen, ohne Anwendung von Ge-
gengewichten an den Treibrädem.
Noch vor Erprobung dieser Maschine
auf der Strecke wurden Messungen an-
gestellt über die Grösse der Horizontal-
und Vertii;al-Schwankungen, welche die
hin- und hergehenden Massen, beziehungs-
weise die Gegengewichte der Räder
.bn. IlSwJ
Locomotivbau.
hervorrufen. Die >Duplex> wurde beim
vorderen Räderpaare unterkeilt, und
durch einen Krahn mit Ketten rückwärts
gehoben, so dass die Treibräder die
Schienen nicht berührten. Die so stationär
gemachte Locomotive wurde mit rund
400 Radum-
drehungen pro
Mi nute in Gang
gesetzt; diese,
einer Ge-
schwindigkeit
von nahezu
160 km pro
Stunde ent-
sprechende
Zahl der Um-
drehungen,
Itess nur ge-
ringfügige
Schwankun-
, Abb. 39 J. PenoaeniuK-Locomol
gen erkennen,
während die in derselben Weise auf-
gehängte Locomotive »Rokitzan«
[mit gewöhnlicher Anordnung der Cy-
hnder und Gegengewichten in den
Rädern] schon bei einer Tourenzahl
von circa 70 km Fahrgeschwindigkeit
so bedenkliche Schwankungen zeigte,
dass die Versuche mit Rücksicht auf
die Widerstands-
fähigkeit der Kette
abgebrochen wer-
den mussten. Diese
Ergebnisse fanden
bei den Fahrten auf
günstigen geradh-
nigen Strecken in-
sofeme Bestäti-
gung, als die »Du-
plex« beiGeschwin-
digkeiten über 90 AtH Abb. JM. PcrioneoiUB Lococ
pro Stunde einen Ortent-Bs
merkbar ruhigeren Lauf ergab, als die
anderen Locomotiven derselben allge-
meinen Bauart.
Für schwere Züge zu schwach, und
wegen des grossen Ueberhanges an
beiden Enden doch nicht jene ruhige
Gangart besitzend, welche Locomotiven
mit langem Radstande eigenthümhch
ist, fand diese Type in Bezug auf die
Stellung der Achsen keine Nachahmung.
Die Anordnung von vier Dampfcylindern,
Gcuhlchte der ElKnbabneD. n.
welche auf eine Achse mit unter 180"
verstellten Kurbeln wirken, ist aber
später wieder im Aus lande als neue
Disposition aufgetaucht. Die im Jahre
1882 in Amerika als »System Shaw»
construirte Schnellzug- Locomotive war
in Bezug auf
Cylinder- und
Kurbel an Ord-
nung vollkom-
men identisch
mit der »Du-
plex<;fernerist
bei den in
Frankreich im
Jahre 1888 con-
struirte n Com-
pound-Loco-
motiven mit
vier Dampf-
,c d« car, L„4wiK.Bah.. [.««,,| Zylindern -
System >Du
Bousquet-De Glehn- — das Princip
des Massenausgleiches [auf unter 180*'
versetzten Kurbeln beruhend] dasselbe,
welches schon der HasweH'schen Ma-
schine aus dem Jahre 1861 zugrunde lag.
Noch einmal wurde der Versuch
gemacht, das Kuppelungs- Problem der En-
gerth'schen Lastzug- Locomotive zu lösen.
Die Bahn von
Reschitza nach
Orawicza forderte
Locomotiven, deren
Zugkraft einem Ad-
häsionsgewicht von
mindestens 42 t ent-
sprach. Mit Schie-
nen von nur 9'/) t
zulässigem Achs-
druck, in Steigun-
rtiv« d« Kai»« Fiaui joief- gen von 25'','o(, und
' ''^■' Krümmungen von
114 m Radius angelegt, stellte diese
Trace ähnliche Anforderungen wie der
Semmering.") Um die Tragkraft der
Schienen nicht zu überschreiten, musste
eine Maschine mit fünf gekuppelten
Achsen ausgeführt werden. Pius Fink,
der begabte Ingenieur derOesterreichJsch-
UngarischenStaatseisenbahn-Gesellschaft,
dessen Name durch die nach ihm be-
•) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach.
Eisenbahnen mit Zinseng:irantie, Seit« 38.].
Karl Golsdorf.
nannte Coulissensteuerung mit nur einem
Excenter und durch seine saugenden In-
jectoren bekannt ist [siehe Seite 451],
fand eine Kuppelung zwischen den Rädem
des Hauptgestelles und denen des Ttn-
ders, welche, sich im Principe an die
Constniction Kirch weger 's aus dem
Jahre 1852 anlehnend, das Problem in
theoretisch richtiger Weise durch eine Über
dem Rahmen gelagerte Blindwelle löste.
[Tafel Vni, Fig. 4, Seite 478, vgl. auch
Locomotive >Steyerdorf> Bd. I, i. Theil,
Abb. 328, Seite 390.]
Von dieser Blindwelle, deren Antrieb
durch schräg nach aufwärts gerichtete
Kuppel Stangen vom Hauptmechanismus
erfolgte, wurde die
Bewegung durch
senkrechte Kuppel -
Stangen auf das
mit Hairschen Kur-
beln verseheneTen-
dergestelle über-
tragen. Vier Lo-
comotiven dieser
Bauart wurden in
der Maschinen-
fabrik der Oester-
reichisch-Ungari-
Ahb. »5- GUieriiig-Loi;omuil'
sehen Staatseisen-
bahn-Gesellschaft in den Jahren 1861 bis 1
1867 ausgeführt; die erste derselben, die ;
»Steyerdorf',figurirte wie die »Duplex« auf ;
der Londoner Weltausstellung im Jahre 1
1862. Auch auf der Bergbahn im Banat ,
zeigte es sich, wie auf dem Semmering und 1
später auf vielen anderen Bahnen, dass j
der damals und auch noch heute vertretene 1
Grundsatz, die Vorräthe auf der Maschine 1
selbst zur Vergrösserung des Adhäsions-
gewichtes unterzubringen, eine jeder Be-
gründung entbehrende Phrase ist, wenn es
sich um den Betrieb langer Bergstrecken
bei weit getriebener Ausnützung der Zug-
kraft handelt; die genannten Maschinen
wurden nachträglich mit einem zur Auf-
nahme von Wasser bestimmten Beiwagen
versehen. Im Jahre iHöy in Paris neuer-
dings ausgestellt, fand diese Type .Fink-
Engerth» keine weitere Nachahmung.
Es verdient hervorgehoben zu wer-
den, dass die Nordbahn in dieser Pe-
riode, in welcher fast allgemein der
überhängende Feuerkasten für alle Lo-
comotiv-Gattungen angenommen wurde.
bei der Construction einer neuen Schnell-
zug - Locomotive diesen falschen Weg
nicht einschlug, sondern thunlichst den
beiderseitigen Ueb erhäng vermindeni;.
Die im Jahre 1862 bei Sigl in Wien
gebaute Schnellzug- Locomotive [Abb.
399] war mit Aussen rahmen und
Hali'schen Kurbeln versehen, hatte aber
hinter der FeuerbUchse ein Laufrad an-
geordnet. Diese in Bezug auf Gangan
und Leistung ausgezeichnete Type wurde
bis in die Siebziger-Jahre beibehalten
und, im Principe gleich, auch von Strous-
berg sowie später von der Floridsdorfer
Loc emotiv- Fabrik im Jahre 1874 gebaut.
[Abb. 300.] Ende
der Siebziger-Jahre
wurde, als die Ad-
häsion eines Treib-
räderpaares nicht
mehr hinreichte,
das Laufräderpaar
durch eine mit den
Treib rädem gekup-
pelte Achse er-
setzt.
Im Jahre 1S61
ler Frtnijoief. hatte Sigl die
" ' " ' Günther'sche Lo-
comotiv-Fabrik in Wien er- Neustadt in
Pacht genommen und mit der Leitung
derselben seinen ehemaligen Construcieur
aus der Wiener Fabrik, Kari Schau,
betraut. Die Erweiterung der Anlage in
Wien und Wiener-Neustadt, femer die
neuen Einrichtungen, die auf Anregung
von Haswell*) in der Maschinenfabrik der
•| Schon in den Fünfziger- Jahren hatte
Haswell in der Fabrik einige Dampfhämmer
nach seinem Sj-steme aurgestellt, bei welchen
im Gegensatze zu den sonst üblichen Aus-
führungen der Kolben fest stand, während
der Cylinder, als Fallbär dienend, durch den
Dampf gehuben wurde. Im Jahre 1862 erbaute
er eine grosse Dampf-Schmiedepresse, welche
einen Druck von 750.OOO kg auszuüben er-
laubte. Die Herstellung der Räder, Achs-
!aj;er[;ehaiise, Kreuzköpfe u. S. w. wurde
durch diese Maschine wesentUch vereinfaeht.
UeherdifS konnten Gegenstände, deren Form
t'rilher die Ausführung aus Gusseisen be-
dingte, jetzt unter der Presse, In Gesenken,
aus SLliiuiedeuisen hergestellt werden.
liiiie der interessantesten, nicht in Jen
Ralmicn des Locomotivbaues gehörenden
Arhtiten, welche Haswell in diesem Zeit-
Locomotivbau.
Oesterreichisch-Ungarischen Staatseisen-
ba ha- Gesellschaft ausgeführt wurden,
setzten Oesterreich in den Stand, unab-
hängig vom Auslande, seinen Bedarf an
Locomotiven selbst zu decken, und als
mächtiger Concur-
rent auf dem Welt-
markte aufzutre-
ten. Nachdem be-
reits Günther im
Jahre 1855 eine
Anzahl kleiner Lo-
comotiven für eine
oberschlesische
Kohlen bahn gelie-
fert hatte, wurde
im Jahre i86o die
erste grosse Be-
stellung vom Aus-
lande bei der Ma- "» «• ■■—••■"«•■•"
schinenfabrik der Oesterreichisch-Unga-
rischen Staatseisenbahn- Gesell Schaft ge-
macht. Sie umfasste 85 StUck Lastzug-
Locomotiven, welche fUr die «grosse
russische Eisenbahn* bestimmt waren,
und beschäftigte die Fabrik bis zum Jahre
1863. Spärlich mit Aufträgen für die
eigene Bahn versehen, konnte sie auch
im nächsten Jahre eine grössere Lieferung
für die spanische Nordbahn übernehmen.
In geradezu grossartiger Weise be-
trieb Ende der Sechziger-Jahre Sigl in
Wien und Wiener-Neustadt den Bau von
Locomotiven für Russland und auch
für Deutschland. Die Maschinen waren
fUr die Warschau-Wiener-Bahn und für
die Bahnen Mos-
kau-Kursk,Rja9hsk-
Morschansk,
Odessa- Baltea,Wo-
ronesch - Koslow,
Weichsel bahn,
Mecklenburgische
Friedrich Franz-
Bahn und andere
bestimmt. Sie wur-
den nach in den
genannten Fabri-
ken entworfenen
Plänen mit Hall-
sehen Kurbeln aus-
geführt. [Vgl. Abb. 301 und 302.]
In dieses Jahrzehnt fällt auch die Ein-
führung der Dampfs trahlpurapen —
Injectoren') — an Stelle der bis dahin zur
Speisung der Kessel ausschliesshch ver-
wendeten Pumpen, welche im Allgemeinen
nur während des Ganges der Locomotive
in Thätigkeit gesetzt werden konnten. Die
Kolben dieser Pumpen wurden vom Kreuz-
kopfe aus oder durch eines der Steuerungs-
excenter [vgl. Tafel III, Fig. I und 2,
At)t). ]«7. CUtcI:
>.[•»
räume ausführte, war die Erneuerure des
Thurmhelmes am Sl. Stefansdome in Wien.
Die Helmstange, aus zwei Theilen von je
10 m Lange bestehend, und die schweren
Eisen seh li essen und Barren, welche die
gothische Kreuzblume halten, wurden unter
der genannten Presse aus geschmiedet.
Der Fall, dasseineLocomotiv-Fabrikanden
VoIlcndungsarbeitenvonKirchthünnensichbe-
theili^, ist tibrigens nicht vereinzelt. Im Jahre
1851 wurde von dergenannlen Fabrik das Win-
keleisen-Gerippe und das Kreuz fürdie Thurm-
Abb. ]{i8. GUtcriDE-LocomotliB der aDdllcbcn
Sia.ubahn. (185».]
spitze derAugustinerkirghe inWien ausgeführt
und in derLocomotiv-Fabrik Wiener-Neustadt
wurden im Jahre 1896 die Wetterhähne und die
Kreuze — letztere wahre Meisterwerke der
Handschmiedekunst — für die neuerbauten
ThUrme der dortigen Pfarrkirche hergestellt.
*) Injectoren sind Apparate, bei denen
die durch Cundensation eines Dampfstrahles
fte lebendige Kraft einem Wasserstrahle
erartige Geschwindigkeit verleiht, dass
I dieser, den Kcsseldi
I den Kessel eintritt.
ick überwindend,
Karl Gölsdorf.
Seite473]bethätigt. Um während desStill- '
Standes der unter Dampf beßndlichen Ma- i
schine speisen zu können, waren auch Pum- ■
pen in Gebrauch, die durch eine beson-
dere kleine Dampfmaschine angetrieben
wurden. Diese schwerfälligen Apparate '
wurden bald verlassen, als es dem französi-
schen Ingenieur H, Giffard gelungen war |
[auf Grund der
bis zu Beginn f
diesesjahrhun-
derts zurück- |
reichenden-
Versuche von
Mannoury,
d'Ectot,
Bourdon und
andere], im
Jahre 1858 den
ersten brauch-
baren Injector
herzustellen.
Nachdem die
im Jahre 1860
in Oesterreich ^^^ ^ schien. ug-Lo=,
angestellten
Versuche mit Giffard'schen Injectoren
gute Resultate ergeben hatten, wurden
schon in den nächsten zwei Jahren fast
alte neu gebauten Locomotiven mit
dieser Einrichtung versehen. Diese ersten
Injectoren — die sogenannten spanischen
Apparate — waren aber noch weit davon
entfernt, den Anforderungen zu ent-
sprechen ; ihr grösster Fehler war der,
dass nur massig erwärmtes Tenderwasser
angcsauf^t werden konnte. Wesentlich
vereinfacht wurde die Erfindung GitTard's
durch den Directot der Wiener- Neustädter
Locomotiv-Fabrik C. Schau. Im Jahre
1868 gelang es dem Ingenieur A, Fried-
mann in Wien, dieselbe auch für
das Speisen von warmem Wasser ge-
eignet zu machen. Nach Tausenden
zählen die im Laufe der Jahre ersonnenen
Arten der Injectoren ; von allen Consiruc-
tionen hat aber
das österrei-
chische Fried-
mann'sehe
System dii
grösste Ver-
breitung ge-
funden, denn
mehr als die
Hälfte aller
Locomotiven
der Welt ist
mit diesen Ap-
paraten ver-
: sehen.
Die bis da-
,o.iv. d« Notdbahn. 1,874.] hinandcn Ten-
dern der Loco-
motiven angebrachten Handbremsen
erwiesen sich auf den vielen Gebirgsbahnen
als nicht ausreichend. Die erste Dampf-
bremse an Locomotiven führte Haswell
— nach dem Vorbilde der sächsischen
Bahnen — an der »Sleyerdorf« aus.*]
[Vgl. Tafel VIII., Fig. 4, Seite 478.]
Die Haswell'sche Repressions- Bremse
'} Aehnliche Dampfbremsen wurden noch
in den AJitÄiger-Jatiren an vielen Loci>
niutiven der Nordbahn und N'ordwestbahn
Locomotivbau.
war unbeachtet geblieben; grosse Ver-
breitung aber fand die im Jahre 1865
von dem Director der spanischen Nord-
bahn Lechatelier, im Vereine mit
Ingenieur Ricour erdachte und ausge-
führte »Lechatelier'sche Gegen-
dampfbrem-
se«. Die brem-
sende Wirkung
des Dampfes
benutzend,
welche eintritt,
wenn bei offe-
nem Regula-
tor die Steue-
rung auf die
der Fahrt ent-
gegengesetzte
Richtung ge-
stellt wird, ver-
meidet sie das ... ,„, -,,. ,
Abb. BOI. GUtCfKUg-LoCDEDOtlVi
Ansaugen von
unreiner Luft aus der Rauchkammer da-
durch, dass ein vom Führer bethätigtes
Ventil Dampf in die Ausströmungspartie
des Cylinders einlässt, welcher dann wieder
in den Kessel zurück befördert wird. Um
die Dampfcylinder vor Erhitzung zu
bewahren, wird durch ein zweites Ven-
til gleichzeitig
eine geringe j
Wassermenge |
in dieselben \
eingespritzt. |
Diese Gegen- 1
dampfbremse
war auf dem
Semmering
und Brenner
seit dem Jahre
1867 so lange
in Verwen-
dung, bis sie
durch die Va-
cuumbremse überholt wurde ; an den
meisten Locomotiven der Oesterreichisch-
Ungarischen Staatseisenbahn -Gesellschaft
ist die Lechatelier-Bremse noch immer
angebracht und in Gebrauch.
Auch Zeh hatte [schon in den Fünf-
ziger-Jahren] eine Vorrichtung ersonnen
— die Zeh'sche Klappe — welche bei
geschlossenem Regulator durch Einfüh-
rung von Luft in die Cvlinder eine
., [1868.)
Abb. iOl. Pen
Bremswirkung ergab. Bei den vorher
erwähnten Westbahn- Locomotiven [Tafel
VII, Fig. 3 und 4, Seite 477] ange-
bracht, fanddiese Bremsvorrichtung weiter-
hin keine nennenswerthe Verbreitung.
Als die Bahn Ober den Brenner ge-
baut wurde,
gab es keinen
Zweifel über
das geeignete
Locomotiv- Sy-
stem : der ein-
fache Acht-
kuppler mit
Schlepptender
war bereits
eine erprobte,
bewährte Ty-
pe, die inner-
halb der Gren-
zen des zuläs-
sigen Achs-
druckes noch wesentlich leistungsfähiger
construirt werden konnte, als dies bis-
her in Oesterreich der Fall war. Die
für den Brenner bestimmten Achtkuppler
wurden nach den von der Sudbahn bei-
gestellten Plänen in der Maschinenfabrik
der Oesterreichisch - Ungarischen Staats-
eisenbahn-Ge-
sellschaft im
Jahre 1867 er-
baut und hat-
ten Aussen rah-
men mit Haii-
schen Kurbeln.
[Tafel IX. Fig.
I, Seite 479.]
Alle bisherigen
in Oesterreich
hergestellten
H Locomotiven
w I. V 1 E k i.a«i an Leistungs-
er WoTODCKh-Kofloir-BahD. [1008.] ^
fähigkeit und
Adhäsionsgewicht übertreffend, fand diese
Type — der erste Achtkuppler mit Haii-
schen Kurbeln — auch im Auslande
[auf der hessischen Ludwigs-Bahn] Ein-
gang.
DieOesterreichisch-UngarischeStaats-
eisenbahn-Gesellschaft sah sich in dieser
Zeit ebenfalls veranlasst, stärkere Loco-
motiven anzuschaffen. In ihrer Maschinen-
fabrik wurden zwei Typen entworfen, die
Karl GOlsdorf.
bis in die Achtziger -Jahre den Anforde-
rungen entsprachen : ein Sechskuppler und
ein Achtkuppler mit Innenrahmen und
innen liegender Steuerung. [Vgl. Tafel
IX, Fig. 2 und 3, Seite 479.] Weil die
Herstellung grosser, dicker Rahmen-
platten noch Schwierigkeiten bot, waren
die Rahmen — ähnlich wie die Aussen-
rahmen — aus zwei dünnen Blechen mit
■ dazwischen eingenieteten Futtereisen an-
gefertigt.
Beide Typen erwiesen sich, wegen
des Achsdruckes von nur I3 t, als
universell verwendbare Maschinen. Der 1
Sechskuppler wurde Ende der Siebziger- |
Jahre für einige Linien der k. k. österreichi- |
sehen Staats-
bahnen [Ra-
konitz-Proti-
Leluchöw] aus-
geführt ; mit
einigen Unwe-
sen tl ich enAe n-
derungen wur-
de der Acht-
kuppler für die
Kaiserin Elisa-
beth-Bahn im
Jahre 1873 von
den Fabriken in Wien er- Neu Stadt, Florids-
dorf und von Hartmann in Chemnitz gebaut.
Die Südbahn war diejenige Bahn in
Oesterreich, welche die Anschauung,
dass eine tiefe Lagerung des Kessels zur
Erzielung eines ruhigen Laufes unbedingt
nölhig sei, praktisch widerlegte, als sie
im Jahre 1870 die grossen, für den Sem-
mering, Karst und Brenner bestimmten
Achtkuppler construirte, die in Wiener-
Neustadt und in der Maschinenfabrik der
Oesterreichisch-Ungarischen Staatseisen-
bahn-Gesellschaft gebaut wurden. [Abb.
303-]
Die Nachtheile der Hall'schen Kurbeln
— Anbrüche der Achsen im Kurbelhalse
— hatten sich schon fühlbar gemacht ;
es wurde daher der Innenrahmen wieder
angenommen, der aber durch die Lage
der Tragfedern über der Rahmenober-
kante, bei dem grossen Durchmesser des
Kessels, eine hohe Lage der Mitte des-
selben Ober der Schienen-Oberkante be-
dingte. In Bezug auf Ruhe des Ganges
Abb. joj. Achlkuppit
den Locomotiven mit tiefliegendem Kessel
und Aussenrahmen ebenbürtig, ergaben
sie wegen der grossen Rostfläche von
3l6 tn* [der grössten bisher in Oesicr-
reich ausgeführten] und der günstigen
Abmessungen von Blasrohr und Rauch-
fang so bedeutende Leistungen — 210/
auf 25700 Steigung — dass auf An-
suchen der oberitalienischen Eisenbahn
eine dieser Locomotiven im Jahre 1872
nach Italien abging, um Paralld-
Versuchen mit den auf der Rampe
bei Genua verwendeten Achtkuppkm,
System Beugniot, deren Anschaffung
auch für die vollendete Mont Cenis-
Bahn beabsichtigt war, unterzogen tn
werden.
I Die Süd-
! bahn-Locomo-
tive er wies sich
bei diesen zwi-
schen Ponte
decimo unJ
Busall a, im
Beisein des
Constructeurs,
L. A. Gßls-
dorf [derzeit
Maschinen-Di-
'•"•"■'■■'■« recot die.»
Bahn], vorgenommenen Probefahrten der
italienischen Maschine weitaus über-
legen, trotzdem die letztere grössere
Kessel und Cylinder-Abmessungen be-
sass. Das weitere Ergebnis dieser Fahr-
ten war, dass die Alta Itatia 0^"'
strade ferrate del Mediterraneo] 60 Stück
dieser Locomotiven in Wiener-Neustadt
bestellte. [Abb. 304.] Sie wichen von
der Südbahn-Maschine nur insofeme ab,
als etwas grössere Räder und Cylin-
der angewendet waren, weil ihre Ver-
wendung auch für rascher fahrende Zuge
in Aussicht genommen wurde. Von der
genannten Gesellschaft auch weiterhin
gebaut, wurde noch im Jahre 1885 eine
grössere Anzahl derselben bei der Ma-
schinenfabrik der O esterreich isch-Un gan-
schen Staatseisenbahn -Gesellschaft he-
stellt.
Die hohe Lage des Kessels wurde
von Haswell fernerhin beibehalten. B^'
merkenswerth in dieser Beziehung ist
eine Tj'pe, die in der Maschinen-
Locomotivbau.
fabrik der Oesterreichi seh -Ungarischen
Staatseisenbahn - Gesellschaft im Jahre
1872 für die Graz- Kofi acher Bahn ge-
baut wurde, und welche als Neuerung
die Lage der Feuerbüchse über dem
Rahmen, statt wie bisher zwischen den
Rahmen, aufwies.*) Der Vortheil der brei-
teren Feuerbüchse, welcher den Aussen-
rahmen-Locomotiven eigenthUmlich war,
ist dadurch auch bei Innen rahmen er-
reicht worden. An diesen Maschinen
kamen auch die Haswell'schen Wellblech-
Feuerbüchsen zur Ausführung, welche
innerhalb bestimmter Grenzen der Länge
die Anwendung der sonst nöthigen
Versteifung durch Decken harren oder
Deckenschrau-
ben überflüssig
machten.")
Diese Loco-
motiven waren
überdies mit
den Haswell'-
schen Balan-
cierachsenver-
sehen. [Tafel
IX, Fig. 4,
Seite 479-1
Ende der
Sechziger-Jah-
re waren die
beiden Loco-
motiv- Fabriken von G. Sigl und die
Maschinenfabrik der Oesterreichisch-
Ungarischen Staatseisenbahn -Gesellschaft
derart mit Bestellungen überhäuft, dass
die Errichtung einer vierten grossen Fabrik
sich als nöthig erwies. Dem Wiener Bank-
vereine in Gemeinschaft mit dem Central*
Inspector der Ferdinands -Nordbahn, Lud-
wig Becker, und dem Inspector der
k. k. priv. Kaiserin EHsabeth - Bahn,
Kart Hornbostel, wurde am 6. Sep-
tember 1869 die Concession zur Errich-
tung der »Wiener Locomotiv- Fabriks-
Actien -Gesellschaft«: ertheilt. Nach Bil-
Abb. m. Achtkupplei
•j Diese Disposition der Feuerblichse
findet in neuester Zeit auf fast allen öster-
reichischen Bahnen Anwendung.
••) Aehnhche FeuerbUchsen, jedoch mit
Wellen in der Läntsriehtung waren drei
Jahre vorher vom Maschinenmeister M a y
der schweizerischen Nordustbuhn ausgeführt
düng des ersten Verwaltungsrathes wurde
Herr Bernhard Demmer mit der tech-
nischen und commerziellen Leitung des
neuen Unternehmens betraut.
Mit dem Baue der Fabrik in Gross-
Jedlersdorf bei Floridsdorf wurde im
April 1870 begonnen. Im Januar 1871
begann der Betrieb, und am 10. Juli
desselben Jahres erfolgte die Ablieferung
der ersten Locomotive, welche für die
Oesterreichische Nordwestbahn bestimmt
war. [Tafel X, Fig. I, Seite 480.] Im
Jahre 1873 schon wurde die hundertste
Locomotive fertiggestellt.
Der Locomotivbau erwies sich in
diesem Zeiträume so lohnend, dass bald
nach Erbau-
ung der Flo-
ridsdorf er Lo-
comotiv-Fa-
brik noch ein
derartiges Un-
ternehmen ge-
gründet wur-
de: >Die Ma-
schinen-, Lo-
comotiv- und
Wagen-Bau-
anstaltinMöd-
ling..
in Wien beste-
hende »Industrie-, Forst- und Montan-
Eisenb ahn -Gesell Schaft« [welche auch
den Plan hegte, eine schmalspurige
Gürtelbahn in Wien zu erbauen] er-
richtete diese Fabrik im Jahre 1872,
und betraute mit ihrer Leitung den
lange Zeit bei G. Sigl in Wien als
Chef-Constructeur beschäftigten Ingenieur
F. X. Mannhard.
Die erste Locomotive wurde im
Mai 1873 geliefert. Sie war für die
Kronprinz Rudolf - Bahn bestimmt,
und hatte aussenliegende Rahmen mit
HalFschen Kurbeln. Ausser einer An-
zahl von Hairschen Sechskupplern für
dieselbe Bahn, wurden in diesem Jahre
noch einige kleine Locomotiven für die
ungarischen Bahnen zweiten Ranges, und
zwei Tender-Locomotiven für eine Aache-
ner Industriebahn fertiggestellt.
Grösseres Interesse bot eine im Jahre
1874 nach dem Systeme »Grund« ge-
456
Karl Gölsdorf.
baute zweiachsige Locomotive, die auf
Vicinalbahnen . [ohne Bewachung der
Wegübergänge u. s. w.] verkehren sollte.
[Tafel X, Fig. 2, Seite 480.] Um jede
Gefahr für Passanten oder Fuhrwerk
auszuschliessen, sollte dem Führer die
Möglichkeit benommen sein, rascher
als mit 10 kfn pro Stunde fahren zu
können. Zu diesem Zwecke war ein
Schwungkugel - Regulator angebracht,
welcher bei Ueberschreitung der limi-
tirten Geschwindigkeit eine Bremse in
Thätigkeit setzte. Damit auch bei
dieser geringen Geschwindigkeit die
Maschine mit grosser Umdrehungszahl
arbeiten könne, wirkten die Treibstangen
auf ein, die Zahl der Radumdrehungen
verminderndes Vorgelege, welches durch
die Tragfedem an die Laufflächen der
Tragräder angepresst wurde. Diese Con-
struction vergrösserte aber derart den
Eigenwiderstand der Maschine, dass sie
selbst auf Gefällen von 25%^ [bei den
Probefahrten auf dem Semmering] stehen
blieb, wenn nicht Dampf gegeben wurde ;
sie fand daher hier keine weitere Ver-
wendung. In Amerika aber wurde das
Grund'sche Vorgelege, jedoch mit Ueber-
Setzung auf grössere Tourenzahl, an
einer unter der Bezeichnung »System
Fontaine« bekannt gewordenen Schnell-
zug-Locomotive im Jahre 1879 zur An-
wendung gebracht.
Nachdem im Laufe des Jahres 1874
noch einige Güterzug-Locomotiven ftir
die Istrianer Staatsbahnen abgeliefert
worden waren, musste diese Fabrik,
des überall eingetretenen schlechten
Geschäftsganges halber, ihre Thätigkeit
einstellen; die Zahl der in den zwei
Jahren ihres Bestandes gelieferten Loco-
motiven erreichte nur 32 Stück.
Das Ausstellungsjahr 1873 war auch
für den Locomotivbau Oesterreichs von
grosser Bedeutung. Der Aufschwung
auf wirthschaftlichem Gebiete drängte
zu Fahrgeschwindigkeiten, für welche die
bestehenden Locomotiven mit überhän-
gendem Feuerkasten nicht mehr geeignet
waren. Nach den im Constructions-
Bureau der Südbahn entworfenen Plänen
wurde für diese Bahn in Wiener-Neustadt
eine Schnelizug-Locomotive gebaut, bei
welcher das amerikanische zweiachsige
Drehgestelle mit centralem Mittelzapfen
in richtiger Anordnung zur Ausführung
gelangte. [Tafel X, Fig. 3, Seite 480/
In der Disposition der Cylinder, der
Steuerung und der Aufsteckkurbeln aus
den Kessler'schen Locomotiven vom Jahre
1861 hervorgegangen [vgl. Abb. 296],
hatte diese Maschine die Kuppelachse
hinter der Feuerbüchse gelagert. Eine
zweite Locomotive ganz gleicher BauarU
die Sigl in Vorrath angefertigt hatte,
und welche dann die Oesterreichische
Nordwestbahn ankaufte, wurde auf der
Wiener Weltausstellung unter dem
Namen »Rittinge r« ausgestellt. Diese
als »Rittinger Type« bekannt gewordene
Südbahn-Locomotive war das Vorbild
für die Schnellzug-Maschinen, welche
in der Maschinenfabrik der Oester-
reichisch - Ungarischen Staatseisenbahn-
Gesellschaft im Jahre 1874 für die Un-
garischen Staatsbahnen gebaut wurden.
[Tafel X, Fig. 4, Seite 480.] An
diesen Locomotiven kamen zum letzten
Male die HaswelPschen Balancierachsen
[im Drehgestelle] zur Anwendung. Ab-
weichend von der Südbahntype war die
Kuppelachse [wie in Deutschland schon
lange üblich] unter der Feuerbüchse ge-
lagert.
Die Oesterreichische Nordwestbahn
modificirte die Rittinger - Type später
1874] dadurch, dass die Dampfcy-
inder eine Lage erhielten, wie sie be-
reits bei den gekuppelten Crampton-
Locomotiven der Staatsbahn angewendet
war. [Tafel XI, Fig. i, Seite 4^1-1
Nach dieser Bauart wurden in der
Floridsdorfer Maschinenfabrik zwei Lo-
comotiven — »Li vingstone« und
»Foucault« — ausgeführt. Bemerkens-
werth war an ihnen die Durchführung
des Drehgestelles. Bis dahin erfolgte die
Führung desselben durch einen centralen
Mittelzapfen und die Uebertragung der
Last des Kessels durch zwei seitliche
Gleitpfannen. Um jede einseitige Ueber-
lastung der Drehgestellachsen unmöglich
zu machen, war an diesen Maschinen das
Kesselgewicht durch eine centrale Kugel-
auflage auf das Drehgestelle übertragen,
welche Construction eine leichte Beweg-
lichkeit desselben nach jeder Richtung
erlaubte. Diese Anordnung fand später
Locomotivbau.
457
im Auslande vielfach Nachahmung;
unter Anderen waren die in der ge-
nannten Fabrik im Jahre 1878 für die
oberitalienischen Eisenbahnen gebauten
Schnellzug - Locomotiven mit diesem
Drehgestelle ausgeführt. Seit dem Jahre
1882 ist eine ähnliche Disposition an allen
Schnellzug - Locomotiven der Königlich
ungarischen Staatsbahnen in Verwendung.
Das Jahr 1873 hatte den Impuls zum
Baue neuer Schnellzug-Typen gegeben.
Die finanziellen Ereignisse dieses Jahres
Hessen aber die eingeschlagene Richtung
nicht verfolgen ; die Bahnen waren be-
mtissigt jede Nachschaffung von Loco-
motiven zu unterlassen. Bestellungen
für das Ausland behüteten unsere Loco-
motiv - Fabriken vor dem gänzlichen
Arbeitsstillstand. ♦)
Ende der Sechziger-Jahre, und noch
bis 1873 hatten die meisten österreichi-
schen Bahnen eine grosse Anzahl von
Personenzug-Locomotiven mit überhän-
gendem Feuerkasten gebaut. [Nordbahn
mit Aufsteckkurbeln, vgl. Tafel XI, Fig. 2,
Seite 481, Südbahn mit Excenter-
kurbeln, Franz Josef- Bahn und Kai-
serin Elisabeth - Bahn mit Hairschen
Kurbeln.]
Nachdem aus den vorerwähnten
• Gründen an den Bau specieller Schnell-
zug-Locomotiven nicht geschritten wer-
den konnte, suchte man diese Typen
durch Anbringung besonderer Kuppe-
lungen zwischen Locomotive und Ten-
der für ruhigeren Gang und grössere
Geschwindigkeit geeigneter zu machen.
Diese Nothconstructionen — die cen-
tralen Kuppelungen — bestanden in
der Anordnung einer keilförmig ausge-
arbeiteten Pfanne an der rückwärtigen
Maschinenbrust, in welche ein am vor-
deren Tenderende angebrachter federn-
der Zahn ein<j;reifen konnte, so dass
die Schlingerbewegung der Locomotive
vom Tender mit aufgenommen wurde.
Diese Kuppelungen, unter denen die vom
damaligen Maschinenchef der Kaiser Franz
Josef-Bahn, Emil Tilp, ersonnene, das
*) Im Jahre 1874 waren alle Osterreichi-
schen Locomotiv-Fabriken mit bedeutenden
Lieferungen für deutsche Bahnen — Hanno-
versche Staatsbahnen, Bergisch-Märkische
Bahn u. a. — beschäftigt.
Problem in theoretisch richtiger Weise
löste, verminderten thatsächlich ganz
bedeutend die seitlichen Schwankungen,
hatten aber, weil die freie Einstellbarkeit
von Locomotive und Tender in den
Krümmungen nicht mehr vorhanden war,
grosse Nachtheile im Gefolge [Ausschla-
gen der Tenderachslager, ungleiche und
grosse Abnützung der Lagerstummel].*)
Die Keilpfannen wurden daher soweit
abgeflacht, dass sie dem Zahne eine
seitliche Bewegung erlaubten. In dieser
Form war der Schlingerbewegung nur
ein massiger Widerstand entgegengesetzt ;
die freie Beweglichkeit der Fahrzeuge
in den Krümmungen war nicht mehr
stark behindert. Der Zweck der cen-
tralen Kuppelung war aber dadurch
ein anderer geworden : sie diente jetzt
nur mehr als Spann Vorrichtung zwi-
schen Maschine und Tender, um das
Zugeisen und die Kuppelungsbolzen
vor heftigen Stössen zu bewahren. Bei
den neuesten Locomotiven aller Ver-
wendungszwecke, welche an sich einen
ruhigen Lauf gewähren, wird eine
centrale Kuppelung mit Pfanne und
Zahn im Allgemeinen nicht mehr aus-
geführt; eine einfache horizontal lie-
gende Plattfeder am vorderen Tender-
ende, die mit kleinen Puffern auf gerade
Reibplatten an die rückwärtige Ma-
schinenbrust presst, dient als Spann Vor-
richtung.**)
Ein massig rasch fahrender Zug lässt
sich mit Hilfe der Handbremsen der
Wagen und des Tenders rasch und auf
kurze Entfernung zum Stillstande bringen.
Mehr als 1000 m kann aber der Weg
betragen, den ein Zug vom Beginne des
*) Frei von diesen Nachtheilen war die
Tilp'sche Kuppelung, die durch ein beson-
deres Balancier-System in den Krümmungen
den mittleren Zahn auslöste. Weil dieser
Zahn aber nicht immer wieder in die Falle
eingriif, sondern seitlich sich anlegte, bedingte
sie Entgleisungsgefahr.
*•) Centrale Kuppelungen mit Zahn, die
durch ein seitlich im Tender angebrachtes
Handrad beim Kuppeln von Maschine und
Tender ausgelöst werden konnten, waren
' schon 1844 an den alten Locomotiven der
! Wien-Glop;gnitzer Bahn im Gebrauch, wurden
I aber bald wieder entfernt.
458
Karl Gölsdorf.
Bremsens bis zum Halten noch durch-
läuft, wenn er bei 70 bis 80 km Ge-
schwindigkeit mit denselben einfachen
Mitteln gebremst wird. Die Anwendung
dieser Geschwindigkeiten im Betriebe
bedingte daher wesentlich bessere Brem-
sen, als die, welche bis dahin zu Gebote
standen. Es konnten im Interesse der
Sicherheit nur solche Bremsen in Betracht
kommen, deren Bethätigung in die Hand
des Führers gelegt ist, und welche neben
kräftigster Wirkung auch eine Regu-
lirung der Geschwindigkeit auf Gefäll-
strecken erlauben.
Unter den in den Siebziger-Jahren in
England bekannten Bremsen, welche
diesen Bedingungen entsprachen, war die
nachstehend beschriebene V a c u u m-
bremse von Smith die einfachste.
Die Bremsklötze eines jeden Fahrzeuges
stehen mit einem Bremscylinder in Ver-
bindung, an welchen eine Rohrleitung
anschli%sst ; die Rohrleitungen der ein-
zelnen Wagen sind unter einander durch
universalgelenkige Kuppelungen verbun-
den. Auf der Locomotive befindet sich
ein durch Dampf bethätigter Ejector
[Luftsauger], mit welchem der Führer
im Bedarfsfalle in der Leitung und
oberhalb der Kolben in den Brems-
cylindern eine Luftleere herstellt. Nach-
dem diese Bremscylinder unten offen
sind, bewirkt bei eintretender Luftleere
über den Kolben der äussere Luftdruck
ein Heben derselben, so dass die Brems-
klötze an die Räder angepresst werden.
Durch eine besondere Luftklappe kann
der Führer wieder Luft in die Leitung
und die Cylinder einströmen lassen,
wodurch bei vollständiger Aufhebung
der Luftleere das »Entbremsen«, und
bei nur theilweiser Aufhebung derselben
eine »Milderung« des Bremsdruckes
[Regulirung der Geschwindigkeit] erzielt
wird.
Im Jahre 1877 machte die Süd-
bahn die ersten Versuche mit der
Smith'schen Vacuumbremse. Der Vor-
stand der Wiener Reparatur- Werkstätte
dieser Bahn, Herr John Hardy,*) ver-
*) John Hardy wurde im Jahre 1820
in Newcastle on Tyne geboren, und trat mit
16 Jahren als Millrijrht (Praktikant) in die
dortige Stephenson'sche Locomotiv-Fabrik
besserte diese Bremse in allen ihren
Einzelheiten [insbesondere Bremscylin-
der, Ejector und Kuppelung] so wesent-
lich, dass diese, nunmehr Hardy'sche
Vacuumbremse genannte Bremse von
allen österreichischen [und vielen Aus-
landbahnen] allgemein angenommen
wurde. Erst in den letzten Jahren
machte sich wegen der auf 80 bis
90 km gesteigerten Fahrgeschwindigkeit
das Bedürfnis nach einer automatisch
wirkenden Bremse [Eintritt der Brem-
sung bei Zugstrennung, Möglichkeit des
Bremsens von jedem Wagen aus] geltend.
Nachdem die k. k. österreichischen
Staatsbahnen im Jahre 1895 eingehende
Versuche mit der automatischen Vacuum-
bremse*) angestellt hatten, wurde die-
selbe bei den rasch fahrenden Schnell-
zügen [Wien-Carlsbad] zur Anwendung
gebracht. Auch die Nordbahn rüstete in
dieser Zeit einige ihrer Züge mit dieser
Bremse aus, so dass die allgemeinere
Einführung derselben nur mehr eine
Frage der Zeit ist.
Trotzdem das zweiachsige Dreh-
gestell mit mittlerem Führungszapfen
ein. Nach Beendigung der Lehrzeit kam er
im Jahre 1846 nach Frankreich, und verblieb
bis 1860 als Oberwerkführer in der Werk-
stätte Rouen der Chemin de fer de TOuest.
In diesem Jahre übernahm er die Leitung
der Wiener Reparatur- Werkstätte der Süd-
bahn, welchen Posten er bis zum Jahre
1884 behielt. Ausser der Vacuumbremse
construirte er auch die nach ihm be-
nannte Zweiwagenbremse. Er starb im
Jahre 1896.
*) Die automatische Vacuumbremse
wurde von den Ingenieuren der Vacuum-
brake-Compagnie in England [jene Gesell-
schaft, weicher J. Hardy die Verwerthung
seiner Patente übertragen hatte] entworfen.
Für den Gontinent fertigt die Firma Gebrüder
Hardy in Wien [Söhne des verstorbenen
J. Hardy], welche eine Reihe der wichtigsten
Verbesserungen an dieser Bremse vorge-
nommen hat, sämmtliche Bestandtheile der-
selben an. Bei dieser Bremse wird durch
einen constant thätigen kleinen Ejector in
der Leitung und auf beiden Seiten der
Bremskolben ein Vacuum erhalten. Beim
Bremsen wird durch einen Schieber Luft in
die Leitung eingelassen, welche die Brems-
kolben hebt; bei Zugstrennung [Zerreissung
der Kuppelungen] tritt daher auch eine
selbstthätige Bremsung der getrennten Zugs-
theile ein.
Locomotivbau.
459
und seitlichen Auflagen [Südbahn] oder
mit mittlerer Kugelauflage [Nordwest-
bahn] sich vorzüglich bewährte, konnte
es sich nur langsam Bahn brechen.
Auf falscher Grundlage durchgeführte
theoretische Abhandlungen schrieben
demselben unrichtige Einstellung in den
Krümmungen und sonstige Nachtheile
zu, welche in Wirklichkeit nicht vor-
handen sind. Insbesondere war die Be-
hauptung vollständig unbegründet, dass
das Drehgestell bei einem kleineren
Radstande als die Spurweite [!] auf ge-
rader Bahn der Locomotive einen schlän-
gelnden Lauf ertheile. Diese, oft von
Unberufenen gegen das Drehgestell
geführte Polemik, mehr aber die that-
sächlich ungünstigen Erfahrungen mit
den alten Drehgestellen waren Ursache,
dass noch einige Zeit hindurch Schnell-
zug-Locomotiven mit festem Radstande
oder seitlich verschiebbarer Laufachse
zur Ausführung gelangten. Vielfach hielt
man auch die Drehgestelle auf Bahnen
mit günstigen Richtungsverhältnissen
für eine unnöthige Complication, weil
man drei Achsen für die Unterbrin-
gung der den damaligen Leistungen ent-
sprechenden Kessel für ausreichend
ansah.
Die für die Kaiserin Elisabeth-Bahn in
der Maschinenfabrik der Oesterreichisch-
Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft
gebauten Schnellzug-Locomotiven [1878
bis 1879] waren wie die ein Jahr später
aus derselben Fabrik hervorgegangenen
Nordbahn-Maschinen auf drei Achsen
gelagert. [Tafel XI, Fig. 3 und 4,
Seite 481.] Die Westbahn- Locomotive,
mit Aussenrahmen und Hairschen Kur-
beln an den Treibrädem ausgeführt,
war mit einer seitlich verschiebbaren
Laufachse versehen, deren Rückstellung
in die Gerade durch Keilflächen [nach
dem Vorbilde der französischen Or-
l(^ans-Bahn] bewirkt wurde. Diese Ma-
schine hatte femer die HasweH'sche Well-
blech-Feuerbüchse, uncf war eine der
wenigen Locomotiven, an welcher die
Kaselowsky'sche Radreifenbefestigung
[eingegossener Ring] zur Anwendung
gelangte.
Die Nordbahn-Schnellzug-Locomotive
zeigte eine Achsstellung wie die früher
erwähnten gekuppelten Crampton-Loco-
motiven und war mit steifer Vorderachse
versehen. Trotz der Anwendung des
Aussenrahmens, hatte die Nordbahn doch
im Allgemeinen das HalPsche Kurbel-
system nicht ausschliesslich angenommen,
sondern die alten verlässlichen Aufsteck-
kurbeln bei Güterzug- und Personenzug-
I-ocomotiven beibehalten; dieselben ge-
langten auch bei der genannten Type
zur Ausführung. Abweichend von der
gewöhnlichen Manier war das Führer-
haus, zur Milderung des Dröhnens, aus
Holz hergestellt.
Dem Baue von Tender-Locomo-
tiven wurde in Oesterreich erst in den
Siebziger-Jahren grössere Beachtung ge-
schenkt. Eine bemerkenswerthe Type
wurde für die eigene Bahn in der
Maschinenfabrik der Oesterreichisch-
Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft
im Jahre 1870 ausgeführt. Für Vicinal-
bahnen bestimmt, war sie eine leichte
Maschine mit sechs gekuppelten Rädern
und innenliegenden Dampfcy lindern. Die
Wasserkasten waren als Sattel "über dem
Langkessel gelagert. An ihr kam zum
ersten Male die früher erwähnte Haswell-
sche Wellblech-Feuerbüchse zur Anwen-
dung.*) [Vgl. Tafel XII, Fig. i, Seite 482.]
Für den Betrieb der Seitenlinien der
Kronprinz Rudolf- Bahn wurden von
K r a u s s in München und von der
Locomotiv- Fabrik Winterthur. [1872 bis
1873] eine grössere Anzahl von drei-
achsigen schweren Tender- Locomotiven
mit Wasserkasten- Rahmen bezogen. Die
Locomotiven der Winterthurer Lieferung
waren die ersten in Oesterreich, welche
die später hier fast allgemein an-
genommene Heusinge r's che Um-
steuerung besassen.
Der in diesem Zeiträume in grösse-
rem Umfange aufgenommene Bau von
Localbahnen und das Bestreben vieler
grosser Bahnen, auf ihren Hauptlinien
den Betrieb durch Einführung soge-
nannter Secundärzüge [an Stelle der
*) Die Vorstudien und ersten Versuche
zu dieser Construction machte Haswell 1869
an dem Kessel eines kleinen Locomobiles,
welches noch heute in der genannten Fabrik
in Verwendung ist.
Karl Gölsdorf.
schweren, wenig ausgenützten Personen-
züge] zu verbilligen, führte zur Con-
struction leichter Tender-Loco-
m o t i V e n.
Für den Betrieb von Local bahnen
wurden in Wien er -Neustadt in den Jahren
1878 und 1880 zwei Tender-Locomo-
tiven entworfen, welche für die dama-
ligen kleinen Staatibahnlinien bestimmt
waren, [Abb. 305 und 306.] Die zwei-
achsige kam auf der Strecke Leobersdorf-
St. Polten, die dreiachsige auf der Strecke
MUrzzuschlag- Neuberg in Verwendung.
Bei späteren Ausführungen mit vergrösser-
tem Wasserkasten versehen, ist die letz-
tere Type heute in mehr als hundert
Exemplaren
auf den vielen
Local bahnen
der k. k. Öster-
reichischen
Staatsbahnen
in Verwendung.
Für die Be-
förderung der
neueingeführ-
ten Secundär-
züge auf der
Kaiserin Eli-
sabeth-Bahn
wurde 1880 in Abb. JOS- Z*eiacbHge Ttndti-Lc
Wiener -Neu- """
Stadt eine zweiachsige Tender-Locomo-
tive gebaut, welche im Allgemeinen
nur durch grössere Räder, Cylinder und
Kessel von der Leobersdorf- St, Pöltner
Type verschieden war.
Eine weitere Verminderung derWagen-
anzahl der SecundärzUge wurde bei der
Nordwestbahn und SUdbahn dadurch er-
zielt, dass die im Jahre 1879 für diese
Bahnen in Floridsdorf gebauten Tender-
Locomotiven, Bauart »Elbel-Gölsdorf«,
mit einem Gepäcksraume versehen waren.
Die Nordwestbahn-Maschine besass nur
eine Treibachse [vgl, Tafel XII, Fig. 2,
Seite 482], während die Südhahn-Aus-
führung [vgl. Tafel XII, Fig. 3. Seite 4^2]
zwei gekuppelte Achsen aufwies. Loco-
motivcn dieser Bauart wurden in Oester-
reich für die Localbahn Hullein-Krem-
sier, für den Secundärbetrieb auf den
Ungarischen Staatsbahnen und der Ka-
schau - Oderberger Bahn und für die
Raab-Oeden burger Bahn gebaut. Auch
im Auslande fand diese Type Nachah-
mung, und zwar auf den preussischcii
Staatsbabnen [Direction Königsberg], aui'
den französischen Staatsbahnen und in
Schweden.
Allgemeiner verwendbar als die zwei-
achsige Tender-Locomotive erwies sich dif
dreiachsige; auf den Localbahnen der
Oesterreichisch-Ungarischen Staatseisen-
bahn-Gesellschaft, der Nordbahn, Nord-
westbahn, Südbahn u. s. w. wurden daher
späterhin nur mehr Sech skuppeler- Ten-
der-Locomotiven ähnhcher Bauart wie
die Mürzzuschlag - Neuberger Type in
den Dienst gestellt. Eine zweiachsige,
un gekuppelte
Tender-Loco-
motive wurde
noch im Jahre
iSSgin der Ma-
schinenfabrik
der Oestenei-
chisch-Ungari-
schen Staals-
eisenb ahn -Ge-
sellschaft fär
den Flügel
• Mödling-U-
xenburg' der
:ichuchea Südbahn aus-
geführt. [Vgl.
Tafel XIL Fig. 4, Seite 482.]
Von grösseren, für den Verschiebe-
dienst und für schwere Güterzüge auf
kurzen Seitenlinien construirten Tender-
Locomotiven sei noch der im Jahre iWo
in vorgenannter Fabrik erbaute Aciil-
kuppler, als erster dieser Type '"
Oesterreich, erwähnt. [Vgl. Tafel XII,
Fig. I, Seite 483.]
Anfang der Achtziger -Jahre wurden
von Frankreich so bedeutende Locomoliv-
Bestellungen in Oesterreich gemacht, dass
alle Fabriken vollauf beschäftigt waren.
Auch der Bedarf im Inlande war wieder
so gross geworden, dass die Locoinotiv-
Fabrik Krauss & Co. in München im
Jahre 18H0 eine Filialfabrik mit Aussichi
auf dauernde Beschäftigung in Linz er-
richten konnte.
Diese Fabrik sollte hauptsäcldich dem
Bau kleiner Tender-Locomotiven fflrBau-
unlernehmer und Localbahnen dienen-
1, ll«7S,l
Locomotivbau.
461
Die Rührigkeit ihres Directora M. Fas- j
Bender brachte es aber dahin, dass in
derselben auch eine grosse Anzahl der |
schwersten Vollbahn -Maschinen ausge-
führt wurde. Die erste hier fertiggestellte
Locomotive, eine zweiachsige Tender-
Locomotive [für eine Bauuntemehmung], ]
wurde am 31. December 1881 abgeliefert, j
Die nächste Bestellung, umfassend 46St{lck
zweiachsige Tender- Locomotiven, wurde
von den k. k. Staatsbabnen gemacht. Diese 1
Maschinen [Tafel XIII, Fig. 2, Seite 483], 1
nach demselben Programme wie die Seite j
460 erwähnten Secundärzug- Locomotiven
der Kaiserin Elisabeth -Bahn erbaut, sind 1
auf den Seitenlinien der k. k. Staats- i
bahnen in Verwendung. Eine Specialität |
dieser Fabrik
ist der Bau von
Schtnalspur-
Locomoti-
V e n nach dem
System Klose
und Helm-
holtz.*)
Im Jahre
1884 kam die
Bahn Über den
A r 1 b e r g zur
Eröffnung. Die
Zufahrt -Ram- "" s°«- ■"""""»' "^1°^^,';^^'°
pen zum Arl-
berg- Tunnel haben sowohl auf der Ost- i
seile wie auf der Westseite eine Länge |
von rund 25 km und sind in nahe- '
zu constanter Steigung von sTV^oi be-
ziehungsweise 26%^ angelegt; die klein-
sten Krümmungs - Halbmesser betragen
aoo m. Die Wahl einer diesen ausser-
ordenthch schwierigen Verhältnissen ent-
sprechenden Type sollte von dem Ergeb-
nis der Erprobung einer Reihe von Loco-
motiv- Typen abhängig sein.
Auf Grund einer von der damaligen
k. k. Direction für Staatseisenbabn-Betrieb |
in Wien veranlassten Concurrenz-Aus- 1
Schreibung, welche die Beförderung eines
Zuggewichtes von 175 t mit 12 km ;
Geschwindigkeit auf ab^/no Steigung |
forderte, lieferten Wiener- Neustadt vier,
Floridsdorf zwei und Krauss in München |
fünf Locomotiven. Die in Wiener-Neu-
stadt gebaute Locomotive war ein Acht-
kuppler mit Aussenrahmen und Hall'schen
Kurbeln ; die vierte Achse war unter
der P'euerbüchse gelagert,*) [Tafel XIII,
Fig. 3, Seite 483.] Die Floridsdorf er
Maschine besass ebenfalls vier gekup-
pelte Achsen, hatte aber keinen beson-
deren Tender, sondern [analog der mo-
dihcirten »Vindobona»] rückwärts ein
zweiachsiges Deichselgestelle mit Pendel-
aufhängung nach Bauart Kamper. [Tafel
XIII, Fig. 4, Seite 483.] Die Lo-
comotiv - Fabrik Krauss in München
stellte eine Achtkuppter - Tender - Loco-
motive bei, an welcher die von Krauss
eingeführten Wasserkaslen- Rahmen An-
wendung fan-
den. [Tafel
XIV, Fig, I,
Seite 484.]
Bei voll-
kommen be-
friedigender
Leistung zeig-
te sich aber an
den beiden letz-
teren Locomo-
tiven derselbe
Nachtheil, der
auf langen
Bergstrecken
allen Tender -Locomotiven anhaftet. Der
Inhalt der Wasserkasten war nicht hin-
reichend bei der Floridsdorfer Ausfüh-
rung, während bei der Krauss 's eben
Locomotive das Adhäsionsgewicht nach
Aufbrauch der Vorräthe zu sehr ver-
ringert wurde, um die Ausübung der
vollen Zugkraft mit Sicherheit zu er-
möglichen.
Die Wiener-Neustädter Locomotive,
als Schleppten der- Maschine, frei von diesen
Uebelständen, wies infolge des Aussen-
rahmens bei den grossen Dimensionen
der Danipfcyhnder grössere Breitenmasse
und grösseren Tiefgang der Treib-
und Kuppelstangen auf, als nach der
damals zu Recht bestehenden Fassung
der technischen Vereinbarungen für die
. [iseo.|
•) Näheres BJ. 111, Fr, Äeiula, Die Eisen-
bahnen im Oi;i:iipationsge biete.
[ •) Diese Type wurde später für die Böh-
I mische Westbähn in etwas kleineren Dimen-
, sionen ausgeführt.
402
Karl Gölsdorf.
Freizügigkeit der Locomotiven zulässig
war.*)
Diese drei Typen blieben auf dem Arl-
berge in Verwendung; weitere Nachbe-
stellungen wurden aber nicht gemacht.
Als Locomotive für die Beförderung
der Lastzüge wurde ein Jahr später in
Floridsdorf ein Achtkuppler mit Innen-
rahmen und Innensteuerung entworfen,
welcher im Allgemeinen eine verstärkte
Ausführung des im Jahre 1882 gelie-
ferten Franz Josef - Bahn - Achtkupplers
darstellte. [Tafel XIV, Fig. 2, Seite 484.]
Von dieser Type wurden bis heute für
die vielen Bergstrecken der k, k. öster-
reichischen Staatsbahnen mehr als drei-
hundert Exemplare gebaut. Als Personen-
und Schnellzug- Locomotive diente ein
Sechskuppler, der sich ebenfalls nur durch
grössere Abmessungen von den älteren
Westbahn - Locomotiven mit HalFschen
Kurbeln und Aussenrahmen unterschied.
Als Ende der Siebziger -Jahre die
wirthschaftliche Krise überwunden war,
fand auch der Bau der Schnellzug-
Locomotiven wieder Beachtung. Für
die Kronprinz Rudolf- Bahn, Kaiser Franz
Josef-Bahn und für die Kaiser Ferdinands-
Nordbahn wurden in Wiener-Neustadt in
den Jahren 1877, 1879, beziehungsweise
1881 Schnellzug - Locomotiven gebaut,
welche in der Anordnung der Räder und
des Triebwerkes mit der Rittinger Type
übereinstimmten. [Tafel XIV, Fig. 3 und 4
sowie Tafel XV, Fig. i, Seite 484 und 485.]
An Stelle des Drehgestelles mit Mittel-
zapfen gelangte aber das Kamper'sche
Deichselgestelle zur Anwendung.
Die Südbahn behielt bei ihren im
Jahre 1882 gelieferten Schnellzug-Loco-
motiven [Floridsdorf], welche gegen die
Ausführung vom Jahre 1873 grössere
*) An Stelle der bisher üblichen Unisteue-
rungs-Mechanismen mit Hebel oder Schraube,
war diese Maschine mit einer vom Ober-ln-
jxenieur Ruchholz in Wiener - Neustadt
entworfenen combinirten Hebel-Schrauben-
Umsteuerunp: versehen. Diese Construction,
welche alle bis dahin entworfenen Ein-
richtunjren dieser Art an Einfachheit über-
traf, war besonders bei den k. k. öster-
reichischen Staatsbahnen in Verwendunir,
bis sich die Ueberzeuij^ung einstellte, dass
die einfache Schrauben-Umsteiierun<j^ auch
beim Verschiebe-Dienst ohne Xachtheil am
Platze sei.
Kessel und grösseres Adhäsionsgewicht
aufwiesen, das amerikanische DrehgestcF.c
bei ; diese Locomotiven waren die erster.
in Oesterreich, welche bei den technisch-
polizeilichen Probefahrten, trotz des kleinen
Treibrad - Durchmessers von 1*720 ;h.
Geschwindigkeiten von 115 km
pro Stunde erreichten. [Tafel XV,
Fig. 2, Seite 485.]
Die Einstellung vieler directer Wagen
in die Schnellzüge brachte deren Gewicht
aber bald so in die Höhe, dass diese
Type bei späteren Lieferungen mit höheren:
Dampfdrucke und vergrösserter Rost- und
Heizfläche ausgeführt wurde. [Tafel XV,
Fig. 3, Seite 485.]
Auch bei den k. k. österreichischen
Staatsbahnen musste wegen allgemeiner
Einführung der schweren Schnellzu«j-
Wagen mit Seitengang an die Aufstellung^
einer stärkeren Schnellzug -Locomotive
geschritten werden. In den Einzelheiten mit
den vorerwähnten Locomotiven der Kaiser
Franz Josef-Bahn nahezu ganz gleich, ^c-
langte an ihr das Drehgestelle mit Mittel-
zapfen wieder zur Anwendung. [Tafel X^ ,
Fig. 4, Seite 485.] Die erste derselben
wurde im Jahre 1885 in Wiener-Neustadt
gebaut; heute sind mehr als zweihundert
Locomotiven dieser Type in Verwendung.
Die Nordwestbahn behielt bei ihren in
diesem Zeiträume gelieferten Schnell-
zug-Locomotiven das Drehgestelle mit
centraler Kugelauflage bei, ging aber
in der Anordnung der Cylinder wieder
auf die Rittinger Type über. Die ersten
Lieferungen mit * Treibrad - Durchmesser
von 1*900 m hatten die Kuppelachst
hinter dem Feuerkasten gelagert ; bei den
späteren Lieferungen, mit Treibrädem
von 1760 w, war diese Achse unter
dem Feuerkasten angeordnet. [Tafel XM«
Fig. 1, Seite 486.] Fast alle der kleineren
österreichischen Bahnen: Böhmische Nord-
bahn, Kaschau - Oderberger Bahn und
BuschtiShrader Bahn, Böhmische West-
bahn und Aussig-Teplitzer Bahn bauten
in den Achtziger-Jahren Schnellzug- Lo-
comotiven nach dem Vorbilde der i^iw'
bahn-T3'pe, beziehungsweise Type ^^^
k. k. österreichischen Staatsbahnen.
Die Oesterreichisch-Ungarische Staate-
eisenbahn - Gesellschaft beförderte bis
zum Jahre 1882 ihre Schnell- und ?^^'
i
Locomotivbau.
463
sonenzUge fast ausschliessüch mit den
auf Seite 440 erwähnten Engerth-Lo-
comotiven. Als deren Ersatz durch eine
stärkere Type noth wendig war, nahm
diese Gesellschaft nicht das Drehge-
stelle an, sondern liess in ihrer Ma-
schinenfabrik eine vierachsige Schnellzug-
Locomotive nach Zeichnungen der fran-
zösischen Orl<^ans-Bahn ausftlhren. Der
Kessel wich von der französischen Ori-
ginal-Ausführung nur insoferne ab, als
er, entsprechend dem min der werth igen
Brennstoffe, mit grösserer Rostfläche ver-
sehen wurde.') Die Vorderachse war seit-
lich verschiebbar; ihre ROckstettung er-
folgte durch Keilflächen auf dem Lager.
der reconstruirten >Vindobona< mit zwei
Dampfdomen, welche durch ein Rohr
verbunden waren, ausgeführt. An Stelle
der Dec ken an kersch rauben an der Feuer-
büchse gelangte die Construction von
Polonceau zur Anwendung, welche jede
Verankerung dadurch überflüssig macht,
da SS die innere FeuerbUchsen- Decke aus
einzelnen zusammengenieteten Th eilen
von >U«-förTnigem Querschnitt besteht.
[Vgl. Tafel XVI, Fig. 2, Seite 486.]
Die vollkommenste Ausbildung erfuhr
dieAussenrahmen-Schnellzug-Locomotive
mit vier gekuppelten Rädern und Auf-
steckkurbeln durch die Nordbahn im
Jahre 1894.
iie-LacomollT< der Noidl
HD. [[&
Die späteren Lieferungen wurden j
mit grösseren Treibrädern [2120 tn
Durchmesser] und nach dem Vorbilde
•) Noch vor Ablieferung dieser Locomo- j
tiven legte Haswell seine Stelle nieder. Still !
und von der Aussenwelt abgeschlossen, ver- j
brachte er den Abend seines Lebens. Ein |
Greis von 85 Jahren, schloss er im Jahre ;
i8q7 die müden Augen. Als er zu Grabe I
getragen wurde, da war ein neues Geschlecht 1
erstanden, welches, weiter schaffend auf deu |
von ihm vorgezeiiihneten Wefien, von dem ]
Altmeister H^iswell wenig melir wusste. als I
den Namen. Die Schollen fielen auf seinen
Sarg; doch kein Nachruf erklang dem Manne, .
der so viel geleistet und gesch.ilTen hatte. '
Möge das vorliegende Werk einen Theil des '
Dankes darstellen, den Oesterreich diesem j
Manne schuldet. I
Bei den bisher üblichen vier Achsen
wäre der Einbau eines grösseren Kessels
nur durch Uebersch reitung des auf den
Linien der Nordbahn zugelassenen Achs-
druckes von 14 t möglich gewesen. Um
diese Grenze einzuhalten, wurde rück-
wärts ein fünfte, frei einstellbare Achse
angeordnet, und damit eine Type ge-
schalTen, welche bald darauf in Amerika
unter dem Namen »Atlantic- Typ» viel-
fach Nachahmung fand. Diese Maschinen,
welche im Zugverkehre Leistungen von
700 — 800 Pferdekräften ergeben, erreichten
bei den Probefahrten Geschwindigkeiten
bis zu 125 km pro Stunde. [Abb. 307.]
In den Siebziger- und Achtziger-
Jahren wurden keine principiell neuen
464
Karl Gölsdorf.
Güterzug- Locomotiven in Oesterreich
gebaut. Der Sechskuppler mit überhängen-
dem Feuerkasten fand nur in Bezug auf
Detail-Construction weitere Ausbildung.
An Stelle des Aussenrahmens und der
Hairschen oder Aufsteckkurbeln ging man
aber allgemein zum Innenrahmen über.
[Vgl. Tafel XVI, Fig. 3 und 4, Seite 486,
Sechskuppler der k. k. österreichischen
Staatsbahn und der Südbahn.]
Nur die Staatseisenbahn-Gesellschaft
baute Sechskuppler und Achtkuppler, bei
denen der rückwärtige Ueberhang durch
Anordnung der Kuppelachse unter der
Feuerbüchse vermindert war. An allen
diesen Maschinen [vgl. Tafel XVII, Fig. i,
Seite 487] sind die Endachsen seitlich
verschiebbar und mit der französischen
Keilflächen-Rückstellung versehen.
Bei einer Dampfspannung von sVj
Atmosphären im Kessel, war der Druck,
welchen der Dampf auf einen Kolben
der alten Locomotive »Wien« ausübte,
3200 kg. Mit demselben konnte bei
einer Geschwindigkeit von 12 — 15 km
pro Stunde eine Zugkraft von rund
1000 kg und eine Leistung von 50
Pferdekräften entwickelt werden. Die
Maschine hatte, ohne Tender, ein Ge-
wicht von 16.800 A-^, so dass zur Leistung
einer Pferdekraft rund 330 kg Maschi-
nengewicht erforderlich waren.
Die seit dem Jahre 1885 auf dem
Arlberge verwendeten Achtkuppler er-
geben bei einer Dampfspannung von 1 1 At-
mosphären einen Druck von 21.600 kg dixxi
jeden Kolben, welcher eine Zugkraft von
10.600 kg und eine Leistung von 550
Pferdekräften ermöglicht. Bei einem Eigen-
gewichte von 55.000 kg entfallen 100 kg
Locomotiv-Gewicht auf eine Pferdekraft.
Elf Mal grösser ist die Leistung dieser
neuen Locomotiven, und sie ist, auf die
Krafteinheit bezogen, mit einem Drittel
des Materialaufwandes erreicht worden.
In den Vierziger-Jahren erreichten auf
der Wien-Glotrgnitzer Bahn die Kosten
für den Brennstoff — auf heutige Ein-
heiten umgerechnet — rund 35 Kreuzer
pro Kilometer, während dieselben jetzt im
grossen Durchschnitte nur 7 Kreuzer be-
traj^cn, also blos den fünften Theil der vor
50 Jahren vorhandenen Auslagen bilden.
Blasrohr und Rauchfang, die wichti;^-
sten Bestandtheile für die Dampferzeu-
gung, waren Gegenstand der mühevc»!:-
sten Erprobungen und Studien, bis das
jetzige Verdampfungs - Vermögen der
Kessel erreicht war. Nur auf Gnind
wissenschaftlicher Untersuchungen und
Experimente konnte die Dampfvertheilung
in den Cylindem so bewerkstelligt wer-
den, dass die unter den ungünstigsten Ver-
hältnissen arbeitende Locomotive in Bezug
auf Wirkungsgrad mit den besten, mit allen
vollkommenen Präcisions - Mechanismen
u. s. w. versehenen Stabilmaschinen keinen
Vergleich zu scheuen braucht.
Mehr als zehn Millionen Gulden be-
trägt der Werth der alljährlich von den
Locomotiven Oesterreichs verbrannten
Kohlen; eine Summe, welche 7% — lo^/^
der Gesammtauslagen der Bahnen darsteUt
Jede Neuerung, welche auf Verminderung
des Brennstoff- Verbrauches hinzielt, musste
daher die grösste Beachtung der Bahnen
finden.
Die Locomotiv- Steuerungen können,
entsprechend der jeweilig erforderlichen
Leistung, so eingestellt werden, dass die
Schieber nur während eines grösseren
oder kleineren Theiles des Kolbenweges
Dampf in die Cylinder eintreten lassen;
den Rest seines Weges legt dann der
Kolben unter der Wirkung der Expansiv-
kraft des Dampfes zurück, wobei der
Druck desselben stetig abnimmt. Die
Ausnützung des Dampfes ist umso voll-
kommener, je geringer der Druck ist,
mit dem er schliesslich aus dem Cylinder
durch das Blasrohr entweicht
Einer vollkommenen Ausnützung des
•
Dampfes stehen aber nicht nur gewisse
theoretische Mängel der Coulissensteue-
rungen entgegen, sondern in noch höhe-
rem Grade die bei weit getriebener Ex-
pansion in den Dampfcylindern auftre-
tenden Temperatur-Unterschiede. Dieses
thermo-dvnamische Hindernis lässt sich
aber grösstentheils beseitigen, wenn man
die Expansion des Dampfes nicht m
einem Cylinder vor sich gehen lässt,
sondern auf zwei Cylinder vertheilt:
Die Expansion des Dampfes wird in dem
ersten Cvlinder, dem Hochdruckcylinder,
eingeleitet, und in dem zweiten, grosse-
ren, dem Niederdruckcylinder, beendet.
J
Locomotivbau.
465
Dieses Princip der doppelten
Dampfdehnung ist fast so alt, wie die
Locomotive selbst.*) Bei Schiffsmaschinen
schon seit den Vierziger-Jahren bekannt
[Woolfsche Maschinen], kam es an Lo-
comotiven in den Siebziger-Jahren durch
den französischen Ingenieur A. Malle t
zum ersten Male in brauchbarer Form
zur Anwendung.
Die mit einer derartigen Cylinder-
anordnung ausgeführten Locomotiven —
Compound- oder Verbund-Loco-
m o t i V e n genannt — benöthigen aber be-
sonderer Einrichtungen, um sicher »an-
fahren« zu können. Es muss ein Bestand-
theil vorhanden sein, welcher Dampf in den
Niederdruckcylinder einführt, wenn die
Maschine aus solchen Kurbelstellungen
anfahren soll, in denen der Schieber im
Hochdruckcylinder die Einströmcanäle
absperrt ; es muss femer verhindert wer-
den, dass dieser in den Niederdruck-
cylinder eingeführte Dampf einen schäd-
lichen Gegendruck auf den Hochdruck-
kolben ausübe. Die Mallet'sche Einrich-
tung überwindet diese Schwierigkeiten
dadurch, dass eine besondere Umschalt-
vorrichtung die Maschine »während des
Anfahrens« in eine gewöhnliche Maschine
verwandelt.
Der Maschinen- Director W. Rayl der
Kaiser Ferdinands -Nordbahn war der
erste Techniker in Oesterreich, welcher,
die Vorzüge der doppelten Dampfdehnung
bei Locomotiven beachtend, Ende der
Siebziger-Jahre eine der alten Personen-
zug - Locomotiven, die » Nagy-Maros « ,
mit der Mallet'schen Einrichtung versah.
Auch die Oesterreichisch - Ungarische
Staatseisenbahn-Gesellschaft machte bald
darauf einige Versuche in dieser Rich-
tung, indem eine dreicylindrige Com-
pound-Locomotive nach der Bauart Webb
aus England bezogen und der Umbau
von einigen der älteren Sechskupplem
und Achtkupplern nach Mallet ange-
ordnet wurde.
Um über die Brennstoff-Ersparnis
genaue Ziffern zu erhalten, Hess die
Nordbahn im Jahre 1889 in Wiener-
Neustadt eine grössere Anzahl von
•) Vgl. Bd. I, I. Theil, P. F.Kupka,
Allgememe Vorgeschichte.
Geschichte der Elsenbahnen. II.
Sechskupplem bauen, von denen einige^
bei sonstiger Gleichheit aller Bestand-
theile, als gewöhnliche Maschinen, einige
als Compound-Maschinen mit der ein-
facheren Anfahr Vorrichtung von Lindner
und [bei späteren Lieferungen] von B o r-
r i e s ausgeführt waren. Der Erfolg war
ein unbestreitbarer; die Compounds er-
wiesen sich den einfachen Locomotiven
nicht nur in Bezug auf O economic, son-
dern auch in Bezug auf Leistung über-
legen. [Tafel XVII, Fig. 2, Seite 487.]
Im Jahre 1892 construirte der Ver-
fasser dieser Abhandlung eine Anfahr-
einrichtung, welche jeden besonderen
Anfahrmechanismus überflüssig macht.
Durch Anwendung grosser Füllungen
wird die schädliche Wirkung des Ge-
gendruckes aufgehoben, und durch
Anbringung von Bohrungen im Schieber-
gesichte des Niederdruckcylinders wird
vom Regulator Dampf in denselben ein-
geführt, wobei die Bethätigung dieser
Oeffnungen durch den Niederdruckschie-
ber erfolgt. Diese Einrichtung, welche
als Plus gegenüber den gewöhnlichen
Locomotiven nur eine kurze, enge Rohr-
leitung bedingt, stellt an die Geschick-
lichkeit des Fahrpersonales keine An-
forderung; die Führung der Maschine
hat genau so zu erfolgen, wie die einer
gewöhnlichen Locomotive.
Unter der Direction des Ministerial-
rathes H. Kar gl wurde die erste Com-
pound-Locomotive der k. k. Oesterreichi-
schen Staatsbahnen, wie auch die spä-
teren Locomotiven dieses Systems, im
Constructionsbureau der k. k. Staats-
bahnen vom Verfasser entworfen.
Die erste, ein gewöhnlicher Sechs-
kuppler, wurde im Jahre 1893 in Wiener-
Neustadt gebaut [Tafel XVII, Fig. 3,
Seite 487] ; wie bei der Nordbahn, konpte
auch hier bei nennenswerther Vermin-
derung des Brennstoffverbrauches eine
erhöhte Leistung im Vergleich zu den
sonst gleichen einfachen Maschinen
nachgewiesen werden.
Im darauffolgenden Jahre schon
wurden von den k. k. Staatsbahnen
Verbund - Schnellzug - Locomotiven be-
stellt, von denen die erste aus der
Locomotiv - Fabrik Floridsdorf hervor-
ging. An Stelle der Aussenrahmen mit
30
466
Karl Gölsdorf.
Kurbeln gelangte der Innenrahmen zur
Anwendung; der Kessel wurde so hoch
gelegt, dass die Feuerbüchse über die Rah-
men-Oberkante zu liegen kam. [Abb. 308
und Tafel XVII, Fig. 4, Seite 487.] Unter
Einhaltung des auf den Hauptlinien der
k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen zu-
lässigen Achsdruckes von i4Vj ^» erhielt
diese unter der Bezeichnung Serie 6
bekanntgewordene Maschine einen Kessel
von 29 m^ Rostfläche und 155 im* Heiz-
fläche. Die beiden auf demselben ange-
brachten Dome sind durch ein wei-
tes Rohr verbunden. Bei den amtlichen
Erprobungen wurden wiederholt Ge-
schwindigkeiten von 125 bis 130 km
pro Stunde erreicht. Im Zugsverkehre
entwickeln diese Locomotiven Leistungen
bis zu 800 Pferdekräften; bei einem
Eigengewichte von 56.000 kg sind also
nur 70 kg- Locomotiv-Gewicht für die
Leistung einer Pferdekraft erforderlich.
Die ungünstigen Neigungs- und Rich-
tungsverhältnisse der österreichischen
Hauptbahnen [insbesondere der k. k.
Staatsbahnen] waren ein Hindernis für
grössere Geschwindigkeiten; erst mit
den genannten Maschinen war es mög-
lich, auch bei uns Schnellzüge mit einer
maximalen Geschwindigkeit von 90 km
und einer commerziellen Geschwindigkeit
von 65 km pro Stunde einzuführen.
Die im Jahre 1893 für die Kaiser
Ferdinands-Nordbahn in Wiener-Neu-
stadt gebauten Verbund-Güterzug- Loco-
motiven, an denen auch die Anfahr-
einrichtung der Locomotiven der k. k.
Staatsbahnen angewendet wurde, sind
dadurch bemerkenswerth, dass an ihnen
bei drei gekuppelten Achsen noch ein
vorderes Deichselgestelle angebracht ist.*)
[Vgl. Tafel XVIII, Fig. i, Seite 488.]
Verbund -Güterzug- Locomotiven mit
derselben Anordnung der Achsen, jedoch
*) Diese Achsanordnung kam in Oester-
reich zu ersten Anwendung bei den von der
Locomotiv-Fabrik Krauss in München im
Jahre 1884 für die k. k. Oesterreichischen
Staatsbahnen gebauten Personenzu^-Loco-
motiven. Im Inlande wurde dieselbe zum
ersten Male an Personenzug -Locomotiven
ausyjeführt, welche die Maschinenfabrik der
Oesterreichisch-Unu^arischen Staatseisenbahn-
Gesellschaft im Jahre 1889 für die bulgari-
schen Staatsbahnen lieferte.
radial einstellbarer Laufachse anstatt
des Deichselgestelles und hoch gelegtem
Kessel gingen im Jahre 1895 aus der-
selben Fabrik für die k. k. Oesterreichi-
schen Staatsbahnen hervor. [Vgl. Tafel
XVIII, Fig. 2, Seite 488.]
Auch die von den k. k. Staatsbahnen
für die Wiener Stadtbahn angeschafften
fünfachsigen Tender- Locomotiven [Vgl.
Tafel XVIII, Fig. 3, Seite 488], von
denen die erste in der Floridsdorfer Lo-
comotiv-Fabrik im Jahre 1895 erbaut
wurde, sind als Verbund-Locomotiven aus-
geführt. Die an beiden Enden angebrach-
ten Laufachsen sind radial einstellbar.
Diese Maschinen wiegen, voll ausgerüstet,
69 /, von denen 43 t als Adhäsionsgewicht
nutzbar sind. Damit diese Locomotiven
auch auf den Hauptlinien Verwendung
finden können, erhielten die Wasserkasten
einen Inhalt von 8*3 w*.
Die Stadtbahn- Locomotiven sind im
Allgemeinen nicht dazu bestimmt, grosse
Dauerleistungen zu ergeben ; ihre grösste
Leistung haben sie beim Anfahren zu
entwickeln, weil wegen der oft nur 800
bis 1000 nt betragenden Stations- Ent-
fernung, die Geschwindigkeit von 30 bis
35 km auch auf Steigungen schon nach
Durchfahren von 300 bis 400 1« erreicht
sein muss. Aus diesem Grunde musste
eine schwere Type angeschafft werden,
welche bis zu 700 Pferdekräften bean-
sprucht werden kann.
Zur Verhütung des Rauchens wurden
an der ersten Maschine dieser Serie einige
Rauch verzehr-Apparate zur Erpro-
bung angebracht, unter Anderem auch
die [bei gleichmässiger Leistung der
Maschine], eine vollkommene Rauch-
verzehrung ergebende Petroleum-Feue-
rung System Holden, welche von den
k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen schon
seit einigen Jahren auf dem Arlberge
im grossen Tunnel bei allen Zügen An-
wendung findet.*)
*)Das Problem der Rauchverzehrung
fand in Oesterreich seit jeher die grösste
Beachtung. In den Fünfziger-Jahren wurde
vom Ingenieur Weiss em Rauchverzehr-
Apparat construirt, welcher aus einer hohlen,
vor der Rohrwand der Feuerbüchse aut-
gestellten Mauer aus feuerfesten Ziegeln
bestand, durch welche Luft über die Brenn-
stotischichte geleitet werden konnte. Mitte
Locomotivbau.
467
Viele der neueren, von den k. k,
Oesterre ichischen Staats bahnen betriebe-
nen Localbahncn sind mit Steigungen von
mehr als 25\o ausgeführt. Für diese
Linien, und auch für jene, auf wdchen
der Verkehr eine grosse Steigerung er-
fahren hatte, war die Aufstellung einer
stärkeren Type, als der bisher verwen-
deten dreiachsigen, erforderlich. Die erste
Ausführung derselben erfolgte in der
Locomotiv- Fabrik Krauss & Comp, in
Linz. Diese Verbund-Tender- L oco-
motiven haben drei gekuppelte Achsen
und eine vordere Radial-Achse.
XVIII, Fig. 4, Seite 488.] Einige dieser
Locomotiven verkehren auf der mit So'/oo
Steigung angelegten Loc albahn von
Schlacken werth nach Joachimsthal.
So lange die Schnellzuge auf den
Semmering, Brenner und Arlberg nicht
schwerer waren als HO bis 1 20 /, reichten
zu deren Beförderung die alten Sechs-
kuppler mit kurzem Radstande und Über-
hängenden Feuerkasten [Tafel XVI, Fig.
3 und 4, Seite 486] vollständig aus.
In den letzten Jahren sind aber
diese Züge so schwer geworden, dass
die Beigabe einer Vorspannmaschine
Die Steuerung weicht von der an I
allen vorerwähnten Locomotiven an- j
gewendeten Heusinger' sehen Steuerung
insoferne ab, als die Coulisse durch Winkel- 1
hebel und Gegenlenker ersetzt ist. [Tafel
der Sechziger- Jahre fand insbesondere auf
der Südbahn der Rauchverzehrer des fran- I
zösischen Inj^enieurs Thierry vielfach An- ;
Wendung. Er beruhte auf der Einführung |
von Dampf in feinen Strahlen durch ein im 1
Fe uerungs räume an der Box-Hinterwand ge- .
lagertes Rohr, und Einführung von Luft |
durch die halbgeöffnete Heizthüre. Fast alle
der in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren j
in Oesterreich entstandenen Rauchverzehr- \
Apparate sind dem Wesen nach nur Modi- ,
ficationen der Erfindungen von Weiss und 1
Thierry. |
Ohne Anwendung dieser complicirten ;
Einrichtungen wird schon eine wesentliche
Verminderung der Rauchentwicklung [und .
bessere Ausnützung des Brennstolfes | durch >
die von England her bekannt gewordenen 1
einfachen Chamotte-Ge wölbe an der Rohr- ,
wand erzielt, welche hier zuerst bei Jen höh- 1
mischen Bahnen, in den Siebziger- Jahren, An-
wendung fanden. Diese Erfahrung benützend, 1
nicht mehr Ausnahme, sondern Regel
wurde.
Die Südbahn ging daher im Jahre
1896 auf eine in Oesterreich neue Type,
den Sechskuppler mit vorderem zweiachsi-
construirte der Regierungsrath im k. k. Eisen-
bahn-Ministerium K. Marek im Jahre 1896
einen Apparat, welcher ausser einem langen
Gewölbe in der Feuerbüchse noch eine eigen-
Einrichtung, welche selbst bei grOssterLeistung
der Maschine den Rauch vollkommen verzehrt,
ist so einfach, dass die Handhabung keine
besondere Geschicklichkeit seitens des Heizers
erfordert. Sie ist bei vielen Locomotiven der
k. k. Oesterre ichischen Staatsbahnen ange-
bracht und findet auch schon bei vielen Privat-
bahnen Eingang.
Theorie und Praxis ergaben, dass mit der
Verzehrung des Rauches keine Brennstoff-
Ersparnis erzielt werden kann ; im günstigsten
Fall wird, weil jeder Rauchverzenr-Ap parat
eine achtsamere Behandlung des Feuers er-
fordert, der Brenn Stoff- Aufwand bei rauch-
freier und rauchender Feuerungs - Anlage
gleich sein.
30«
468
Karl Gölsdorf.
gern Drehgestelle über. [Vgl. Tafel XIX,
Fig. I, Seite 489.] Die ersten dieser
Maschinen wurden in der Maschinen-
fabrik der Oesterreichisch - Ungarischen
Staatseisenbahn-Gesellschaft gebaut;*) in
der Disposition des Kessels, der Steuerung
und vieler anderer Einzelheiten hat diese
Locomotive grosse Aehnlichkeit mit den
Verbund - Schnellzug - Locomotiven der
k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen.
Eine gleiche T3rpe, jedoch mit grösseren
Rädern, bestellte in der genannten Fabrik
in demselben Jahre die Oesterreichische
Nordwestbahn. Eine Locomotive dieser
Lieferung wurde nach dem Verbund-
System der k. k. Staatsbahnen ausgeführt.
[Vgl. Tafel XIX, Fig. 2, Seite 489.] Das
Drehgestell erhielt centrale Kugelauflage,
mit seitlicher Verschiebbarkeit. [Auch bei
dem Südbahn-Sechskuppler wurde bei spä-
teren Lieferungen dem Drehgestelle eine
seitliche Verschiebbarkeit gegeben.]
Auf dem Arlberge war diese Type,
welche auf günstigen Strecken mit 70 km
Geschwindigkeit fahren kann, nicht am
Platze, weil die Adhäsion von drei Achsen
nicht ausreichend ist für die Beförderung
von Schnellzügen, deren Belastung in den
Sommermonaten dort 200 bis 220 t er-
reicht. Für diese Linie wurde bei den
k. k. Staatsbahnen ein Verbund- Acht-
kuppler mit vorderer, radial einstellbarer
Laufachse entworfen, welcher im Jahre
1 897 in Wiener-Neustadt zur Ausführung
kam. Dieser Achtkuppler, mit Serie 170
bezeichnet, repräsentirt wohl die stärkste,
bisher auf dem Continente ausgeführte
Locomotive. Im regelmässigen Zug-
verkehre werden mit ihr Schnellzüge von
200 bis 220 t auf 26%o Steigung mit
25 bis 28 km Geschwindigkeit befördert.
Diese, rund 950 Pferdekräften ent-
sprechende Leistung ist doppelt so gross
als die der alten Südbahn-Achtkuppler
aus dem Jahre 1870. Die Rostfläche
beträgt 3*37 m^, die gesammte Heiz-
fläche 250 m^; während der, eine Stunde
dauernden Fahrt von Landeck bis Langen
werden 10 m^ Wasser in Dampf ver-
wandelt. [Vgl. Tafel XIX, Fig, 3, Seite 489.]
*) Diese Fabrik hatte schon ein Jahr
vorher für die orientalischen Bahnen [Türkei]
eine ähnliche jedoch schwächere Type
geliefert.
Um den Curvendurchlauf möglichst
zwanglos zu gestalten, wurde ausser der
Radialachse noch eine seitHche Verschieb-
barkeit der zweiten Kuppelachse ange-
ordnet ; die Führung der Maschine in den
Krümmungen erfolgt daher an drei Spur-
kränzen.*)
An fast allen seit dem Jahre 1893 ge-
bauten grossen Locomotiven fand wegen
des hohen Dampfdruckes von 12 bis 13
Atmosphären und derhiemit in Zusammen-
hang stehenden höheren Beanspruchung
der einzelnen Theile, an Stelle von
Schmiedeeisen und Gusseisen der »Stahl-
gus s« ausgedehnte Verwendung. Rad-
steme, Kreuzköpfe, Kolben u. s. w. werden
fast nur mehr aus diesem Materiale her-
gestellt, welches noch im Jahre 1 893 aus
dem Auslande bezogen werden musste,
heute aber von den österreichischen
Hüttenwerken [Witkowitz und andere] in
tadelloser Qualität geliefert wird.
Die eingehenden Versuche, welche in
der Maschinenfabrik der Oesterreichisch-
Üngarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft
[seit dem Jahre 1888 unter der Leitung
von A. Martinek stehend] mit dem Stahl-
guss in Bezug auf Widerstandsfähigkeit
und vortheilhafteste Formgebung ange-
stellt wurden, ermöglichten eine weit-
gehende Verminderung des Gewichtes
aller aus diesem Materiale angefertigten
Gegenstände.
Bei der im Jahre 1897 in der ge-
nannten Fabrik für die eigene Bahn ge-
bauten Verbund - Schnellzug - Locomotive
[vgl. Tafel XIX, Fig. 4, Seite 489] konnte
mit Beachtung der erwähnten Versuche
ein Achsdruck von 14 t eingehalten
werden. Eine besondere Umschaltvor-
richtung gestattet, den zwischen den
Rahmen angebrachten Hochdruck-Cylin-
der auszuschalten und den beiden aussen-
liegenden Dampfcylindem Volldampf zu-
zuführen, so dass diese Maschine auch
als einfache Zwillingsmaschine ver-
wendet werden kann. Diese Dispo-
sition war schon im Jahre 1889 an
einer Locomotive der französischen Nord-
*) Diese Anordnung wurde getroffen auf
Grund der vom Chef-Constructeur der Loco-
motiv-Fabrik Krauss & Co. in München,
R. Helmholtz, aufgestellten Theorie über
Curvendurchlauf.
Locomotivbau.
469
bahn, construirt von Ed. Sau vage,
angewendet.
Im Jahre 1898 wurden auch bei den
k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen bei
der weiteren Nachschaffung der vor-
erwähnten Schnellzug-Locomotiven, Serie
6, die Erfahrungen mit dem Stahlgusse
dazu benützt, die Rostfläche und den
Durchmesser des Niederdruck-Cylinders
bedeutend zu vergrössem, unter Ein-
haltung des limitirten grössten Achs-
druckes. Ferner wurde eine wesentliche
Vereinfachung der Rahmenconstruction
durchgeführt, so dass sich diese Type
nunmehr wie Fig. i , auf Tafel XX, Seite
490, repräsentirt. In dieser Form wurde
dieselbe auch für die Österreichische
Südbahn geliefert.
An den Achtkupplem, Serie 170, der
k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen wurde
bei der Lieferung vom Jahre 1898 in den
Stahlguss-Bestandtheilen ebenfalls eine Ge-
wichtsverminderung vorgenommen, welche
die Anbringung der schweren automa-
tischen Vacuumbremse ermöglichte. Auch
diese Type fand bei der Südbahn für
die Beförderung der Schnellzüge auf dem
Semmering Eingang.
Durch die Schnellzug-Locomotiven,
Serie 6, ist auf Linien, welche örtliche
Steigungen von nicht mehr als lo^oo
aufweisen, die Beigabe von Vorspann-
maschinen entbehrlich geworden, nach-
dem diese Maschinen Züge von 240 t
über diese Steigungen führen können,
und mit derselben Belastung in den
günstigeren Theilen der Strecke eine
Geschwindigkeit von 80 bis 85 km pro
Stunde erreichen. Auf der ehemaligen
Kronprinz Rudolf-Bahn und Gisela-Bahn
wechseln aber Steigungen von 14 bis
20^Iqq [für welche die Adhäsion von zwei
gekuppelten Achsen nicht mehr ausreicht],
mit horizontalen Linien ab, so dass sich
für diese Strecken das Bedürfnis nach
einer noch kräftigeren Locomotive, als
die genannte Schnellzug-Locomotive es ist,
herausstellte. Es wurde bei den k. k. Staats-
bahnen ein Sechskuppler mit T r u c k-
g e s t e 1 1 e [vorderem zweiachsigem Dreh-
gestelle] entworfen, welcher, um auch
für Geschwindigkeiten von 80 bis 90 km
geeignet zu sein, Treibräder von 1*820 m
Durchmesser erhielt. Im Gegensatze zu
den für die Südbahn und Nordwestbahn
ausgeführten Locomotiven mit derselben
Achsanordnung, erhielt diese Maschine
innerhalb der Rahmen liegende Dampf-
cylinder. [Vgl. Tafel XX, Fig. 2, Seite
490.] Der Kessel liegt bei dieser Lo-
comotive so hoch wie bei den Acht-
kupplern, Serie 170. An Stelle der zwei
durch ein Rohr verbundenen Dome ge-
langte ein grosser Dampfsammler aut
dem cylindrischen Kessel zur Anwen-
dung. Das Drehgestelle erhielt centrale
Kugelauflage mit seitlicher Verschieb-
barkeit; die Rückstellung in die Ge-
rade erfolgt durch eine Spiralfeder in
ähnlicher Anordnung wie bei den Lauf-
rädern der Wiener Stadtbahn- Locomotiven.
Bei den mit dieser Locomotive durch-
geführten Probefahrten wurden Leistun-
gen von 1200 bis 1300 Pferdekräften
erreicht.
Als der berühmte englische Ingenieur
Isambert Brunn el die Great-Western-
Bahn erbaute, wandte er eine Spurweite
von sieben Fuss an, um der weiteren Ent-
wicklung der Locomotive Raum zu geben.
Ein heftiger Wettstreit entbrannte zwischen
den Anhängern der breiten Spur und den
Anhängern der normalen Spur; dieser,
unter dem Namen »The Battle of the
gages« bekannt gewordene Kampf der
Geister, förderte mehr als irgend ein
anderes Ereignis die rasche Vervollkomm-
nung der Locomotive. Im Jahre 1846
bauten Bury, Curtis und Kennedy für
die London - North - Western - Bahn eine
Schnellzug-Locomotive, die »Liverpool«,
welche, die Leistungen aller Breitspur-
Locomotiven überbietend, als das »Ulti-
matum« der normalen Spurweite ange-
sehen wurde. Doch nur wenige Jahre
vergingen, und auch das »Ultimatum«
war überflügelt.
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wird die
Behauptung wiederholt, dass die Loco-
motive an der Grenze der Leistungs-
fähigkeit angelangt sei ; immer dann aber
wird diese Behauptung aufgestellt, wenn
die unbemerkt fortschreitende Verbesse-
rung der Einzeltheile, die sprungweise ein-
tretende Schafl"ung neuer leistungsfähiger
Typen vorbereitend, scheinbar einen Still-
Karl GölsJorf.
stand in der Entwicklung des Locomotiv-
baues vermuthen lässt-
Weit hinaus über den Grenzen der
jeweiligen Erkenntnis und des jeweiligen '
Wissens liegen aber — nur verschleiert
dem Auge der Phantasie erkennbar —
die Grenzen des auf dem Gebiete der
Technik Erreichbaren. Nur dort Hegen ,
die Grenzen, wo der Wille sie hinstellt, '
und wirklich vorhanden sind sie nur in i
Bezug auf bestehende Objecte.
Am Ende des neunzehnten Jahrhunden>
wurden in Oesteireicli Locomotiven ge-
schaffen, welche spielend looo Pferde-
kräfte entwickeln. Nicht ein Ultimatum,
nicht die Grenze der Entwicklung stellen
diese Gebilde der mühevollsten, sorgen-
vollsten, geistigen Arbeit dar : nur ein
Fundament sind sie, welches das schei-
dende Säculum dem kommenden zwan-
zigsten Jahrhundert zum weiteren Aul-
bau überliefert.
Tafel L")
Fig. ..
d
= 355 mm
1
= 511 »
D
= 1560 .
= 6'/s Atm.
R
= 106 «"
H
= 6060 .
G
= 21.800 kg
^
Fig. 1.
1
d = 370 mm
1 = 448 -
°
D = 1264 ,
p - 5'/. Atm.
R _ 079 ».■
H = 3350 .
ofP
G = 16.800 hg
ff!
A = 10.500 »
= 333 "IM
^ 474 »
= 1738 .
= 5'/i Atm.
. 075 '"'
= 4770 »
: 15.000 kg
-- 0.500 .
Fig. 4-
d = 321 mm
1 = 569 .
D = 1538 .
p = 5Vi Atm.
R = 092 ?M»
H = 46-30
G = 14.700 kg
A = 9.000 •
•) Auf den folgenden Tafeln bedeutet: d = Cylinder-Durchmesser, 1 = Kolbenhub,
D = Treibrad-Durthmesser in mm, p = Dampfdruck in Atmosphären ertectiv, R ^ Rost-
fläche, H = Heizfliiche in »1*, G = Gesammt-Ge wicht und A = Adhäsionsgewicht in kg.
Karl GOlsdorf.
Tafel II.
Fig. I.
d = 368 n%m
I = 579 >
D = 1422 .
p = 6 Atm
R = 123 »I»
H = 81 80 .
G = 22.400 kg
A = 15.680 .
Fig. 2.
d = +(8 r
E = I 39 ^
I = 135-90
fl ~ms\.
Fig- 3
d = 368 mm
1 - 579 »
D = 1738 .
p = 6 Atm,
R = I-l6 m*
H = 8710 .
G = 27.27a kg
A = 10.752 >
H - 99-30 .
G = 24.350 kg
A = 16.ZOO >
Locomotivbau.
Tafel HI.
, s, ft -8 ^ " ;
II II II
I a <
Karl GOlsdorf.
Tafel IV.
> O K W-o a - o.
II II II II II II II n
> n X svis D _ B<
II 11 II II II II II II
3 -"
Locomolivbau.
Tafel V.
Fig. I.
d = 421 mm
' = 579 »
D = 1580 .
R = 174 »"'
H = 132-40 »
G = 53-900 kg
A = 2x500 »
d = 461 »
1 = 633
H = 126 10 .
G = 34 720 kg
A = 34.720 .
Fig. 3.
d = 316 mtlt
1=421 .
D = 948 .
p = 6 Atm,
R = 050 m'
H = 47-60 .
Fig. 4.
d = 250 mm
1 = 421 >
D = 948 >
p = 67 Atm.
R = 050 m»
H = 3000 >
G = 11.000 kg
A = 7.000 »
476
Karl GOlsdorf.
Tafel VI.
Fig. I.
d == 316 mm
1 = 421 1
D = 790 »
p ^ 6*7 Atm
R = 056 w'
H = 5180 >
G = 18.000 k^
A = 13.000 »
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. 2.
395 »w"'
580 »
6*/, Atm.
rio m*
103-30 »
30.688 kg
19.824 >
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. S
405 mm
610 *
1610 »
7 Atm.
1-29 w-
108-30 »
32.250 ho
21.250 >
♦ 2lftfi
iQ«>:> j, 117 ;^ n^ofli
ftQflfl.
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. 4-
400 f«w'
632 »
1500 '
8Vj Atm.
1-65 "''
128-4 '
38.600 H
25.900 '
Locomotivbau.
Tafel Vll.
d = 460 mm
1 = 632 .
D = 1180 .
p = 8'y, Atm.
R = I 65 m"
H = 128-40 .
G = 38.600 kg
A = 38.600 .
I = 632 .
D = 1580 .
p = 9 Atm.
G - 35.000 kg
H =; 23.200 »
1 = 632 .
D = 1580 .
p = 7 Atm.
R - 1-35 «•
H = 131 60 t
G = 33.300 kg
A = 23.000 )
d = 457 '""'
I = 632 .
D = 1264 »
p ~ 7 Atm.
R ^ 1-29 m'
H - 138-12 .
G = 30.700 kg
A = 30.700 i
478
Karl Gölsdorf.
12000 >
G = 38.350 k^'
G = 28.350 •
Fig. 2.
d = 3t6 mm
1 = 633 »
D = ito6 .
p = 6'/* Atm.
R = o-8i tn'
H = 50-59 >
G = 25.950 £i-
A = 25.950 .
G = d7 300 kg
A = 47.300 .
Fig. 2.
d = 421 Hin
1 = 632 .
D = 1164 .
p ^ 9 Atm.
I 90 n
H =
I2I0
G = 33S«> kg
A = 33.500 .
1 = 632 .
D = 1186 .
p = 9 Atm.
R = 1-90 m»
H = 180-40 .
G = 44.350 kg
A = 44.350 .
= 395 """
= 632 .
= 1077 '
= 10 Atm.
=^ ZOO m»
= 10350 .
— 32.200 kg
~ 32.200 >
'■
48o
Karl GOlsdorf.
d
1
D
P
R
H
G
A
Tafel X.
Fig. I.
= 435 mm
= 632 »
= I185 »
= 8 Atm.
= 170 m*
= 13700 »
== 34.100 kg
= 34.100 >
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. 2.
: 290 mm
: 425 »
: 400 >
9 Atm.
056 m*
= 35-87 >
= 22.000 Jfe^
: 22.000 9
d = 411 mm
1 = 632 »
D — 1900 »
p = IG Atm.
R = ' 164 m*
H = 107-60 >
G = 39.500 kg
A — 23.000 »
1874.
^^
=i^
0
)Ö-Ö^-
>
'^
t^rjt ""^J-^J
f. Zm ^ 1570 _ _ ^ J20C ., 1
-t5W:u ^ ^fl.7Q. ^_ 10«3.. .^
I I _
Fig. 4.
d = 400 mm
1 = 632 »
D = 1900 *
p = 10 Atm.
R = 2-00 w*
H = 9550 »
G = 38.050 kg
A = 21.400 >
Locomotivbau.
Tafel XL
Fig. I.
= 632
: 1900
: III'OO »
= 42.000 kg
= 24.500 .
H
1 = 632 >
D = 1580 .
p = 8'/« Atm.
R = 170 m'
125-00 >
36.003 kg
20.700 1
482
Karl GOlsdorf.
i*oq i Mao 1 163(L
JJ. .___
•g
Ta/«/ A7/.
d = 281 mm
1 = 432 .
D = 950 .
p ^ 10 Atiti.
R = 09Ö Hl'
H = 55 00 .
G = 27,300 kg
A = 27.300 .
d ^ 225 mm
I = 400 >
D = 10,5 .
p =i 10 Atm.
R = 0-64 m'
H = 4250 I
G = 20.000 tg
A ^ 11.000 >
Fig. 3.
i ^ 250 mm
H = 34 16 .
G = 23.400 kg
A = 15,600 1
=
12 Atm.
K
=
0 87'"'
H
=
3820 .
G
=
20.290 H
A
=
11.990 ■
Locomotivbau. 483
Fig. 4.
D = IIOO .
R - 250
p — 11 Atm.
H = 164 0
Tafel XIII.
Fig. I.
d
= 450 mm
1
= 600 .
D
=1110 »
P
= 9 Atm.
R
= I 68 m»
H
— 12620 •
G
= 50-800 kg
A
= SO-800 .
p = 12 Atm.
R = 090 m*
-. 26.000 kg
: 26.000 •
= 72,500 kg
- 53«» '
484
Karl GOlsdorf.
1884.
Vf
K=il
¥
f
l
A
^^
N \\
f^.. X-T- /-^4iK-.
N-,^^/" 2:^
L i4«e _i 5
JIL
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JLUUL
-J9M
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"^J
j 1.
- J»^»5t»
Tafd XIV.
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. I.
500 mm
: 610 >
1100 I
IG Alm
rio ffi'
■' 152-9 ♦
: 56.500 %
= 56.500 >
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. 2.
500 ww
= 570 »
: II20 »
: II Atm
2 25 ;h*
: 18200 »
: 55.000 k^
: 55.000 .»
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. 3-
= 435 """
= 630 y
= 1710 '
= 9 Atm.
= 1-86 «'
= 12400 >
= 41.500 i'^
= 25000 3
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. 4-
= 425 mm
= 630 >
= 1800 '
= 10 Atm.
= 2'08 »I*
= 126 >
= 45000^'jr
= 27.600 >
.. J4SI
S?«"-
^ 8X .«_60C_
Locomotivbau.
485
Tafel XV.
D
P
R
=
1720 .
10'/, Atm
2-01 .«'
H
G
A
E
nsso •
4 '.447 *j;
25-340 •
Fig. 3-
425 «
600
1 =
D = 1740 •
p — 12'/, Atm.
R = 2 33 '"•
H = 13153 '
G = 47-800 kg
A = 2ä.000 >
Fig 4-
d = 435 .M»H
1 = 630 .
D = 1800 1
E = 206 m'*
H = 127 .
G = 45.500 kg
A = 27.600 •
486
Karl Gölsdorf.
Tafel XVI
- .-«Sil
-^ . llie ^ _. _ U2Q. 4 «SO- « _ - - 2S7-A ^
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. I.
= 450 Wim
= 632 .
= 1760 »
= 12 Atm.
= 2*30 wi'
= 141 50 »
= 46.600 kg
- 27.600 >
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. 2.
= 460 mm
= 650 >
= 2120 >
= 9 Atm.
= 2*3c6 m^
= 131-80 >
= 48.600 k^
= 27.300 >
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig 3
= 450 mm
= 632 »
= 1300 »
= II Atm.
= 1 80 >«'
= 13200 »
= 42 000 ^^
= 42 000 3
1876.
"^C."
Fig. 4-
d = 480 mm
1 = 610 >
D = 1265 >
p = 10 Atm.
R = I 70 m'
H = 135' »0 •
G = 42.000 ks
A = 42.000 »
Locomotivbau.
487
Tafel X VIL
I S94.
d
1
D
P
R
H
G
A
Fig. I.
450 tnfn
'- 650 >
= 1460 »
= 10 Atm.
= 2-32 m*
= 14020 »
= 41.600 kg
= 41.600 >
d:
1
D:
P =
R
H:
G:
Ar
Fig. 2.
480 u. 740 mm
: 660 »
1440 »
12 Atm.
2 20 m*
133-50 »
42.000 kg
42.000 »
d =
1=
D =
P =
R =
H =
G =
A =
Fig. 3.
50OU.740 mm
632 >
1300 »
12 Atm.
180 !«•
13400 »
42.600 )t^
42.600 >
Fig. 4.
500 u. 740 mm
680 >
2120 »
13 Atm.
290 m'
15500 »
56.600 it^
29.000 »
».. 2900
•. l'Sfl .^
488
Karl GOlsdorf.
Tafel XVIII.
Fig. I.
d= 480 u. 740 «im
1= 660
D = 1440
p= 12 AtniL
R = 2*20 m*
H= 14750
G = 51.000 k;r
V ^--^ i I A= 38,600
N^ ;.y ^ ! — L_i_
520U.74OW/M
632
1300
13 Atm.
270 m^
14490
53.450 kfr
43.000 J
-t«^^
142 m'
8200 »
39.400 kg
30.000
Locomotivbau,
489
Tafel XIX.
Fig. 3.
d =
5^ou8oo t
1 =
632
D=
1300
p =
13 Atm.
K =
3-37 >»»
4 =
25000 .
G =
69.000*^
V =
57.000 .
Fig. 4-
d= 470U.500 I«
1= 650
D = 3IO0
p= 13 Atm.
R= 290 wi'
H= i6s
G = 54. 150 kg
Karl GAUdorf.
Fig. 2.
d= 530u.8lowift D = i820hi(» R= .'
I~ 7J0 > P= M Atm. H= 20790 ;
Wagenbau.
Von
Julius von Ow,
Ober-Inspector der österreichischen Staatsbahnen im k. k. Eisenbahn-Ministerium.
MIT Recht kann man den Wagen als
den Keim, das Grundorgan des
gesammten Eisenbahnwesens be-
zeichnen, denn es musste zuerst das auf
Kadern bewegliche Fahrzeug, welches
wir mit dem Gattungsnamen >Wagen€
bezeichnen, vorhanden sein, ehe das Be-
dürfnis nach Herstellung einer Bahn und
Beschaffung eines Motors, zur leichteren
Weiterbeförderung eben dieses Fahr-
zeuges, eintreten konnte.
So lange die Führung der Räder im
Geleise nur durch eine seitliche Weg-
begrenzung bewirkt wurde, kann fUghch
von besonderen Eisenbahnwagen nicht
die Rede sein. Erst das mit einem Spur-
kranz versehene Rad, welches auf der
Schiene läuft, ist ein Constructionsdetail,
welches nur dem Bahn- oder Eisenbahn-
Fahrzeuge eigenthümlich ist, und deshalb
kann man nur die mit solchen Rädern
versehenen Wagen als Eisenbahnwagen
bezeichnen.
Die ältesten bei Bergbauen und ähn-
lichen Anlagen verwendeten Eisenbahn-
wagen sind ihrem Zwecke entsprechend
so einfacher Construction, dass dieselben
auch im Vergleiche mit den damals be-
standenen Strassenwagen als sehr unter-
geordnete Erzeugnisse des Wagenbaues
erscheinen müssen.
Erst nachdem die Eisenbahnen nicht
nur localen Industriezwecken, sondern
auch dem allgemeinen Verkehr zu dienen
hatten, begann der Eisenbahn-Wagcnbau
an Bedeutung zu gewinnen und sich zu
einem Special - Industriezweige auszu-
bilden.
Inwiefeme nun die österreichischen
Techniker sich an dem Fortschritte im
Wagenbau betheiligt haben, und in
welcher Weise die allgemeinen Fort-
schritte im Wagenbaue seitens der öster-
reichischen Bahnen zur Förderung und
Hebung des Eisenbahn - Verkehres zur
Anwendung gebracht wurden, soll den
Gegenstand der nachstehenden Abschnitte
bilden.
I. Wagenuntergestelle.
a) Radstand.
Die Construction des Laufwerkes der
Wagen steht in unmittelbarem Zusammen-
hange mit den jeweiligen Anforderungen,
welche an die Verkehrssicherheit und
Fahrgeschwindigkeit gestellt werden.
Diese Anforderungen waren zur Zeit der
ersten österreichischen Pferde- Eisenbahn
noch sehr gering. Es genügte, dass
der Wagen bei massigem Fahrtempo
sicher im Geleise blieb, und selbst Ent-
gleisungen waren mehr unbequem als
gefährlich ; die Zugkräfte waren gering,
daher war weder die Zusammenstellung
einer längeren Wagenreihe möglich, noch
eine besondere Sorgfalt für die Con-
struction der von der Zugkraft in An-
spruch genommenen Bestandtheüe der
Wagen noth wendig.
494
Julius von Ow.
Im Jahre 1828 wurden bereits nach
englischem Muster Räderpaare mit auf
der Achse festsitzenden Rädern herge-
stellt, und auch für die allerdings sehr
einfachen Rahmen standen englische
Modelle zur Verfügung, welche für die
Untergestelle der ersten Wagen der Linz-
Budweiser Pferdebahn benützt wurden.
Gegenüber der geringen verfügbaren Zug-
kraft war der in den Bahnkrümmungen
eintretende Widerstand, der bei einem
Radstande von i'i tn parallel gelagerten
-^zr^3^=r^4
"r"
Abb. 309. Lenkachsen der Linz-Budweiser
Pferdebahn. [1828.]
Achsen, so bedeutend, dass man hierin
ein wesentliches Verkehrshindernis fand
und eine Verminderung dieser Wider-
stände anstreben musste. Gerstner
unterzog diese Frage einem eingehenden
Studium, dessen Ergebnis zur Anwen-
dung von horizontal verstellbaren Achsen
führte. Man versah die beiden über
den Achsen angebrachten Achsstöcke an
vier symmetrischen Punkten mit Kloben,
zwischen welche zwei gleich lange Ver-
bindungsschienen mit Charnierbevvegung
diagonal eingelegt wurden. [Abb. 309.]
Diese Construction wurde für die Wasrcn
der Linz-Budweiser Pferdebahn im Jahre
1828 angenommen und bis zur Auflassung
dieser Bahn beibehalten, doch wurden
von allem Anfang an auch dreiachsige
Wagen mit verstellbaren Achsen gebaut.
Im Jahre 1 845 wurde von F. W e t z ii . -i
in Wien ein Patent auf eine ähnliche
Construction genommen, welche die An-
wendung des gleichen Principes auch lü'
Locomotivbahnen ermöglichen sollte. An
Stelle der einfachen Achsböcke wurden
Trucks verwendet, in welchen die Achscr.
unter Tragfedern gelagert waren; aii
diesen Trucks ruhte der Untergestcll-
rahmen mittels je zwei Rollen. De:
Drehzapfen war an der Mitte der äusserer.
Rückwand der Trucks angebracht. Ik:
Radstand betrug 208 w. [Abb. 310.] Dieses
System fand wohl aus dem Grunde keine
weite Verbreitung, weil bei den ersten
österreichischen Locomotivbahnen keine
so scharfen Bahnkrümmungen angelei.^
waren, welche bei einem Radstande vor.
kaum mehr als 2 nt verstellbare Achser.
erfordert hätten.
Im Jahre 1826 wurde von C. E. Kraft
das Modell eines dreiachsigen \Vao:ens
hergestellt, nach welchem vonGrillo in
Pottenstein zwei Probewagen für die
Linz-Budweiser Pferdebahn ausgefühn
wurden. Bei diesen Waagen war die
Mittelachse mit dem darüber liegenden
Achsstock nur senkrecht zur Geleisachse
verschiebbar. Durch den auf dem Achs-
stock gelagerten Rahmen wurden bei
Verschiebung der Mittelachse die Achs-
Stöcke der beiden Endachsen, beziehungs-
weise letztere selbst in eine entsprechende
Winkelstellung zum Geleise gebracht
[Abb. 311.] Mit diesen Wagen wurden
Clurven von 20 m Radius ohne Anstand
durchfahren.
Von Interesse ist die nachstehend ange-
führte Mittheilung, welche Ed. Schmjdl
von dem die Anregung zu dieser Con-
struction ausging, über die erste Probe-
fahrt mit diesen Wagen veröffentlichte:
»Die erste Probefahrt im Gefälle
von I : 300 und bei steten Curven von
100^ Radius hatte unter den un-
günstigsten Umständen stattgefunden :
der Wagen nur durch vier Personen, al^o
viel zu wenig belastet, ohne Deichsel und
ohne Bremse, wurde je nach gewonnener
Ueberzeugung über dessen Dienstbarkeit
von einem Pferde immer schneller una
endlich im Carriere geführt, als man, uni
ein Felsenriff hervorgelangt, plötz'^'"
in die hr)chst beunruhigende Lage ver-
Wagenbau.
495
setzt war, einige Klafter vor einer 7^
hohen Brücke die Schienen auf mehrere
Klafter Länge abgenommen und den
Bahnwärter in der Reparatur begriffen,
ansichtig zu werden. Die Mittel, den
Wagen vor der Stelle der Gefahr zum
Stillstand zu bringen, ja auch nur selbst
dessen übertriebenen Lauf zu massigen,
fehlten; es blieb somit keine Wahl, und
Pferd und W^agen mussten über die ge-
störte Bahnstelle, es möge erfolgen was
da wolle, hinübergejagt werden. Der
Wagen, in diese Stelle gelangt und die
im Wege liegenden Werkzeuge und
Hindemisse übersetzend, erhielt mehrere
tüchtige Stösse, aber auch schon gewährte
der sanfte Gang auf den Geleisen der
Brücke die volle Beruhigung der glücklich
überstandenen Gefahr. Unter diesen Um-
ständen möchte ich nicht auf einem vier-
rädrigen Waagen gewesen sein ! ! Später
auf gleiche Art zu einer eben auch in
Reparatur befindlichen Stelle auf einen
Damm gelangt, dachte Niemand mehr
an eine Gefahr und man übersetzte sie
mit vollem Gleichmuth — natürlich die
Stösse abgerechnet — ebenso glücklich.«
[Zeitschrift des Oesterreichischen Inge-
nieur-Vereins, 1857.]
Diese bei der Linz-Budweiser Pferde-
bahn zur Ausführung gelangten Con-
structionen, dürften wohl die Grundlage der
viele Jahrzehnte später neu entstandenen
Lenkachsen-Constructionen ge-
wesen sein ; dieselben lieferten jedoch auch
den Nachweis, dass es österreichische
Ingenieure waren, welche zuerst die
Radialstellung der Achsen einem erfolg-
reichen Studium unterzogen haben.
Als im Jahre 1838 als erste Locomotiv-
bahn Oesterreichs die Kaiser Ferdinands-
Nordbahn eröffnet wurde, deren Fahr-
betriebsmittel nach englischen Normalien
beschafft worden waren, gelangten zwei-
achsige Wagen mit steifem Radstande von
circa 2*4 m zur Anwendung, welche bei
den grossen Krümmungsradien dieser
Bahn kein Bedürfnis nach verstellbaren
Achsen aufkommen Hessen.
Für die im Jahre 1841 eröffnete Wien-
Gloggnitzer Eisenbahn sowie für die
gleichzeitig in Bau genommenen Linien
der österreichischen Staatsbahnen wurde
die Type der vierachsigen amerikanischen
Wagen acceptirt. Diese Wagen hatten
zweiachsige Trucks von i*2 — 1*5 tn Rad-
stand, und Drehzapfen-Entfernungen von
6-0— 6'8 nt. Um eine mehr gleichmässige
Unterstützung des Untergestelles der vier-
Ahh. 310. Lenkachsen von F. Wetzlicb. (1843.]
7rt^:>=f^fe^-
achsigen Wagen zu erzielen, wurden in
den Jahren 1 851 — 1854 für die Staats-
bahnlinien vierachsige Wagen ohne Dreh-
gestelle gebaut, bei welchen die beiden
mittleren Achsen, so wie bei zweiachsigen
Wagen parallel geführt wurden, während
die beiden Endachsen schräge geführte
Achsbüchsen erhielten, durch welche die
Endachsen in Geleisekrümmungen in eine
radiale Stellung gebracht werden. Diese
496
Julius von Ow.
von Adams construirte Achsenanordnung
hat sich bei geringen Fahrgeschwindig-
Noch in den Achtziger-Jahren waren
nur steif geführte Achsen tlblich, für
keiten gut bewährt, und sind solche i welche man Radstände bis 5 m, über-
Wagen heute noch im Betriebe. [Abb.
312 uiid 313.]
Obwohl im Jahre 1841 und in den
folgenden Jahren die vierachsigen Wagen
in Oesterreich die be-
vorzugte Wagentype
waren, nach welcher die
Ausrüstung der damals
im Bau begriffenen
Bahnen erfolgte, so
konnten sich dieselben
den Vorzug vor den
zweiachsigen Wagen
für die Dauer doch
nicht erhalten, so dass,
während letztere weiter
verbessert und ausge-
bildet wurden, die vier-
achsigen Wagen all-
mählich auf den Aus-
sterbe-Etat gesetzt wur-
den. Nach dem Jahre
-< -
Abb. 313. Achsbuchse von Adams. [l8si.]
wiegend jedoch solche von 3— 4 m
anwendete. Als jedoch das Bedürfnis
eintrat, noch längere Radstände auszu-
führen und steif geführte Achsen für
Linien mit kleinen Bö-
gen nicht mehr unbe-
schränkt zulässig er-
schienen, kamen die
verstellbaren Achsen,
welche seinerzeit bei
der Linz-Budweiser
Pferdebahn üblich wa-
ren, wieder zur Geltung.
Der Verein Deutscher
Eisenbahn - Verwaltun-
gen, unterzog in den
Jahren 1884 und 18S5
die Frage der Zulässig-
keit verstellbarer Ach-
sen eingehenden Be-
rathungen und Erpro-
bungen, deren Ergeb-
Abb. 313. Personenwagen mit Adams- Achsen. [i%2.]
1854 wurden vierachsige Wagen durch
etwa 40 Jahre in grösserer Anzahl nicht
mehr gebaut. Es waren verschiedene Mo-
mente, welche gleichzeitig zusammen-
wirkten, um zu jener Zeit den zweiachsigen
Wagen wieder den Vorrang zu sichern.
Einerseits fand man es vortheilhafter, über-
haupt kürzere Wagen zu bauen, anderer-
seits vergrösserte man allmählich den Rad-
stand der zweiachsigen Wagen sowie auch
die Stärke der Achsen, wodurch man zwei-
achsige Wagen erhielt, deren Radstand und
Fassungsraum sich jenem der alten vier-
achsigen Wagen näherte. Man zog es vor,
in Fällen, wo längere Wagen erforderlich
wurden, dreiachsige Wagen zu bauen.
nis die Approbirung der zulässigen Con-
structionen als »Vereins- Lenkachsen«
war. Zuerst wurden die zwangläufigen
und kraftschlüssigen Lenkachsen als
Vereins - Lenkachsen approbirt, die aui
dem Constructionsprincipe der vorerwähn-
ten Pferdebahnwagen beruhten, sodann
wurden auch freie Lenkachsen für unge-
bremst eWagen und schliesslich [1890] auch
solche für gebremste Wagen als zulässig
erkannt. Infolge des Umstandes, dass
letztere Gonstruction gar keine Mehr-
kosten verursacht und die Anwendung
von grossen Radständen zulässt, wurde
seit dem Jahre 1890 der Bau von kraft-
schlüssigen Lenkachsen nahezu gänzlich
497
verlassen und kamen dagegen die freien
Lenkachsen in ausgedehntem Masse zur
Anwendung. Seither werden zwei- und
dreiachsige Wagen bis zu 7 m Rad-
stand gebaut.
Obwohl durch die Anwendung
von Lenkachsen grössere Radstände
und mithin auch längere Wagen zulässig
wurden, so ergab sich doch das Be-
dürfnis, sowohl in der Länge als auch
im Gewichte der Wagen noch weiter
zu gehen, und da hiefUr zwei und drei
Achsen nicht mehr ausreichend waren,
so wendete sich die Aufmerksamkeit der
Constructeure wieder den seit mehreren
baut werden, wogegen fUr Guterwagen
mit Ausnahme von Specialwagen nahezu
ausschliesslich die zweiachsigen Typen
beibehalten sind.
Die neuartigen Drehgeste II wagen wer-
•den mit Drehgestellen von durchschnittlich
3-5 m Radstand (Abb. 314], bei einer
Drehzapfen-Entfernung von 12 m, einer
Untergestell -Länge von 16—17 »» und
einem Eigengewicht von32. 000 — 35. 000 A^
ausgeführt. Bei zweckmässiger Federung
und Gewichtsvertheilung gestatten solche
Wagen einen ruhigen Gang, grosse
Fahrgeschwindigkeiten und ein leichtes
Durchfahren der BahnkrQmmungen.
Abb. HA. Drebeeitclle ein« vi«
Decennien wenig beachteten vierachsigen
Wagen zu. Es hatten sich im Laufe
der Jahre im Wagenbau so viele Neu-
erungen und Verbesserungen ergeben, dass
die neuen vierachsigen Wagen mit den
in den Vierziger-Jahren üblichen Typen
kaum mehr als das Prineip der Dreh-
gestelle gemeinsam haben. Die in Oester-
reich seit dem Jahre 1894 wieder in
grösserer Anzahl gebauten vierachsigen
Wagen sind so ziemlich nach dem
Muster der Wagen der Internationalen
Schlafwagen -Gesellschaft und diese
wieder nach amerikanischen Vorbildern
gebaut.
Nachdem das Bedürfnis nach langen
schweren Wagen hauptsächlich für Luxus-
oder Schnellzugswagen zur Geltung
kommt, so sind es auch insbesonders
Salon- und Personenwagen, welche in
Oesterreich als vierachsige Wagen ge-
Geicblctate dei EiseDbatmeu. II.
b) Buffer und Zugvorrichtungen.
Die St oss Vorrichtungen wurden noth-
wendig, sobald man mehrere Fahrzeuge
mittels eines Motors fortzubewegen be-
gonnen hatte. Die älteste Form der
Sto SS Vorrichtungen ist die einfache Ver-
längerung der Langträger, so dass bei
der Zusammenstellung einer Wagen reihe
diese stumpf zusammen s tos sen. Für Bahn-
wagen etc. wird diese einfache Construc-
tion heute noch angewendet und in
England findet man dieselbe auch noch
in neuerer Zeit bei Güterwagen von
Hauptbahnen.
Bei den ersten Loco motivbahnen
in Oesterreich bestanden bereits bei eng-
lischen Fahrbelriebsmitteln elastische
Buffer; die hölzernen, mit R oss haar gepol-
sterten und mit Leder überzogenen Stoss-
scheiben der Buffer waren auf Stangen be-
32
498
Julius von Ow.
festigt, deren Ende auf eine horizontale
Blattfeder wirkte. Diese Einrichtung fand
jedoch bei den ersten Wagen der Kaiser
Ferdinands-Nordbahn nur an Wagen I.
und IL Classe statt, während jene
III. Classe mit ungefederten gepolsterten .
Stossballen versehen waren.
In den Vierziger-Jahren bestand noch
nicht das Bedürfnis nach Freizügigkeit
der Wagen, man konnte sich damit be-
gnügen, wenn nur die eigenen Wagen
zusammenpassten. Dies kam in der ver-
schiedenen Bufferanordnung der ver-
schiedenen Bahnen am deutlichsten zum
Ausdruck. Es gab eine belgische, eine
badische und eine bayrische Buiferweite
und wieder von diesen abweichend war
die weite [englische] Bufferstellung der
Kaiser Ferdinands-Nordbahn und die enge
amerikanische] Bufferweite der k. k. Staats-
3ahnen. Durch die Anschlüsse der Nord-
bahn und k. k. Staatsbahnen sowie durch die
wechselnden Eigenthumsverhältnisse trat
zunächst für diese Bahnen das Bedürfnis
nach einer einheitlichen Bufferstellung zu
Tage, und man entschloss sich, die enge
Bufferweite zu acceptiren und reconstruirte
die Wagten der Kaiser Ferdinands- Nord-
bahn auf enge Buffer weite. [66d mm.]
Doch nicht lange konnte diese Ein-
heitlichkeit bestehen. Die Versammlung
der deutschen Eisenbahn-Techniker im
Jahre 1850 in Berlin stellte einheitliche
Normen für die Bufferabmessungen auf,
welche schon früher bei den norddeutschen
Bahnen eingeführt waren ; dieselben Be-
stimmungen gingen in die .technischen
Vereinbarungen des Vereins deutscher
Eisenbahn - Verwaltungen« über, und
brachten die so nothwendige Ueberein-
stimmung in diesen Abmessungen zu-
stande. Infolgedessen mussten die öster-
reichischen Bahnen das enge Buffersystem
wieder verlassen, um endgiltig zu dem
Vereinsnormale überzugehen.
Man findet bei den alten Wagen
mit enger Bufferstellung meistens die
Anordnung getroffen, dass der Zughaken
mit einer horizontal liegenden Blattfeder
verbunden ist, deren Enden beiderseits
sich auf die nach innen verlängerten
Bufferstangen stützen. Die Feder war
somit zugleich Zug- und Stossfeder, die
einwirkenden Kräfte wurden durch An-
sätze oder Keile in den Zug- und Stoss-
Stangen auf die Brust des Wagens über-
tragen, welche dadurch sehr in Anspnich
genommen wurde. Infolge der Erwei-
terung der Bufferstellung wurde diese
Anordnung unbequem, weil sehr lange
und schwere Federn nothwendig wurden.
Man trennte daher die Federung dieser
Bestandtheile, versah jeden Buffer mil
separater Feder und ebenso die Zugvor-
richtung. Nachdem sich für letztere
Blattfedern wenig eigneten, wurden Volut-
federn oder eine Reihe übereinander
gelegter Gummiringe angewendet. Die
Brust des Wagens entlastete man dadurch,
dass die elastische Verbindung in die
Zugstange gelegt wurde, so dass durch
diese die Zugkraft fortgepflanzt und auf
das WagengesteUe nur die für die Be-
wegung des einzelnen Wagens erforder-
liche Kraft übertragen wurde. Ein Uebel-
stand hiebei war, dass die ganze Zug^kratt
durch die Federn der ersteren Wagen
Obertragen werden musste, wodurch diese
übermässig in Anspruch genommen wur-
den, während diese Inanspruchnahme
sich gegen das Ende des Zuges immer
mehr verminderte. Eine wesentliche
Verbesserung wurde durch den damali-
gen Ober-Ingenieur der Südbahn, Herrn
F. Fischer von Rösslerstamm, im Jahre
1849 bei Wagen der Semmeringbahn ein-
geführt, indem derselbe die Zugstangen-
theile unter dem Wagen fest verband
und die Feder zwischen der Zugstange
und dem Wagenuntergestelle einschaltete.
Es bildete somit die Zugvorrichtung
längs des ganzen Zuges eine Stangen-
kette von constanter Länge, von welcher
aus durch die einzelnen Federn die Zug-
kraft auf je einen Wagen übertragen
und hiedurch die Inanspruchnahme sämmt-
lieber Federn eine nahezu gleiche wurde.
Der Vortheil dieser durchgehenden
Zugvorrichtung war ein so eingreifender,
dass dieselbe bei allen Vereinsbahnen
rasche Verbreitung fand, und heute
noch nahezu ausschliesslich angewendet
wird. Die vorzügliche Qualität der Stahl-
federn, deren Erzeugung insbesonders
eine Specialität österreichischer Werke
ist, hatte zur Folge, dass bei den öster-
reichischen Bahnen vorzugsweise Volut-
fedeni nach der von Baillie im Jahre
1845 constniirten Schraubenform für
Zug Vorrichtungen und Buffer verwendet
wurden. Die separate Federung jedes
einzelnen Buffers hat bei langen Wagen
den Nachtheil, dass die Differenz der
Bufferpressung in Bogen Stellungen sehr
bedeutend wird, Um dies zu vermeiden,
wird bei vierachsigen Wagen gewöhnlich
eine Balancierverbindungzwischen den bei-
den Buffern einer Stirnseite hergestellt.
[Abb. 315 und 315a.] Bei allen diesen
Bufferanordnun-
gen wird das
Untergestelle
des Wagens zur
Uebertragung
des Druckes von
Wagen zu Wa-
gen in Anspruch
genommen. Im
Jahre 1894 wur-
de von dem Di-
rector der Nes-
sel sdorfer Wag-
gonfabrik, Herrn
Hugo Fischer
von Rössler- Ab
stamm, durch
eine sinnreiche
Construction die
durchgehende
Zugstange auch
zur Uebertra-
gung des Dru- ^^^ ^^^^ ^ ^^ siohvoiti
ckes der Buffer
benützt, [Abb. 316 und 316a.] Diebeiden,
aus vierkantigen Röhren hergestellten
Bufferstangen sind schräge gegen die Un-
tergestellmitte gelegt und fest miteinander
verbunden, so dass sie ein starres Gan-
zes bilden, welches durch einen Bolzen
mit der Zugstange horizontal drehbar
verbunden ist. Die Theile der zwei-
theiligen Zugstange sind durch eine
Muffe mit Keilschhtzen verbunden, welche
eine Verschiebbarkeit innerhalb bestimm-
ter Grenzen gestattet. Durch drei Volut-
fedem, von welchen zwei als Zug-
federn und eine als Stossfeder functio-
niren, ist die Federung nach beiden
Richtungen erzielt. In neuester Zeit
wird nur eine Volutfeder verwendet,
welche sowohl als Zug- wie auch als
Stossfeder dient. Bei dieser Construction
ist eine einseitige Bufferpressung in
Krümmungen vollkommen vermieden und
hat das Wagengestelle nur die für seine
eigene Bewegung erforderlichen Zug-
und Stosskräfte aufzunehmen, Wagen
dieser Type wurden im Jahre 1895 für
die k. k. Staatsbahnen gebaut und wa-
ren Ende 1896 bei verschiedenen Bahnen
circa 80 Stück diverse Wagen mit der
Fischer'schen Zug- und Stoss Vorrichtung
im Betrieb.
cj Kuppelun-
gen.
Die Kuppe-
lung der Wagen
wurde in erster
Zeit durch Ha-
ken und einfache
Ketten bewirkt,
welche Anord-
nung bis zu den
Siebziger-Jahren
vorherrschend
bei Güterwa-
gen angewendet
3 IS. wurde, obwohl
bereits in den
Dreissiger-Jah-
ren die Schrau-
benkuppelung
in England be-
stand. Für Per-
sonenwagen
wurden auch in
Oesterreich bereits bei den ersten Aus-
rüstungen Schraubenkuppelungen ver-
wendet. Nachdem die Wagenkuppelung
eine der wichtigsten Fragen für den
Durchgangsverkehr der Wagen bildete,
so waren seit Bestand des Vereins
Deutscher Eisenbahn -Verwaltungen ge-
naue bindende Vorschriften für dieselbe
aufgestellt, und konnten Aenderungen nur
durch Vereinsbeschlüsse eingeführt wer-
den. Eine der wesentlicheren Aende-
rungen war die Einführung von Sicher-
heitskuppelungen als Ersatz fUr die Noth-
ketten, und die Eliminirung der Ketten-
kuppelungen von sämmtlichen Wagen.
Seit den Sechziger-Jahren befasste
man sich damit, Kuppelungen zu con-
struiren, welche die Gefahr des Einkup-
peins zwischen den Wagen entweder durch
32*
Inghoff«. [iSk]
500
Julius von Ow.
automatisch wirkende oder durch von
aussen zu bedienende Vorrichtungen
beseitigen sollten.
Als im Jahre 1875 der Verein
Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen einen
Preis für die beste Lösung dieser
Aufgabe ausschrieb, entstand geradezu
eine Kuppelungserfindungs-Epidemie und
man konnte in allen Eisenbahn-Werk-
stätten projectirte, versuchte und zurück-
gelegte Kuppelungen finden. Der Preis
wurde zwar dem damaligen Gentral-
Inspector der Kaiser Ferdinands -Nord-
bahn, Herrn L. Becker, zuerkannt, doch
konnte auch diese Kuppelung in der
Praxis für die Dauer nicht Eingang
finden. Es blieb mithin so ziemlich beim
Alten, und nachdem die Fachmänner sich
klar darüber wurden, dass beim Zwei-
buffer-System die gestellten Bedingungen
derart sind, dass eine praktische Con-
struction einer automatischen Kuppelung
unerreichbar ist, so nahm auch die Zahl der
Erfinder in Fachkreisen immer mehr ab.
d) Räderpaare,
Die Entwicklung in der Fabrication
der Wagenräderpaare steht in directem
Zusammenhange mit den Fortschritten
in der Eisenindustrie. Wenn auch die
österreichischen Eisenwerke seit jeher
durch die Herstellung eines vorzüglichen
Materials sich auszeichneten, so blieben
sie doch hinsichtlich der Grösse der
Anlagen, Leistungsfähigkeit und des
Marktpreises gegen die englischen und
deutschen Werke zurück, und es gab
wiederholt Zeitperioden, besonders Ende
der Sechziger-Jahre, in welchen ein Theil
des Räderpaar-Materials aus dem Aus-
lande bezogen werden musste.
Die ältesten Achsen, an deren Fabri-
cation die meisten grösseren inländischen
Eisenwerke betheiligt waren, wurden aus
Schweisseisen hergestellt. Als Ende der 1
Sechziger -Jahre die Erzeugung des '
Bessemerfluss-Stahles auch in Oesterreich ;
Eingang gefunden hatte und gleichzeitig
die Leistungsfähigkeit der Werke eine
Steigerung erfuhr, erreichte auch die Her-
stellung der Achsen und Radreifen aus
Schweisseisen ihr Ende und wurde
fortab hiefür nur Bessemerstahl, später
auch Thomasfiuss-Stahl und Martinfluss-
Stahl verwendet. Tiegelguss-Stahl wd
für Wagenachsen und Tyres nur aus-
nahmsweise verwendet und hiezu noch
vielfach aus dem Auslande bezogen.
Die ältesten Eisenbahnräder waren
aus gewöhnlichem Gusseisen, als Spei-
chenräder, in einem Stück gegossen;
in Oesterreich gelangten jedoch solche
Räder nur auf den alten Pferdebahnen
und für Bahnwagen in Verwendung, die
mit den ersten Locomotiv- Eisenbahnwa-
gen importirten Räder waren bereits mit
schmiedeeisernen Speichen und Radreifen
versehen. Durch lange Zeit, bis Mitte
der Siebziger-Jahre, war das Speichenrad
mit Kranz und Speichen aus Flacheisen
und gusseisemer Nabe [Losh-Rad] das
beliebteste Rad, welches auch in den
meisten grossen Werken Oesterreichs
erzeugt wurde; nachdem jedoch aus
dem Auslande mehr und mehr Radsteme
mit geschweisster Nabe eingeführt wur-
den, so gingen auch die österreichischen
Werke auf die Erzeugung geschweisster
Radsteme über. Wiederholt wurden
Versuche gemacht, die schmiedeeisernen
Speichenräder durch Scheibenräder glei-
cher Qualität zu ersetzen, und verschie-
dene Erzeugungsarten angewendet, unter
welchen besonders das Wickelrad
von Krupp und das Walzscheibenrad
von Bochum grosse Verbreitung fanden.
Durch diese ausländische Concurrenz
gedrängt, begannen auch die inländischen
Werke sich auf die Erzeugung von
Scheibenrädern aus Flusseisen zu ver-
legen, und es ist ihnen gelungen, in
neuester Zeit solche Radscheiben zu er-
zeugen, welche allen Anforderungen
entsprechen.
Nebst dem eisernen Rade wurden
auch Radscheiben aus Holz und Papier
angefertigt. Die hölzernen Räder in
Nachbildung der Sprossen Wagenräder
[Speichenräder] wurden bereits in der
ersten Zeit des Eisenbahnbetriebes ver-
wendet, konnten aber für die Dauer den
Anforderungen nicht genügen. Besser
bewährten sich die Blockräder von Busse,
welche im Jahre 1844 bei der Leipzig-
Dresdener Bahn eingeführt wurden.
Nach mehrfachen Verbesserungen %vurde
ein sehr gutes Blockrad in England er-
zeugt und auch in Deutschland aus-
geführt. Diese Holzräder sind sehr
dauerhaft und unterliegen nicht den
Vibrationen wie die eisernen Räder,
weshalb sie auch geräuschloser laufen.
In Oesterreich kommen dieselben nur
vereinzelt bei Salonwagen vor.
Von ähnlicher Construction sind die
Papierräder, bei weichen nur an Stelle
der Holzsegmentscheibe eine aus zahl-
reichen Pappendeckelschichten bestehende
Scheibe ver-
wendet wird,
welche bei An-
wendung eines
Klebestoffes un-
ter sehr hohem
mengepresst ist.
Man erzielte mit
diesen Rädern,
welche bei Van
der Zypen in
Deutz erzeugt
wurden, in i
Deutschland I
gute Resultate.
Als im Jahre
i«85 der Ver-
such gemacht
wurde, diese
Räder auch in
Oesterreich ein-
zuführen und Abb. Jl6a. Zug- und Sto
ein dreiachsiger ""' "'
Salonwagen der k. k. Staatsbahnen mit
solchen Rädern versehen wurde, ereignete
sich der Unfall, dass eines dieser Räder
während der Fahrt total zerbrach, glück-
licherweise ohne weitere böse Folgen.
Dieser Umstand bereitete der Anwendung
von Papierrädern in Oesterreich ein jähes
Ende.
Nebst den Rädern mit aufgezogenen
Radreifen sind noch die aus einem Stück
erzeugten Räder zu erwähnen. Diese
Räder, zu welchen auch die allerersten
gegossenen Speichenräder zu zählen sind,
werden aus Gusseisen oder Guss-Stahl
erzeugt. Die ältesten gusseisemen Räder
waren an der Lauffläche zu weich und
war besonders die Speichenform un-
günstig gewählt, es konnte daher das
Gusseisenrad kein besonderes Vertrauen
gewinnen. Amerika, das Land des Guss-
eisens, war infolge seines vorzüglichen
Materials in der Lage, die Räder mit
Vortheil aus Gusseisen zu erzeugen; da-
bei gewann die Erzeugung von Hartguss
[Coquitlenguss] in Amerika immer mehr
Anwendung, während dieselbe in Europa
noch nahezu unbekannt war. Der Co-
quillenguss eignet sich ganz besonders
für Räder, weil diese einen zähen weichen
Körper und eine harte Lauffläche er-
fordern. In rich-
tiger Erkennt-
nis dieses Um-
standes begann
im Jahre 1854
Abraham
Ganz in Ofen
die Herstellung
von Schalen-
gussrädem.
Durch gründli-
che Fachkennt-
nis und Verwen-
dung von vor-
züglichem un-
' garischem Holz-
kohl eneisen ge-
lang es demsel-
ben ein Rad
herzustellen,
welches fest und
dauerhaft war.
Die vielen com-
mission eilen Er-
probungen dieser Räder ergaben beach-
tenswerthe gute Resultate; es erfolgten
Probe- Bestellungen von der österreichi-
- sehen Staatsbahn und Südbahn, und die
Theissbahn bezog bereits im Jahre 1857
eine grosse Anzahl solcher Räder.
Noch hatte das Schalengussrad manche
Mängel, welche eine rasche Abnützung
und viele Ersätze zur Folge hatten. Die
Firma Ganz & Co. fand sich daher ver-
anlasst, eingehende Studien Über die vor-
kommenden Gebrechen zu machen, die
schadhaften Räder genau zu untersuchen
und die Ursachen der Mängel zu er-
gründen. Dies führte dann auch zu mehr-
fachen Verbesserungen in der Erzeugung
und in der Form der Räder, welche
einen entschiedenen Erfolg hatten. Im
502
Julius von Ow.
Jahre 1869 ging das Etablissement an
eine Actien-Gesellschaft über, welche mit
den bewährten Kräften die Vervollkomm-
nung ihrer bereits einen vorzüglichen
Ruf erlangten Fabrikate fortsetzte. Den
Leistungen dieser Firma ist es in erster
Linie zuzuschreiben, dass das Schalen-
gussrad ein specifisch österreichisches
Erzeugnis wurde, und dass die öster-
reichischen Bahnen von demselben reich-
lichen Gebrauch machten. Bis in das
letzte Decennium war es bei diesen so
ziemlich allgemein üblich, die Güter-
wagen ohne Bremse mitSchalengussrädem
zu versehen. Wenn auch die Firma
Ganz & Co. die erste Stellung unter
den Schalenguss-Fabrikanten einnimmt, so
waren doch auch andere Firmen, welche
ganz Vorzügliches leisteten, so Gruson
in Magdeburg und das gräflich Andrässy-
sche Eisenwerk Demo in Ungarn, ins-
besonders war letzteres stark an den
Lieferungen für Oesterreich- Ungarn be-
theiligt und verdienen dessen Leistungen
umsomehr Anerkennung, als die Fabriks-
anlagen nie die Ausdehnung der Ganz-
schen erlangten.
Obwohl bei der grossen Anzahl der
im Betrieb befindlichen Schalengussräder
Betriebsanstände und -Unfälle in ver-
schwindender Anzahl vorkamen, so be-
stand doch stets ein gewisses Misstrauen,
diese Räder für schnell fahrende
ZiXgt zuzulassen, weshalb sie von den
Personenzügen ausgeschlossen waren.
Ausserdem wagte man es nicht, diese
Räder zu bremsen. Die Erhöhung der
Radbelastung bei Güterwagen hatte zur
Folge, dass die Verwendung der Schalen-
grussräder in den letzten Jahren abnahm
und auch für Güterwagen ohne Bremse
Scheibenräder mit Radreifen aus Fluss-
Stahl bevorzugt wurden. Die Ausstellung
in Chicago im Jahre 1893 bot den
Eisenbahn- Fachmännern Gelegenheit, sich
in Amerika zu überzeugen, dass das ge-
gossene Rad dort allgemein auch unter
Bremsvvagen verwendet werde, und die
Firma Ganz & Co. verabsäumte nicht,
die dortige Fabrications- Methode nach
Oesterreich zu übertragen. Die genannte
Firma importirte erst amerikanische
Räder nach Oesterreich und beo:ann
auch Räder nach Griffin -System in
Leobersdorf zu erzeugen. Diese Räder
gelangen unter gebremsten Erzwagen
der k. k. österreichischen Staatsbahnen
probeweise zur Verwendung. Es ist
zu erwarten, dass es voraussichtlich
gelingen wird, das GrifBnrad zum würdi-
gen Nachfolger des Schalengussrades
nicht nur in Oesterreich, sondern auch
in ganz Europa zu machen.
Die ältere Methode, die Radreifen
zu erzeugen, bestand darin, dass gerade
Stäbe vom Profil der Radreifen gewalzt
und auf bestimmte Längen abgeschnitten,
sodann zu einem Ringe gebogen und
verschweisst wurden.
Diese für Schmiedeeisen angewendete
Methode wurde bereits in den Sechziger-
Jahren verlassen, indem man begann, aus
einem Klotz einen Ring auszuschmieden,
und diesen sodann auf das Profil auszuwal-
zen. Mit Beginn der Fluss-Stahl-Erzeugung
Ende der Sechziger -Jahre wurde aus-
schliesslich dieser oder Tiegelguss-Stahl
zur Radreifen- Fabrication verwendet.
Die Verbindung der Radreifen mit
dem Radkranze erfolgt in erster Linie
durch warmes Aufziehen. Zur weiteren
Befestigung wurden bis zu Anfang der
Siebziger-Jahre Nieten oder Schrauben
verwendet. Letzteren gab man im Rad-
reifen eine conische Form, so dass
bei dem jeweiligen Abdrehen des Rad-
reifens keine Lockerung der Schrau-
ben entstand. Zur Erzeugung der Schrau-
ben verwendete man alte Radreifen, um
ein möglichst gleichartiges Material im
Radreifen und in den Schrauben zu er-
halten. Durch die Schrauben bolzen oder
Nieten-Bohrungen wurde der Radreifen
stellenweise sehr verschwächt und es
ist daher erklärlich, dass Querrisse
grösstentheils durch die Schraubenlöcher
erfolgten. Man trachtete diesen Mangel
theilweise dadurch zu vermeiden, dass
man die Schraube nicht durch den gan-
zen Radreifen gehen, sondern nur ein
kurzes Stück in den Radreifen ein-
dringen Hess. Für diese Befestigung
konnten keine Mutterschrauben verwendet
werden und das Gewinde musste mit
wenigen Gängen in den Radreifen
geschnitten werden. Die Haltbarkeit
solcher Schrauben bei Reifenbrüchen
war eine sehr zweifelhafte, umsomehr
Wagenbau.
503
als die Ausführung schwer zu contro-
liren war. Diese verschiedenen Mängel
der Schraubenbefestigung erregten Mitte
der Siebziger-Jahre das Bedürfnis nach
etwas Besserem, und das Schlagwort
»continuirliche Radreifen-Befestigung« be-
schäftigte die Erfinder. Von den ver-
schiedenen, zur Ausführung gelangten
Radreifen-Befestigungen ist die Spreng-
ring - Befestigung von Gluck und
C u r a n t in O esterreich am meisten ver-
breitet.
e) Achslager.
Einer der wichtigsten Bestandtheile
des Wagens ist das Achslager und die
Schmiervorrichtung, weil diese Theile
im Zusammenhang mit dem Schmier-
material bedeutende Ausgaben der Bahnen
in Anspruch nehmen und den wesent-
lichsten Einiluss auf die Belastung der
Züge und die Leistung der Zugkraft
ausüben. Es war daher seit Bestehen
der Eisenbahnen ein fortwährendes Be-
streben, einerseits gutes und billiges
Schmiermaterial herzustellen, anderer-
seits entsprechende Lager hiefür zu
construiren. Lagerconstructionen und
Schmiermaterial stehen daher in engem
Zusammenhange und waren auch stets
von localen Verhältnissen und den Be-
zugsquellen der Materialien abhängig.
Mit den ersten englischen Muster-
wagen kamen auch die Achslager und
das Schmiermateriale derselben nach
Oesterreich. Es war damals die Blooth-
sche Palmöl - Wagenschmiere ziemlich
allgemein in Anwendung, eine Mischung
von Palmöl, Talg, Soda und Wasser.
Der' Bezug dieses Materials aus dem
Auslande wurde jedoch ehestens ein-
gestellt und die Erzeugung im Inlande
begonnen, wobei verschiedene Zusammen-
setzungen versucht wurden. Eine der
gebräuchlichsten war eine Mischung von
Unschlitt, Olivenöl und Schweinefett,
welche je nach der Jahreszeit in ver-
schiedenem Mischungsverhältnisse ver-
wendet wurde. Die Starrschmiere war bis
zum Jahre 1845 so ziemlich das aus-
schliessliche Schmiermaterial in Oester-
reich. Mit der Eröffnung der südöstlichen
Linie der k. k. Staatsbahnen gelangte
auch flüssiges Schmiermaterial, und zwar
Baumöl, Rüböl und eine Mischung von
Harzöl und Baumöl zur Verwendung.
Doch blieb die Starrschmiere lange Zeit
bevorzugt, und wurde beispielsweise der
gesammte Wagenpark der ursprünglichen
Ausrüstung der Kronprinz Rudolf-Bahn
und Kaiser Franz Josef- Bahn in den
Jahren 1867— 1870 mit Starrschmier-
lagem geliefert, welche theilweise noch
gegenwärtig im Betriebe sind.
Im Jahre 1861 wurden von
L. Becker auf einer Linie der Oester-
r^ichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft
die ersten Versuche mit Mineralöl
für Achsenschmierung gemacht. Nach
mehreren missglückten Experimenten ge-
lang es endlich, ein brauchbares Material
zu erzeugen, mit welchem im Jahre 1862
Abb. 317. Achtlag^er der Pferdebahn
Prag-Lana. [1830.]
noch uhifangreichere Versuche gemacht
wurden, die gleichfalls ein befriedi-
gendes Resultat ergaben, so dass bei
dieser Bahn die Mineralöl-Schmierung
im Jahre 1863 allgemein eingeführt
wurde. Die Schmierkosten wurden da-
durch von 10 kr. [C.-M.] auf 6 kr. pro
Zugsmeile reducirt. Die nächste öster-
reichische Bahn, welche aus diesen
günstigen Erfahrungen Nutzen zog und
in umsichtiger und energischer Weise
ebenfalls auf die Verwendung des Mineral-
öls überging, war die Kaiserin Elisabeth-
Bahn, welche auch die Mineralöl-Schmie-
rung für Locomotiven einführte. Ihr folgte
die Kaiser Ferdinands- Nordbahn im Jahre
1864 und in rascher Folge fand die
Mineralöl-Schmierung immer mehr Ver-
breitung, so dass im Laufe der Sieb-
ziger-Jahre bereits der grösste Theil der
504
Julius von Ow.
österreichischen Wagen und der meisten
deutschen Wagen mit Mineralöl ge-
schmiert wurde.
Die in O esterreich zuerst einge-
führte Mineralöl-Schmierung hat einen
doppelten Werth, weil nicht nur sämmt-
liche Bahnen wesentliche Materialerspar-
nisse erzielten, sondern weil gleichzeitig
die Mineralöl-Industrie in Galizien da-
durch einen ungeahnten Aufschwung er-
zielte. Im Jahre 1872 betrug bei den
österreichischen Bahnen . der Verbrauch
an Mineralschmieröl bereits mehr als
500.000 k^. Seit den Achtziger-Jahren
ist der Verbrauch an Mineralschmieröl
ziemlich gleichbleibend, 1500 t.
Trotzdem seit Beginn des Eisenbahn-
betriebes der Construction der Achslager
stets viel Sorgfalt zugewendet und die
Schaffung eines idealen Lagers angestrebt
wurde, konnte es nicht gelingen, Lager-
typen herzustellen, welche durch beson-
dere Vorzüge zur alleinigen allgemeinen
Verwendung gelangten; es mehrten sich
vielmehr mit jeder Neuerung und mit jeder
Typenänderung der Wagen auch die
Anzahl der verschiedenen Lagertypen.
In dem Bestreben, das beste und
öconomischeste Schmiermaterial und die
hiefür geeignetsten Lagertypen zu er-
mitteln, hat der Oesterreichische Ingenieur-
Verein im Jahre 1868 einen Preis für
die beste geschichtlich-statistisch kritische
Darstellung der bei Eisenbahnwagen an-
gewandten Schmier Vorrichtungen und
Schmiermittel ausgeschrieben, welcher
dem vorzüglichen Werke von E. Heu-
singer von Waldegg zuerkannt
wurde. In diesem Werke sind 141
Lagertypen der Bahnen des Vereins
Deutscher Eisenbahn- Verwaltungen, die
im Jahre 1870 bestanden, dargestellt,
und diese Zahl ist noch keineswegs
vollständig, da von vielen Bahnen nur
deren wichtigste Lagertypen behandelt
wurden. Wenn auch das löbliche Be-
streben des Oesterreichischen Ingenieur-
Vereins, und die mit seltener Sorgfalt
und Objectivität behandelte Darstellung
des um das Eisenbahnwesen so hoch-
verdienten Autors Heusinger von Waldegg
gewiss im hohen Grade erfolgreich und
nutzbringend war, so konnte es doch
damals nicht gelingen, unter dem vielen
Guten das Beste herauszufinden, und es
blieb die Anzahl der Lagertypen in
steter Zunahme. Dass auch die Öster-
reichischen Bahnen das Ihrige zur reich-
lichen Schaffung von Wagenlagertypjen
beigetragen haben, mag daraus ersehen
werden, dass dermalen [1897] im Wagen-
park der k. k. Staatsbahnen allein 64 ver-
schiedene Wagenlagertj'pen im Betriebe
sind, in welche Zahl jedoch solche mit
unwesentlichen Constructions- Differenzen
und bereits cassirte T^'pen nicht einbezogen
sind. Die Ursache dieser Mannigfaltigkeit
liegt zunächst in der verschiedenen
Form der Achsen, in der Verschieden-
artigkeit des Schmiermaterials, in der
Form und Stellung der Achsgabeln und
Tragfedem, welche gewisse Formen der
Lager bedingen und eine Abweichung
nur mit grossen Kosten möglich machen,
und in dem Umstände, dass die Anzahl
und Dauer der Lager sehr gross ist,
und mehrere Jahrzehnte erforderlich sind,
um minder zweckmässige Typen im
Wege des normalen Ersatzes verschwin-
den zu lassen.
Bei dieser Fülle von Lagertj-pen ist
es wohl nicht möglich, die historische
Entwicklung derselben genau zu ver-
folgen, und es können nur wesentlichere
Einzelheiten hervorgehoben werden.
Die Wagen der alten österreichischen
Pferdebahnen hatten zwischen den Rädern
situirte Achshälse und direct an den
Langträgern, beziehungsweise Achs-
stöcken befestigte Achslager. Bei der
geringen Fahrgeschwindigkeit genügte die
Herstellung der Lager aus Gusseisen ohne
Lagerschale. [Abb. 317.]
Die ältesten Wagenlager der Loco-
motivbahnen waren nicht vollkommen e;e-
schlössen, sondern liessenden Achsstummel
auf der unteren Seite oder an der Stirnseite
frei [Abb. 318], es war hiebei die Achse der
Verunreinigung durch Staub und Sand,
und den Witterungseinflüssen preisge-
geben. Diese für Starrschmiere einge-
richteten Lager, von welchen im Jahre
1 863 auf den Linien der Oesterreichischen
Staatseisenbahn - Gesellschaft noch 176
Stück vorhanden waren, mussten nach
etwa fünfzehn zurückgelegten Meilen
bereits nachgeschmiert werden. Es wnirden
daher gleich vom Anfang an diese Typen
nicht mehr weiter gebaut, sondern Lager
mit geschlossenen Untertheilen und Vor-
richtungen, welche das Schmieren des
Achsstummels von unten ermöglichten,
construirt. Die auf österreichischen Bahnen
in den Jahren 1847 — 1854 ausgeführten
Lager zeigen bereits wesentliche Fort-
schritte, man findet bei denselben Ober-
kammem für feste, und Unterkammem
für flüssige Schmiere, in letzteren federnde
Holzschemel. Desgleichen wurden zu
auch die verschiedenen Constructionen,
Für die Schmierung von oben wurde
der Hauptwerth auf entsprechend ge-
formte und eingesetzte Saugdochte, auf
genügend grosse Oelkammem und auf
guten Verschluss der letzteren gesehen.
Solche Lager wurden zuerst im Jahre
1854 auf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn
ausgeführt. [Abb. 319.]
Es ergab sich jedoch bald das Be-
dürfnis, das ab fliessende Schmiermaterial
dieser Zeit bereits Dichtungs Scheiben von
Leder und mit Composition ausgegossene
Rothgusslager ausgeführt.
Man kann annehmen, dass in diese
Zeitperiode der grüsste Fortschritt
in der Lagerconstruction fällt. Die
weiteren Verbesserungen schlössen sich
so ziemlich an diese Grundformen
an und waren mehr oder weniger nur
eine zweckentsprechendere Ausbildung
derselben. Insofeme Oelschmierung ver-
wendet wurde, waren die Ansichten ge-
theilt, es gab Verfechter des Princips
der Schmierung nur von oben, der
Schmierung nur von unten und der
beiderseitigen Schmierung, demgemäss
EI FtTdlnands-Nordhahn. [■S54.]
j in irgend einer Weise nutzbar zu machen.
I Dies führte dazu, dass die Unterkammem
1 mit Wolle, Lindenspänen etc. ausgefüllt
I wurden, wodurch einerseits ein Ver-
schleudern des Oeles verhindert, anderer-
' seits eine Schmierung auch von unten
I erreicht wurde. Diese Lagertj'pen, bei
I welchen die normale Schmierung mittels
I Saugdochtes von oben und eine secundäre
Schmierung durch das Stopfmaterial des
; Untertheiles erfolgt, fanden ziemlich rasche
I Verbreitung und bildeten Haupttypen der
Kaiser Ferdinands - Nordbahn, der Carl
Ludwig-Bahn, der Böhmischen Westbahn,
I der Kaiser Franz Josef-Bahn [Abb. 320]
I u. a. Das zweite Princip, das der Achsen-
5o6
Julius von Ow.
Schmierung von unten, war bei den öster-
reichischen Bahnen bereits seit dem Jahre
1846 in Anwendung. Auf den südöst-
lichen Linien der k. k. Staatsbahnen ent-
hielten die Achsbüchsen des ersten Fahr-
parkes [circa 2000 Lager] im Untertheile
elastische Schmierschemel, welche mit
Baumwollplüsch überzogen und mit Saug-
dochten versehen waren.
Nachdem die flüssige Schmierung in
Oesterreich von Anfang an besondere
Beachtung fand, und es in der Natur
dieser Schmiermittel liegt, durch Saug-
wirkung der Verwendung zugeführt zu
Abb. 320. Oella^er der Kaiser Franz
Josef- Bahn. [1872.]
werden, so wurden auch die Achslager
mit Schmierung von unten in Oesterreich
besonders gepflegt, und stammen die
darin gemachten Verbesserungen grössten-
theils aus Oesterreich. Eine specifisch
österreichische Lagertype ist das Paget-
Lager, welches, im Jahre 1853 einge-
führt, rasche Verbreitung fand und eine
Haupttype der Staatseisenbahn-Gesell-
schaft und der Kaiserin Elisabeth-Bahn
[Abb. 321] bildete.
Das Paget-Lager hat gegenüber den
älteren Lagertypen eine bedeutende Oel-
erspamis ergeben, und auch später bei
der Einführung des Mineralschmieröles
sich gut bewährt.
Verschiedene Form- und Dimensions-
änderungen hatten hauptsächlich den
Zweck, einen möglichst dichten Abschluss
zu erzielen. Besonders reichlich waren
die Vorrichtungen, welche die Achse
gegen das Lagergehäuse abzuschliessen
hatten. Es wurden Dichtungsscheiben
aus Leder, Filz, Holz in verschiedener
Form verwendet; eine der älteren und
besseren Dichtungsscheiben ist von
L. Becker construirt und besteht aus
zwei Halbscheiben, welche durch einen
in eine Nuth eingelegten federnden Stahl-
draht zusammengezogen und an die Achse
angepresst werden. Diese Scheiben werden
gewöhnlich aus Linden- oder Pappelholz
erzeugt. Die guten Resultate dieser Dich-
tungsscheiben, welche für alle Lager-
systeme angewendet werden, brachten
besonders in den Siebziger-Jahren eine
Unzahl patentirter Lagerschutzscheiben
hervor, welche jedoch meist auf dem-
selben Princip beruhten.
Wenn berücksichtigt wird, dass bei
den österreichischen Bahnen in den
Siebziger - Jahren drei Hauptgruppen
von Lagern in Verwendung waren,
Starrschmierlager, Saugdochtschmierlager
und Paget-Lager, und dass die Starr-
schmierlager meist auf den Aussterbe-
etat gesetzt warerf, so erklärt es sich,
dass weitere Lagertypen aus einer
Verschmelzung der vorgenannten Typen
hervorgegangen sind. Es wurde gröss-
tentheils die Schmierung von unten
beibehalten, jedoch die etwas primitive
Woll- oder Späne- Ausstopfimg durch
federnde Schmierpolster mit Saugdochten
ersetzt; dies hatte zur Folge, dass der
das Paget-Lager charakterisirende doppelte
Boden wieder durchbrochen wurde, um
die Saugdochte der Schmierpolster in
den unteren Oelraum zu führen. Die
Schmierbehälter im Lagerobertheil wurden
nur für Nothschmierung angebracht. Auf
diesem Principe beruhen die meisten
neueren Lagertypen. [Abb. 322.]
Wenn demnach auch in Oesterreich
zahlreiche Lagertypen bestehen, so haben
sich alle doch so ziemlich aus den
vorgenannten Grundtypen entwickelt.
Die vielfach entstandenen und wieder
verschwundenen oder nur in massiger
Anzahl vorhandenen Lager von compli-
cirter, abenteuerlicher Form, mit Schöpf-
scheiben, Pumpwerken, rotirenden Schmier-
walzen etc., hatten ihren Ursprung grössten-
theils im Auslande, und fanden in Oester-
reich nie besonderen Anwerth.
Die Construction und das Materiale der
Lagerfutter hat seit Beginn des Eisen-
bahn-Betriebes wenig Aenderung erfahren ;
es wurde stets Rothguss und Composi-
tion verwendet, deren Qualität sich im
Laufe der Zeit ziemlich gleich geblieben
ist, ebenso zeigt sich in der Anarbeitung
wenig Unterschied.
PaBel-L»e"- [18&8,]
f) Tragfedern.
Die Tragfedem waren bereitsin der Vor-
eisenbahnzeit bei Kutschen verwendet und
sind von diesen auf die Eisenbahnwagen
übergegangen. Bei den alten Pferdebahn-
wagen findet man noch die damals bei
Kutschen übliche sichelförmige Feder mit
den darüber gelegten Hängeriemen. [Vgl.
Abb. 323.] Bei den Locomotivbahnen
war diese Anordnung nicht mehr möglich,
weil die feste Verbindung der vier Lager
mit dem Rahmen nicht nur Entgleisungen
verursacht, sondern auch eine gleiche
Gewichtsvertheilung auf die einzelnen
Hader unmöglich gemacht hätte. Man
verband daher den Kasten mit dem
Rahmen und gab die elastische Zwischen-
lage zwischen Lager und Rahmen. Die
Zusammensetzung der Tragfedem aus
einzelnen Blättern war bereits bekannt,
man hatte deshalb nur nöthig, der Feder
die richtige Form zu geben. Auch diese
war nabeliegend, nachdem für den Stutz-
punkt das Lager und für die Trage-
punkte die Langträger vorhanden waren.
Demgemäss wurde bei den älteren Wagen
die Feder mittels Ueb erlegplatte und
Schrauben mit dem Lager verbunden
und ihre abgerundeten Enden in guss-
eiserne Gleitschuhe eingelegt, welche mit
den Langträgem verschraubt waren.
Diese Anordnung wurde noch bis zum
Jahre 1870 vielfach für Güterwagen an-
gewendet, hatte aber den Uebelstand, dass
das freie Spiel der Federn durch die
Reibung in den Gleitschuhen sehr beein-
trächtigt ward. Man zog es daher bereits
zur Zeit des Beginnes des Eisenbahn-
Wagenbaues vor, bei besseren Wagen
die Enden der Federn in Augen zu rollen
und mittels Bolzen und Hängeeisen mit
am Rahmen befestigten Consolen zu ver-
binden. Bei Personenwagen werden diese
Gehänge mittels Schraubenmuttern stell-
bar gemacht. In den Fünfziger-Jahren
wurden mehrfach an Stelle der Blatt- Trag-
federn, Volutfedem angewendet, indem
man vier solche Federn nebeneinander
auf einen Schemel stellte, welcher mit
dem Lagerobertheil gelenkig verbunden
war; auf den oberen Enden der Federn
ruhte in einem Schuh der Langträger;
diese Construction wurde jedoch bald
wieder verlassen. Eine wesentliche Ver-
besserung in der Erzeugung der Blatt-
tragfedem wurde Ende der Sechziger -Jahre
durch die Herstellung von geripptem
Federstahl erzielt
Abb. ya. AcbilaKcr
i. SuatibahDcn. liSw-]
g) Bremsen.
Ebenso wie der Strassen wagen der
Stammvater des Eisenbahnwagens ist,
ebenso stammt auch die Eisenbahnwagen-
Bremse von der Strassen wagen -Bremse
ab. Sieht man von der Stärke der Be-
standtheile und der durch das Wagen-
gerippe bedungenen strammeren Ver-
bindung ab, so ist hei den älteren Eisen-
bahnwagen-Bremsen nicht viel Neues
gegenüber den Strassen wagen -Bremsen
zu finden. Während man beim Strassen-
5o8
Julius von Ow.
wagen mit einem Antriebe nur die Räder
einer Achse bremsen kann, benützte man
bei den Eisenbahnwagen die steife Lage
der Achsen, um zwei oder drei Räder-
paare gleichzeitig zu bremsen, und versah
vielfach auch jedes Rad mit zwei Brems-
klötzen. Die Bremse bildete alsbald den
Gegenstand eines fachlichen Studiums;
dazu kamen noch die zahlreichen werth-
voUen Versuche und Experimente, welche
zur Ermittlung der Bremswiderstände und
Bremswirkungen gemacht wurden, so
dass bereits in den Vierziger-Jahren auf
theoretischen Grundlagen construirte
Bremsen gebaut wurden. Eine zahlreiche
Menge von Erfindungen befasste sich
damit, die Bremswirkung durch Ver-
minderung des Reibungswiderstandes in
der Spindel zu erhöhen und durch Be-
seitigung des todten Ganges zu beschleu-
nigen, letzteres hauptsächlich dadurch,
dass durch selbstthätige Sperr- oder
Schaltvorrichtungen die Anzahl der Kur-
belumdrehungen beim Oeffnen der Bremse
beschränkt wurde. In verschiedenen
Varianten wurden auch Schrauben mit
verschiedener Ganghöhe angewendet, so
dass für den Leergang die grosse Steigung,
für das Festziehen die geringe Steigung
zur Wirkung kommt. Alle diese Con-
structionen hatten den Mangel, dass die
Kosten der Herstellung und Instand-
haltung in keinem günstigen Verhältnisse
zum erzielten Erfolg standen. Die meisten
derartigen Ausführungen blieben auf die
Sphäre des Erfinders beschränkt und ver-
schwanden mit der Zeit wieder vom
Schauplatze.
Nachdem durch die Achsbelastung
die Grenze der bei einem Wagen zu
erzielenden Bremswirkung gegeben ist,
so kann eine Erhöhung der Gesammt-
bremswirkung eines Zuges nur durch
Vermehrung der in Wirksamkeit tretenden
Bremsen erreicht werden, und dies be-
dingte wieder eine Vermehrung des
Bremserpersonals. Man ersann daher
verschiedene Einrichtungen, durch welche
die Bremsen von zwei und mehr Wagen
von einem Manne bedient werden können.
Obwohl in Oesterreich auch verschiedene
derartige Zwei wagen- Bremsen construirt
wurden, so gelangten dieselben doch nicht
über den Versuch hinaus, weil bei Per-
sonenzügen, welche grösstentheils aus
Coup6wagen zusammengestellt waren,
die Bremsen durch die Conducteure ge-
nügend besetzt waren, und bei Lastzügen
es kaum möglich war, zusammenpassende
Wagen dauernd mitsammen laufen zu
lassen. Etwas ausgedehntere Anwendung
fanden solche Systeme in Deutschland,
und sei hier nur die Exterbremse er-
wähnt, welche im Jahre 1847 in Bayern
eingeführt wurde und auf vielen bayrischen
Linien bis in die Siebziger-Jahre in Betrieb
war. Bereits bei dieser Bremse wurde
die Menschenkraft wenigstens theilweise
durch ein Gewicht ersetzt, da man er-
kannte, dass für grosse und rasche Brems-
wirkungen die Menschenkraft allein nicht
genügt. Es war demnach das Bestreben
der Constructeure dahin gerichtet, andere
Kräfte dienstbar zu machen. Solche
Kräfte fanden sich in Gewichten, Fedeni,
Friction zwischen Rädern und Schienen,
Wasser, Luft, Dampf, Elektricität und
indirect in der Bufferpressung. Eine der
ältesten Constructionen beruht auf der
Verwendung starker Federn, welche durch
irgend einen Ausschalt-Mechanismus zur
Wirksamkeit gelangten. Solche Systeme
wurden in den Vierziger-Jahren von
Creamer in Amerika, in den Fünfziger-
Jahren von Newall in England ausge-
führt, fanden jedoch auf dem Continente
wenig Nachahmung. Das Bestreben, die
Pressung der Buffer als Bremskraft aus-
zunützen, führte auch in Oesterreich zu
mehreren wohldurchdachten Construc-
tionen. So wurde bereits im Jahre 1854
eine Bufferbremse von Riener in Graz
ausgeführt und später auf dem Semme-
ring in Betrieb genommen, ohne jedoch
einen dauernden Erfolg zu erringen.
Auch mehrere ähnliche spätere Projecte
konnten nicht zu allgemeinerer Aus-
führung gelangen.
Nachdem von H e b e r 1 e i n bereits im
Jahre 1855 Versuche mit Frictions-
bremsen gemacht wurden, gelangte diese
Bremse in den Sechziger-Jahren in Salz-
burg zur weiteren Erprobung, und wurde
im Laufe der Jahre mehrfachen Ver-
besserungen unterzogen. Das Princip
dieser Bremse besteht darin, dass eine
auf der Achse festsitzende Frictionsscheibe
eine zweite solche Scheibe in Drehung
Wagenbau.
509
versetzt und durch diese eine Kette auf-
wickelt, welche das Anziehen des Brems-
gestänges bewirkt. Je nach der Stärke
der Pressung zwischen den Frictions-
scheiben nimmt die Intensität der Brems-
wirkung zu oder ab. Diese Aenderung
in der Pressung erfolgt dadurch, dass
das Frictionsrad, in Hängeeisen beweg-
lich, mittels Hebel- oder Zugstangen Vor-
richtungen beliebig angepresst werden
kann. Um jedoch diese Bremse von
einem Wagen oder von der Locomotive
aus als Gruppenbremse für eine Reihe
von Wagen oder einen ganzen Zug ver-
wenden zu können, wurde ähnlich wie
bei der Exterbremse eine Leine über
den Zug gelegt, welche — über Rollen
laufend — das Gestänge, mit welchem
die Frictionsrolle in Verbindung war, in
Bewegung setzte und so die Frictions-
roUen zum Eingriff brachte.
Eine ähnliche Bremse wurde Mitte
der Siebziger-Jahre von L. Becker con-
struirt und auf der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn an einer grösseren Anzahl von
Wagen ausgeführt. Bei dieser Bremse
wurden die Radreifen als Frictionsrollen
benützt, die Bremswelle war parallel zu
der Radachse in Hängeeisen aufgehängt
und trug gegenüber den Radreifen Fric-
tionsrollen, über welche ein mit Eisen
armirter Holzring gelegt war. Durch
Senken der Bremswelle wurde der Holz-
ring von dem Radreifen in Drehung ver-
setzt, welcher die Frictionsrollen und mit
diesen die Welle in Bewegung setzte.
Hiedurch wurde auf letzterer eine Kette
aufgewickelt, welche die Bremse anzog.
Sobald die Bremse festgezogen war,
blieben die Frictionsrollen stehen und
der Ring drehte sich leer um dieselben.
Durch Heben der W^elle kam der Rad-
reifen und der Frictionsring ausser Be-
rührung und die Bremse löste sich von
selbst. Um diese Bremse als Gruppen -
bremse zu benützen, wurde unter dem
Wagen eine Kette geführt, durch deren
Spannung die Frictionswellen gehoben
wurden; diese Ketten wurden von Wagen
zu W'agen über zwei gelenkig verbundene
Kuppelstangen geführt, welche an den
Charnierenden mit Rollen versehen waren.
Dadurch war es möglich, eine grössere
Anzahl Wagen, beziehungsweise deren
Bremsen mitsammen zu verbinden, ohne
einen empfindlichen todten Gang in der
Kette zu erlangen. Wenn auch bei guter
Instandhaltung und sorgfältiger Bedienung
diese Bremse sowie die Heberleinbremse
recht gute Resultate ergaben, so waren
dieselben doch noch weit von dem Ziele
der Wünsche entfernt, und man könnte
die günstigen Resultate gewissermassen
erzwungene Erfolge nennen.
Allgemeines Aufsehen in den Fach-
kreisen erregten Anfangs der Siebziger-
Jahre die Berichte über die Erfolge,
welche in Amerika die Luftdruckbremse
von Westinghouse erzielte.
Obwohl schon im Jahre 1854 von
A n d r a n d die Verwendung comprimirter
Luft als Bremskraft angeregt wurde, so
gelangte doch erst circa 1866 eine Luft-
druckbremse von Kendall in England
zur Ausführung. Bei dieser Bremse wurden
mehrere Luftpumpen mittels Riemen von
der Wagenachse aus betrieben, welche
die Luft in Reservoirs comprimirten.
Durch Ventile konnte die comprimirte
Luft von diesen Reservoirs in die Brems-
cylinder gelassen und durch diese die
Bremsgestänge in Thätigkeit gesetzt
werden. Durch eine längs der Wagen
geführte und zwischen denselben ge-
kuppelte Rohrleitung waren die Brems-
cylinder der einzelnen Wagen verbunden.
Dieser Bremse hafteten aber so namhafte
Mängel an, dass sie ebenso wie die
Heberlein- und Beckerbremse nur in
beschränktem Masse zur Ausführung ge-
langte, hauptsächlich jedoch wurde sie von
der viel besseren Westinghousebremse
verdrängt. Der grosse Vortheil, welchen
diese Bremse vor der Kendall'schen und
allen früheren Bremssystemen hat, besteht
darin, dass der Locomotivführer dieselbe
durch einen Handgriff ohne weitere Kraft-
anstrengung in Thätigkeit setzen kann,
dass dieselbe auch von irgend einem Wagen
aus im ganzen Zuge zur Wirkung ge-
bracht werden kann, und nicht nur rasch
und kräftig sondern auch selbstthätig func-
tionirt, wenn eine Störung in der Luftleitung
eintritt. Ohne auf das Wesen, die Ein-
zelheiten dieser Bremse, für welche eine
reiche Literatur besteht, näher einzugehen,
sei hier nur bemerkt, dass im Gegensatz
zur Kendallbremse die gepresste Luft
5IO
Julius von Ow.
nicht durch die Rohrleitung in die Cylinder
gelangt, wenn gebremst werden soll,
sondern dass umgekehrt die in den Hilfs-
behältem enthaltene comprimirte Luft in
die Cylinder übertritt, sobald der Luft-
druck in der Rohrleitung vermindert wird.
Dies wird durch Oeffnen von Hähnen
oder Ventilen in der Rohrleitung bewirkt.
Durch eine automatisch wirkende Dampf-
Luftpumpe auf der Locomotive wird
permanent die bestimmte Luftpressung
in der Leitung erhalten, beziehungsweise
nach Gebrauch erneuert. So ganz ein-
fach ist die Sache allerdings nicht, und
es sind sehr sinnreiche und complicirte
Mechanismen, welche die vorerwähnte
Wirkung ermöglichen ; insbesondere sind
die Functionsventile, durch welche der
Lufteintritt in die Cylinder und Hilfs-
reservoirs und gleichzeitig der Luftaustritt
bewirkt wird, Bestandtheile, deren genaue
Kenntnis ein besonderes Studium erfordert.
Gleichzeitig mit der Luftdruckbremse
wurde in England auch die Luftsauge-
bremse, die Vacuumbremse, zuerst von
Smith ausgeführt. Diese mächtige Con-
currentin der Luftdruckbremse, ähnlich
in der Wirkung, beruht auf dem ent-
gegengesetzten Princip. Bei der Vacuum-
bremse wird eine Luftleere in der Rohr-
leitung und in den Cylindem hergestellt,
und gelangt hiebei in letzteren der natür-
liche Luftdruck zur Wirkung. Das Vacuum
wird erst erzeugt, wenn die Bremswir-
kung eintreten soll. Der wesentlichste
Bestandtheil derselben ist der Ejector,
der Dampfluftsauger, welcher auf der
Locomotive angebracht ist. Wird durch
denselben Dampf gelassen, so saugt er
sehr rasch die Luft aus der Rohrleitung
des ganzen Zuges und aus den einzelnen
Vacuumcylindem.
In richtiger Erkenntnis der Trag-
weite, welche die Einführung conti-
nuirlicher Bremsen für den Verkehr der
schnellfahrenden Züge haben müsse,
wendete sich das Interesse der Fach-
männer mit grosser Lebhaftigkeit der
Bremsfrage zu, dieselbe wurde in tech-
nischen Zeitschriften behandelt, in Fach-
vereinen besprochen, und während man
darüber einig war, dass continuirliche
Bremsen ein Bedürfnis seien, theilte
sich das Lager in Vertreter der selbst-
thätigen und nicht selbstthätigen Sy-
steme; auch in den österreichischen
Fachkreisen wurde die Bremsfrage mit
Lebhaftigkeit discutirt, und die Eisen-
bahn-Directionen entsendeten Delegirte
nach England zum Studium der neuen
Systeme. Während man sich in Eisen-
bahnkreisen in wissenschaftlichen De-
batten erging, erfasste der Chef der
Südbahnwerkstätte, J. Hardy , die Sache
vom praktischen Standpunkte, er brachte
die S mit hasche Bremse von England
nach Oesterreich, er verbesserte die-
selbe durch Einführung der Vacuum-
cylinder mit Lederkappen, der Schlauch-
kuppelungen und sonstiger Details und
war Mitbegründer und Vertreter der
Vacuum Brake Company. So gelangte
diese Bremse Ende der Siebziger-Jahre
bei der Südbahn zur Ausfühnmg, dort
lernten sie andere Bahnverwaltungen
kennen und begannen sie versuchs-
weise einzuführen. Doch auch die Ver-
treter der Luftdruckbremsen waren nicht
müssig, dieses System, das in Deutsch-
land und Frankreich bereits Boden ge-
fasst hatte, auch in Oesterreich einzu-
führen. Im Jahre 1882 richtete die k. k.
Direction für Staatseisenbahn - Betrieb
zwei gleiche Züge mit Vacuum- und
mit Westinghousebremse ein und ver-
anstaltete parallele Probefahrten über
die Linien der Salzkammergut-Bahn, an
welchen Vertreter sämmtlicher öster-
reichischer Bahnen theilnahmen. Bei
diesen Fahrten ergab sich, dass auf lan-
gen Gefällsstrecken die Vacuumbremse
viel gleichmässiger und regelmässiger
functionirte als die Westinghousebremse,
und es dürfte der Erfolg dieser Fahrten
gewesen sein, welcher die österreichi-
schen Bahnen für die Vacuumbremse
gewann. Einmal in grösserer Menge
eingeführt, war es für andere Systeme
schwer, noch in eine erfolgreiche Con-
currenz zu treten. Im Jahre 1885 war
die Vacuumbremse bereits bei 29 ver-
schiedenen Bahnen Oesterreich-Ungams
eingeführt und an 1204 Locomotiven,
3014 Brems wagen und 1386 Leitungs-
wagen angebracht, im Jahre 1895 er-
reichte dieselbe die Zahl von 2931 Lo-
comotiven, 8733 Bremswagen und 625Q
Leitungswagen.
Wagenbau.
511
Bei den k. k. österreichischen Staats-
bahnen wurden auch Versuche mit
der Carpenter- Luftdruckbremse und der
Körting'schen Vacuumbremse, jedoch ohne
dauernden Erfolg, gemacht.
Die Streitfrage, ob automatisch oder
nicht automatisch, kam jedoch nicht zur
Ruhe, die bequeme Handhabung, die nicht
übermässige Emptindhchkeit gegen kleine
Gebrechen und die geringen Instand-
wurde, so konnte doch die einfache
Hardybremse nicht mehr als den neuesten
Luftdruckbremsen vollkommen gleich-
werthig angesehen werden. In richtiger
Erkenntnis dessen, dass die nicht auto-
matischen Bremsen in der ferneren Zu-
kunft doch nicht mehr entsprechen werden,
wurde seitens der Vacuum Brake Company
die Construction einer selbstthätigen
Vacuumbremse in Angriif genommen.
haltungskosten sprachen sehr zu Gunsten
der Hardy 'sehen Vacuumbremse, woge-
gen nicht in Abrede zu stellen war,
dass die selbstthätige Wirkung der Luft-
druckbremsen und die raschere Wirkung
der neueren Typen dieses Systems nicht
zu unterschätzende VortheÜe sind. Es
wurde daher neuerdings in den Kreisen
der österreichischen Bahnverwaltungen
in Erwägung gezogen, ob die einfache
Hardybremse den Anforderungen der
Zukunft noch genügen werde, oder ob
man sich entschliessen müsse, auf eine
automatische Bremse überzugehen. Wenn
auch unter dem Drucke der Kostenfrage
letzteres Bedürfnis noch nicht anerkannt
Bereits im Jahre 1889 wurden die ersten
Fahrbetriebsmittel der Bosna-Bahn mit
automatischer Hardybremse ausgeführt,
des Weiteren wurde der ganze Fahrpark
dieser Bahn für die automalische Vacuum-
bremse eingerichtet. Der wesenthchste
Bestandtheil dieser Bremse ist der auf
der Locomotive angebrachte, äusserst
sinnreiche Combinations-Ejcctor, in wel-
chem durch die einfache Bewegung eines
Drehschiebers die verschiedenen Phasen
der Bremsung zur Wirkung gebracht
werden können. Bei ungebremster Fahrt
befindet sich in den CyUndern beider-
seits des Kolbens Luftleere. Wird nun
Luft in die Rohrleitung eingelassen oder
512
Julius von Ow.
dringt dieselbe, z. B. durch Reissen eines
Schlauches, ein, so entsteht sofort hinter
dem Kolben Luftüberdruck, welcher sich
bis zum Atmosphärendruck steigert.
Der Locomotivführer hat es vollkommen
in seiner Hand, die Differenz des Luft-
druckes vor und hinter dem Kolben, mit-
hin den Bremsdruck durch die Stellung
des Drehschiebers zu variiren. Die auto-
matische Vacuumbremse hat mithin nicht
nur die Vorzüge der einfachen Vacuum-
bremse, sondern auch jene der übrigen
automatischen Bremsen. Wenn auch
nur nach Secunden gemessen, ist doch
einige Zeit erforderlich, bis die entleerte
Rohrleitung imd die Räume in den Cy-
lindem mit der durch den Drehschieber
einströmenden Luft gefüllt werden,
y. Hardy hat deshalb schnell wirkende
Ventile construirt, welche an jedem Brems-
wagen angebracht sind. Diese Ventile
sind derart eingerichtet, dass durch eine
momentane, also stossartig eintretende,
wenn auch geringe Druckdifferenz in
der Leitung eine Umstellung dieser Ven-
tile vmd damit eine Verbindung des
Cylinder-Untertheiles mit der freien Luft
bewirkt wird, wodurch die Bremswirkung
plötzlich eintritt. Wenn auch die auto-
matische Vacuumbremse durch die ver-
schiedenen fein construirten Bestand-
theile sich hinsichtlich der Complicirtheit
den Luftdruckbremsen von Westinghouse,
Schleifer und Carpenter nähert, so sind da-
mit doch auch alle jene Vorzüge erkauft,
welche den letzteren zugeschrieben werden.
Im Jahre 1895 wurden auf der Linie
Wien-Gmünd sehr interessante Vergleichs-
versuche mit Vacuumbremsen angestellt,
von welchen hier nur einige Daten
angeführt sein mögen. Der Zug be-
stand aus sieben Wagen mit 27 Achsen,
hatte eine Länge von 132 w, ein Gewicht
von 211 t [exclusive Locomotive] und
war für gewöhnliche Vacuumbremse sowie
für automatische Vacuumbremse mit und
ohne Schnellventilen eingerichtet. Bei
einer Geschwindigkeit von 72 km bei
Beginn der Bremsung, gelangte der
Zug zum Stillstand bei einfacher Va-
cuumbremse in 42 Secunden, bei auto-
matischer Vacuumbremse in 31 Secunden,
bei letzterer mit Schnellventilen in 23
Secunden. Die entsprechend zurückge-
legten Wege, vom Beginn der Bremsung
bis zum Stillstand, betrugen 580, 395,
280 m. Man sieht, dass unter gleichem
Verhältnis der Zug mit schnell wirken-
den Ventilen um eine Distanz von 300 m
früher zum Stehen kam. Bei einer Ge-
schwindigkeit von 86 ktn betrug diese
Differenz bereits 400 tn. Je geringer
die Geschwindigkeit der Fahrt, desto
geringer ist auch der Unterschied im
Bremseffecte. Auf Grund dieser Resul-
tate hat sich die k. k. General-Direction
der Oesterreichischen Staatsbahnen ver-
anlasst gesehen, zunächst den Luxuszug
Wien-Carlsbad mit der automatischen
schnellwirkenden Hardybremse auszu-
rüsten. Noch eine weitere sinnreiche
Einrichtung hat J. Hardy getroffen,
durch welche es möglich wird, die auto-
matische Bremse auch einfach wirken
zu lassen. Es ist dadurch die Möglich-
keit geboten, solche Wagen nach Belie-
ben mit Wagen, die nur für einfache
Bremse eingerichtet sind, in einem Zuge
zusammenzustellen. — Bis zum Jahre 1 895
waren in Oesterreich bereits 122 Loco-
motiven und 624 Wagen für die auto-
matische Vacuumbremse eingerichtet
Die Luftdruck- und Luftsaugbremsen
sind von dem Luftmotor auf der Loco-
motive und von der geschlossenen Lei-
tung abhängig, und deshalb nur für
Personenzüge geeignet, wogegen deren
Anwendung für Güterzüge unübersteig-
bare Hindernisse entgegenstehen, da es
nicht möglich ist, dass sämmtliche Güter-
wagen Europas für ein einheitliches
Bremssystem eingerichtet werden. Selbst
Gruppenbremsen, wie die Becker'sche,
konnten nur bei einem geschlosse-
nen Güterzug- Verkehr, wie der Kohlen-
verkehr auf der Nordbahn, einigen Werth
für kurze Zeit finden.
Es erübrigt noch die Erwähnung der
S c h m i d'schen Schraubenrad-Bremse, eine
Nachfolgerin der Heberleinbremse, welche
in Oesterreich auf der Kremsthalbahn ein-
geführt wurde. Obwohl dieselbe in ihrer
dermaligen Ausführung mit den Luft-
druck- und Vacuumbremsen nicht con-
currenzfähig ist, so ist dieselbe doch in-
soferne von Interesse, als die Aufgabe,
die Achsendrehung als Antrieb der
Bremse zu benützen, sehr sinnreich ge-
PerBonenwagen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn. [1839.]
Abb. JMb. 11. cia>»
1. mc III. CUno.
514
Julius von Ow.
löst ist. Bei dieser Bremse wird durch
die FrictionsroUen von der Achse aus
eine Schraube bewegt, welche in ein
Wurmrad eingreift, dieses überträgt die
Bewegung durch Friction zweier Reib-
scheiben auf die Kettentrommel des
Bremsgestänges. Die Pressung zwischen
den Reibscheiben ist beliebig stellbar,
wodurch auch ein beliebiger Maximai-
Bremsdruck eingestellt werden kann.
Durch eine Hebelcombination ist die
Einrichtung getroffen, dass bei einem
bestimmten Bremsdrucke die Frictions-
roUen automatisch ausgelöst werden,
wogegen das Schraubenrad das selbst-
thätige Aufgehen der Bremse hindert.
Das Lösen der Bremse erfolgt durch
Aufhebung der Pressung zwischen den
Reibscheiben ; das Einschalten der Bremse
wird dadurch bewirkt, dass mittels eines
Hebels die Frictionsscheiben zum Ein-
griff gebracht werden. Die Bewegung
der Hebel kann entweder, wie bei der
Heberleinbremse, mittels einer Leine,
oder auf pneumatischem oder elektri-
schem Wege erfolgen. Die Mängel aller
Frictionsbremsen, Empfindlichkeit gegen
Witterungseinfiüsse etc., sind auch bei
diesem System nicht gänzhch beseitigt.
Unsere besten Bremssysteme würden
kaum möglich geworden sein, wenn die-
selben noch mit hölzernen Bremsklötzen
arbeiten müssten. Die kurzen Wege,
welche den Bremsklötzen gestattet wer-
den, der momentane grosse Druck und
die grosse Umdrehungs-Geschwindigkeit
der Räder verlangen ein widerstands-
fähigeres Materiale als Holz.
Bis in die Siebziger-Jahre glaubte
man, dass Holz das einzig richtige
Materiale für Bremsklötze sei. In dem
Beschluss der Münchner Eisenbahntech-
niker-Versammlung vom Jahre 1868
heisst es unter Anderem : »Von fast allen
Bahnen werden Bremsklötze von Pappel-
holz empfohlen.« Als man allmählich
Versuche mit Bremsklötzen aus Schmiede-
eisen, Hartguss, Stahlguss, Gusseisen
machte, gelangte man schliesslich zu
dem Resultate, dass hartes Gusseisen
dem Zwecke vollkommen genüge und
auch das billigste Materiale sei. Es
werden demnach seit circa 15 Jahren
keine Wahren mit hölzernen Bremsklötzen
gebaut, und bei alten Wagen diese all-
mählich durch eiserne ersetzt.
Für die Unterbringung des die Brem-
sen bedienenden Personals, für die Con-
ducteure und Bremser, war in der ersten
Zeit des Eisenbahnbetriebes sehr wenii:
vorgesehen. Auf den ältesten Coupe-
wagen findet man auf dem Dache ganz
frei einen kleinen Sitz, beinahe ohne
Lehne, zu welchem nur einige sehr
schmale und hochgestellte Fusstrittc
führen, wie solche damals bei Kutscher.
und Omnibussen üblich waren.
Es ist ein Verdienst der öster-
reichischen Bahnen, dass diese früher
und ausgiebiger für den Schutz der Zu<js-
begleiter vorgesehen hatten, als die
meisten ausländischen Bahnen, insbeson-
ders jene Amerikas, wo in dieser Bezie-
hung noch wenig Rücksicht geübt wirJ.
In den seit dem Jahre 1892 bestehenden
behördlichen Vorschriften über die Bau-
art der Fahrbetriebsmittel für öster-
reichische Bahnen ist nur mehr die Aus-
führung von gedeckten PlateaiLx und
mindestens von drei Seiten geschlossenen
Bremserhüttchen gestattet.
IL Personenwagen.
Der Personenwagen der Linz-Bud-
weiser Pferdebahn [Abb. 323] war
eine auf ein Eisenbahnwagen-Gestelle
in Federn gehängte Strassenkutsche.
und auch die Wagen englischer Tvpe
schlössen sich im Kastenbau noch
ganz der Bauart der damals üblichen
Strassenreisewagen an. Letztere Wa-
gen, welche als ein Opfer der Eisen-
bahnen seit Jahrzehnten aus dem \er-
kehre verschwunden sind und vielleicht
nur vereinzelt noch als Rarität in Re-
misen alter Palais sich finden, waren
ganz achtbare Leistungen der damaligen
Wagenbauer und dienten den Eisenbahn-
W^agenbauern in mancher Hinsicht als
Vorbild. Insbesonders war die Form,
Polsterung und Tapezirung der Sitze
und Lehnen, die Bauart der Seitenthüren,
die herablassbaren Fenster und Vorhänge
diesen Waagen entlehnt, auch die Arm-
schlingen beiderseits der Coupethüreu
H
Wagenbau.
515
Personenwagen der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn [1843.]
Abb. 33s si. Wagen I. Clasae fClr 56 Personen.
DDDDDDÖDDDÖDÖÖ
Abb. 325b. Wagten II. Clagae für 64 Personen.
Abb. 335 c. Wagen III. Classe für 72 Personen.
i"-| I i I I i
4-
+■
■T"-
Abb. 335 d. Grundri&s eines Personenwagens.
33*
5i6
jj lLilJi
findet man noch in Eisenbahnwagen,
ebenso wie in der äusseren Verschalung
die Kutschenform wenigstens markirt
wurde. Es war also für die besseren
Classen der Personenwagen die Grund-
lage einer ziemlich soliden Ausstattung
bereits vorhanden. Die erste Ausrüstung
der Kaiser Ferdinands- Nordbahn bestand
aus 66 Personenwagen. [Abb. 324 a, b,
c, d.] Die Wagen I. Classe enthielten
drei Coupes mit 18 Sitzplätzen, waren
j wie Kutschen ausgestattet, gepolstert
I und mit Tuch überzogen und hatten
I Glasfenster. Die Wagen II. Classe
j waren bescheidener gehalten, dieselben
' enthielten 24 mit Leder überzogem;
I Sitzplätze, jedoch keine Abtheilunj,'*-
I wände, dieselben hatten vorne und rück-
■ wärts geschlossene Stirnwände, waten
auf der Seite offen und nur mit Leder-
I vorhängen verschli essbar. So viel -^n-
I nehmlichkeit wurde den Passagieren der
Wagen Ilt. Classe nicht mehr geboten.
Diese Wagen hatten keine geschlossenen
Stirnwände, sondern nur ein auf Säulen
ruhendes Dach und* seilliche Piachen;
sie enthielten 32 einfache hölzerne Sitze.
' Endlich gab es noch ungedeckte Wagen
IV. Classe.
Für dieWien-Gloggnitzer Bahn wurden
im Jahre 1842 115 Personenwagen be-
schafft [Abb. ■325 a, b, c, d], dieselben
waren vierachsige Durchgangswagen mit
Plateau- Aufgängen. Die Wagen I. Classe
hatten 56, die
II. Classe 64,
die III. Classe
72 Sitzplätze;
die I. und II.
Classe hatten
Glasfenster,die
in. Classe nur
Piachen. Die
Ausstattung
war jener der" 1. 1,-. , ■„, ^
Wagen der 1» •'
Kaiser Ferdi-
nand s-Nord-
bahn ziemlich
gleich.
Nachdem -
man bald nach
Beginn des
ersten Eisen-
bahn-Verkehrs
zur Ueberzeu- ^bb, j^. p«™«w^« n,i. m
gung gelangte,
dass offene oder nur theilweise geschlos-
sene Wagen dem regelmässigen Verkehre
nicht genügen, so wurde der Bau solcher
Wagen nicht mehr fortgesetzt und man
versah auch die Wagen II. und III. Classe
mit beweglichen Fenstern,
Die Dimensionen der ältesten Eisen-
bahnwagen zeigen zwar schon eine
wesentliche Vergrösserung gegenüber den
Strassen wagen, waren jedoch nach unseren
heutigen Anschauungen nur auf das Noth-
wendigste beschränkt. Besonders genüg-
sam war man in den Höhendimensionen,
welche ein aufrechtes Stehen selbst Per-
sonen mittlerer Grösse nicht mehr ge-
statteten. Di^ durchschnittlichen Ab-
messungen eines Coupt's waren im Jahre
1838: Höhe f6o. Breite 175, Länge
16 m, während dieselben im Jahre 1868
durchschnittlich betrugen : Höhe 2cio,
Breite 2'5, Länge 18 m. Es entfiel
demnach für einen Passagier II. Classe
im Jahre 1838 ein Luftraum von circa
0'56 m", und im Jahre 1868 ein solcher
von circa i-i m*, mithin fand nahezu
eine Verdoppelung des Rauminhaltes pro
Sitzplatz statt. Der Vergleich der Skizzen
[Abb. 336, 337 und 328] von Personen-
wagen aus den Jahren 1838, 1868 und
1898 zeigt das Verhältnis der Haupt-
dimensionen der Personenwagen aus jenen
Zeitperioden.
Die Einthei-
lung der Clas-
sen hat sich
vom Anbeginn
des Eisenbahn-
Betriebes bis
in die Neuzeit
so ziemlich
gleich massig
erhalten ; die
vierte Wagen*
classe erfreute
sich jedoch in
Oesterreich nie
einer besonde-
ren Frequenz
und wurde all-
mählich gänz-
lich aufgelas-
ilb-Coupi und Scblafi
. [18J0.1
Auf die glei-
che Wagen-
breite entfallen drei Sitze 1. Classe, oder
vier Sitze II. Classe, oder fünf Sitze III.
Classe; dieses Verhältnis, welches bereits
bei den ersten Wagen bestand und als eine
allgemeine Norm angenommen ist, ent-
spricht auch den übrigen räumlichen
Verhältnissen, mit Ausnahme der Höhe
des Wagens, welche durch das vorge-
schriebene Maximalprofil beschränkt wird.
Während ursprünglich für jede Wagen-
classe separate Wagen gebaut wurden,
ergab sich später die Nothwendigkeit,
gemischte Wagen zu bauen, und insbe-
sondere waren es die Wagen I. Classe,
welche wegen ungenügender Ausnutzung
seltener gebaut und mehr durch gemischte
[I. und IL Classe) ersetzt wurden. Eine
aus den Fünfziger-Jahren stammende Er-
höhung der Bequemlichkeit war die
Einth eilung von Halb- Coupes, welche
sowohl für I. als II. Classen in Anwen-
dung kamen. [Abb. 329.]
Die Halb-Coupös I. Classe wurden
bereits in den Fünfziger -Jahren als
Schlaf-Coupes eingerichtet, indem an
der Stirnwand umklappbare Fussschemel
angebracht wurden, welche in umgelegter
Stellung eine Verlängerung des hervor-
gezogenen Sitzes bildeten, so dass aus
RDcktehne, Sitzpolster und Schemel ein
ganz bequemes Ruhebett gebildet wurde.
Kopfkissen. Eine andere Anordnung
bestand darin, dass ein vollständiges Ruhe-
bett senkrecht gestellt in die RUckwand
des Sitzes eingelassen war und in Char-
nieren umgelegt werden konnte, wobei
es über zwei gegenüber stehende Sitze
zu liegen kam. Diese Anordnung er-
fordert eine Vergrösserung des Coupes,
beziehungsweise die Einschaltung eines
Zwischenraumes zwischen den Coupes
zur Unterbringung des Ruhebettes. Die
Constniction dieser verschiedenen mecha-
Während die Halb - Coupes 1. Classe
grösstentheils mit Einrichtungen zur Um-
gestaltung der Sitze in Schlafstellen ver-
sehen waren, bestanden solche bei den
Voll-Coup6s I, Classe nur vereinzelt.
Grösstentheils war die Einrichtung ge-
troffen, dass durch aufklappbare Arm-
lehnen drei neben einander befindliche
Sitze als Schlafdivan benützt werden
konnten ; die Verschiebbarkeit der Sitz-
polster gestattete dann noch diese Lager-
stätte zu verbreitem. Es wurden auch ver-
schiedene Einrichtungen getroffen, um
zwei gegenüber liegende Sitze zu einer
Lagerstätte zu verbinden, besonders da-
durch, dass man die Sitze auf gelenkige
Füsse stellte, welche eine Vorbewegung
und geringe Neigung der Sitze ermög-
lichten; gleichzeitig war auch die Rück-
lebne beweglich und bildete ein bequemes
[ nischen Einrichtungen zur Umwandlung
' vonSitzplätzen in Schlafstellen beschäftigte
I besonders den Wagenbau Ende der Sech-
ziger- und Anfangs der Siebziger -Jahre.
[ Es waren derartige Einrichtungen bei den
meisten in der Ausstellung im Jahre 1873
ausgestellten Wagen zu finden. Wenn es
! auch gelang, mit den erwähnten Einrich-
I tuntjen bequeme Lagerstätten herzustellen,
I so konnten dieselben doch noch kein
I Bett ersetzen.
I Die ersten Wagen der Wien-Glogg-
I nitzer Bahn boten einen grossen Fassungs-
1 räum bei relativ geringem Eigenge-
wicht und hatten alle Vorzüge, welche
man damals für einen lebhaften Local-
verkehr bei nicht zu langer Falirdauer
verlangte ; man fand daher die Wahl
I dieser Type sehr entsprechend und es
; muss dieser Beurtheilung auch heute
Abb. 3jt. PecaoDCDvaeen L, n. uod III. Clan
noch beigestimmt werden, wenn berück-
sichtigt wird, dass dieselbe im Grossen
und Ganzen die Grundtype unserer
neuesten Localzugwagen geworden- ist.
Es war daher naheliegend, dass bei der
Beschaffung der Fahrbetriebsmittel für
die nördlichen Staatsbahnlinien in den
Jahren 1844—1854 die Type der Wien-
Gloggnitzer Bahn beibehalten wurde.
Nachdem diese Wagen bereits für längere
Linien bestimmt waren, konnte man dem
Publicum nicht mehr die dichtgedrängten
und leichtgehaltenen Sitzplätze bieten,
sondern es musste für mehr Raum und
Bequemlichkeit vorgesehen werden. Es
wurden demnach die Sitze I. und II. Classe
gut gepolstert und mit hohen gepolsterten
Lehnen versehen, insbesonders die Sitze
1. Classe wurden mehrfach in Fauteuil-
form hergestellt ; auch die Sitze 111. Ciasse
wurden bequemer geformt und mit Lehnen
versehen. Die Sitzreihen wurden paar-
weise gegenüber gestellt, so dass Ab-
theilungen zu zwei oder vier Sitzen ge-
bildet wurden. Für zwei gegenüberliegende
Sitze wurde eine Länge von i'3 bis 17 m
gewährt und in der Breitenrichtung
wurden bei I. und theilweise II. Classe
nur drei Sitze, hei III. Classe vier Sitze
[Abb. 330] angeordnet, endlich wurden
die Wagen vielfach als gemischte Wagen
I., IL, oder I., II., III., oder IL, III. Classe
gebaut und durch Scheidewände in
llkhen StutibahDcn. [I8«.]
mehrere Abtheilungen getheilt. [Abb. 331.]
Bei der grösseren Verzweigung der Eisen-
bahnen und Verlängerung der Linien
kamen jedoch die Mängel dieser Wagen
immer mehr zur Geltung. Sowohl für das
reisende Publicum, als auch für den Be-
trieb erwiesen sich kleinere Wagen mit
abgeschlossenen Coupes zweckmässiger,
indem sich in denselben die Reisenden
gegenseitig weniger belästigten und für
längere Fahrten bequemer einrichten
konnten; umsomehr, als damals für Be-
heizung, gute Beleuchtung, Closets etc.
noch nicht vorgesehen war. Man baute
daher für Hauptlinien nur mehr Coup6-
wagen und verwendete die amerikanischen
Wagen fUr den Localverkehr, in welchem
sie vorzügliche Dienste leisteten, und wo sie
theilweise heute noch Verwendung finden.
Mit diesen vorhandenen vierachsigen
Wagen wurde der Bedarf auf den Local-
strecken der Südbahn und Staatseisen-
bahn-Gesellschaft durch lange Zeit ge-
deckt. Erst im Jahre 1872 ergab sich
das Bedürfnis, eine Vermehrung der aus-
schliesslich für den Localverkehr be-
stimmten Wagen vorzunehmen. Da jedoch
mittlerweile der Bau zweiachsiger Wagen
wesentliche Fortschritte gemacht hatte,
wurden die amerikanischen Wagen nicht
mehr vierachsig mit Drehgestellen oder
mit Adams-Achsen, sondern et\vas kürzer
und zweiachsig gebaut. Es war dies
die auf der Südbahn zuerst und bald
darauf aucb auf der Kaiserin Elisabeth-
Bahn gebaute Locaizug-Type [Abb. 332],
welche heute noch als solche gebaut
wird und neuester Zeit auch für die
Wiener Stadtbahn angenommen wurde,
[Abb. 333,] Es ist wohl selbstverständlich,
dass hier nur die Grundzüge der Type und
die Gesammteintheilung in Betracht kom-
men, und dass in den Details im Laufe der
Zeit wesentliche Aenderungen stattge-
funden haben.
Während die an die Wagen für den
Loeal verkehr gestellten Anforderungen
durch die Int er Communications- Wagen
mit Mittelgang zo ziemlich befriedigt
wurden, konnte es nicht so leicht gelingen,
bildete bereits vom Anbeginn des specid-
len Eisenbahn wagen -Bau es eine schwere
Aufgabe, deren Lösung andauerndes Stu-
dium und zahlreiche Versuche in An-
spruch nahm.
Die Type der Wagen selbst war für
die Einrichtung der Beheizungsanlagen
von nebensächlichem Einflüsse, weshal!'
mit dem Fortschritte in den Beheizungs-
systemen die allmähliche Einführung der-
selben sowohl bei Coup^wagen als Intcr-
Communications, - Wagen gleichmässio
stattfand.
Von wesentlicherer Bedeutung für die
Bauart der Wagen war die Unterbringung
von Closets in denselben.
Der Umstand, dass bei dem Betriebe
den viel höher gespannten Anforderun-
gen des Fernverkehrs ebenso rasch zu
genügen. Die alten amerikanischen Wa-
gen waren bereits gänzlich aus dem
Femverkehr eliminirt, die neueren CoupiJ-
wagen waren zwar viel besser, aber
es gab noch genug der Wünsche, wel-
chen die Wage nconstruc teure entsprechen
sollten. Es war besonders die Zeitperiode
Anfangs der Siebziger-Jahre, in welcher
man mit dem gewöhnlichen CoupiJ-
wagen nicht mehr zufrieden war und
noch etwas mehr verlangte, als bequeme
Sitzplätze, wenn sich dieselben auch zu
Schlafstellen umgestalten lassen. Beson-
ders in zwei Hinsichten waren Verbesse-
rungen nothwendig, in Herstellung einer
entsprechenden Beheizung und in Anbrin-
gung von bequem zugänglichen Closets.
Die Waggonbeheizung, welche noch an
anderer Stelle eingehend besproclienwird,*)
■ ') Vgl. Bd n, Beheizung und Beleuchtung
der Wagen von R, Freiherrn von G o s t-
k o w s k i.
ugw^eu, [.S78.]
der ersten Eisenbahnen in allen Stationen
reichliche Aufenthaltszeiten vorgesehen
waren, brachte es mit sich, dass der
Mangel an derartigen Einrichtungen im
Zuge kaum fühlbarer war als bei irgend
einem Strassen Verkehrsmittel, und dass
man überhaupt gar nicht daran dachte,
derartige Anforderungen an die Eisen-
bahnen zu stellen.
So wie für die Beheizung, stellte sich
auch das Bedürfnis nach Closets zuerst
bei jenen Dienstwagen ein, welche da?
Personal während der Stationsaufenthalte
nicht verlassen darf, also bei den Post-
wagen und Gepäckswagen. Man findet
demnach auch bereits die ältesten Post-
und Gepäckswagen mit Aborten versehen,
welche zwar einfach ausgestattet waren,
aber doch für das Personal geni^en.
Die Closets in den Gepäckswagen waren
auch dem Publicum zugänglich und
wurden deshalb etwas besser ausge-
stattet; manche Bahnen hatten auch je
zwei Closets in den Gepäckswagen. Dies
musste für Jahrzehnte den Anforderungen
genOgen, obwohl während dieser Zeit sich
der Zugs verkehr wesentlich geändert hatte.
Die Züge wurden länger, die Aufenthalts-
zeiten wurden kürzer, und es vergingen
mehrere Stunden von einem längeren
Aufenthalte bis zum nächsten.
Die Unterbringung von Closets in
den Personenwagen musste unbedingt
eine ungünstigere Raumausnützung für
die Sitzplätze zur Folge haben, und des-
halb ist es wohl erklärlich, dass die Her-
stellung solcher Einrichtungen nur sehr
eine Stimthüre in eine Abtheilung ge-
langt, in welcher sich rechts ein VVarte-
sitz, links das Closet befindet. Nachdem
einmal der Anfang gemacht war, folgten
rasch verschiedene Projecte und Aus-
führungen, so dass bereits in der Wiener
Weltausstellung 1873 die meisten der
ausgestellten Wagen I. und II. Classe
Closets enthielten.
Es würde zu weit führen, die ver-
schiedenen projectirten und ausgeführten
Wagentypen mit Cioseteinrichtungen ein-
zeln zu besprechen, und sei nur so viel
zögernd in Angriff genommen wurde.
Bezeichnend ist, dass noch in den
Sechziger -Jahren Salonwai^en, bei dfenen
weder mit Raum noch mit Geld gespart
werden musste, ohne Closets gebaut
wurden.
Anfangs der Siebziger-Jahre wurden
die ersten Einrichtungen getroffen,
welche Besserung schaffen sollten. Die
Kaiser Ferdinands-Nordbahn baute im
Jahre 1869 Personenwagen, in welchen
Closets, ähnlich wie in den Gepäcks-
wagen, untergebracht waren. Ebenso
baute die Kaiserin Elisabeth-Bahn im
Jahre 1871 eine Anzahl Wagen I. und
II. Classe mit Closets; diese Wagen
haben auf der einen Stirnseite ein
Bremserplateau, von welchem man durch
r WliQtr Stidihahn. [i^ar-l
bemerkt, dass das Bestreben der Con-
structeure hauptsächlich dahin gerichtet
war, sämmtlichen Passagieren eines
Wagens das in demselben befindliche
Closet zugänglich zu machen. Dies führte
zu zwei Grundtypen, indem man entweder
durch Verbindung der Coupes einen Durch-
gang schaffte, wodurch der Vorzug der
abgeschlossenen Coupes wieder beein-
trächtigt wurde, oder dass man die
beiden Endcoup^s durch einen Seitengang
verband, von welchem aus die Mittel-
coup^s und das Closet zugänglich waren.
[Abb. 334.] Letztere Anordnung hat den
wesenthchen Vortheil, dass die Passagiere
der einzelnen Coupes durch den Verkehr
über den Seiten gang nicht belästigt
werden und sich abschtiessen können.
522
Julius von Ow.
Derartige Wagen wurden bereits Ende
der Sechziger-Jahre in Deutschland ge-
baut und fanden später auch auf öster-
reichischen Bahnen Nachahmung.
Bei der Bauart als Coup^wagen mit
seitlichen Eingangsthüren war jedoch die
Breite des Wa-
der Co up6 wagen und der amerikanischen
Wagen vereint. Es währte jedoch mehrere
Jahre bis ein solcher Wagen zur Aus-
führung gelangte, einerseits, weil die da-
maligen JBestimmungen der technischen
Vereinbarungen auch für Wagen ohne
gens auf 2620
nttn beschränkt.
Infolgedessen
konnten die Mit-
tel-Coupes nur
sehr schmal ge-
macht, bezie-
hungsweise we-
niger Sitzplätze
in denselben
untergebracht
Seitenthürennur
Radstand 3 793"? Eigengewicht 89 Tonnen. SiLiplftAze^.^. eine Breite VOn
2*745 m gestat-
teten, anderer-
seits, weil Wa-
gen dieser Type
doch nur für den
Sommerverkehr
geeignet gewe-
sen wären. Erst
im Jahre 1874
wurde ein Wa-
Abb. 354* Coup^wagen mit Seltengaxiff. [i88a.]
werden. Es war daher der erzielte Vor-
theil ziemlich theuer erkauft, und dies
war wohl auch theilweise die Ursache,
dass solche Wagen nicht in grosser An-
zahl gebaut wurden.
Gleichzeitig gab jedoch die sonstige
Zweckmässigkeit dieser Eintheilung den
Impuls, eine Verbreiterung der Wagen
dadurch anzustreben, dass man, so wie
bei den alten amerikanischen Wagen,
den Eingang über Plattformen von den
Stirnseiten der Wagen eröffnete, und die
seitlichen Coup^thüren wegliess.
gen nach dem System Heusinger für die
hessische Ludwigs-Bahn gebaut.
In Oesterreich war infolge der wirth-
schaftlichen Verhältnisse die Zeitperiode
von 1873 bis circa 1880 für den Wagen-
Neubau im Allgemeinen ungünstig, da
in dieser Zeit weder für neue Linien,
noch für die bestandenen älteren Linien
grössere Wagenbeschaffungen stattfanden
und auch für einzelne Ersätze oder
Ergänzungen meistens die älteren vor-
handenen Typen noch beibehalten
wurden.
Abb. 335. Personenwagen von Heusinger von Waldegg. [1870.]
Das erste derartige Project wurde
von Heusinger von Waldegg im Jahre
1870 entworfen. [Abb. 335.] Nach diesem
Projecte erhielt der Wagen zwei offene
Plattformen mit seitlichen Aufstiegen ;
diese beiden Plattformen waren durch
eine offene Galerie verbunden, welche
nach aussen und auf den Stirnseiten, so-
weit die Stiegen eingebaut sind, durch
ein eisernes Geländer geschützt wurde.
In diesem Projecte waren die Vortheile
Waren bereits Anfangs der Siebziger-
Jahre die einfachen Coup6wagen als
nicht mehr zeitgemäss erkannt, so war
nach circa zehn Jahren die Zeit der ver-
schiedenen Projecte und Experimente
wieder ihrem Ende nahe, um einer klarer
vorgezeichneten Richtung zu folgen. Nach
einigen Versuchen, das Coup^-System mit
dem Durchgangs-System zu vereinigen,
von welchen nur der im Jahre 1877 ge-
baute Galerie wagen der Südbahn und
die etwas später gebauten Mittelgang-
Wagen der Nordbahn erwähnt seien,
wandte man sich auch in Oesterreich im
Principe der Heusing er 'sehen Type zu.
Die Staatseisenbahn-Gesellschaft baute
im Jahre 1880 einen Snitewagen für den
Hofzug, in welchem dieses System voll zur
Geltung kam. Nach gleicher Type, nur mit
entsprechend geänderter Sitz ein theilung,
wurden in den Jahren 1881 und 1882
weitere 74 Stück Personenwagen I, und
II, Glasse seitens der O est erreich i seh -
Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft
gebaut. Noch mehr kam jedoch diese
Type zur Geltung, als man sich im Jahre
1883 entschloss, dieselbe als Grundtype
I Langlebigkeit der Personenwagen die
Intercommunications - Wagen nicht so-
j fort auf allen Bahnen eingeführt
werden, aber auf Hauptlinien und für
Schnellzüge sind Intercommunications-
Wagen so ziemlich allgemein in Ver-
I Wendung.
I , Wenn auch die Type der Intercom-
I munications - Wagen mit Seitengang
gegenwärtig noch als die zweckmässigste
erkannt wird, so hat dieselbe doch in
den letzten 15 Jahren so manche Ver-
I besserung und Ergänzung erfahren, und
I sind bei den Wagen dieser Type die
neuesten Beheizungs- und Beleuchtungs-
I anlagen, Signal- und Bremsvorrichtungen
Abb. i)6- ViEiscblltc« Per)0
der Personenwagen der Arlbergbahn zu !
acceptiren. Es war von grossem Vor- 1
theil, dass man die verschiedenen Er- '
fahrungen der letztenjahre beim Bau dieser j
Wagen verwerthete, und dadurch eine ,
Wagentype in den Verkehr setzte, welche j
sich nicht nur rasch allgemeiner Beliebtheit |
erfreute, sondern auch die Grundlage für
den weiteren Personen wagen bau in Oester-
reich bot, so dass mit deren Einführung
das Coup^wagen - System mit Seiten-
thüren sich in Oesterreich überlebt
hatte, und dass für den Fernverkehr
seit Mitte der Achtziger- Jahre nur
mehr Infercommunications-Wagen gebaut
wurden.
In die behördlichen Bestimmungen
Ober die Bauart der Fahrbetriebsmittel
der österreichischen Eisenbahnen [vom
Jahre 1892) wurde bereits die Vor-
schrift aufgenommen, dass Wagen für
Hauptbahnen nur mehr nach dem
Intercom munications- System gebaut wer-
den dürfen. Allerdings können bei der
!. [i'w;.]
etc. zu finden. Im Allgemeinen aber war
man bestrebt, solche Wagen für grosse
Schnelligkeiten zu bauen, es wurden daher
die Radstände der zweiachsigen Wagen
von 4*5 t» allmählich unter Anwendung
von freien Lenkachsen auf 6 m erhöht,
dannbauteman dreiachsige Wagen, welche
wohl für Flachlandbahnen auch früher
schon vielfach verwendet wurden, und
nachdem für den dreiachsigen Wagen,
in so ferne es sich um Gebirgsbahnen
handelt, eigentlich die Existenzberechti-
gung fehlt, so ging man noch weiter
und begann vierachsige Drehgestell wagen
zu bauen. [Abb. 336.]
Bei den neueren Personenwagen kom-
men nebst den Beheizungs- und Be-
leuchtungs - Einrichtungen verschiedene
Details zur Anwendung, welche, wenn
auch für den Entwicklungsgang des
Wagenbaues nicht von massgebender
I.'
Bedeulung, doch immerhin als Fort- i
schritte zu erwähnen wären. Hielier
gehören die verschiedenen Thür- und
FensterverschlUsse, die Einrichtunj^tn
von Doppelfenstern und Jalousien, die
Ventilationen, die Bodenbclnfre und
Wandverkleidungen, die Uebergänge von |
Wagen zu Wagen mittels Brückun, '
flexiblen Geländern und Faltenbälgen, '
nach beiden Seiten zu öffnende Eingaiii;^
thUren und Silmmtliche Si gn alein rieh lun-
gen, von welchen besonders die ver-
schiedenen Intercommunications-Signale
das Ergebnis langjähriger Studien un-
Versuche sind.*)
'1 Vtil. Bd. III, i, Kohl fürst, Signa:-
und Telct;r;iphenwesen. S. 94.
525
III. Luxuswagen.
Die Personenwagen und deren Ein-
richtungen, welche h iaher besprochen
wurden, dienen dem allgemeinen Verkehr,
und bieten dem Passagier nichts Ausser-
gewöhnliches, d. h. das in solchen Wagen
Gebotene ist in den normalen Fahrpreis
miteinbezogen. Es gibt jedoch noch viele
Personenwagen, welche entweder über-
haupt nur für die Reisen einzelner Persön-
lichkeiten bestimmt sind, oder welche nur
gegen erhöhte Ge-
bühren beigestellt
werden, oder wel-
che Einrichtungen
enthalten, für deren
Benützung eine be-
sondere Gebühr zu
entrichten ist. Alle
diese Wagen kann
man kurzweg als
Luxuswagen be-
zeichnen.
Es hat von jeher
Reisende gegeben,
welche gerne einen
höheren Preis be-
zahlen, wenn ihnen
eine gesicherte und
ungestörte Schlaf-
steile geboten wird,
und welche sich
doch nicht sofort
den Luxus eines
separaten Wagens gestatten. Um diesen
Ansprüchen gerecht zu werden, war
man bestrebt, separate Schlaf-Coupßs zu
bauen. Bereits im Jahre 1858 hatte
die Staatseisenbahn • Gesellschaft einen
derartigen Wagen. [Abb. 337.] In dem-
selben war ein Halb-Coup6 mit vier Sitz-
plätzen, von diesem gelangte man durch
zwei ThUren in zwei Abtheilungen, welche
in der Mitte des Wagens durch eine
Längenwand getrennt waren. An dieser
Scheidewand waren beiderseits je zwei
Betten übereinander angebracht, ähnlich
wie in Schiffscabinen, so dass jeder
Passagier seinen Sitz und sein Bett
hatte. Der Wagen enthielt vier Plätze
L Classe mit Betten und 16 Plätze
IL Classe.
Die Einrichtung von Schlafplätzen in
den Coupfiwagen [vgl. S. 518] bilden ein
Ue bergan gsstadium, einerseits war das Be-
streben vorhanden für die Bequemlichkeit
der Reisenden etwas mehr zu bieten, als
einfache Sitzplätze, andererseits fehlte
noch das Vertrauen in die Rentabilität
besonderer Schlafwagen, weshalb man
sich scheute, für die Erbauung solcher
namhafte Kosten aufzuwenden. Trotz-
dem aber verfolgte man mit Interesse die
Bauart der Wagen in Amerika. Was
bei uns noch mehr oder weniger Luxus
war, war dort be-
reits Bedürfnis, in-
folgedessen nahm
der Bau von Schlaf-
wagen in Amerika
einen rapiden Auf-
schwung. Beson-
ders die Schlafwa-
gen, System Pull-
mann, fanden in
Amerika rasche
Verbreitung und
wurden vielfach in
der deutschen Fach-
, literatur bespro-
chen. Es waren
demnach auch die
in Deutschland und
O esterreich zuerst
gebauten Schlaf-
wagen, von wel-
chen in der Wiener
Ausstellung im
Jahre 1873 fünf verschiedene Ausführun-
gen zu sehen waren, diesem Systeme
nachgebildet. [Vgl. Abb. 338.]-
Obwohl bereits mehrere Jahre früher
in Amerika vier- und sechsachsige Schlaf-
wagen gebaut wurden, so findet man
doch, dass die ersten österreichischen
Schlafwagen noch ziemlich die Dimen-
sionen der damals üblichen zweiachsigen
Wagen beibehielten und infolgedessen
für keine grossen Geschwindigkeiten und
für keine besonders grosse Frequenz be-
rechnet waren. Die Hauptursache liegt
wohl darin, dass dieselben den damaligen
Verhältnissen gemäss hauptsächlich für
den inländischen Verkehr, beziehungs-
weise für den Verkehr auf den eigenen
Bahnlinien bestimmt waren. Es gab
nicht nur in Oesterreich, sondern auch
}40. SchlafwaKen, Seiieaeans.
526
in Deutschland, Belgien und Frankreich 1
wenige Bahnen, welche auf ihren Linien
allein eigene Schlafwagen mit Vortheil
ausnutzen konnten. Dies führte bereits im
Jahre 1 872 zur Gründung der ersten Schlaf-
wagen-Gesellschaft, Georges Nagel-
mackers & Co., welche sich den inter-
nationalen Schlafwagen- Verkehr zur Auf-
gabe stellte und ihre Wagen in den
renommirlesten Fabriken bauen Hess.
Die ersten Wa-
gen dieser Gesell-
schaft wurden im
Jahre 1873 auf
der Linie Berlin-
Aachen und Cöln-
Ostende in Be-
trieb gesetzt und
im selben Jahre
noch verkehrte
der erste Schlaf-
wagen dieser Ge-
sellschaft auf der
Linie Wien-Mtln-
chen-Paris. Im
Jahre 1874 wur-
den bereits für
dieselbe mehrere
Schlafwagen in
der Hern aiser
Waggonfabrik ge-
baut. Diese Wa-
gen waren zwei-
achsig und wur-
denvorherrschend
für kürzere Linien
verwendet, wäh-
rend für weitere
Relationen dreiachsige und Ende der Sieb-
ziger-Jahre auch vierachsige Schlafwagen
in Verwendung kamen. Mit Ausnahme
der ältesten zwei- und dreiachsigen Schlaf-
wagen sind die Wagen der Schlafwagen-
Gesellschaft mit Plateau-Eingängen und
Seitengang [Abb. 339 und 340], mithin
nach dem System Mann gebaut.
Die Schlaf-Coupcs sind theils als VoU-
CoupSs mit vier Sitzen, theils als Halb-
Coupiis mit zwei Sitzen gebaut.
Der internationale Verkehr der
Schlafwagen blieb nicht ohne Einfluss
auf den Wagenbau, nicht nur mit Be-
zug auf die Wagen der Gesellschuft,
sondern auch im Altge
Abb. Hl. Spei
besonders auf die Bauart der vierath-
sigen Wagen.
Ein für den Verkehr noch mehr ih tu
den Wagenbau wichtiger Fortschritt nir
die Einführung von Luxuszügen, welcbt
hauptsächlich der Schlafwagen - GescL-
Schaft ihr Entstehen und ihre Verbrei-
tung zu verdanken haben. Der er*
derartige internationale Zug war Je:
Orient -Expresszug, welcher im Jahre if^.;
zwischen Par;<
und Constantiro-
pel in Verkel::
gesetzt wurde.
Der Wagenbaj
war dabei iii*'>
ferne intereäsirt.
als mit dieser.
Zügen auch die
Restauration 5-
und Küchenn-a-
gen in Betric':-
kamen. Die Spei-
sewagen sind in
ihren HauptJi-
mensionen gleich
den «erachsiges
Schlafn-agen, >ic
enthalten mei-
stens einen Spei-
sesalon mit 34Gc-
decken[Abb,,?4i;
und einen Raucti-
und Kaffeesalon
mit 12 Gedecken;
ausserdem n«ti
.,„ „D^,, einen Servirr.iuni.
ewigen, [iSi/i,) iri.t.
wenn die MM
in einem separaten Wagen untergebracht
ist ; oder statt des Servirraumes die Küctie.
Die Annehmlichkeit der Speisewagen
hatte zur Folge, dass solche nichl iw
in den Luxuszügen, sondern bald aum
in den wichtigeren Schnellzügen gefühn
wurden ; so verkehrte bereits im Jahre
18K4 ein Speisewagen zwischen Hie"
und BerHn. Die Speisewagen macMen
die Herstellung von vollkommen sicheren
Uebergängen von Wagen zu Wagen
zum Bedürfnis. Lange Zeit mussteman
sich auch beim Orient- Expresszuge w'
zwar sicheren, aber offenen Ueberbrllctu"-
gen begnügen, erst seit wenigen Jahren
gclant^ten die geschlossenen Faltenbil^^
bei den LuxuszUgen zur Anwendung.
Dem Orient- Expresszuge folgte im Jahre
1894 der Ostende-Expresszug, und im
Jahre 1895 der Nizza- Expresszug.
Welchen Einfluss die Schlafwagen-
Gesellschaft auf den Verkehr iu Oester- |
reich hat,
gen, welche für die, die Alpenländer
durchziehenden Bahnlinien, besonders für
die Kronprinz Rudolf-Bahn und die Salz-
burg-Tiroler Bahn in verschiedenen For-
men gebaut wurden. Der damaligen Zeit,
Anfang der Siebziger-Jahre, entsprechend,
waren dies
. ' leichte zwei-
achsige Wa*
' gen von der
;. Dimensioni-
10 Gepäckswagen der Schlafwagen-Ge-
sellschaft auf österreichischen Linien ver-
kehrten.
Die Anforderungen an den Wagenbau
im Allgemeinen wurden dadurch gestei-
gert, dass auch seitens der Bahnver-
waltungen eigene Luxuszüge eingeleitet
wurden. So wurden für den Luxuszug
Wien-Karlsbad separate Luxuswagen ge-
baut [Abb. 342], diese Wagen, welche in
ihrer Hauptbauart den vierachsjgen Arl-
berg wagen ziem-
lich gleich sind,
unterscheiden
sich von densel
ben hauptsächlich
durch die luxU'
riösere Raumaus-
theilung und Aus-
stattung. [Abb.
3 43.] Das Gewicht
eines solchen
Wagens beträgt
32,650 kg, ti
entfällt somit au:
einen Sitzplatz
eine todle
von 1632 kg.
Diese Luxus w
gen sind nur f
TageszUge b
stimmt, enthal'
ten daher keine
Schlafstelle.
Ein
best
dere Gattung von
Luxuswagen sind
die Aussichtswa-
gen
freistehenden
I Fauteuils oder einem länglichen Puff in
I der Mitte [Abb. 344] ; Fenster an Fenster,
I oder zur Hälfte geschlossen und zur
Hälfte als offene Veranda gebaut [Abb.
I 345]; auch ganz offen mit Eisenmöbel.
' Letztere Wagen konnten sich jedoch
I für die Dauer nicht bewähren, da die-
selben gar keinen Schutz gegen Regen,
Wind und Rauch boten. Nachdem der
' Reiz der Neuheit vorüber war und
I Seitenlinien sowie Zahnradbahnen bis
in die hdheren
Alpenregionen
führten, schwand
auch das Inter-
esse für die land-
schaftlichen Reize
der Hauptlinien,
die leichten Aus-
sichtswagen wur-
den auf manchen
Linien durch die
mehr Annehm-
lichkeiten bieten-
denRestaurations-
wagen verdrängt,
und finden nur
noch auf Neben-
linien oder bei
Zügen minderen
Ranges Verwen-
dung. Infolge-
dessen bestehen
auf Normal spur-
bahnen in Oester-
reich nur Aus-
sichtswagen älte-
1 miau- Wagen. Ter Constfuction.
528
Während Reslaurations-, Schlaf- und
Aussichtswagen noch immer in rej;e!-
massigem Turnus fahrplanmässig ver-
kehren und jedermann zugänglich sind,
sind die eigentlichen Salonwagen nur
für einzelne Persönlichkeiten und nur
, nach Bedarf im Verkehr. Die Salonwagen
der verschiedeneil Zeitperioden repräsen-
tiren die jeweilige . Leistungsfähigkeit
des Wagenbaues sowie der decorativen
Gewerbe, und würden, de-
taillirt beschrieben, alle Fort-
schritte des Gesammt- Wagen-
baues aufweisen, andererseits
aber sind auch für solche Wa-
gen stets so viele specielle
Motive massgebend, dass eine
detail lirte Besprechung der
Gonstruction auch die Dar-
legung des jeweihgen Baupro-
grammes bedingen würde. Vor
Allem sind es die Hofwagen,
an welchen der Wagen bau
sein Bestes zu bieten bestrebt
war. Bereits im Jahre 1845
wurde von Heindorfer ein
Hofwagen für die Staatsbahnen
gebaut [Abb. 346], welcher,
der damaligen Type der ame-
rikanischen Wagen entspre-
chend, vierachsig mit zwei
Drehgestellen und mit Plateau-
Eingängen versehen war.
Aehnlich waren auch die älte-
sten Hofwagen der ' SQdbahr.
und der Kaiserin Elisabeth-
Bahn gebaut. Die später ge-
bauten Hofwagen waren mei-
stens dreiachsig bei annähemd
gleicher Grösse und Einthei-
lung wie die vorerwähn icr.
vierachsigen Wagen.
In den Jahren 1857 mi
1858 wurden von der Staats-
bahn zwei dreiachsige und dn
g- ^ zweiachsiger Hof wagen ge-
[~ ^^ baut. Die Firma Lauenslein
l— I in Hamburg lieferte im Jahre
- 1863 einen dreiachsigen Hof-
I ^j wagen an die Carl Ludn-ig-
^] Bahn und im Jahre 1864 einen
solchen an die Kaiser Fcr-
dinands-Nordbahn. Für die
Kaiser Franz Josef-Bahn wur-
Jahre 1 870 drei zusammen-
gehörige Hofwagen von F. Ringhoffer
in Prag geliefert, es folgte dann noch
der Bau mehrerer zwei- und dreiachsij;ef
Hofwagen, unter welchen die Hofjas;;!-
wagen der Südbahn und der Kaiser
Ferdinands- Nordbahn zu erwähnen wären.
Alle diese älteren Hofwagen waren
ursprünglich den Mängeln des damaligen
Wagenbaues unterworfen, und wenn man
den
iUnB|;en dsr Kaiserin EllubeUi.Batm.
auch bemüht war für Beleuchtung, Be-
heizung und Toiletten mehr zu leisten
als bei gewöhnlichen Wagen, so war der
Erfolg doch noch immer sehr bescheiden.
Bei den meisten dieser Wagen wurde
durch öftere Reconstructionen und Adap-
tirungen das Fehlende zwar theilweise
nachgeholt, so dass die Wagen im Laufe
der Zeit wesentliche Aenderungen er-
litten, es war jedoch nur bis zu einer
gewissen Grenze möglich, ältere Wagen
zu modemisiren, da man insbesondere
genommen und nach gemeinschaftlicher
Aufstellung eines Programmes, der Bau
dieser Wagen der Firma F. Ringhoffer
Übertragen.
Als Bedingung wurde aufgestellt, dass
dieseWagenaufallen Bahnendes Deutschen
Eisenbahn- Verbandes und auch auf den nor-
malspurigen Bahnen der Nachbarländer so-
wohl zusammen als auch einzeln verwend-
barseien; die Ausstattung sollte stilgerecht,
doch einfach, ruhig und ohne jede Ueber-
ladung gehalten und die Ausführung
IDanDDiDBfflBDDDDDDn
^^
'^^^Ijf^
hinsichtlich des Laufwerkes bei Recon-
structionen ziemlich beschränkt ist. Auch
die Geschmacksrichtung hat sich vielfach
geändert. Während die alten Hofwagen
in erster Linie Parade wagen und als
solche mit Vergoldungen und grell-
farbigen Tapezirungen reich ausgestattet
waren, neigte man sich später der
Tendenz hin, den hohen Reisenden vor
Allem bequeme und angenehme Wagen
zu bieten und das Auge nicht durch
grelle Farben und übermässige Ver-
goldung zu ermüden.
Als im Jahre 1872 in Eisenbahn-
kreisen die Anregung gemacht wurde,
durch Erbauung einer aus zwei Wagen
bestehenden Keisewagen- Garnitur für Ihre
Majestät die Kaiserin die Huldigung
der gesammten österreichischen Eisen-
bahnen zum Ausdruck zu bringen, wurde
diese Anregung von sämmtlichen Eisen-
bahn-Verwaltungen mit Freuden auf-
r Sta.ubataii.n. [1845.]
in jeder Hinsicht die sorgfältigste sein.
Auch der Radstand dieser dreiachsigen
Wagen wurde, um den Verkehr der
Wagen nicht einzuschränken, nur mit
4'43 tn ausgefiihrt ; im Zusammenhange
damit konnte auch die Gesammtlänge
des Wagens nur 9 m betragen. Es muss
hier bemerkt werden, dass man damals
keine Lenkachsen ausführte und infolge-
dessen eine Verg rosse rung des Rad-
standes für scharfe Krümmungen unzu-
lässig war. Man musste daher trachten,
den gebotenen geringen Raum möglichst
zweckmässig auszunützen und glaubte
dies dadurch zu erreichen, dass der
eine Wagen als Schlafwagen, der zweite
als Salonwagen gebaut wurde und beide
Wagen durch eine mit Faltenbälgen
geschlossene UeberbrUckung verbunden
wurden.
Im Jahre 1K74 wurden diese Wagen
vollendet, und obwohl infolge der gerin-
gen Dimensionen die Eintheilung der
Appartements selbst für die damalige
Zeit keineswegs reichhaltig genannt
werden kann, so wurde den Erbauern :
doch die Ehre zutheil, dass diese Wagen i
nunmehr seit 23 Jahren
für die Reisen Ihrer Ma-
jestät der Kaiserin nahezu
ausschliesslich verwen-
det wurden, }m Laufe
dieser Zeit erlitten diese
Wagen nur wenige Aen-
d!?rungen; im Jahre 1895
wurden sie für elektrische
Accumulatoren - Beleuch-
tung eingerichtet.
Für Reisen Sr. Ma- >
jestät des Kaisers wurden ^
meistens die Hof wagen 5
der Staatseisenbahn-Ge- (^
Seilschaft, der Kaiser Per- ^
dinands - Nordbahn und S
der Südbahn benützt. So- n
wohl die Kaiser Fer- r
dinands - Nordbahn, als °
auch die Staatseisenbahn, ^
haben mit Verwendung ^
verschiedener Salonwagen ^
complete Hofzüge zu- -
sa mm enge stellt und die- ;
selben durch Beigabe eines f
Speisewagens und eines ;
Kuchenwagens vervoll- ?
ständigt. ^
Nachdem jedoch diese ^
Züge aus Wagen be-
standen, welche aus ver-
schiedenen Zeit Perioden
stammten, so kam in
denselben der zeitgemässe
Fortschritt nicht vollstän-
dig zur Geltung und die
österreichischen Bahnver-
waltungen konnten sich
nicht verhehlen, dass die
Zusammenstellung dieser
Hofzüge nicht mehr dem entspreche,
was sie ihres geliebten* Kaisers würdig
erachteten. Es wurde deshalb im Jahre
1891 der Beschluss gefasst, einen com-
pleten Zug für Reisen Sr. Majestät des
Kaisers zu erbauen, in welchem alle
Forlschritte des modernen Wageubauos
zur Geltung kommen sollten. Naclulem
durch ein aus den einzelnen österrei.hi-
schen Bahn Verwaltungen gebildetes G-
mit^ das Programm und die Proje.:t
verfasst waren, übernahm die Firr.j
F. Ringhoffer den Bau des Kaiserziy«
welcher im Jahre i>i.;
vollendet und Sr. Majc?iji
vorgeführt wurde. [.\':^\:.
347-]
Der Kaiserzug besteh:
aus acht Wagen, von nc-
chen fünf Wagen je m;!
und drei Wagen je Jr::
Achsen erhielten mä 11.
nachstehender Reihenii.vu-
im Zuge zusammenjic-
stelll sind:
I. Dienst-, Gepäcks- uiJ
Beleuchtungswagen.
3. Wagen far Hofbedicr.-
stete.
3. Wagen für Se. Maje-
stät den Kaiser.
4. Wagen für die B^Ici-
tung Sr. Majestät
5. Speisewagen.
6. Küchenwagen.
7. Wagen für die Be:;ic:-
tung Sr. Majestäl.
8. Wagen für Bediensteic,
Gepäcksabtheilung.
Nächst dem \\asii
für den Kaiser ist Jer
Speisewagen der bemtr-
kenswertheste im Zu£i:
[Abb. 348.]
Im Speisesalon [.Ahr
349] sind als Wandverklei-
dung in Holziriesen einEf
rahmte, silber- und gil--
bronzirte Lederfiillunsei:
in reicher Handschnitietc:
angebracht. Die Decke :?:
in drei Felder getheüi, i-
«eichen Oelgemälde !:i
geschnitzten Nussrahmen befestigt sini
[Abb. 350.]
Die Wagen für die Begleitung Sr. Mj-
jestät und für Hofbedienstete sind Seiten-
gangwagen in mehr oder weniger reicher
Ausstattung.
Der vierachsige Küchen wagen i'"
gleichfalls als Seiten gang wagen gebaJ'
und enthält eine grosse KUche, einen
ServiTTaum und ein Schlafcoup^ für den
Küchenchef und ein Closet.
Der vierachsige Maschinen wagen
enthält, das Conducteurcoupä, daran an-
An den Maschinenraum reiht sich der Ge-
päcksraum und an diesen das Dienstcoup6
I, Classe, welches durch einen Seitengang
abgeschlossen ist, von welchem man auf
den gedeckten Vorraum gelangt.
Abb. 34S. Spclaewai
schliessend ein kleines Dienstcoup^; von 1
diesem gelangt man in den Maschinen-
raum, in welchem der Dampfkessel, die |
Dampfmaschine und die Dynamomaschine
für die elektrische Beleuchtung auf-
gestellt ist sowie alles Zugehör, als
Schaltbrett, Wasser- und Kohlenbehälter,
Verbindungen für die Dampfheizung etc.
Durch Erbauung dieses Zuges hat die
Firma F. Ringhoffer ein glänzendes
Zeugnis der österreichischen Wagenbau-
industrie geliefert, ebenso hat die Firma
Bartelmus in Brunn in der Construction
und Ausführung der elektrischen Be-
leuchtungsanlage Vorzügliches geleistet.
Die Arbeiten für die Ausschmückung
Abb. 34g. Speistealou Im SpelfenajfeD d
des Zuges erfolgten nach Zeichnungen
der Professoren der Prager Kunst-
gewerbeschule Architekt G, Stibral und
J. Kastner, die Gemälde im Speise-
salon sind von Professor F. 2enisek in
Prag, Für die Erbauung des Zuges
wurde nach Möglichkeit inländisches
Material verwendet. Der complete Zug
findet gewöhnlich nur bei Reisen Sr. Maje-
stät mit grossem Gefolge Verwendung,
wogegen bei sonstigen Reisen nur nach
Erfordernis einzelne Wagen benutzt wer-
IV. Secundärzug-Wagen.
Durch Einfuhrung des SecunJäi-
betriebes auf einzelnen Bahnlinien, ao6
mehr aber durch die Erbauung \'in
Schmalspurbahnen, Zahnradbahnen, Draht-
seilbahnen, Dampftramways und elekti-
schen Bahnen hat sich ein SpecialznciJ
des Wagenbaues gebildet. Im Allge-
meinen wird für Wagen derartitrcr
Bahnen ein möglichst geringes Gewich;,
leichte Beweglichkeit in kleinen Bahc-
den. Für kurze Fahrten, besonders zu
Jagden, werden von Sr. Majestät noch
meistens die kleineren Wagen der Süd-
bahn und Nord bahn benützt. Gewiss
ist es von Interesse, dass Se. Majestät
bis vor wenigen Jahren sich auf der
Reise keines Bettes bediente, sondern
sich mit einem Schlaffauteuil begnügte.
Diese Fauteuils, welche unter der Be-
zeichnung »Kaiser - FauteuiJ« bekannt
sind, bestehen aus zwei TheUen, einem
Fauteuil gewöhnlicher Form und einer
Verlängerung desselben, welche zu-
sammengestellt eine Chaiselongue bil-
den. An einer Armlehne des Fauteuils
ist ein Klapptischchen angebracht. Man
findet demnach auch die älteren, für
Reisen Sr, .Majestät früher verwendeten
Hof wagen nur mit Schlaf fauteuils aus-
gerüstet.
krümmungen, zweckmässige, nicht allzu-
beengte Sitzeintheilung, freie Aussichi
und geschmackvolle Ausstattung verlanet;
dagegen wird auf grosse Fahrgeschwin-
digkeiten, auf lange Züge und auf jene
Bequemlichkeiten, weiche für langdauem Je
Fahrten verlangt werden, verzichtei.
Ferner kommt hei vielen dieser Bahnen
die Nothwendigkeit der Ber Ucksichtiguni
des Ueberganges der Wagen auffremJc
Linien überhaupt nicht in Frage. Es ent-
fallen mithin sehr viele constructive Be-
schränkungen und Verpflichtungen, welche
bei Normalspurbahnen nicht zu umgehen
sind. Für Localbahnen mit normaler
Spurweite, welche meistens doch i"
Hauptlinien anschliessen oder wenigsten*
in absehbarer Zeit einen Anschluss i^r-
warten lassen, werden in neuerer Zeil
nur mehr Wagen derselben Type "ic
für die Localstrecken der Hauptbahnen
gebaut. In froherer Zeit, als noch solche
Linien vereinzelt waren und auf Ueber-
gänge und Anschlüsse weniger Bedacht
genommen wurde, war man bestrebt,
für dieselben leichtere Wagen zu hauen.
Diese Sparsamkeit führte auch zum
Bau der sogenannten Etagewagen.
In einem Etagewagen III. Classe von
1 1.290 A^ Eigengewicht, konnten 90 Sitz-
plätze III. Classe untergebracht werden.
[Abb. 351.] Obwohl bei den Etage-
wagen an Gewicht pro Sitzplatz ziem-
lich viel erspart wurde, zeigten dieselben
doch bedeutende Uebelstände; es be-
schränkte sich daher der Bau der Elage-
wagen auf die Periode Anfangs der Siebzi-
ger-Jahre und
wurde nicht
weiter fortge-
setzt. Eine
gleichfalls in
dieselbe Zeit-
periode fal-
lende Wagen-
Construction
waren die
Dampf wagen
oder Omni- Abt. 3S1. Eta
bus wagen, bei
welchen man den Motor und den
Wagen in einem Fahrzeuge vereinigte.
Es waren vierachsige Wagen mit zwei
Drehgestellen, von welchen das eine mit
vollständigem Dampfbetriebs-Mechanis-
mus versehen war, [Abb. 352.] Im
Kasten ober diesem Drehgestelle war
der stehende Dampfkessel nebst Zu-
ge hör untergebracht. Der übrige Theil
des Wagens war als Personenwagen
III. Classe gebaut. Auch diese Dampf-
wagen hatten keine lange Lebensdauer I
und werden nur mehr für manche
Zahnradbahnen .gebaut. Es würde 7.\x
weit führen, auf die Bauart der Wagen
für Schmalspur - Bahnen, für Dampf-
tram ways, Zahnrad- und Drahtseilbah-
nen sowie Tramways und elektrische
Bahnen näher einzugehen und es sei nur
erwähnt, dass insbesondere auf den bos-
nisch-herzegowinischen Bahnen eine Fülle
von sinnreich durchdachten und sorgfäl-
tigst ausgeführten Wagen-Constructionen
zu finden ist, welche den Verkehr auf
diesen Schmalspur- Bahnen jenen der Nor-
malspur-Bahnen ebenbürtig machen.*)
Zu den für Personen-Beförderung be-
stimmten Wagen sind auch noch jene
Wagen zu zählen, welche die Bestimmung
haben, dem müden Erdenwanderer auch
noch auf seinem letzten Wege zur Ver-
fügung zu stehen. Es war die Erste
Eisenbahn wagen- Leihgesell Schaft in Wien,
für welche von der Waggonbau- Anstalt
von Kasimir Lipiiiski in Sanok im Jahre
1894 der erste österreichische Leichen-
transport-Wagen gebaut wurde. Früher
wurden für Leichen trän Sporte gewöhn-
liche gedeckte Güterwagen verwendet
und es war dabei nicht zu vermeiden,
dass durch das ganze, gewissermassen
rohe Aus-
wagen. (1N70.)
der Bahntransport von Leichen wenig
pietätvoll erscheinen musste Der erwähnte
Leichenwagen ist nach Bauart der Inter-
communications- Wagen mit zwei Platt-
formen hergestellt, der Kasten des Wagens
enthält zwei Abtheilungen, den Aufbah-
rungsraum und ein Coupß für die Begleiter.
Auf beiden Seiten des Wagens führt
eine gedeckte, seitlich offene Galerie um
den Kasten, so dass die Passage durch
den Wagen, ohne Betreten der Innen-
räume, möglich wird. In dem Aufbahntngs-
raume, welcher mit grossen Fenstern
versehen und entsprechend drapirt ist,
ist in der Mitte ein Podium aufgestellt,
welches, auf Schienen beweglich, durch
eine Doppelthüre über die Plattform vor-
gerollt werden kann. Die Verladung des
Sarges erfolgt in gleicher Weise wie bei
den Fourgons der Leichenbestattungs-
Unternehmungen. Die ganze Ausstattung,
•) Vgl. Bd. m., F. Äeiula, Die Eis.
nen irn Occupationsgebiete.
Form und Decorirung des Wagens ist
eine ernste, würdevolle, dem Zwecke
entsprechende.
V. Dienstwagen.
Ein Mittelding zwischen den Perso-
nen- und Güterwagen sind die soge-
nannten Dienstwagen, und diese scheiden
sich wieder in Conducteur- und Post-
wagen. Der Conducteur wagen war von
jeher ein etwas besserer Güterwagen
mitPersonen wagen-
Untergestelle, und
hat an den allge-
meinen Verbesse-
rungen nur inso-
feme Theil ge-
nommen, als diese
auch den ührigen
in Personenzügen
rollenden Wagen zu
Gute kamen. Die
Conducteurwagen
erfreuen sich kaum
seit mehr als zwei
Decennien einer Be-
heizung ; gar oft
hatte früher ein-
gefrorene Tinte die
Eintragungen in
den Stundenpctssen
erschwert. Die älte-
sten Conducteur-
wagen hatten offene ^^ji ^^^
Plattformen, auf
welchen die Zugführer und Conducteure
verweilen mussten, um die Bremsen zu
bedienen, und diese Eintheilung ist auch
bei jenen Bahnen beibehalten, welche
Plateaubremsen hatten ; bei anderen Bah-
nen wurden die Bremsersitze des Con-
ducteurwagens in erhöhte, mit Glas-
fenstem versehene Aufbaue des Mani-
pulationsraumes verlegt, so dass der
Zugsführer, ohne das Innere des Wagens
zu verlassen, den Zug überblicken und
die Bremse bedienen kann.
In den ersten Zeiten des Eisenbahn-
betriebes waren Conducteur- und I'ost-
räume in einem Wagen vereint, wie dits
auch gej^cnwärtig noch auf vielen Seiten-
linien der Fall ist. Mit dem Eisenbahn-
betrieb nahm jedoch auch das Postwegen
einen rapiden Aufschwung, so dass in
kurzer Zeit eine Abtheilung im Cor,-
ducteurwagen für Postzwecke nid:
mehr genügte, und besondere Postwaiieu
' eingestellt werden mussten. ZuJcrri
ergab sich das Bedürfnis, Postmanipu-
I lationen auch während der Fahrt vorzu-
' nehmen. Ks wurden daher im Jahre I^4^)
die ambulanten Postbureaux eingefühlt.
( Die Bauart der Wagen bot keine be-
i sonderen Schwierigkeiten, indem die !ür
den Postdienst erforderliche Einrichtunj;,
Schreibtische, Fj-
cherstellagenetc. \rr.
Wagenkasten leicht
unterzubringenwat.
Etwas mehr
Schwierigkeit b t
für die damali;:c
Zeit die Beheizung
der Postwagen, ix
man doch eine ziem-
lich gleichmassi>;e
Erwärmung de*
Wagens bei Ver-
meidung von Feu-
ersgefahr verlangen
musste. Es wurde
daher im Jahre 1X41)
der bekannte Pjtiv
techniker Professar
Meissner einge-
laden, diese Fra^c
einem eingehenden
....... t«.] Studium z» «mer-
ziehen. Seitens Jet
k. k. General -Direction der Commu-
nicationen wurde demselben ein Wa-
gen III. Classe auf dem Stationsplatze
Hohenstadt zur Vornahme von \ tr-
' suchen zur Verfügung gestellt. Nach
I verschiedenen Probefahrten wurden im
Juni I S50 amtliche Proben vorge-
! nommen, deren günstiges Resultat die
Ceueral-Direction veranlasste, bis zum
Herbste 1S50 weitere 26 Wagen tür
1 die ambulante Post nach dem Meissner-
schen Svstem einzurichten und zwi-
schen Wien - Bodenbach und Wien-
. Üderberg in Betrieb zu setzen. Die:>c
Hei Zungseinrichtung wurde filr al'*^
Piistumhulanz- Wagen angenommen unJ
blieb lange Zeit das vorgeschriebene
Normale für die Poslambuianz -Wagen. •)
Für die Erfordernisse der Post ge-
nügten auf den Hauptlinien bereits in den
FUnfziger-Jahren zweiachsige Wagen
nicht mehr, es wurden daher aus zwei
Wagen combinirte Postambulanz- Wagen
gebaut, welche mit ganz kurzer Kuppe-
lung und Buffern enge verbunden und mit
einer von einem Lederbalg umschlossenen
UeberbrUckung versehen wurden. [Abb.
353-] Wir finden daher bei den Postwagen
die ersten Faltenbälge angewendet. In
neuester Zeit, bei der allgemeineren An-
wendung von vierachsigen Drehgestell-
wagen, werden auch die Postambulanz-
Strassenbauten, Uferbauten etc. in den
verschiedensten Varianten findet.
Der charakteristische Unterschied zwi-
schen diesen Fahrzeugen und dem eigent-
lichen Eisenbahnwagen besteht in der
Anwendung von Tragfedern bei letzteren,
welche einerseits zum Schutze der La-
dung, beziehungsweise des Fahrzeuges
und des Oberbaues gegen harte Stösse,
andererseits zur Vertheilung der Beta-
stung auf die einzelnen Kader noth-
wendig wurden. In England wurden
bereits im Jahre 1830 offene Güterwagen
mit Tragfedem gebaut. Diese Wagen,
welche auch als erste Güterwagen auf
den österreichischen Bahnen eingeführt
Abb. J5J. Puilomli
Wagen nach dieser Type gebaut. Die
Abtheilungen für den Manipulationsdienst
sind wie die stationären Postämter ein-
gerichtet. [Abb. 354.]
VI. Güterwagen.
Ursprünglich war der offene Güter-
wagen das einzige Lastfuhrwerk auf den
älteren Pferde- Eisenbahnen. [Abb. 355.]
Alle diese Wagen gehören zu jener Type,
welche wir heule als provisorische Bau-
fuhrwerke und Bahn wagen bezeichnen,
und welche man bei Steinbrüchen,
•) Vg
,l.r«-WaB". fl^.l
wurden und unter dem Namen Lowries
bekannt sind, wurden für eine Tragfähig-
keit von So Ctr. ausgeführt, dienten
für den Transport aller Güter, welche,
wenn nöthig, mit Theerdeeken zuge-
deckt wurden. Im Jahre 1838 wurden
solche Lowries in England mit abnehm-
baren Stirn- und Seitenwänden gebaut;
um mehr Kaum für die Unterbringung
der Frachtstücke zu gewinnen, wurden
von Stirnwand zu Stirnwand Firstbäume
gelegt, über welche die beweglichen
Decken gespannt wurden. Aus letzterer
Conslruction entwickelte sich der ge-
deckte Güterwagen.
Für den Bau der Güterwagen, war'
von jeher nur der Geschäfts Standpunkt
massgebend. Man will in der Beschaffung
und in der Erhaltung möglichst billige
536
Julius von Ow.
Wagen, welche dem allgemeinen oder
einem speciellen Transportzwecke voll-
kommen entsprechen und ungehindert
in jenen Relationen, für welche sie be-
stimmt sind, verkehren können. Aller-
dings werden diese Bedingungen zu ver-
schiedenen Zeiten und an verschiedenen
Orten auch verschieden aufgefasst und 1
es ist daher oft schwer zu beurtheilen, I
ob eine neue Constructionstype gegen- |
über älteren Typen als ein Fortschritt
zü bezeichnen ist. Der Fortschritt liegt beim
Lastwagenbau hauptsächlich in der Ma-
terialverwendung und Materialbearbei-
tung. Heute stehen uns Eisen- und
Stahlfabricate zur Verfügung, die vor
50 Jahren noch unbekannt waren, imd
in den Fabriken liefern die Maschinen
Arbeiten, welche früher eben nicht zu
leisten waren.
Mit dem wachsenden Verkehr nahm
auch das Bedürfnis nach Wagen für
specielle Zwecke zu. Es ist ein
Zeichen des sich immer mehr ent-
wickelnden Handels und Verkehrs, dass
für verschiedene Frachtgattungen heute
zahlreiche Special wag-en bestehen, für
welche Frachten man in früheren Zeiten
die Erbauung von Specialwagen nicht
rationell erachtete. Der Lastwagenpark
jeder Bahn stellt sich aus den eben dort
benöthigten Typen zusammen, so dass
eigentlich jede Bahn für sich eine Ent-
w^icklungs- Geschichte ihrer Lastwagen
aufzuweisen hat.
Im Nachstehenden werden die ersten
Beschaffungsjahre verschiedener Wagen-
gattungen der alten nordöstlichen Staats-
bahnen und deren Nachfolgerin, der
Staatsei senbahn- Gesellschaf t, angegeben ,
welche Daten jedoch nur ein allgemeines
Bild geben sollen, für welche Wagen-
typen damals bereits ein Bedürfnis auf
jenen Linien vorhanden war.
Lowries, gedeckte Güterwagen, Pferde-
wagen 1845, Feder Viehwagen 1846,
Langholzwagen 1850, Kohlenwagen 1853,
Borstenviehwagen 1854, Hom Viehwagen,
Hochbordwagen, Cokeswagen 1855, Oel- I
transportwagen 1858, Bierwagen 1867, 1
Krahnwagen 1867, Wasserwagen 1869, I
Kesselwagen 1870. Selbstverständlich |
haben diese Wagengattungen bei späte-
ren Beschaffungen manche Aenderungen
erlitten, so dass die modernen Wagen
wesentlich anders aussehen, als die er-
wähnten ältesten Tj^pen.
Mit der Zunahme der Eisenindustrie
wurde beim Bau der Lastwagen zwar
das Eisen mehr verwendet als zur Zeit
der Erbauung der älteren Wagen;
es wurden wohl auch ganz eiserne
Wagen mehrfach gebaut, im Allgemeinen
blieb man jedoch bei dem gemischten
System und verwendet besonders für
Verschalungen, Decken und Fussböden
und auch für die Kastengerippe beinahe
ausschliesslich Holz.
Das Bestreben der Wagenbauer war
stets darauf gerichtet, die Güterwagen
ohne wesentliche Erhöhung des Gewichtes
möglichst fest und dauerhaft zu bauen
und nothwendige Reparaturen thunlichst
zu erleichtem. Während bei den ältesten
Güterwagen, besonders Kastenwagen, noch
die Bauart mit zahlreichen Holz Verbindun-
gen und Verzapfungen, mehrfachen Ver-
schalungen und vollständiger Trennung des
Kastens vom Untergestelle üblich war, be-
gann man später, nachdem man die Mängel
dieser Construction für die Instandhaltung
und Reparatur kennen gelernt hatte, die
Holzverschneidungen und Verzapfungen
möglichst zu vermeiden, die Kasten-
säulen möglichst frei zu legen und
mittels Consolen und Schrauben kräftig
mit dem Untergestelle zu verbinden;
ebenso wurde die in den Sechziger-
Jahren beliebte doppelte Verschalung
durch eine stärkere einfache innere Ver-
schalung vortheilh3,ft ersetzt.
Hinsichtlich der Grösse und der
Tragfähigkeit der Güterwagen wäre zu
erwähnen, dass, wenn auch in der Neuzeit
etwas grössere Wagen gebaut werden,
dies jedoch als kein wesentlicher Fortschritt
im Wagen bau, sondern lediglich als eine
Anforderung des Verkehrs und der
Tarife zu betrachten ist. Die Tragfähig-
keit der Wagen ist gleichfalls vielfach
durch die Verkehrsanforderungen bedingt;
für den Wagenbau sind die Grenzen
durch den zulässigen Achsdruck ge-
geben, und durch Vermehrung der An-
zahl der Achsen kann eine ganz be-
deutende Tragfähigkeit erzielt werden.
So wurden für Krupp in Essen, Gruson
in Magdeburg, Skoda in Pilsen u. A.
eigene Wagen mit 6 bis 16 Achsen und
einer Tragfähigkeit bis zu 140^ gebaut.
Dies sind natürlich Ausnahmen ; gewöhn-
liche Güterwagen wurden früherer Zeit bei-
nahe allgemein für 200 Zollcentner ^ 10 /
Tragfähigkeit gebaut. Erst seit den
Achtziger-Jahren kann als übliche Trag-
fähigkeit 13-5 t und für offene Güter-
wagen 15 t angenommen werden. Eine
weitere Steigerung der Tragfähigkeit
findet ihre Grenze in der zulässigen
Belastung der Brücken und Bauobjecte,
durch welche der Verkehr schwerer
Wagen viele Beschränkungen erleidet
porte und für alle offen zu verladenden
Stückgüter verwendet werden. Man
baut auch Uni versa! wagen, welche als
gedeckte Güterwagen und als Personen-
wagen verwendbar sind. Die jeweilige
Umgestaltung der Universal wagen ist
jedoch in vielen Fällen zu umständlich,
um den vollen Werth derselben zur
Geltung kommen zu lassen.
Anders verhält es sich mit mobilen
Transporteinrichtungen, welche nur das
Vorhandensein gewisser permanent im
Wagen angebrachter Bestand theile be-
dingen. In erster Reihe sind hier die
Es entstand nun die Aufgabe, inner-
halb der gestatteten Grenzen Wagen zu
bauen, welche dem Güterverkehr am
meisten entsprachen. Diese Aufgabe filhrt
zu zwei geradezu entgegengesetzten Con-
structions- Bedingungen, nämlich zur Con-
struction von Universalwagen und von
Special wagen.
Beim Bau von Universal wagen liegt die
Tendenz zugrunde, den Wagen für mög-
lichst verschiedenartige Frachtgattungen
verwendbar zu machen. Solche Universal-
wagen sind z. B. offene hochbordige Wagen
mit abnehmbaren Bordwänden, Rungen
und Drehschemeln. Diese Wagen kön-
nen abwechselnd für Kohlentransporte,
für Bretlertransporte, für Langholztrans-
itichBlcen Po»tw.Be>ia, [l*» ]
Einrichtungen für Mihtärmannschafts- und
Pferde transporte zu nennen ; die für diese
Transporte erforderhchen, nach einem
Normale vorgeschriebenen fixen Be-
schläge bilden ebenso integrirende Be-
standtheile der Güterwagen, wie beispiels- .
weise die Beschläge für Zollverschlüsse
oder die SignallatemstUtzen. Am Wagen
selbst sind jedoch im Verwendungsfalle
keinerlei Aenderungen oder Umgestaltun-
gen vorzunehmen, und deshalb ist auch
eine rasche Einrichtung der Wagen mit
mobilen Einrichtungs - Gegenständen in
allen Depötstationen möglich.
Nachdem alle oder doch die über-
wiegende Mehrzahl der gedeckten Güter-
wagen für den Militärtransport verwend-
bar sein sollen, so ist es erklärlich, dass
durch diese Eignung die Wagen in keiner
Weise für ihre normale Verwendung als
Güterwagen eingeschränkt werden dürfen,
und dass nicht nur neue Wagen, sondern
auch alte Wagen für Militärzwecke ge-
eignet sein müssen. Die Trajisport-
einrichtungen wurden daher den üblichen
Wagenformen angepasst. Als im Jahre
1886 einheitliche Normalien für Mihtär-
Tran Sporteinrichtungen aufgestellt wur-
den, ergaben sich mit Rücksicht auf diese
Normalien verschiedene Bedingungen,
welche beim Bau neuer Wagen berück-
sichtigt werden mussten. Diese Ein-
richtungen genügen auch thatsächlich
bei Truppentransporten, konnten jedoch
entsprechend befundi
sobald es sich um die Beför-
von Kranken und Verwundeten
nicht
werden,
derung
handelt.
Die Kriegsjahre 1 866 und 1 870
gaben reichlich Gelegenheit, die Er-
fordernisse für die Krankentransporte
kennen zu lernen. Im Jahre 1866 bestan-
den noch keine vorbereiteten Sanitäts-
wagen. Allerdings wurde von der Kaiser
Ferdinands-Nordbahn eine grössere An-
zahl Güterwagen für Krankentransporte
eingerichtet, indem in diesen Wagen
Hängegurten und transportable Trag-
betten in sehr zweckmässiger Weise unter-
gebracht wurden, aber gewisse Mängel
der Güterwagen konnten doch nicht be-
seitigt werden, welche für den Gesunden
weniger fühlbar, für den Kranken noch
immer empiindHch sind.*) Auch im
"""•]" \VirauchBJ. II, Unsere Eisenbiilinen
im Kriege. S. 14'i und ff.
I deutsch -französischen Kriege waren iljt
Lazarethzüge noch keineswegs dem
Erfordernis entsprechend, wenn auch für
I dieselben bereits umfangreichere Vor-
I bereitungen getroffen waren. Auf Gnuii
' dieser Erfahrungen wurde in der folgenJcn
Zeit mit lebhaftem Eifer an der .\iii-
Stellung von Grundzügen und der Orj;j-
nisation von Eisenbahn-Sanitätszügen ge-
I arbeitet, und in der Weltausstellung voni
Jahre 1873 war bereits eine zahlreiche
j Reihe eingerichteter Eisenbahn-Sanitä:s-
j wagen deutscher und französischer Pro-
: venienz zu sehen, in welchen die \-er-
schiedenen Bestrebungen zur Förderung
des humanen Werkes zum Ausdrucke
I kamen. Es war bald klar, dass weder Je:
gewöhnliche Personenwagen, noch der j;c-
wöhnliche Güterwagen geeignet seien, un-
, mittelbar als zweckmässiger Lazarethw.i-
1 gen verwendet zu werden, und dass es n'it!.-
wendig sei, für diese Zwecke besondere
Wagen zu bauen oder durch L'mbüu
I herzustellen. Nach mehrfachen Versuchen
I und Berathungen in den massgebenden
militärischen und Eisenbahnkreisen gc-
j langte im Jahre 1877 das Normale für
I Eisenbahn-SanitätszUge in Wirksamkeii,
I in welchem die Zusammensetzung der
I Sanitätszüge, deren Einrichtung und alk
I Functionen von der Activirung der ZiJsri;
i bis zu deren Abrüstung eingehend be-
' handelt sind. Nach diesem Normale ist
j die Adaptirung der Eisenbahnwagen in
eine vorbereitende und eine definitive
j getrennt. Die Eisenbahn -Verwaltungen
I sind verpflichtet, eine bestimmte Anzahl
I Wagen vorbereitend adaptirt in ihren
Lastwagen parke zu führen. [Abb. 35^1
I Sowohl die Bauart dieser Wagen al>
I auch die Unterbringung der Tragbellen
I und das System der Beladung durch die
I SchubthUren basiren auf denselben Grund-
ideen, welche bei der provisorischen Em-
j ricbtung der Nordbahnwagen im Jahre
1866 und bei den im Jahre 1873 aus-
gestellten deutschen Wagen zur Anwen-
dung kamen, und die bei aller Rii'^'^'
I sieht auf die sanitären Anforderung"
doch mehr den Umbau vorhandener
Güterwagen, als den Neubau solcher
Wagen im Auge behielten. Noch vnr
, Erscheinen des Normales fUr Eisen-
bahn - Sanitätszüge befasste sich Jtr
souveräne Malteser Ritterorden ein- j
gehend mit dem Studium der Sanitäts-
zltge und fasste den Beschluss, aus eigenen I
Mitteln einen Muster-Sanitätszug zu bauen, '
auszurüsten und als Schulzug zu ver- I
wenden. Mit unermüdlichem Eifer wurden
von Dr. Freiherm von Mundy und dem I
Director der Simmeringer Waggonfabrik,
Herrn H. Zippe rling, die Bauart dieser
Sanitätswagen, die ganze Einrichtung und ,
Ausrüstung, aus-
nications - Personenwagen mit offenen
Plattformen. Aussen sind die Wagen mit
dem Genfer Kreuz und je zwei Malteser
Kreuzen gekennzeichnet. Die gesammte
innere Einrichtung und Ausrüstung wurde
auf Grund der reichen Erfahrungen des
Freiherrn von Mundy auf das Zweck-
massigste angeordnet.
Nachdem der Musterzug des souve-
ränen Malteser Ritterordens erbaut, ausge-
tet und in
gearbeitet, und
sen Domäne
im März 1875
akonitz remi-
war der aus 16
worden war.
Wagen beste-
n im Jahre
hende Zug voll-
<6 ein Ueber-
endet. Der Ver-
kommen des
wendung und
.veränen Mal-
Einrichtung nach
är Ritteror-
bc-steht der Zug
is mit den
aus:
erreich! sehen
rSannverwaJtun-
I Commandan-
ten- und
tc
Tp^fi ar—nr
art'"
gen zustande,
Aerzte wagen,
I Vorrathswa-
^ ! --'-
nach welchem
letztere sich ver-
pflichteten, die
für fünf Züge
gen,
I Kilchenwa-
|B: ^.|[B^iam-4i|
erforderlichen
gen,
I Speisewagen,
I Magazinswa-
Wagen zu be-
schalTen, diese
nach dem Nor-
I Montur- und
male der Mu-
RUstungswa-
sterwagen zu er-
bauen und im
10 Ambulanzwa-
Mobilisirungs-
falle dem souve-
gen.
ränen Malteser
Obwohl auch
Ritterorden zur
bei der Construc-
Verfügung zu
tion dieser Wa-
ABB. JSO. tlsenBann.sanuatiwaetn. (IKTT-J
stellen. Diese als
gen auf ihre Verwendbarkeit als Güter- |
wagen Rücksicht genommen war, so
wurde diese doch nur insoferne zur i
Richtschnur genommen, als es sich um !
die Herstellung neuer Wagen han-
delte. Die Malteserwagen [Siehe Bd. II, 1
Abb. 25 und 26, Seile 150] sind nach I
Art der im Jahre 1873 ausgestellten ;
französischen Wagen gebaut und beruhen
auf dem Systeme der Verladung durch
die Stirnthüren und der Beleuchtung von
oben. Diese Wagen besitzen daher auf
beiden Enden Plattformen mit Stiegen,
in gleicher Weise wie die Intercommu-
Malteserwagen bezeichneten Wagen stehen
als gedeckte Güterwagen in Verwendung.
Der Malteser Schulzug leistete im bosni-
schen Feldzuge hervorragende Dienste.
Die neuere Richtung des Güterwagen-
Baues ist besonders durch den Bau von
Special wagen gekennzeichnet. Gewisse
Specialwagen, z. B. Pferdewagen, Klein-
viehwagen, Langholz wagen, bestanden
zwar in der ältesten Zeit der Eisenbahnen
[siehe Seite 536], andere Typen ent-
wickelten sich jedoch erst später, nachdem
das Bedürfnis hiefÜr eingetreten war. Ganz
besonders wird der Bau von Special wagen
durch die Einstellung von Parteiwagen
in die Fahrparke der einzelnen Bahnen
begünstigt. Die Bahn Verwaltungen können
in ihren Fahrparken nur Wagen besitzen,
für welche eine dauernde Verwendung
sicher oder wenigstens wahrscheinlich ist,
und entschliessen sich schwer, besondere
Wagen zu bauen, deren Verwendbarkeit
nur von dem Bestände eines einzelnen
Etablissements oder einer temporären
Geschäfts-Conjunctur abhängig ist.
Da nahezu täglich neue Specialwagen
entstehen, so würde es zu weit führen.
richtung specieller Biertransport-Waum
Es wurden damals unter Leitung des
Central - In spe et ors W. Bender iwp':
Güterwagen für Biertransporte eir-
gerichtet, welche Type im Allgemeinci;
heute noch für Biertransport -Wagen ar:-
gewendet wird. Diese zwölf Wagen waren
in regelmässigem Turnus zwischen Viia
und Paris und ermöglichten es, dass ii-
Bier mit einer Temperatur von -j- 5' i"
Paris anlangte. Das Renommee, dtsicr.
sich das Schwechater Bier in Paris er-
freute, hatte es demnach nicht zum ;!■
ringen Theil dem inländischen Wa^c::-
bau zu verdanken.
solche einzeln besprechen zu wollen und
es mögen hier nur die wichtigsten Typen
erwähnt werden.
Eine wesentliche Bedeutung haben
die Kühlwagen erlangt. Lange Zeit war
es nicht möglich, in der warmen Jahres-
zeit gewisse Artikel, welche in der Wärme
dem Verderben ausgesetzt sind, aufweite
Entfernungen zu befördern ; selbst bei
Transporten, welche keine längere Zeit
als eine Nacht erforderten, war es schwer,
die erforderliche Temperatur zu erhalten.
Es war daher nahezu ausgeschlossen, die
Versendung von gewissen Consum-
artikeln, zu welchen in erster Linie das
Bier zu rechnen ist, auf weitere Absatz-
gebiete auszudehnen.
Die Ausstellung in Paris im Jahre
1 867 gab den Anlass dazu, die Verfrach-
tung des Bieres in Gebinden auf weite
Entfernungen ernstlich anzustreben und
die Firma A. Dreher wendete sieb an die
Staatseisenbahn-Gesellschaft wegen Ein-
orl-Wag««. [1895)
Der damals erzielte glänzende Er-
folg bewirkte, dass der Bierirans]v>'
in Kühlwagen nicht auf die Aus-
stellungs - Periode und nicht auf Ji'
Relation Wien-Paris beschränkt bliA
sondern auch im Inlande immer mehr
Beachtxmg fand. In Oesterreich warff
es besonders böhmische Brauereien,
die sich durch Verwendung von Kühl-
wagen veranlasst fanden, ihr Ahsau-
gebiet wesentlich zu erweitern. Anfain:-
der Siebziger-Jahre war es noch niiln
üblich, dass sich die Parteien eioent
Wagen anschafften; um nun KUhlwscn
für einen regelmässigen Verkehr zur \ct-
fügung zu haben; wurden zwischeii i"
Parteien und Bahn Verwaltungen ^^"
träge abgeschlossen, nach welchen ic
Bahn Verwaltungen aus ihrem Fahrpari^'
gedeckte Güterwagen zur Verfö^"-
stellten, welche auf Kosten der Braueft'
zu Kühlwagen umgestaltet wurden u'J
der letzteren ausschliesslich zur \«'
fUgung standen. Der rasch zuneh-
mende Bedarf an Kühlwagen ver-
ursachte den am meisten b et heil igten
Bahn Verwaltungen einen empfindlichen
Abgang an gedeckten Güterwagen, so
da SS von mehreren derselben die Ver-
miethung der Wagen sistirt und dafür
den Brauereien die Beschaffung eigener
Wagen anheimgestellt wurde. Die Ein-
stellung solcher Bierwagen in den Fahr-
park der Eisenbahnen hat seither wesent-
lich zugenommen, so dass bereits über
700 Bi erwägen österreichischer Braue-
reien im Verkehr sind. Im Fahrparke
der k. k. Staatsbahnen allein waren Ende
1896 von 36 verschiedenen Brauereien
458StückBier-
wagen einge-
stellt. [Vgl
Abb. 357.1
Der Werth
der Kühlwa-
gen kommt
zwar vorherr-
schend nur im
Sommer zur
Geltung, aber
auch im Win-
ter haben diese
Wagen den
Vortheil, dass
die Ladung *""■ ''*■ ^'«'-""«-p«"-«
durch die dichten Wände gegen den Ein-
fluss der äusseren Kälte viel länger
geschützt bleibt, so dass nur bei star-
kem und andauerndem Froste das Ein-
frieren des Bieres in den Fässern zu
befürchten ist. Um jedoch auch diesem
Mangel vorzubeugen, werden seit fünf
Jahren auch heizbare Bierwagen gebaut.
Bisher haben sich die Briquetheizungen
gut bewährt, und werden wegen der
Einfachheit und Billigkeit den Gasofen-
heizungen vorgezogen.
Nächst der Verwendung von Kühl-
wagen für Biertransporte gelangten solche
auch für Fleischtransporte zu besonderer
Bedeutung.
Die Anforderungen, welche an Fleisch-
transport-Wagen gestellt werden, sind viel
complicirter als bei den Bierwagen.
Während bei letzteren nur eine niedere
Temperatur im Wagen verlangt wird,
und diese durch isolirte Wände und
dichten Verschluss leicht erhalten werden
kann, ist Air den Fleischtransport nicht
nur eine gleiche Abkühlung sondern
auch eine gute Ventilation erforderlich,
gleichzeitig soll das Fleisch auch gegen
Nässe geschützt sein und darf auch
nicht in compacter Masse geschlichtet
werden. Bei Construction der Fleisch-
wagen waren daher schwierige Auf-
gaben zu lösen, und es entstanden in-
folgedessen mehrere patentirte Systeme,
von welchen das System Tiffany und
das System Mann in Oesterreich am
meisten zur Ausführung gelangten. [Abb.
358.]
Die complicirte Bauart macht die
Fl ei seh wagen
ziemlich theuer
und auch der
Eis verbrauch
ist bedeutend
grösser als bei
Bierwagen,
weil durch die
Luftcirculation
viel mehr ver-
dunstet wird.
Es sind daher
die Fleischwa-
gen nur unter
gewissen com-
.... !.,.,.„ M...., l«,, J„„i,„„ Be-
dingungen und für wenige Relationen
rentabel, weshalb die Zahl derselben in
Oesterreich kaum loo Stück beträgt ;
mehrere solche Wagen wurden bereits,
infolge des verminderten Absatzes von
frischem Fleisch nach Frankreich, in Bier-
wagen umgestaltet.
Eine wichtige Gruppe der Special-
wagen bilden die Kesselwagen, auch
Reservoir- oder Cistemenwagen genannt
Der älteste Cistemenwagen ist der Ten-
der, welcher so ziemlich ebenso alt wie
die Locomotive ist. Lange Zeit dachte
man nicht daran, andere Flüssigkeiten als
Wasser in Cistemenwagen zu befördern,
und dies hatte seinen guten Grund. Erst
nachdem die Bahnnetze soweit entwickelt
waren, dass die Geleiseverbin düngen von
einer Pro ductionss teile unmittelbar bis
zur Consumstelle führten, dass die Flüssig-
keiten in die Waggons direct eingefüllt
und wieder direct von diesen abge-
schlaucht werden konnten, begann der
WerthderCistemenenwagen anBedeutung
zu gewinnen. Einer der ältesten Cistemen-
wagen dürfte ein von der Staatseisen-
b^hn- Gesellschaft im Jahre 1858 ge-
bauter Oel wagen sein. Derselbe war
ein kleiner zweiachsiger Wagen von
3500 kg Tragfähigkeit und trug ein
vierkantiges, geradwandiges Reservoir
mit geschlossener Decke und einem mit
einem Deckel geschlossenen FüUstutzen.
Ein ähnlicher Wagen, jedoch für 8500 kg
Tragfähigkeit, wurde im Jahre I860 ge-
baut. Nach ganz ähnlicher Type wurden
im Jahre 1865 in Deutschland die ersten
angewendet, welche durch einen ent-
sprechenden Rahmen bau fixirt werden.
Specialwagen mit z wecken tsprechender
Einrichtung, mit Ventilations-Vonichtung,
mitunter auch heizbar, bestehen fOr
den Transport von Früchten, Gemüsen,
Milch, Eier, Butter, ebenso für lebende
Thiere, wie Pferde, Hornvieh, Borstenvieh,
Gänse, Hühner, Fische.
Der Bauart der Wagen für den
Transport lebender Thiere wurde viel
Sorgfalt zugewendet, um durch ent-
sprechende Tränke- und Fütterungs-Ein-
richtungen, durch genügenden Schutz
gegen Hitze und Kälte und durch ent-
Abb, JW. Cl»le.
Tran Sportwagen für Steinkohlentheer ge-
baut, welche auch bald darauf bei den
Gaswerken in Oesterreich Verwendung
fanden. Die vierkantige Kastenform war
zwar dem Untergestelle des Wagens ange-
passt, jedoch für Flüssigkeiten theoretisch
nicht richtig, da für diese der runde Quer-
schnitt, Fass- und Kesselform am ge-
eignetsten ist. Es wurden daher bereits
im Jahre 1870 Kesselwagen mit cylJn-
driscben Gefässen gebaut, [Vgl. Abb. 359-]
Die Kesselwagen sind Special-
wagen der neuesten Zeit ; in den Acht-
ziger-Jahren in noch geringer Zahl
vorhanden, waren Mitte 1897 in dem
Fahrparke österreichischer Bahnen circa
2500 Stück enthalten, von welchen
mindestens 2400 Stück Eigenthum von
Privaten sind.
Für Flüssigkeifen, welche in eisernen
Kesseln nicht befördert werden können,
z. B, Salzsäure, werden Thongefässe
nenwiigen, [iHgj.l
j sprechende Ventilation den Massentrans-
I port von Thieren nicht in Thierquälerei
! ausarten zu lassen.
i Von sonstigen Specialwagen, welche
für Gütertransporte dienen, seien hier
nur erwähnt die Wagen für Transporte
von Langholz, Kohle, Erzen, leichten Ar-
j tikeln wie Korbwaaren etc., Holzkohle,
! Cokes, Kalk, Spiegel und aussergewöhn-
; lieh schweren Objecten. Alle diese Special-
wagen erforderten sorgfältige Detailcon-
[ structionen mit genauer Berücksichtigung
[ der Verla de -Ein rieh tun gen, und der An-
forderungen, welche zum Schutze des
I Frachtgutes nothwendig sind.
VII. Hilfswagen.
Eine besondere Gattung von Special-
wagen sind jene, welche nicht direct
für Transportzwecke dienen, sondern
welche eigentlich mobile Apparate oder
mobile Anlagen sind. Hieher gehören
zunächst die Krahnwagen. Es sind dieü
Hebekrahne von circa 7000 kg Trag-
fähigkeit und 5 m Ausladung, welche
so ziemlich nach Bauart leichterer statio-
närer Krahne gebaut und mit dem
Rahmenbau des Wagenuntergestelles fest
verbunden sind. Die Detailconstructiön
der Krahnwagen ist ebenso verschieden-
artig wie jene der stationären Krahne.
Ebenso wie der Krahnwagen den
Zweck hat, eine Hebevorrichtung in Sta-
tionen oder auf sonstige Geleiseanlagen
zu bringen,
wo keine an-
deren geeig-
neten Hebe-
vorrichtun-
gen zur Ver-
fügung ste-
hen, haben
auch die auf
allen Bahnen
in Bereit-
schaftstehen-
den Rettungs-
oder Requi-
sitenwagen
[Abb. 360]
den Zweck,
das zur Hilfe- Abb, JW. Requl
leislung bei
Unfällen erforderliche Werkzeug und
Materiale, wenigstens für das erste Er-
fordernis ohne Zeitversäumnis an die
Unfallstelle bringen zu können. Die
Kaiser Ferdinands- Nordbahn hat nebst
diesen Rettungswagen auch noch Hilfs-
wagen, welche, ähnlich den Malteser-
wagen gebaut, permanent eingerichtet
sind und zum Transporte Verwundeter
ständig in Bereitschaft gehalten werden.
Andere, gleichfalls für Bahnzwecke
dienende Wagen sind die GerUstwagen,
welche zur Untersuchung und Reparatur
von Tunnels dienen; Gewichtswagen
welche zur Tarirung von GeleisebrUcken-
wagen verwendet werden, und elek-
trische Beleuchtungswagen. Letztere
Wagen dienen dazu, um an entlegenen
Stellen die für eine dringende Nacht-
arbeit erforderliche ausgiebige Beleuch-
tung rasch an Ort und Stelle etabliren
XU können, und leisten vorzügliche Dienste
bei Freimachung von Geleisen bei Erd-
ab rutschungen, bei Damm- und Ufer-
schutzbauten, und ebenso auch bei Mili-
tär-Ein waggonirung in kleinen Stationen.
Zu erwähnen wären auch die Imprägni-
rungswagen [Abb. 361], welche die voll-
ständige Einrichtung für die Imprägni-
rung von Schwellen enthalten, und nach
Erfordernis in jenen Stationen aufgestellt
werden, in welchen die Schwellen zur
Einlieferung gelangen.
Als Hilfsfahrzeuge sind auch noch
die mobilen Schneepflüge zu zählen,
welche be-
reits bei der
Pferdebahn
Prag-Lana in
den Dreissi-
ger-Jahren
Verwendung
fanden [Abb.
362] und spä-
ter bei den
Locomotiv-
Bahnen als
separate
Fahrzeuge
zur Ausfüh-
rung gelang-
ten.*) Für die
[»awigcD. [187s.; Bauart der
Schnee pflüge
wurde meistens die Keilform angewen-
det, welche in sehr verschiedenen Typen
zur Ausführung gelangte; die Construc-
teure waren bemüht, für den Bau der
Schneepfiüge sinnreiche Theorien zu
entwickeln, nach denen die Wandungen
in mehrfach geschweifter und und ge-
krümmter Form ausgeführt wurden
[Abb. 363], aber keiner dieser Schnee-
pflUge entsprach den an ihn gestellten An-
forderungen. Als daher circa 1880 die fixen
Schneepflüge an den Locomotiven üblich
wurden, fanden die mobilen SchneepflUge
immer weniger Verwendung und wurden
theilweise cassirt und nicht mehr ersetzt.
Ein in neuerer Zeit mehrfach gebauter
Schneeräumer, System Marin, hat einige
Aehnhchkeit mit den alten Schneepflügen,
•) Vgl. auch Bd. 11,
förderung.
O. Kazda, Zug-
unterscheidet sich jedoch wesentlich von
jenen, indem er von der Locomotive nicht
geschoben, sondern gezogen wird und
nicht den Zweck hat, den Schnee durch-
gebaut wird. Beim Bau der Draisin;::
wurden viele Experimente gemacht. K;
man schliesslich doch ziemlich einheiili.ji
auf den Leitstangen- Antrieb mit veni-
zubrechen, sondern den vom fixen
Scheepflug der Locomotive durchbroche-
nen Schnee seitlich wegzuräumen.
Ein ganz specielles Fahrzeug ist
die Draisine,*) welche bereits bei den
ältesten Bahnbauten
und jetzt nur in etwa;
gebrauch lieh war,
verbesserter Form
•) Die erste Draisine, die in Oesterrficli
gebaut wurde, war jene von dem trelilitlien
Slei;h;miker J. Boi.ek im jähre lüib lilr
(k-rstner hc rotste Ute .Fiilirinascliine.. \'s;l.
Bd. I, I. Theil, H. Strach, Plerde-Eis^rii-
buhnen, Seite 99.
calen Arbeitshebeln überging. Die jcKi
am meisten gebaute Draisine ist Jic
Plank'sche. [Abb. 364.]
VIII. Wagenbau-Anstalten.
Seit Beginn des Eisen bahn betrieht!
war der Fahrpark der österreichischer.
Eisenbahnen stets auf der Höhe des tVi-
Schrittes geblieben, so dass er den Ver-
gleich mit dem Fahrparke der übrigen
europäischen Staaten nicht nur aushalttii
kann, sondern dabei noch eine her\ur-
ragende Stelle einnimmt. Dass Oesten'eit^
auch im Wagenbau eine ehrenvolle SleÜt
einnimmt, beweist nicht nur das im li:-
land rollende Fahrmateriale, sondern
zeigen auch die vielfachen Lieferung^
von Wagen ersten Ranges an das Ausland.
Der Anfang des Wagenbaues in
Oesterreich lässt sich nicht genau be-
stimmen, da derselbe in der ersten Zei;
kein specieller Industriezweig war "ü-
nur so nebenbei betrieben wurde.
Die ersten Wagen der Linz-Bud-
weiser Pferdebahn wurden nach en;;-
hschem Muster in Mariazeil, Blanst"
und Horzuwitz ausgeführt und es «aren
im Jahre 1827 von diesen Wagen 336Stiict
vorhanden.*) Später wurden die Wagen m
r, WerkstSllf"-
Linz in der eigenen Werkstätte der Pferde-
bahn gebaut. Nachdem die ersten Wagen
unserer ältesten Locomotiv- Bahnen aus
dem Auslande bezogen waren, wurde
nach diesem Muster der Bau weiterer
Wagen in den eigenen Werkstätten be-
gonnen und es waren besonders die
Werkstätte der Kaiser Ferdinands- Nord-
bahn in Wien und
die Maschinenfa-
brik der Wien-
Glogtinitzer Ei-
senbahn, welche
sich mit Wagen-
bau beschäftigten.
In den Vierziger-
Jahren begannen
mehrere Maschi'
nenfabriken und
Stellmachereien
sich mit dem Ei-
senbahn - Wagen-
bau zu beschäf-
tigen und bei
einigen dersel-
ben wurde dies Abb. 361.
der Hauptfabri-
ca tionszweig. Un-
ter diesen wären
besonders Hein-
dorf er, Spie-
ring, H. D.
Schmid,
Schonkolla,
Kraft, Moser
& Angeli zu
nennen.
Besonders von
den drei erstge-
nannten Firmen
wurde ein grosser
Theil der in den ^^^ Drai.inc
Vierziger- und
Fünfziger-Jahren gebauten österreichi-
schen Wagen geliefert. Von diesen Fa-
briken besteht gegenwärtig nur mehr
die von H. D. Schmid. Im Jahre 1852
begann die Maschinenfabrik 'F. King-
hoff er in Smichow den Wagenba«. In
der Zeit bis Ende der Sechziger-Jahre ent-
standen keine grösseren Waggonfabri-
ken, vielmehr wurde von den Eisen-
bahnen, besonders der Staatseisenbahn,
ein grosser Theil ihres Wagenbedarfes
Giichkhlc ilcr ElaciAktinca. II.
SehnoepHuK. [1870.]
in den eigenen Werkstätten hergestellt.
Die Zeit des wirthscbaftlichen Auf-
schwunges und der Gründerperiode be-
gann sich auch im Wagenbau fühlbar
zu machen, es wurde . eine Reihe von
Waggonfabriken gegründet und der Bau
derselben in grossem Stile begonnen.
So entstanden die Waggonfabriken in
Bubna, Holub-
kau, Teplitz,
Linz, Graz,
Mödling, Her-
nais, Back in
Prag, von wel-
chen einige nicht
einmal zur Be-
triebseröffnung
gelangten, keine
jedoch bis auf
die Neuzeit als
Waggonfabrik
erhalten blieb.
Während die aus
der Gründerzeit
stammenden
W a ggonf ab ri ken
infolge der mehr
oder weniger lo-
ckeren finanziel-
len Verhältnisse
die der Bauperi-
ode der grossen
Bahnen folgende
sterile Zeit des
Wagen baues
nicht überdauern
konnten, blieben
die beiden alten
solid fundirten
Waggonfabriken
inSmichowund
Simmering
nicht nur aufrecht,
sondern es gelang denselben auch wäh-
rend dieser Zeit den guten Ruf des öster-
reichischen Wagenbaues im Auslande zu
befestigen und zu vermehren, und wir
können mit Recht auf diese Vertreter der
österreichischen Industrie stolz sein.
Die Fabrik des Freiherm von Ringhoffer
in Smichow ist alten Ursprunges. Die Firma
F. Ringhoffer wurde als Kupferschmiede im
Jahre 1771 gegründet und später zu. einer
.Metallwaaren-Fabrik erweitert; im Jahre
. [i'«5l
546
1848 erfolgte dieGrtlndung derMaschinen-
fabrik und Kesselschmiede, im Jahre 1853
die Errichtung der Waggon- und Tender-
fabrik, im Jahre 1854 wurde die Eisen-
giesserei, und im Jahre 1856 der Kupfer-
hammer und das Walzwerk errichtet. Der
erste Wagen verliess im Jahre 1853 die
Werkstätten dieser Firma, Derselbe war
ein gedeckter vierachsiger Güterwagen
ohne Bremse fDr die nördlichen Staats-
bahnen. [Abb. 365.] In steter Zunahme
wuchs die Leistungsfähigkeit dieser
Fabrik, so dass dieselbe nicht nur unter
den österreichischen Fabriken den ersten
• Maschinen- und Waggonbau-
Fabriks- Actien-Gesellschaft in
Simmering, vormals H. D. Schmid«,
über und wurde im Laufe der Zeit mehr-
fach erweitert
Die Nesselsdorfer Wagenbau-
fabriks-Gesellschaft ist aus der von
Herrn Ignaz Schustala im Jahre 1850
begründeten Kutschenfabrik hervorgegan-
gen. Ursprünglich eine einfache Wagnerei,
wurde dieselbe alimählich vergrössert und
nahm bald eine hervorragende Stelle im
Kutschenbauein, in welchem dieselbe gegen-
wärtig eine der grössten und leistungs-
Rang einnahm, sondern auch mit den
grössten und renommirtesten Fabriken des
Auslandes erfolgreich in Goncurrenz
treten konnte.
Die Fabrik beschäftigt durchschnitt-
lich 3000 Arbeiter.
Die Firma H. D. Schmid wurde im
Jahre 1 83 1 als Maschinenfabrik gegründet
und begann den Bau von Eisenbahn-
wagen im Jahre 1846. Es waren offene
Guterwagen für die Kaiser Ferdinands-
Nordbahn, welche als erste Eisenbahn-
wagen diese Fabrik verhessen. Im Jahre
1850 wurde die Wiener Werkstätte auf-
gelassen und die Fabrik in Simmering
etablirt, wo dieselbe heute noch besteht ;
die ersten Wagen, welche in der neuen
Fabrik gebaut wurden, waren Personen-
wagen für die Staatsbahn.
Im Jahre 1869 ging die Fabrik ohne
Unterbrechung des Betriebes in eine
Actien-Gesellschaft unter der Firma
1. [1851.]
fähigsten Firmen Europas ist. Mit dem
Baue von Eisenbahnwagen beschäftigt sich
diese Fabrik erst seit dem Jahre 1882, zu
welcher Zeit Güterwagen für die Stauding-
Stramberger Localbahn gebaut wurden.
In den ersteren Jahren wurden nur
Güterwagen und minderwerthige Per-
sonenwagen gebaut. , Im Jahre 1893
ging die Fabrik an eine Actien-Gesell-
schaft über und wurde bedeutend ver-
grössert. Seither hat die Fabrik in der
Fabrication von Eisenbahnwagen einen
raschen Fortschritt genommen. Nicht nur
in der Qualität der fabriks massig erzeugten
neuen Wagen, hat sich die Nesselsdorfer
Wagenfabnk in kurzer Zeit den älteren
Waggonfabriken gleichwerthig erwiesen,
sondern auch durch Schaffung neuer
T3'pen und Detailconstructionen um den
Wagenbau im Allgemeinen viele Ver-
dienste erworben, und sich einen guten
Namen auch jenseits des Oceans errungen.
Wagenbau.
547
Die Fabrik hat bis zum Jahre 1897
circa 9000 Wagen gebaut, von welchen
172 Stück ins Ausland geliefert wurden. Sie
beschäftigt circa 1200 Arbeiter.
Die Erste galizische Waggon-
und M asch in enbau-Actien- Gesell-
schaft inSanok entstand aus der dort
bestandenen Maschinenfabrik fÜrNaphtha-
Industrie von Kasimir L i p iia s k i. Die ersten
Wagen wurden im Jahre 1891 gebaut
Im Jahre 1895 ging die Fabrik in
eine Actien- Gesellschaft über, welche mit
dem Bau einer neuen Fabriksanlage in
Sanok begann und dieselbe Mitte 1897
in Betrieb setzte. Die neue Fabrik ist
für alle Gattungen Wagen und eine
Leistung von circa 800 Wagen pro Jahr
berechnet. Bisher wurden grösstentheils
Güterwagen, seit 1896 auch Personen-
und Dienstwagen gebaut. Die bisherige
Erzeugung beträgt circa I5CX> Wagen.
Die Fabrik beschäftigt durchschnitt-
lich in beiden Anlagen zusammen 400
Arbeiter.
Die gegenwärtige Waggonfabrik in
Graz steht mit der alten Waggon-
fabrik in Graz nur insoweit in Ver-
bindung, als beide Fabriken von Herrn
Joh.'Weitzer gegründet wurden.
Die alte im Jahre 1864 gegründete
Waggonfabrik lieferte die ersten Wagen
an die Graz-Köflacher Eisenbahn und an
die Ungarische Westbahn. Im Jahre 1872
ging diese Fabrik an die Grazer Waggon-,
Maschinenbau- und Stahlwerks-Gesejl-
schaft über, welche eine grössere Anzahl
Personenwagen an die Kaiser Franz
Josef- Bahn und an die Dalmatiner
Staatsbahn lieferte; wie bereits bemerkt,
stellte diese Fabpk im Jahre 1879 den
Betrieb ein.
Bereits im Jahre 1873 errichtete Herr
Job. Weitzer in Graz eine neue Fabrik
unter der Firma k. k. priv. Wagenfabrik
Job. Weitzer, in welcher Equipagen und
Strassenfuhrwerke aller Art angefertigt
wurden ; im Jahre 1 879 wurde die Fabri-
cation von Tramwaywagen aufgenommen
und wurden isolche zuerst für die Grazer
Tramway geliefert; dieser Fabrications-
zweig wurde bald eine Specialität dieser
Fabrik, und verschaffte derselben auch im
Auslande einen guten Ruf und bedeutende
Lieferungen nach dem Auslande.
Durch ungünstige Zollverhältnisse
wurde der bezügliche Exporthandel
nahezu lahmgelegt, und es musste
wieder mehr auf den Bedarf an Fahr-
betriebsmitteln im Inlande das Augen-
merk gerichtet werden ; der Aufschwung
des allgemeinen Verkehrs begünstigte
dabei die weitere Entwicklung der Fabrik,
indem dieselbe nicht nur für die meisten
österreichischen Dampftramways Wagen
lieferte, sondern sich auch besonders auf
den Bau von Wagen für schmalspurige
Bahnen verlegte. Der grösste Theil
des Wagenparkes der österreichisch-
ungarischen Schmalspurbahnen ist von
der Grazer Wagenfabrik geliefert, und
stammen viele Neuerungen und Verbesse-
rungen in diesem Specialzweige aus dieser
Fabrik. Im Jahre 1888 wurde der erste
normalspurige Wagen gebaut und seither
der Bau solcher Fahrbetriebsmittel in der
Fabrik fortgesetzt.
• Im Jahre 1895 ging die Fabrik in eine
Actien-Gesellschaft über unter der Firma
»Grazer Wagen- und Waggon-
Fabriks- Actien-Gesellschaft vor-
mals J. Weitzer« und wurde bedeutend
vergrössert, wodurch dieselbe auch für den
Bau normaler Eisenbahnwagen in grösse-
rem Umfange geeignet wurde und den-
selben als Hauptfabricationszweig auf-
nahm. Dagegen wurde die Fabrication
von Equipagen gänzlich aufgelassen,
nachdem in der Zeit von 1873 bis 1886
circa 2200 solcher Fahrzeuge gebaut
worden waren. Obwohl der Bau nor-
maler Wagen in grösserem Umfange
betrieben wird, so blieb doch die Fabri-
cation von Fahrzeugen für Special-
Eisenbahnen, Zahnradbahnen, Drahtseil-
bahnen, elektrische Bahnen eine Speciali-
tät, in welcher diese Fabrik sowohl hin-
sichtlich der Construction und Ausführung,
als auch der praktischen und gefälligen
Formen sich des besten Rufes erfreut.
Auch hinsichtlich der Herstellung von
Fahrbetriebsmitteln für provisorische
Eisenbahnen, für Feldbahnen, Bauten etc.
kann diese Fabrik, die in neuerer Zeit
an 600 Arbeiter beschäftigt, als Special-
firma gelten.
Die Brünn-Königsfelder Maschinen-
fabrik von Lederer & Porges wurde
im Jahre 1890 gegründet und hat sich in
35*
548
der ersten Zeit vorwiegend mit Maschinen-
■und Kessel fabrication befasst. Nachdem
in jener Zeitperiode der Bedarf an Kessel-
wagen sehr bedeutend war, so wurde
anschliessend an die Fabrication der
Kessel für Kesselwagen, auch mit dem
Baue completer Kesselwagen begonnen
und damit der Wagenbau in der Fabrik
eingeführt. Derzeit ist der Bau von
Cistemenwagen sowie von Bier-, Fleisch-
und Weinwagen eine Hauptbeschäftigimg
der Wagenbau- Abtheilung. In neuerer
Zeit werden in dieser Fabrik auch Dienst-
wagen und Personenwagen gebaut. Die
Fabrik hat bisher circa tausend Wagen
gebaut und beschäftigt durchschnittlich
500 Arbeiter.
Nebst den genannten Fabriken haben
auch noch andere Fabriken vereinzelte
Wagen gebaut, ohne jedoch deshalb als
Waggonfabriken gelten zu können.
Ziemlich bedeutend ist die Herstellung
von Wagen in den eigenen Werkstätten
der verschiedenen Bahnen und werden
besonders Güterwagen, seltener Personen-
wagen, auch in grösseren Partieen in
eigener Regie gebaut.
Der Bedarf an Wagen wird seit circa
zwanzig Jahren in Oesterreich nahezu
vollständig durch inländische Erzeugung
gedeckt. In früheren Jahren, besonders
bis Anfang der Siebziger-Jahre, wurden
I noch viele Wagen aus dem Ausland:
I nach Oesterreich geliefert.
Wenn man den Entwicklung'sgari;
der gesammten technischen Wissenschar!
und Industrieen ins Auge fasst, so er-
scheint der Wagenbau nur als ein GiitJ
der Kette, als ein Rad im grossen
Mechanismus, welches dem Gesamm:-
fortschritte nicht voreilen konnte unJ
nicht zurückbleiben durfte. Ebenso noih-
wendig als die fortschrittliche Aus-
bildung und Entwicklung des Wagenbaucs
fUr die Entwicklung des ganzen Eisc:n-
balmwesens war, ebenso nothwendig warcTi
auch ftlr den Wagenbau die Fortschritte
in allen übrigen Zweigen des Eisenbahn-
wesens und der Gesammtindustrie. Ge-
wiss muss es uns eine Befriedigung ge-
währen, dasa der österreichische Wagen-
bau in seinen Leistungen jenen der übri-
gen Culturstaaten ebenbürtig zur Seite
steht und dass viele der Fortschritte
und Verb csser ungen der Thätigkeit öster-
reichischer Fachmanner zu verdanken sind.
Wir wollen aber die Hoffnung hegen,
dass unser Vaterland die ehrenvolle Stelle
im Wagenbau behaupten werde, weklie
es sich bisher in diesem Fachzweige der
Industrie und technischen Wissenschaf;
errungen hat.
Beheizung und Beleuchtung
der Eisenbahnwagen.
Von
Roman Freiherrn von Gostkowski,
k. k. o. ö. Professor an der technischen Hochschule in Lemberg^, Geaeraldirection8>Rath der
k. k. österreichischen Staatsbahnen a. D.
i
I.
Beleuchtung der Eisenbahnwagen.
DER Gedanke, Eisenbahnwagen zu
beleuchten, lag den Verwalturg'en
der Bahnen anfangs ziemlich ferne,
verkehrten doch die Züge der ersten
Eisenbahnen nur bei Tage. Ja selbst, als
später NachtzUge eingeführt wurden, sah
man nicht Überall die Nothwendigkeit ein,
die Coupes der Wagen beleuchten zu
müssen. Behauptete doch noch im Jahre
1890 der Hygienist Wiehert, dass das
Lesen im Eisenbahnwagen zu Nerven-
und Augenkrankheiten führe!
Der passive Widerstand der Eisen-
bahn-Verwaltungen, Coupes zu beleuchten,
musste erst durch einen königlichen Willen
gebrochen werden. König Friedrich
Wilhelm IV. von Preussen erzwang
nämlich in seinem Reiche die Beleuchtung
der Eisenbahnwagen durch einen Erlass,
welchen er 1844 durch seinen CabinetS-
minister an den damaligen Minister der
Finanzen und des Innern richtete.
Noch vor diesem Erlasse hatte die
Leipzig-Dresdner Eisenbahn ihre
Nachtzüge mit Kerzen beleuchtet, sie
scheint überhaupt die erste Bahn des
europäischen Continents gewesen zu sein,
welche die Wagenbeleuchtung einführte.
[1836.1
Unter dem Hochdrucke des könig-
lichen Willens verfiel man auf die Idee,
die Lichtquelle ausserhalb des Wagens
anzubringen und die leuchtenden Strahlen
derselben durch geeignet angebrachte
Retlectoren in das Innere des Coupes zu
leiten. Das reisende Publicum konnte je-
doch an dieser Art von Beleuchtung keine.
Befriedigung finden, namentlich dann
nicht, wenn die Reflectoren, durch Rauch,
Kohlenstaub oder Schnee bedeckt, ihre
Dienste versagten. Es blieb also nichts
Übrig, als die Wagen mit Wachskerzen zu
beleuchten, welchen später Stearinkerzen
folgten. Man stellte die Kerze in eine
Blechbüchse, welche an ihrem oberen Ende
mit einer Klappe versehen war, die eine
kleine Oeffnung für den Kerzendocht
enthielt. Eine am Boden der Büchse
angebrachte Spiralfeder drückte nach
Massgabe des Abbrennens die Kerze in
die Höhe. Hinausschnellen konnte die
Kerze nicht, weil der obere Deckel der
Büchse sie daran hinderte ; sie konnte
nur in dem Masse nachrücken, in welchem
sie kürzer wurde, so dass die Flamme
derselben stets in unveränderter Höhe
verblieb.
Die Blechbüchse — Patrone genannt
— war vermittels eines Armes an der
Innern Seitenwand des Wagens befestigt
und erhielt ebenso einen Reflector als
auch einen Glasballon. Das Verschmel-
zen und Abtropfen des Stearins sowie
des Wachses während der Fahrt war
Ursache, dass die Fedeni der Patronen
bald schlecht oder gar nicht functionirten.
Hiemit war aber das Urtheil über diese,
ohnehin theure Art der Wagenbeleuchtung
auch schon gesprochen.
Die Beleuch tun gs kosten kamen pro
Stunde und Kerze auf a bis 2'/j kr. zu
552
R. Freiherr von Gostkowski.
Im Jahre 1 789 hatte A r g a n d in Paris
den Hohldocht, welcher so ausserordent-
lich viel zur Verbesserung des Ver-
brennungsprocesses beitrug, bei Lampen
eingeführt, und ersetzte ausserdem die
damals benützten, über die Flammen ge-
stülpten Zugröhren aus Eisenblech durch
gläserne, die Flamme umgebende Cylinder.
Diese, damals sogar in Versen besungene
Lampe, litt jedoch an dem grossen Mangel,
dass durch den Schatten, welchen ihr
seitlich angebrachter Oelbehälter warf,
ein grosser Theil des Lichtes verloren
ging. Um diesen Fehler zu beseitigen,
gab es nur ein Auskunftsmittel und dieses
bestand darin, den Behälter in den Fuss
der Lampe zu verlegen und das Oel nach
Massgabe des Verbrauches künstlich
in die Höhe zu schaffen. Nach vielen
misslungenen Versuchen blieb man end-
lich bei jener Construction stehen, nach
welcher das unten befindliche Oel durch
eine, mittels eines Uhrwerkes betriebene
Pumpe, welche man im Fusse der Lampe
versteckt hielt, in die Höhe geschafft wurde.
Die erste solche Uhrlampe wurde durch
C a r c e l in Paris zu Anfang unseres Jahr-
hunderts construirt und nach' ihrem Er-
finder Carcellampe benannt. Ein im
Innern des Lampenfusses verstecktes, von
aussen aufziehbares Uhrwerk versagt aber
leicht. Erst 1837 gelang es Franchot,
eine Regulatorlampe herzustellen, welche
allen damaligen Anforderungen entsprach
und Moderateurlampe genannt wurde.
Zur Beleuchtung der Eisenbahnwagen
konnten jedoch derlei Lampen nicht ver-
wendet werden, weil sie viel zu empfind-
lich gegen Stösse waren, die doch bei einer
Eisenbahnfahrt kaum vermeidlich sind.
Man musste daher auf andere Con-
structionen sinnen und kam nach einer
stattlichen Reihe von Jaliren nach vielen
Versuchen endlich auf die heutige Decken-
lampe.
Die Glasglocke der früheren Decken-
lampe war nach unten umzukippen, so
dass der Docht und durch diesen die
Flamme im Coup6 regulirt werden konnte.
Die Glocke der neueren Deckenlampe ist
nicht umlegbar, die Lampe muss also
von aussen," vom Wagendache aus be-
dient werden, was den Vortheil hat, dass
die Reisenden durch die Bedienunjr nicht
belästigt werden, und dass das Innere
des Wagens durch Tropföl nicht ver-
■ unreinigt wird.
I Eine Dachlampe mit Flachdocht faj«$t
. gewöhnlich ^4 — ^U^S'O&U welche Mcni^e
einer Brenndauer von 24 — 25 Stunden
I entspricht. Eine Runddochtlampe fa»t
nicht ganz */j kg Oel und brennt i^
, Stunden lang.
Mit der Einführung des Petroleums
erhielt bekanntlich das ganze Beleuch-
tungswesen eine vollständige Umge-
staltung.
In Europa stammen die ersten Funde
von Erdöl aus dem Jahre 1430, woselbst
am Tegernsee das Vorkommen des-
selben bereits bekannt war. Erst spätere
Jahrhunderte brachten Kunde von Fctro-
leumquellen im E 1 s a s s sowie im Braun-
schweig'schen.
Aller jüngsten Datums ist unsere Kennt-
nis des Erdöls in Galizien. Wir verdanke:,
sie Haquet,*) der im Jahre 1783^$
*) Haquet war früher Arzt in der
Osterreichischen Armee, dann Anatomie-
Professor in Laibach, durchwanderte die
Ostalpen und die Karpathen, und liess über
die Ergebnisse seiner geologischen Forschun-
gen im Jahre 1794 in Nürnberg ein Buch
erscheinen. In diesem dreibändigen Werke
wird unter Anderem erzählt, dass circa 12 khi
westlich von Drohobj'cz [durch seine
Ozükeritgruben heute berühmt] Erdöl vor-
komme, welches dadurch gewonnen wird, d.is>
die Elinwohner in dem lehmigen Boden 4— üj«
tiefe Ciruben machen, in welchen kurze Zeit
nach deren Fertigstellung so viel Wasser siwh
ansammelt, dass sie beinahe voll werden.
Mit dem Wasser kommt auch Erdöl. Der
Arbeiter nimmt sodann eine Art Rechen in
die Hand und rührt das Wasser solange
durcheinander, bis sich das Oel zusammen-
häuft, wonach es dann in kleine Lehmgruben
pcschöpft wird. Hier lässt man es eine Zeit
lang stehen, damit das Oel vom W^asser sicli
trenne. Ist dies geschehen, so wird ddS
Og\ abp^eschöpft und in Fässern verfuhrt
Die grösste Oelerzeugung Galiziens be-
stand damals in Kwaszenica, einem Orte
zwischen Lisko und Lasko. In diesem
Orte producirte man durchschnittlich 6900 /
P>döl pro Jahr, welches Quantum, nach
unserer heutigen Währung gezählt, einen
Werth von 634 fl. 5 kr. besass. Das gewon-
nene Erdöl war zumeist zu Wagenschmiere
verarbeitet worden, die im ganzen Lande
gerne gekauft wurde. Auch diente es hie
und da als Arzneimittel.
Beheizung und Beleuchtung.
553
Professor der Naturgeschichte nach
Lern her g berufen wurde.
Der Gedanke, destillirtes Erdöl als
Beleuchtungsmittel, d. h. dasselbe anstatt
Rüböl zu verwenden, ist jedoch neu.
Die ersten schwankenden Versuche in
dieser Richtung, Versuche, welche die
Beleuchtungsindustrie angebahnt haben,
stammen aus Oesterreich.
In dem Orte H u b i c z e, in der Nähe
von Borysiaw, bestand nämlich im
Jahre 1817 bereits eine kleine Fabrik, in
welcher Rohöl destillirt wurde. Das
Destillat war für Prag bestimmt, wo-
selbst es zur Beleuchtung der Strassen
verwendet werden sollte. Kurze Zeit nach
Inbetriebsetzung der kleinen Fabrik wurde
jedoch die Destillation des Erdöls einge-
stellt, weil das Destillat wegen des Mangels
an Communicationsmitteln nicht an seinen
Bestimmungsort geschafft werden konnte.
Erst gegen Ende 1848 erschienen in
der noch heute bestehenden Apotheke
des Mikolasch in Lemberg zwei unter-
nehmende Juden, Namens Schreiner
und Sti ermann, mit einem Fässchen
einer dunkelgrünen, ins Gelbe opali-
sirenden Flüssigkeit, welche von der
Oberfläche eines nächst Drohobycz
fliessenden Baches abgeschöpft worden
war, mit dem Ansinnen, der Apotheker
möge untersuchen, ob diese Flüssig-
keit zur Beleuchtung verwendbar sei.
Lukasiewicz, der damalige Pro-
visor dieser Apotheke, in Gemeinschaft
mit seinem Collegen Zech, erkannten
in dieser Flüssigkeit sofort Erdöl und
schlössen aus der stark russenden Flamme
desselben, dass es ein vorzügliches Be-
leuchtungsmittel abgeben könnte, falls
es gelänge, ein reines Destillat desselben
zu erhalten und Lampen mit entsprechen-
dem Brenner zu construiren. An ein
Brennen des Destillats in den damali-
gen Lampen, war nämlich nicht zu den-
ken. Nach vielen langwierigen Versuchen
gelang es Lukasiewicz endlich [1852]
eine Lampe zu bauen, in welcher das
durch ihn bereits hell gemachte Destillat
des dunklen Erdöls mit einer halbwegs
ruhigen Flamme brannte, ohne viel zu
russen.
Prokesch, der damalige Material-
vervvalter der Kaiser Ferdinands-Nord-
bahn, wurde sofort hievon verständigt
und eingeladen, das Ergebnis der Ver-
suche zu besichtigen. Prokesch kam
nach Lemberg und erkannte sofort die
Vortheile, welche die Verwendung dieses
Beleuchtungsmaterials der Nordbahn
bringen könnte. Zum Abschlüsse eines
Lief erungs Vertrages kam es jedoch
nicht, weil sich Niemand fand, der es
unternehmen wollte, die verlangte Quan-
tität von 10 / Naphtha nach Wien zu
schafften. Ein Jahr später [1854] brachten
die bereits erwähnten Unternehmer
Schreiner und Stiermann auf eigene
Rechnung 15 t Naphtha nach Wien,
welches Quantum die Nordbahn sofort an-
kaufte. Diese Bahn war sonach die erste
und damals die einzige Abnehmerin des
galizischen Petroleums gewesen.
Dieses Petroleum wurde jedoch nur
zur Beleuchtung der Bureaux, nicht aber
zur Beleuchtung der Eisenbahnwagen
verwendet, weil es sich gezeigt hatte,
dass die Naphtha- Lampe nur in windge-
schützten Räumen, nicht aber im Luftzuge
brenne und für die geringste Bewegung
der Luft ganz ausserordentlich empfind-
lich sei.
Trotzdem setzte sich Pechar, da-
mals Inspector der Südbahn, in den Kopf,
eine Lampe zustande zu bringen, welche
als Signallicht für Eisenbahnwagen
zu verwenden wäre. Der Industrielle
R. D i t m a r, Inhaber einer Lampen-
fabrik in Wien, ward für diese Frage
gewonnen. Dieser setzte sein Wissen und
sein Geld ein, um eine im Luftzuge nicht
verlöschende Petroleum - Lampe zu con-
; struiren. Dies wollte jedoch lange nicht
gelingen. Ein grosser Raum der Fabrik
ward zum Friedhof für die zahllos be-
grabenen Constructionen. Endlich, nach
acht langen Jahren gelang es [1862] eine
Lampe herzustellen, die nicht nur im
Luftzuge russfrei brannte, die man sogar
umstürzen und im Kreise drehen konnte,
ohne dass sie verlöschte!
Die Lampe war da, mit ihr aber auch
ein Verbot, dieselbe im Innern der Eisen-
bahnwagen benützen zu dürfen.
In Oesterreich, Deutschland und ein-
zelnen anderen Staaten dürfen nämlich Mi-
neralöle aus Sicherheitsrücksichten zur
Beleuchtung der Personenwagen nicht ver-
554
R. Freiherr von Gostkowskl.
wendet werden. Dagegen kommt diese
Beleuchtungsart in England, Frankreich,
Belgien und der Schweiz sowie jenseits
des Oceans in grosser Ausdehnung vor.
Im Jahre 1858 hatte Thompson
die Personenwagen der Dublin-Kingston-
Eisenbahn für Gasbeleuchtung, so
gut es damals ging, eingerichtet. Die-
selben trugen auf ihrem Dache hölzerne
Kisten, die in ihrem Innern Kautschuk-
säcke bargen, welche man mit Leucht-
gas vollgefüllt hatte. Auf jedem dieser
Säcke lag ein Brett, welches mit Ge-
wichten beschwert war, um auf diese
Weise jenen Druck zu erzeugen, welcher
zum- guten Brennen der Flamme unerläss-
lich ist.
Nachahmung fand diese Art der Be-
leuchtung freilich nicht. Die Unterbringung
der Gasbehälter in den Wagen* bot näm-
lich weit mehr Schwierigkeiten, als man
erwartet hatte. Ein Cubikmeter Leucht-
gas reicht gerade eine Stunde für acht
Flammen, wie sie in den Strassen later-
nen unserer Städte brennen.
Nun dauert im Winter die Beleuch-
tungszeit 16 Stunden. Man würde so-
nach in jedem Wagen einen Behälter
mit 16 tn^ Gas unterbringen müssen.
Das würde den dritten Theil jenes Rau-
mes in Anspruch nehmen, den ein ge-
wöhnlicher" Personenwagen seinen In-
sassen bietet.
Ein Ingenieur der »Society du gaze
portatif« in Paris kam ein Jahr nach
den Versuchen Thompson's auf den
Einfall, Leuchtgas zu comprimiren, wo»-
durch ja die Behälter wesentlich kleiner
werden könnten. Es zeigte sich aber,
dass Leuchtgas sich nicht gut pres-
sen lasse, indem es bereits bei drei
Atmosphärendruck sich zu condensiren
beginne und bei zehn Atmosphären
seine Leuchtkraft einbüsse. Nach vielen
Versuchen kam er auf den Gedanken,
Gas anzuwenden, welches nicht aus Stein-
kohle, sondern aus Fett erzeugt worden
war. Mit einem solchen Gase war da-
mals ein Zug probeweise beleuchtet,
welcher zwischen Strassburg und Paris
regelmässig verkehrte.
Erst der Berliner Ingenieur Julius
Pintsch kam [1867] auf das Ge-
heimnis, aus kleineren Behältern $>:i
viel, und zwar billiges Gas herauszu-
pressen, als zur Erhellung langer Winter-
nächte nöthig war. Ja, noch mehr!
Er rang seinen Behältern soviel Licht
ab, dass es für zwei Nächte genügte.
Aus unbrauchbar gewordener Schmiere,
welche aus den Lagerbüchsen der Eisen-
bahnwagen herausgenommen wird, gelang
es ihm, ein lichtstarkes Gas darzusteller.,
welches sogar auf zehn Atmosphären sich
zusammendrücken Hess, ohne flüssig zu
werden, und dabei immer noch 37^ Mal
stärker leuchtete als das gewöhnliche
Kohlengas.
Ein Jahr darauf [1868] waren mit
diesem Gase die Züge der damali&^en
Xiedermärkischen Eisenbahn — freilich
mit einem recht schlechten Erfolge —
beleuchtet. Erst als Pintsch im Jahre 1S71
eine Vorrichtung erfand, welche das com-
primirte Gas auf den im Brenner erforder-
lichen Druck zu reduciren gestattete, trat
die Gasbeleuchtung der Eisenbahnwagen
plötzlich aus dem Stadium der Versuche
heraus und fand bald allgemeine Ver-
breitung.
England eröffnete [1876] den Reigen.
Auf dem Continente begann die Gas-
beleuchtung der Eisenbahnw^agen erst im
Jahre 1880.
Heute wird Fettgas aus Braunkohlen-
Theeröl dargestellt. Mit einem Cubik-
meter dieses Gases kann man eine Stunde
lang 40 Flammen speisen, während das
gleiche Quantum gewöhnlichen Stein-
kohlengases nur acht Flammen von glei-
cher Lichtstärke befriedigen kann.
Zwischen Gasbehälter und Brenner
muss selbstverständlich ein Regulator ein-
geschaltet werden, welcher bewirkt, dass
trotz Abnahme des Gasdrucks im Behälter
diese Flammen dennoch gleichmässig hell
brennen. Auch der für Stösse unemptind-
liehe Regulator ist eine geniale Erfindung;
des bereits gedachten Berliner Ingenieurs,
ebenso die Deckenlampe, welche dem neuen
Leuchtstoffe angepasst werden musste.
hl dieser Form ist die Gasbeleuchtun«,^
der Eisenbahnwagen in Oesterreich,
Deutschland, Frankreich, England und
Holland eingeführt.
Beheizung und Beleuchtung.
555
Noch im Jahre 1815 weigerten sich
die Londoner Feuerassecuranz - Com-
pagnien Gebäude zu versichern, welche
mit Gasbeleuchtung versehen waren,
weil allgemein behauptet wurde, Gas
explodire. Um diesem Vorurtheil zu
begegnen, lud Gl egg, der Ingenieur,
welcher damals die Gasinstallation be-
sorgte, die Vertreter der Feuerversiche-
rungs-Gesellschaften ein, mit ihm die
Gaswerke zu inspiciren und erbot sich,
die Grundlosigkeit jener Annahme experi-
mentell zu erweisen. Im Augenblicke,
als die Gommission auf dem grossen,
mit vielen Tausenden Gubikmetem ge-
füllten Gasbehälter stand, entriss G 1 e g g
einem neben ihm stehenden Arbeiter
die Hacke und schlug, weit ausholend,
mit dieser auf den Behälter. Eine
klaffende Spalte war die Folge des
wuchtigen Schlages. Mit einem Male
schoss auch schon aus derselben das
durch eine Fackel angezündete Gas in
einer mehrere Meter hohen Garbe lichter-
loh in die Höhe! Entsetzt wichen die
Nahestehenden zurück, beruhigten sich
jedoch und staunten das eigenartige
Schauspiel an. Gl egg hatte drastisch
bewiesen : Gas explodire nur dann, wenn
es in entsprechendem Masse mit Luft
gemischt werde. Im Gasometer steht
das Gas unter einem Drucke, welcher
es aus demselben herauszutreiben suche,
einem Drucke, der also grösser ist als
jener der Atmosphäre. Es könne daher
in das Innere des Behälters Aussenluft
nicht gelangen, daher dort eine Ex-
plosion nicht erfolgen.
Aber dennoch wurden vielfach Brände
bei Zügen der Gasbeleuchtung zuge-
schrieben. Die Vorkommnisse in Wann-
see bei Berlin [1885], in Limito nächst
Mailand [1891], die Explosion auf der
Berliner Stadtbahn [1894] sowie aus Ame-
rika gemeldete Zugbrände sprechen ja laut
dafür. Um in dieser Richtung klar zu
sehen, wurden seitens des Ministeriums
der öffentlichen Arbeiten in Berlin im
Jahre 1887 Versuche angestellt, welche
den Zweck hatten, zu entscheiden, ob
das Gas der Eisenbahnwagen Ursache
von Zugsbränden sein könne. Beim
Unfälle nächst Wannsee wurde constatirt,
dass der Gasbehälter des damals an-
gefahrenen Zuges ein circa 6 cw* grosses
Loch hatte sowie dass dieser Behält^er
mit 200 / Fettgas von vier Atmosphären
Spannung gefüllt war. Es handelte sich
also um ein Quantum von insgesammt
800 / Fettgas.
Um sich die Ueberzeugung zu ver-
schaffen, ob unter solchen Verhältnissen
eine Gasexplosion möglich sei, wurden
zwei Behälter gleicher Grösse wie der
zerstörte, mit Fettgas von demselben
Drucke gefüllt. Jeder von ihnen hatte
eine* Oeffnung so gross, wie der zer-
störte Behälter sie aufwies. Die künstlich
gemachten Oeffnungen waren mit einer
Vorrichtung verschlossen gewesen, die
sich jeden Augenblick leicht öffnen Hessen.
i'5 fw von der so verschlossenen Oeffnung
des einen dieser Behälter entfernt, wiu'de
ein mit Hobelspänen gefüllter Korb auf-
gestellt und dessen Inhalt angezündet.
Als die Späne in vollem Brande standen,
wurde der Verschluss des Blechbehälters
beseitigt. Das Resultat war, dass das
au^ dem Behälter ausströmende Gas sich
nicht nur nicht entzündete, sondern dass
es die brennenden Späne verlöschte. Auch
beim zweiten Versuche, bei welchem
der brennende Holzkorb '/^ m weit vom
Gasbehälter stand, entzündete sich das
aus demselben ausströmende Gas nicht.
Der Druck desselben war hier so gross
gewesen, dass der brennende Korb um-
geworfen wurde und verlosch.
Das für Zwecke der Beleuchtung
der Eisenbahnwagen bei den Zügen mit-
geführte Gas, kann also unmöglich Ur-
sache eines Zugbrandes werden.
Die Gasbeleuchtung der Eisenbahn-
wagen hat jedoch zwei Uebelstände:
Die Schwierigkeit der Befestigung der
Gasbehälter am Wagen und Umständlich-
keit der Bedienung.
Das Anzünden der Gasflammen vom
Dache aus ist schwerfällig und bei Glatt-
eis sogar gefährlich. Die Gasbrenner
werden, weil sie einen sehr engen Schlitz
haben, nicht selten durch Staub und
Russ verstopft, wodurch ein flackerndes
und schlecht leuchtendes Licht entsteht.
Wesentlich ist der Nachtheil, dass
die Gasflammen nicht erst im Falle des
wirklichen Bedarfes an Licht, sondern
lange vor Einbruch der Dunkelheit an-
556
R. Freiherr von Gostkowski.
gezündet werden müssen, weil ja die
Dunkelheit den Zug nicht gerade in der
Station, sondern auch während der Fahrt
überraschen kann. Aehnlich verhält es
sich beim Abstellen der Beleuchtung,
welche nicht sofort nach Eintreten der
Entbehrlichkeit derselben, sondern in
viellen Fällen später eintritt.
Wie sehr aber sich hiedurch die
Kosten der Beleuchtung vergrössem,
möge daraus ersehen werden, dass bei
der Dortmund-Enscheder Eisenbahn,
welche die Gasbeleuchtung ihrer Wagen
im Jahre 1894 durch elektrische Beleuch-
tung ersetzt hatte, eine Ersparnis von 50%
an Brennstunden in einem Jahre erzielt
wurde, obwohl ihre Wagen ebensolange
beleuchtet wurden, als vorher.
Die Verminderung der Brennstunden
ist aber dadurch erzielt worden, dass die
elektrische Beleuchtung erst im Augen-
blicke des Bedarfes bewerkstelligt sowie
dass die Beleuchtung eines nichtbesetzten
Wagens sofort nach dessen Leerwerden
abgestellt werden konnte. Eine ähnliehe
Ersparnis fand [1894] auch bei der elek-
trischen Beleuchtung der dänischen Schnell-
züge statt, und wird überall beobachtet,
wo Gas durch Elektricität ersetzt wurde.
Indes stösst die allgemeine Einführung
der elektrischen Beleuchtung, wenn sie
auch vollkommen wäre, was sie bei
Weitem nicht ist, auf die Schwierigkeit,
dass heute über 85% aller Personenwagen
Deutschlands bereits für Gas eingerichtet
sind, dass also ein Uebergang die Brach-
legung eines grossen Capitals verursachen
würde.
Zur Zeit als der erste mit Personen
besetzte Zug auf den Schienen rollte
[1825], war das elektrische Licht zwar
schon entdeckt gewesen, doch war es
nur wenigen Physikern gegönnt, dasselbe
zu schauen. Ja selbst ein halbes Jahr-
hundert später ward es noch als
Curiosum gezeigt; so bewunderte man
es beispielsweise im Jahre 1848 in
der Pariser Oper. Später kam es
bei grösseren Schaustellungen, Illumina-
tionen, Volksfesten, Concerten etc. zur
Verwendung. An eine Ausbreitung des
elektrischen Lichtes für industrielle
Zwecke war nicht zu denken, weF.
dieses Licht damals nur wenige Minu-
ten ohne Nachhilfe brennen konnte. Die
einander gegenübergestellten Kohlen ver-
brannten nämlich in der elektrischen
Gluth schnell, die Distanz zwischen
ihnen wuchs rasch und erreichte bald
jene Grenze, welche der elektrische
Strom nicht mehr überschreiten konnte.
Das Licht löschte aus, oder es musstcn
aus freier Hand die Kohlen wieder ein-
ander näher gerückt werden. Selbst die
Einführung von Apparaten, welche diese
Nachstellung automatisch besorgten,
konnte zur Verbreitung des elektrischen
Lichtes nur wenig beitragen, weil das so
erzeugte Licht viel zu theuer war.
Angesichts solcher Verhältnisse ist
es begreiflich, dass eine Erfindung, welche
die Erzeugung des elektrischen Lichtes
ohne Zuhilfenahme von galvanischen
Elementen ermöglicht hatte, einen Auf-
schwung des Beleuchtungs Wesens herbei-
führen musste.
Eine solche Erfindung war aber die
Dynamo-Maschine.
Das mittels dieser Maschine er-
zeugte Licht [Bogenlicht] ist aber Ar
Zwecke der Beleuchtung von Eisen-
bahnwagen unbrauchbar, weil es viel
zu grell ist, eine Abschwächung des-
selben sich aber nur schwer durchführen
lässt. Die schwächste Intensität eines Bo-
genlichtes wird nämlich immer noch eine
Lichtstärke von 30 Kerzen haben, und
dies ist bedeutend mehr als zur Beleuch-
tung eines Coupes erforderlich ist.
Die epochemachende Erfindung der
Dynamo - Maschine wäre sonach f^r
Zwecke der Beleuchtung der Eisenbahn-
wagen höchstwahrscheinlich unverwer-
thet geblieben, wenn ihr nicht eine
zweite, fast ebenso wichtige Erfindung
zu Hilfe gekommen wäre. Man kam
näiplich auf den Gedanken, statt die
Kohlenstäbe von einander zu trennen
und die Elektricität durch die zwischen-
liegende Luftschichte zu treiben, um
diese zum Leuchten zu bringen — die
Stäbe zusammen zu schieben, respective
einen ungetheilten Stab durch den Strom
der Dynamo-Maschine zur Weissgluth
Beheizung und Beleuchtung.
557
zu erhitzen und das Licht dieser Gluth
zur Beleuchtung zu verwenden. Zu diesem
Zwecke schloss man den Kohlenstab
[Kohlenfaden], damit derselbe nicht so
schnell verbrenne, in einen luftleer ge-
machten Glasballon ein: — Die Glüh-
lampe war erfunden !
Die Glühlampe liefert zwar ein
siebenmal theureres Licht als die Bogen-
lampe, sie hat aber den grossen Vor-
theil, dass man Licht in sehr kleinen
Quantitäten erzeugen, es also besser
vertheilen kann, als dies bei Bogen-
lampen möglich ist. Auch ist das Licht
der Glühlampen äusserst ruhig, weil
die Schwankungen des Wagens auf
dasselbe keinen Einfluss haben.
Mit Hinblick darauf scheint es, dass
die elektrische Beleuchtung eines Eisen-
bahnzuges ebenso einfach ausführbar sei,
als eine stationäre Beleuchtungsanlage.
Man braucht ja nichts weiter zu thun,
als längs der Schienen Drähte auszu-
spannen und die Elektricität, welche sie
führen, durch geeignete Vorrichtungen
zu den Glühlampen der Wagen zu leiten.
Gar eil in London hatte ein ähnliches
System erdacht und im Jahre 1887 bei
der elektrischen Tramway in Glasgow
durchgeführt. Da aber bei Vollbahnen an
eine Zuleitung des galvanischen Stromes,
welcher in einer Centrale erzeugt wird,
durch Drähte, die längs der Bahn
ausgespannt sind, nicht gut zu denken
ist, so kann diese Idee der Wagen-
beleuchtung kaum verwirklicht werden.
Es blieb daher nichts übrig, als auf
die Locomotive eine kleine Dampf-
maschine aufzusetzen, diese durch den
Kesseldampf der Locomotive zu speisen
und mit ihrer Hilfe die Dynamo-Ma-
schine zu betreiben. Leider kann aber
dann die Locomotive vom Zuge nicht
abgetrennt werden, ohne dass das Licht
erlischt. Um dies zu verhindern, versah
man jeden der zu beleuchtenden Wagen
mit einer besonderen Dynamo-Maschine
und betrieb sie nicht mehr d i r e c t e durch
die Kraft des Kesseldampfes, sondern
mittelbar durch jene der rollenden
Räder des betreffenden Wagens.
Auf diese Art brachte man es zu-
stande, dass jeder einzelne Wagen einen
completen Beleuchtungsapparat hatte.
also von den anderen unabhängig wurde.
Eine derartige Einrichtung, so vollkom-
men sie auch auf den ersten Blick zu
sein scheint, hat jedoch nur einen unter-
geordneten Werth, weil die Ruhe des
Lichtes abhängig ist von der Stetigkeit
der Rotation des Inductors der Dynamo-
Maschine, eine solche aber nicht vor-
handen ist, weil die Räder des Wagens
bald schneller, bald langsamer rollen,
da ja der Zug verschiedene Strecken
verschieden schnell befährt. Auch müssten
die Lampen beim Stillstande des Zuges
verlöschen.
Das nächstliegende Mittel, dieser
Schwierigkeit zu begegnen, würde die
Einstellung des Dampfkessels in jeden
einzelnen Wagen sein. Da es aber nicht
angeht, in demselben Räume, in wel-
chem die Passagiere sich befinden, einen
Feuerherd einzustellen, so verfiel man
auf Dampfkessel, welche zur Erzeugung
des Dampfes keines Feuers bedürfen.
Es sind dies Behälter mit überhitztem
Wasser.
Dies hätte den Vortheil, dass alle Neben-
apparate entfallen, welche zum Reguliren
und zur Erhaltung der Spannung dienen,
dass die Beleuchtung von der Fahrge-
schwindigkeit unabhängig ist, dass die Re-
paraturen der Heisswasser-Behälter ganz
gering sind und dass die Bedienung ausser-
; ordentlich einfach wird. Es zeigte sich
jedoch, dass man nicht jeden Wagen mit
einer besonderen Lichtquelle versehen
kann, da es nicht angeht, in jedem
Wagen einen Heisswasser-Behälter zu
führen, man ist vielmehr angewiesen,
einen Behälter für den ganzen Zug auf-
zustellen.
Durch Anwendung von Accumulatoren
wurde man von der Bewegung des Zuges
ganz unabhängig, denn man verwendete
die Energie der ungleichmässigen Be-
wegung rollender Räder nicht mehr zur
Erzeugung des elektrischen Stromes,
sondern zum Lösen von chemischen Ver-
bindungen [zum Laden der Accumulatoren].
Man sieht also, dass drei Erfindungen
zusammentreten mussten, um die Beleuch-
tung fahrender Züge durch Elektricität
zu ermöglichen. Es sind dies die Er-
I findung der Dynamo-Maschine, des
I Glühlichtes und des Accumulators.
558
R. Freiherr von Gostkowski.
Die ersten Versuche, Eisenbahnwagen
mittels Accumiüatoren zu beleuchten,
stammen aus England. Auf der London-
Brighton- Eisenbahn verkehrte nämlich
bereits im Jahre 1881 ein Schlafwagen,
der in dieser Weise erhellt worden war.
Diese Beleuchtungsweise befriedigte je-
doch nicht, da die damaligen Accumu-
latoren praktisch noch nicht verwendbar
waren. Faure nahm ja erst in jenem
Jahre ein Patent auf die berühmte Er-
findung, welche den Accumulatoren den
Weg vom Laboratorium in die Praxis
öffnete.
Die erste Bahn, welche ihren Wagen-
park vollständig" für Accumulatoren-
Beleuchtung einrichten Hess, war die
italienische Bahn Novara -Seregno-
S a r o n n o.
Auf Nachahmung konnte diese Bahn
nicht rechnen, da ihre Beleuchtungs-
methode Manches zu wünschen übrig Hess
und keine Bahn die Kosten einer lang-
wierigen Ausprobung tragen wollte.
Einen Impuls, der Frage der elektri-
schen Wagenbeleuchtung näher zu tre-
ten, gab erst der schweizerische
Bundesrath, welcher an Stelle der
üblichen Petroleum-Beleuchtung, die als
gefährlich erkannt wurde, die Einführung
einer andern angeordnet hatte. [1888.]
Die Jura-Simplo n-Eisenbahn war
die erste, welche nach Durchführung
umfassender Versuche im Jahre 1893
einen grossen Theil ihres Wagenparkes
elektrisch einrichten Hess.
Dem Beispiele der Jura-Simplon-Eisen-
bahn folgend, eröffnete in Oesterreich
die Kaiser Ferdinands-Nordbahn
mit der elektrischen Wagenbeleuchtung
den Reigen, indem sie im Jahre 1893
Züge zwischen Wien und K r a k a u
in Verkehr setzte, welche* für Accumu-
latoren - Beleuchtung eingerichtet waren.
Zur Beleuchtung der 20 Wagen dieser
Züge wurden durchwegs Glühlampen mit
einer Leuchtkraft von sechs Kerzen für eine
mittlere Spannung von 23 Volts und
einem Energie-Verbrauche von 2 7j Watts
pro Kerze verwendet. . Ein Wagen I./II.
Classe hat 14, ein Wagen III. Classe
8 Lampen.
Das Laden der Accumulatoren erfolgt
auf dem Nordbahnhofe in Wien, woselbst
16 Ladestellen eingerichtet wurden, auf
welchen je 20 Tröge [40 Zellen] Platz
finden. Die Dynamo-Maschine, "welchcf
den Ladestrom liefert, ist eine Xeben-
schlussmaschine von 1 10 Volts Spannurt;
und g^bt einen Strom von 140 Amperes,
so dass also ihre Leistung 15*4 Kilo-
watt beträgt. Für die mit Accumula-
toren auszuiilstenden Wagen \%'urde ein
eigenes, in der Nähe der Ladestellen ge-
legenes Geleise bestimmt, auf welches
die Wagen nach ihrem Eintreffen gestellt
werden. Zu beiden Seiten des Aufstel-
lungs-Geleises läuft eine schmalspurige
Bahn von 300 fntn Spurweite. auf
welcher die Accumulatoren mit Hilfe
kleiner Rollwagen von und zu den Wagen
gefahren werden.
Im ersten Betriebsjahre wurden */^ Mil-
lionen Lampenstunden geleistet, wozu
eine Ladung von 6527 Batterien zu je
zwölf Zellen während einer Betriebszeit
von 4255 Stunden nöthig war. Die hie-
für verausgabte Ladungsarbeit betrug:
34.368 Kilowattstunden, entsprechend
einer Arbeit der Dampfmaschine vun
52.400 Pferdekraftstunden. Die Kosten
einer Glühlampenstunde, inclusive der
Kosten der Amortisation und Ver-
zinsung des Anlage-Capitales, belaufen
sich auf rund i7j Kreuzer.
Durch das Beispiel der Nordbahn
angeregt, haben sowohl die österreichi-
schen wie auch die ungarischen Staats-
bahnen sowie die Kaschau-Oder-
berger Eisenbahn die Einrichtung einer
grossen Anzahl von Wagen für Accu-
mulatoren-Beleuchtung beschlossen.
In jüngster Zeit [1896] hat die Alt-
dam-Kolberger Eisenbahn Ver-
suche angestellt, die Wagen nicht nur
im Innern, sondern auch aussen elektrisch
zu beleuchten und dies zu dem Zwecke,
um kleine Stationen, die während der
Abwesenheit des Zuges wenig oder gar
nicht beleuchtet sind, bei der Einfahn
des Zuges mit diesen Lampen zu er-
hellen. Selbstverständlich werden die
Aussenlampen erst bei der Einfahrt des
Zuges durch Druck auf einen Taster zum
Leuchten gebracht.
Die zuerst von dem österreichischen
Elektrotechniker Krzi2ik in Prag, vor
etlichen Jahren ausgesprochene Idee,
Beheizung und Beleuchtung.
559
wurde also hier zum ersten Male ins
Praktische tibersetzt.
Die elektrische Beleuchtung der Eisen-
bahnwagen hat so viele Vorzüge, dass
ihre Zukunft gesichert ist. Mit Rück-
sicht jedoch darauf, dass die Accumula-
torenfrage noch nicht endgiltig gelöst
ist, kann bei dem grossen Capitale,
welches in den Einrichtungen für Gas-
beleuchtung steckt, an eine allgemeine
Einführung der elektrischen Beleuchtung
der Eisenbahnwagen vorläufig nicht ge-
dacht werden.
Zu Ende des Jahres 1894 warf in
Nord-Carolina ein Adept der
schwarzen Kunst das bei seinen Ver-
suchen abgefallene Nebenproduct in den
Bach und aus dem Wasser begannen
Gasblasen stürmisch zu entweichen.
Dieselben Hessen sich entzünden und
brannten, einmal entfacht, mit hellleuch-
tender Flamme. Wilson — so hiess
der Chemiker — wusste eben nichts von
dem Calci um-Carbid der alten Welt,
welches die Eigenschaft hat, mit Wasser
Übergossen, ein Gas zu bilden, das mit
der stärkstleuchtenden Flamme brennt,
welche wir bis jetzt kennen.
Zu Anfang unseres Jahrhunderts hatte
D'avy beobachtet, dass der Rückstand,
welcher bei Gewinnung des metallischen
Kaliums entsteht, mit Wasser Über-
gossen, ein übelriechendes Gas liefere,
welches mit heller Flamme brennt. Ueber
dieses Gas schrieb im Jahre 1862
Wo hl er die folgenden Worte: »Bei
sehr hoher Temperatur erhält man aus
einer Legirung von Zink und Calcium
in Berührung mit Kohle ein Kohlenstoff-
Calcium [also unser Calcium-Carbid],
welches die merkwürdige Eigenschaft
hat, sich mit Wasser in Kalkhydrat
und Acetylengas zu zersetzen.«
Die Darstellung der Metallcarbide
stiess jedoch auf die Schwierigkeit der
Erzeugung hoher Temperaturen, auf
deren Nothwendigkeit bereits Wöhler
hingewiesen hatte. Das Verdienst, diese
Schwierigkeit behoben zu haben, gebührt
dem französischen Chemiker Moissan,
der zielbewusst zur Elektricität seine
Zuflucht nahm. Im Jahre 1894 stellte
Moissan in Paris in der Gluth des
elektrischen Feuers das Calcium-Car-
bid dar.
Bei der Erzeugung des Calcium-Car-
bides bedarf es (der Elektricität nicht als
solcher. Ihre Hilfe ist nur nöthig, um
eine so intensive Hitze zu erzeugen
[3500^ C], wie es die chemische Reaction
erfordert.
Das Calcium-Carbid (Ca Cj) hat, wie
gesagt, die Eigenschaft, mit Wasser Ace-
tylengas [C2 H2] zu bilden, dessen
Flamme durch die grösste Lichtfülle sich
auszeichnet, die wir kennen, obwohl si'e
den niedrigsten Wärmegrad unter allen
bisher bekannten Flammen aufweist.
Wird nämlich in einem Gasbrenner,
welcher 140 / Gas pro Stunde con-
sumirt, gewöhnliches Leuchtgas ver-
brannt, so erhält man eine Flamme,
welche so viel Licht gibt, als 1 2 Stearin-
kerzen. Wird dagegen in einem ent-
sprechend construirten Brenner von dem-
selben Consum Acetylengas verbrannt,
so liefert dessen Flamme ein Licht von
240 Kerzen!
Die Ueberlegenheit der Flamme des
Acetylengases in Bezug auf die Leucht-
kraft, gegenüber der Flamme anderer Gase,
kommt in der nachstehenden Zusammen-
stellung recht drastisch zum Ausdrucke.
Der Materialverbrauch für eine Stunde
Brennens, mit der Helligkeit einer Kerze,
beträgt nämlich bei:
Leuchtgas im Schnittbrenner 11 '5 Liter
> p Argandbrenner ico »
» in der Siemenslampe
Nr. 00 . . . . 37 *
> im Auerlichte . . 3*0 *
Acetylengas 0*8 »
» in der Reginalampe 0*7 *
Leider kommt Acetylengas heute noch
recht theuer zu stehen.
Es kostet nämlich in Neuhausen
I kg Calcium-Carbid gegenwärtig 24 kr.
[40 Pfennige]. Da man aber zur Er-
zeugung von einem Cubikmeter Acetylen-
gas 3^3 kg Calcium-Carbid benöthigt,
so kommt ein Cubikmeter Acetylengas
auf 80 kr. zu stehen. Man hat Grimd zu
' behaupten, dass es unter 30 kr. nicht
I sobald sinken werde, weil schon bei
56o
R. Freiherr von Gostkowski.
diesem Preise die heutigen Selbstkosten \
kaum gedeckt sein dürften.
Trotzdem dachte man daran, Eisen-
bahnwagen mit Acetylengas zu be-
leuchten, weil man im Auge hatte, dass
bei gleicher Gewichts Vermehrung des
Wagens, Acetylengas die Mitnahme einer
weit grösseren Menge von Licht gestattet,
als elektrisches Glühlicht oder Öelgas.
Der technischen Direction der schwei-
zerischen Hauptbahnen und den Ver-
tretern des Eisenbahn- Departements der
Schweiz wurde am 24. April 1896 auf
der Strecke Ölten- Bern ein mit
Acetylengas beleuchteter, vom Maschinen-
Ingenieur Kühn eingerichteter Wagen
vorgeführt. Der gelungene Versuch ver-
anlasste die Com pagnie de Chemins
de fer de l'Est, denselben zu wieder-
holen. Das Acetylengas wurde in einem
Behälter comprimirt und in einem Brenner
von besonders engem Schlitze verbrannt.
Indessen scheint die Aussicht auf eint
glänzende Zukunft, welche die Chemiker
dem Acetylengase in die Wiege le^yte:.,
sich wesentlich vermindert zu habti
Nicht der Preis dürfte die Schuld daran
tragen, vielmehr scheint die Furcht vor
Explosionen das Acetylengas in Verri:
zu bringen.
Während es bei einem Drucke v-r
einer Atmosphäre keine explosiven Eigen-
schaften zeigt, hat das Acetylengas scimn
bei einem Drucke, der zwei Atmosphären
um W^eniges überschreitet, die gewöhn-
lichen Eigenschaften explosiver Ga>-
gemische.
Das Acetylen bildet vorläufioj d:s
letzte Glied in der Entwicklung des Ik-
leuchtungswesens. Inwieweit seine a .•
gemeine praktische Verwendung, ir.>-
besondere auch für Eisenbahnzwecke
möglich wird, dürfte eine nahe Zukürit
lehren.
IL
Beheizung der Eisenbahnwagen.
Die nächstliegende Idee, auf die wohl
Jeder verfällt, sobald er sich befragt, auf
welche Weise ein Eisenbahnwagen zu
beheizen sei, ist wohl die, einen eisernen
Ofen zu verwenden. Freilich muss die
Construction eines solchen Ofens den
Verhältnissen angepasst werden, weil ja
der beengte Raum eines Eisenbahnwagens
die Aufstellung grosser Oefen nicht ge-
stattet. Ausserdem müsste auch der Ofen
am Fussboden des Wagens fest ange-
schraubt sein, damit er beim Anhalten,
Anfahren und plötzlichen Bremsen des
Zuges nicht umfalle. Man muss also
kleine, aber scharf geheizte Oefen ver-
wenden, wobei stets darauf Bedacht ge-
nommen werden muss, dass die Heizung
so ergiebig sei, dass sie für jeden Wagen
lO.oooCalorien stündlich zu liefern vermag.
Heizungstechniker haben herausge-
bracht, dass für diesen Zweck die soge-
nannten Füllöfen am besten — oder
richtiger gesagt, am wenij^sten schlecht
— sich eignen. Diese Oefen haben den
Vorzug der Einfachheit, der guten und
schnellen Heizung, wie auch den Vorthe:'..
dass bei deren Verwendung eine ausgiebij:;
Lüftung der Wagen herbeigeführt wird.
Eine andere, vielfach gebrauchte Form
der Wagenheizung besteht darin, da>s
der Ofen sich nicht im Innern, sonJen:
ausserhalb des Wagens befindet, und die
an seinen Wänden erwärmte Luft durcL
Canäle in den Wagen geleitet wird. Man
nennt eine solche Heizungsmethode Luft-
heizung. Die ältesten Versuche, eine
Luftheizung zu erzielen, stammen noch
aus dem Jahre 1868, um welche ZcU
die Rheinische Eisenbahn kleine
Oefen zwischen die Buffer ihrer VVagca
aufhängte und deren Rauchrohre durch
das Innere der Wagen nach aussen führte.
Später wurden auf der Grossherzoglich
Badischen Eisenbahn Versuche mit
bereits verbesserter Luftheizung angestellt
Unter dem Wagen, möglichst nahe an
einem Ende, ist ein kleiner Steinkohlen-
Ofen angebracht, von welchem aus das
Rauchrohr den Wagen entlang, an J^f
entgegengesetzten Seite bis über die
Beheizung und Beleuchtung.
561
Wagendecke hoch geführt ist. Ofen und
Rauchrohr sind mit einem Mantel umge-
ben, in welchem durch selbstthätige
Klappen die Luft bei Bewegung des
Zuges eintritt, hier erwärmt und von da
durch Röhren und regulirbare Klappen
in das Innere der Wagen geführt wird
[»System Allen«].
Am meisten ausgebildet erscheint
das System der österreichischen Inge-
nieure Thamm und Rothmüller [1871],
welches später durch Maey und An-
schütz verbessert wurde. Dieses Heiz-
system besteht aus drei von einander
getrennten Theilen: aus dem Ofen, in
welchem das Feuer unterhalten wird, aus
der Kammer, in welcher die kalte Luft
erwärmt wird, und aus den Canälen,
durch welche die erwärmte Luft in das
Innere des Wagens gelangt." Der Ofen
besteht aus einer, aus eisernen Gitter-
stäben zusammengefügtenTrommel,welche
nahezu so lang wie der Wagen breit
ist, und die, mit glühendem Cokes ge-
füllt, unter dem Boden des Wagens
derart in einen dortselbst angebrachten,
der Quere des Wagens nach liegenden,
hölzernen Kasten geschoben wird, dass
sie horizontal zu liegen kommt. Die Gluth
wird durch den Luftzug, welcher während
der Fahrt des Zuges auftritt, erhalten, und
erwärmt die Luft, welche sich zwischen
dem Ofen und dem ihn umgebenden Kasten
befindet. Dieser Holzkasten, welcher na-
türlich erheblich grösser ist als die Trom-
mel, bildet sonach die Kammer. Die hier
erwärmte Luft findet so viele Canäle als
der Wagen Coupes hat und vertheilt sich
in dieselben, um so in die verschiedenen
Abtheilungen zu gelangen, woselbst sie
sich mit der dort befindlichen kalten Luft
mischt.
Die Luftheizung System Maey-Pape,
die zumeist auf Eisenbahnen in der
Schweiz zu finden ist, unterscheidet sich
von dem System Thamm -Rothmüller
dadurch, dass anstatt der Trommel ein
verticaler, gusseisemer Füllofen ange-
wendet wird, und dass Sauger von eigen-
thümlicher Form sich an demselben be-
finden. Da bei dieser Heizvorrichtung
der Kamin, durch welchen die Rauch-
gase entweichen, an der Stirnseite des
Wagens angebracht ist, so müssen die 1
Geschichte der Eisenbahnen. II.
Wagen in den Zug stets so einrangirt
werden, dass der Ofen nach vorne zu
stehen kommt. Dies ist aber eine grosse
Unbequemlichkeit, welche die Heizung
Thamm - Rothmüller nicht besitzt.
Auch kommt sie bei der durch Anschütz
gemachten Verbesserung nicht vor, weil
bei dieser der Schornstein an der Längs-
seite des Wagens angebracht ist.
Endlich muss bemerkt werden, dass
diese beiden Systeme eine Ventilation
der Wagen unmöglich machen, weil die
in das Innere der Wagen einströmende
Luft viel zu warm ist, um sich flächen-
weise am Boden auszubreiten, welche
Ausbreitung aber eine unerlässliche
Bedingung einer regelrechten Venti-
lation ist.
Auch mangelt es allen Luftheizsyste-
men an geeigneten Vorrichtungen, welche
den Luftzutritt reguliren würden, ebenso
fällt der Uebelstand schwer ins Gewicht,
dass die Functionirung der Apparate von
Seite des Zugspersonales nicht g^t über-
wacht werden kann, da auch Vorrichtun-
gen fehlen, welche in jedem Augenblicke
anzeigen würden, ob der Verbrennungs-
process regelrecht vor sich geht oder eine
Nachhilfe erforderlich ist.
Die Beheizung der Wagen, gleichviel
ob die Oefen in deren Innerem oder
ausserhalb angebracht sind, bedingt stets
eine Feuersgefahr.
Die Geschichte des Zugverkehrs
weiss genug Fälle zu verzeichnen, welche
die grosse Gefahr der Ofenheizung vor
Augen führen. Der Wunsch, dieser Ge-
fahr zu begegnen, führt zur Heizung mit
Briquettes, eine Methode der Wagenbehei-
zung, welche keiner Flamme bedarf, und
selbst dann noch functionirt, wenn keine
Luftcirculation besteht.
Man hat die Briquettes [ein Gemisch
von Holzkohle und Salpeter oder chlor-
saurem Kali] unter den Sitzen der Per-
sonenwagen oder unter dem Fussboden
in Kästen eingelegt, welche gegen das
Coup6 vollkommen abgeschlossen sind
imd nur nach hinten aus dem Wagen
hervorragen, woselbst sie mit Oeffnungen
versehen sind. Der Abschluss der Heiz-
kästen gegen die Coupes ist unerlässlich,
weil bei Verbrennung der Presskohle das
giftige Kohlenoxydgas entsteht.
36
562
R. Freiherr von Gostkowski.
Die Briquettes Heizung ist aber fast
ebenso feuergefährlich, wie die Ofenhei-
zung, sie erzeugt verdorbene Luft, bedarf
eines besonderen Brennmaterials, welches
wegen Hygroskopie gewisse Vorsichts-
massregeln für seine Aufbewahrung be-
dingt, und das umständliche Vorberei-
tungen zu seiner Verwendung erfordert.
Auch dürfte die Presskohlen-Heizung im
Betriebe unter allen hauptsächlich ange-
wendeten Heizungsarten die theuerste
sein.
Gänzlich frei von Feuersgefahr ist
eine Beheizungsmethode, welche zu aller-
erst auf Eisenbahnen üblich war. Es
ist dies die Methode zur Beheizung der
Wagen mittels Wärme flaschen.
Man pflegt die Wärmeflaschen ent-
weder in den Boden der Wagen-Coup^s
zu versenken oder aber, was häufiger
der F'all, einfach in die Coupes hinein
zu legen, wobei ein Coup6 gewöhnlich
mit zwei Wärmeflaschen betheilt wird.
Versuche, welche in der Werkstätte
Stanislauim Jahre 1882 angestellt wur-
den, haben gelehrt, dass eine 70^ C.
heisse kupferne Wärmeflasche bei einer
Kälte von — lo'* C. schon nach drei
Stunden auf -|-io^ C. sich abkühlt. Die
Wärmeabgabe von 900 Calorien ver-
theilt sich sonach auf drei Stunden, so.
dass die stündliche Wärmeprpduction
einer Wärmeflasche im Durchschnitte
900 :3 = 300 Calorien beträgt, also ebenso
gross ist, als die Wärmeproduction zweier
Menschen. Zwei Menschen liefern näm-
lich durch den Athmungsprocess bei-
läufig so viel Wärme, als eine Wärme-
flasche.
Die Versuche, Wärmeflaschen mit
heissem Sand, geschmolzenem Salpeter
oder mit geschmolzener essigsaurer Thon-
erde [Ancellin, 1881] zu füllen, erbrach-
ten wohl eine bessere Wirkung dieser
Heizmethode, die sich aber für unser
Klima noch immer nicht als zureichend
erwies.
Das Vorwärmen der Wärmeflaschen,
seien sie nun mit Wasser oder mit
anderen Stoff'en gefüllt, ist stets umständ-
lich. Der nächstliegende Gedanke war
wohl der, alle Wärmeflaschen eines
Zuges durch .ein Köhrensystem derart
miteinander zu verbinden, dass dit
Füllung derselben von einem einzicrcr.
Gefässe aus, in welches man währenc
des Zugaufenthaltes heisses Wasser giesst
erfolgen könnte. Hiedurch würde man
das umständliche Auswechseln der Wärme-
flaschen ersparen.
Die Staatseisenbahn - G e s e li-
sch aft war die Erste, '^^'elche ihre
Salonwagen in dieser Weise erwärmt hane
[1869] und die Kaiserin Elisabeth-
Bahn dehnte diese Beheizungsmethode
auch auf die Personenwagen aus. Die
Rheinische Eisenbahn ging einen
Schritt weiter. Sie stellte nämlich, um di^
Zutragen des heissen Wassers zu ersparen,
^n jeden zu heizenden Wagen einen
besonderen, mit einer entsprechenden
Feuerung versehenen Kessel ein und
füllte die Flaschen während der Fahn
des Zuges aus diesem Kessel.
Die Ingenieure Weibe l undBrique:
kamen [1872] auf den Gedanken, da$
Wasser, welches zur Heizung eine<
Wagens zu dienen hat, ein für allemal
in ein allseitig verschlossenes Röhren-
system einzuschliessen. Statt aber das
ganze Röhrensystem sammt seinem In-
halte zu erwärmen, wurde nur die tiersic
Stelle desselben durch ein Wasserbau
erhitzt. Das an dieser Stelle erwärmte
Wasser stieg, weil speciüsch leichter,
in die Höhe und verbreitete sich, in
kälteren Wasser fortschreitend, insolanire.
bis es seine Wärme verlor und, kal:
geworden, durch das nachdrängenJc
warme Wasser gezwungen wurde, wieder
an dieselbe Stelle zurückzukommen,
von welcher es ausgegangen war.
Auf diese Art erzielte man in einex
fixen, mit Wasser vollgefüllten Röhren-
systeme einen beständigen Kreislauf war-
men W^ assers.
Dieses gut diirchdachte System der
Beheizung der Eisenbahnwagen war zur
Zeit der Wiener W^eltausstellung [1873^
daselbst zu sehen, und ergaben Ver-
suche, welche mit dieser Heizmethode
auf der Strecke Biel-Lausanne in
den Jahren 1872 und 1873 durchgeführt
wurden, dass zur Erhaltung der Circu-
lation in einem 447« *** langen Röhren-
systeme von 5 cm Durchmesser i kg
Cokes pro Stunde vollauf genüge.
Beheizung und Beleuchtung.
563
Wegen der Unabhängigkeit dieser
Beheizungsmethode von den Einrich-
tungen der Bahnen eignet sie sich für
geschlossene Züge, welche die Gebiete
vieler Bahnverwaltungen durchfahren,
ganz vorzüglich, und sie wird sich vor-
aussichtlich so lange behaupten, als die
Heizeinrichtungen der einzelnen Bahnen
unter einander difFeriren werden.
m
Grössere Vortheile versprach die Be-
heizung der Eisenbahnwagen mittels
Wasserdampf. Um eine Dampf-
heizung einzurichten, braucht man
nichts Anderes zu thun, als den
Dampf längs des ganzen Zuges durch
eine an ihrem zweiten Ende offene Röhre
durchzuleiten und ihn am offenen Ende
frei ausströmen zu lassen. In einem
solchen Falle wird er sich während seines
Laufes theilweise zu Wasser condensiren,
seine grosse Aggregatwärme an die Um-
gebung abtreten, und nur der unver-
brauchte Rest wird sammt dem Conden-
sationswasser nach aussen abfliessen.
Die ersten Versuche, die Eisenbahn-
wagen mit Dampf zu beheizen, reichen
in das Jahr 1858 zurück. S am man,
Ober- Maschinenmeister der Oberschlesi-
schen Eisenbahn, benützte nämlich für die
Heizzwecke den aus dem Abblaserohre
entweichenden, also bereits verbrauchten
Dampf. Diese Versuche mussten jedoch
wegen Unthunlichkeit, solche Wagen auf
andere Bahnen übergehen zu lassen,
damals eingestellt werden.
Uebrigens hatte diese Methode der
Dampfheizung den grossen Uebelstand,
dass die Beheizung nur wirksam war,
wenn die Maschine arbeitete. Dies macht
aber die Vorwärmung der Wagen vor
der Abfahrt des Zuges unmöglich, und
die Heizung versagt gerade dann, wann
sie am meisten erwünscht ist, wie z. B.
wenn ZiXge im Schnee stecken bleiben.
Einige Jahre später wurden Versuche,
Eisenbahnwagen mit Dampf zu beheizen,
von der Berlin-Hamburger, Berlin-
Potsdamer und der Cöln- Mindener
Bahn, jedoch mit der Abänderung wieder
aufgenommen, dass man nicht mehr den
Abdampf, sondern den Betriebsdampf der
Locomotive verwendete. Doch auch
diesmal machte man schlechte Erfahrun-
gen, weil die betreffenden Einrichtungen
noch unvollkommen waren, was zur Folge
hatte, dass die Röhren durch den mangel-
haften Abfiuss des Condensationswassers
regelmässig einfroren.
Die erste Dampfheizung, welche that-
sächlich gelang, rührt von dem damaligen
Ober-Maschinenmeister, gegenwärtig ge-
heimen Regierungsrathe Graef her,
welcher im Jahre 1865 eine ganz ent-
sprechende Dampfheizung auf der preussi-
schen Ostbahn eingerichtet hatte.
Der Dampf zur Beheizung des Wagens
wurde dem Kessel der Locomotive ent-
nommen; da jedoch ein solcher Dampf
eine für Zwecke der Dampfheizung weit-
aus zu hohe Spannung besitzt, dessen
Verwendung sonach den Röhren, nament-
lich aber den aus Kautschuk angefertigten
Kuppelungsschläuchen Gefahr bringen
müsste, so ist es nothwendig, durch
mechanische Vorrichtungen [sogenannte
Drosselung] die Dampfspannung beim
Uebertritte aus dem Kessel in die Heiz-
körper auf ein entsprechendes Mass
her abzudrücken. In der Regel drosselt
man die Anfangsspannung auf drei Atmo-
sphären und noch tiefer.
Der relativ grosse Dampf verbrauch,
welchen die Beheizung zureichend ven-
tilirter Eisenbahnwagen erheischt,*) drängt
den Gedanken auf, dass bei starken Zügen
die Locomotive nicht genug Dampf haben
werde, um ausser dem zur Führung der
ZiXgt erforderlichen, auch noch Dampf
für Zwecke der Beheizung der Wagen
abgeben zu können.
Ein allen Systemen der Dampfheizung
anhaftender Uebelstand ist der, dass das
Anheizen der ZiXge eine verhältnismässig
lange Zeit erfordert. Diese Zeit beträgt
nämlich, je nach der Länge des Zuges
und der Aussentemperatur ein bis zwei
Stunden und bedarf in den Zugbilde-
stationen eines besonderen Dampferzeu-
gers. Wo es sich ermöglichen lässt,
wendet man für diesen Zweck einen [gleich-
zeitig anderen Zwecken dienenden] statio-
nären Dampfkessel an.
Ein weiterer Mangel der Dampfheizung
ist die Schwierigkeit der Regulirung
der Heizung von aussen. Die Regulirung
*) Vgl. Bd. Iir, O. Kazda, Zugförderung.
36*
564
R. Freiherr von Gostkowski.
der Heizung, welche dadurch erfolgt, dass
man das eine Mal mehr Dampf von
höherer Spannung und das andere Mal
wenig Dampf von niederer Spannung in
die Heizkörper eintreten lässt, hat nämlich
nur einen sehr unbedeutenden Effect, weil
die Wärmemenge des Dampfes von hoher
Spannung von der Wärmemenge, welche
der Dampf bei geringerer Spannung ent-
hält, nur wenig verschieden ist.
Diese Eigenschaft des Dampfes ist,
wie Eingangs erwähnt, sehr schätzens-
werth, sobald es sich um die Gleich-
mässigkeit der Heizung handelt, da sie
bewirkt, dass die Wärme am Anfange
und am Ende des Zuges nahezu dieselbe
ist; für die Wärmeregulirung ist
sie aber geradezu ein Hemmnis.
Würde man den Dampf unter Druck
mit Luft vermischen, so würde ein solches
Gemisch für die Beheizung von Wagen
ganz vorzüglich sich eignen, weil die
Wärme -Abgabsfahigkeit desselben fast
nur von dem Gehalte an Wasserdampf
abhängt und daher beliebig veränderlich
gemacht werden kann. Die praktische
untere Grenze eines derartigen Heizgas-
gemisches wird aber die sein, dass darin
niu" etwas mehr Dampf vorhanden sein
muss als erforderlich ist, um das Ein-
frieren der Dampfleitung zu verhindern.
Indessen ist dieses Mittel der Regulirung
praktisch noch nicht erprobt worden.
Endlich hat die Dampfheizung den
Nachtheil, dass für die zu beheizenden
Wagen eine durchlaufende Dampfleitung
erforderlich ist, welche in Verbindung mit
der Locomotive oder dem Kesselwagen
gebracht werden muss. Es können dem-
nach solche Wagen nur in Zügen geheizt
werden, bei welchen die Locomotiven die
nöthigen Einrichtungen besitzen oder
Kesselwagen vorhanden sind und die
Verbindung der Dampfleitung des Wagens
mit der Dampfquelle möglich ist.
Der nicht hoch genug anzuschlagende
Vortheil einer Dampfheizung, nicht
feuergefährlich zu sein, bringt es
mit sich, dass diese Methode der Wagen-
heizung trotz all ihrer Mängel unter allen
Heizungsarten am meisten verbreitet ist.
Der Dampfheizung gehört allem An-
scheint nach die Zukunft, weil sie die
.Möglichkeit bietet, die Wagen ausgiebig
n
zu erwärmen, ohne eine gar zu gro>>c
Sorgfalt in der Bedienung zu bean-
spruchen, und weil bei ihr eine Feuers-
gefahr nicht besteht. Bei einer Ent-
gleisung wird nämlich der Verbindungs-
schlauch der Dampfheizung zwischen
den einzelnen Wagen reissen, wodurch
sämmtlicher Dampf, der sich in den
anderen Röhren befindet, sofort ins Freie
entweicht, was in einigen Minuten t^e-
schehen kann.
Bei Beheizung der Wagen mittels
Elektricität fallen Verbrennuniis-
producte nicht zwr Last, weil eben keine
gebildet werden.
Elektrisches Feuer braucht nicht aus
unmittelbarer Nähe, wie dies beim ge-
wöhnlichen Feuer der Fall ist, angefacht
zu werden. Das Einschalten elektrischer
Heizapparate kann also aus der Feme
erfolgen. Auch lässt sich die Form der
Heizkörper dem jeweiligen Zwecke weit
besser anpassen, als bei irgend einer
anderen Methode der Wagenheizung, und
was ganz besonders wichtig ist, die
Heizung lässt sich stets genau an der
verlangten Stelle hervorbringen und
spielend reguliren, sie wird auch durch
Frost nicht beeinflusst.
Diese stattliche Reihe von Vorzügen,
welche die elektrische Beheizung that-
sächlich auszeichnen, blendet Viele der-
massen, dass sie wähnen, in dieser
Methode der Beheizung der Eisenbahn-
wagen das Heil gefunden zu haben. Die
elektrische Beheizung von Eisenbahn-
wagen ist jedoch dermalen aus öcono-
mi sehen Rücksichten nicht durchführ-
bar. Die Beheizung des Zuges diu-ch
Elektricität kann nämlich unter Umständen
ebensoviel Arbeit als dessen Fortbe-
wegung absorbiren.
Die Zukunft der elektrischen Beheizuns^
der Eisenbahnwagen hängt davon ab,
ob es gelingen wird, den Dampf verbrauch
derselben jenem gleich zu machen, welcher
der Dampfheizung eigen ist.
Die Bedingung, von welcher der prak-
tische Erfolg der elektrischen Beheizung
von Eisenbahnwagen abhängt, ist vorläuhjj
unerfüllbar, Hiemit ist selbstverständ-
lich nicht gesagt, dass eine elektrische
Beheizung der Eisenbahnwagen undurch-
Beheizung und Beleuchtung.
565
führbar sei. Uass sie durchführbar ist,
daran zweifelt kein Elektrotechniker, wie
dies ja am Besten die schweizerische
Zahnradbahn beweist, welche Ober den
Mont Selöve fahrt. Diese Bahn ver-
wendet nämlich die durch die Betriebs-
einschränkung verfügbar gewordene elek-
trische Energie zur Heizung der Wagen.
Oass die elektrische Beheizungsmethode
unmöghch öconomisch sein kann, geht
schon aus den vielen Umwandlungen
hervor, welche die Energie der verbren-
nenden Kohle durchmachen muss, bevor
sie auf dem Umwege der Elektricität
für Zwecke der Beheizung der Wagen
verwerthet wird.
Werkstättenwesen.
Von
Julius Spitzner,
k. k. Baurath im Eisenbaha-Minltterium.
BEI der ersten Ei seil bahn- Unterneh-
mung in Oesterreich, der Pferde-
Eisenbahn Linz-Budweis, konnte
von eigenthchen Eisenbahn -Werkstätten
noch nicht die Rede sein. Die Reparatur
der Wagen wurde bei der genannten
Eisenbahn-Unternehmung im Jahre 1827,
zu welcher Zeit bereits die ersten Güter
auf eine Bahnlänge von sieben Meilen
verführt wurden, für eine bestimmte
Summe pro Tag und Wagen verpachtet.
Dieses System der Verpachtung
stammte aus England und es war der
Bauführer der Linz- Bud weiser Bahn,
Franz Anton Ritter von Gerstner,
welcher dasselbe hieher übertrug. Der
einschlägige, höchst interessante Vertrag
hatte eine Giltigkeitsdauer bis Ende
März 1828 und gewährt einen genauen
I Einblick in die damaligen Verhältnisse
I hinsichtlich der Erhaltung der Fahr-
betriebsmittel. Er ist in dem >Berichte
I an die P. T. Actionäre über den Stand
der k. k. priv. Eisenbahn-Unternehmung
I zwischen der Moldau und der Donau
I vom Bauführer Franz Anton Ritter
I von Gerstner [December 1827]« enthalten
I und sei hier im Wortlaute wiedergegeben :
Vertrag.
Heute zu Ende gesetztem Jahre und Tage ist zwischen dem Herrn Franz Anton
Ritter von Gerstuer im Namen der k. k, privilegirten ersten österreichischen Eisenbahn-
Unternehmung einerseits, und dem Johann Sautzek,*) gebürtig von Schwichau, Klattauer
Kreises anderseits, nachstehender Vertrag hinsichlich der Unterhaftung und Reparatur sämmt-
licher Eisenbahnwagen unter nachfolgenden Bedingnissen geschlossen wurden:
I. Joseph Sautzek übernimmt als Pächter die Unterhaltung und Reparatur sammtlicher
Eisenbahn wägen, sie mögen nun zur Verführung der Güter oder auch zum Transporte der
Baumaterialien dienen.
II. Die Unterhaltung dieser Wägen betrifft die Aufsicht über dieselben und die
Lieferung der nothwendigen Schmiere,
Der Pächter ist verpflichtet, eine sorgfältige Aufsicht über alle bey der Eisenbahn
befindlichen, und zu ihrer Befahrung {geeigneten Wägen zu pflegen; und derselbe muss
stets in genauer Kenntniss des Zustandes aller dieser Wägen seyn, um wo möehch ihren
Gebrechen in der gehörigen Zeit abzuhelfen, und keine Reparaturen während den Trans-
porten zu veranlassen.
Die Schmiere, welche der Pächter zu den Wägen liefert, muss zweckmässig bereitet
seyn, und in jener Quantität beygestellt werden, wie es das BedUrfniss erfordert; der
Pächter hat die Schmiere den Bauaufsehern einzuliefern, und die letztern versehen die
Contrahenten damit.
III. Unter der Reparatur der Eisenbahnwagen, welche dem Pächter weiters obliegt,
sind folgende Arbeiten begriffen ;
•) Merkwürdigerweise erscheint der Xame des Unternehmers in dem, im genannten
Berichte abgedruckten Vertrage einmal als ijohanm, ein andermal als »Joseph« Sautzek
angegeben.
570
Julius Spitzner.
a) Die Ergänzung jener, obgleich kleinern Theilc, welche den Eisenbahnwagen noc:
fehlen, wenn sie von den Eisenwerken oder Lieferanten an die Unternehmung abgeo;ebca
werden ; diese Theile, nähmlich : Anspannhaken, Trittein, Verbindungsstangen der \V%l
untereinander u. s. w. müssen von dem Pächter geliefert werden.
b) Weiters ist der Pächter verpflichtet, alle schadhaft oder unbrauchbar gewordenea
Theile wieder zu ergänzen oder zu ersetzen, diese Theile mögen übrigens gross oder kiek.
von Holz, Eisen, Stahl, Messing oder was immer für einem Materiale seyn.
IV. Wenn die Beschädigung oder der Verlust eines oder mehrerer Theile eine?
Wagens aus erwiesener Nachlässigkeit des Contrahenten, welcher hiermit Baumaterialien
oder Güter verführte, herrührt, so ist der Pächter Joseph Sautzek zwar verbunden, die Re-
paratur oder neue Herbey Schaffung sogleich zu bewirken ; er hat jedoch das Recht, die B^
Zahlung von dem nachlässigen Contrahenten zu fordern. Das Erkenntniss, ob etwas bey derr.
Transporte verschuldet worden sey, hat sich der Herr Bauführer für die ganze Pachtzeit
vorbehalten.
V. Der Pächter hat alle, zu seinen Arbeiten nothwendigen Materiahen, nähmlidi
Holz, Eisen, Stahl, Messing, Kohlen, Oel, Schmiere etc. selbst anzukaufen und zuzu-
führen; sollte derselbe jedoch einige Gegenstände auf der Eisenbahn zuführen wollen, S'.
steht es ihm gegen Entrichtung des bestimmten Frachttarifes wie jedem andern frey:es
wird ihm aber zur Pflicht gemacht, bloss gutes steyrisches Eisen zu verwenden imd die
Unternehmung behält sich die Controlle hiefür vor.
VI. Dem Pächter wird die unentgeldliche Benützung der Schmidtwerkstätteo unJ
Wagnereyen, welche die Unternehmung in Bienendorf, Wihen^ und am Scheidungspunkte
errichtet nat, sammt den daselbst befindlichen Wohnzimmern eingeräumt. Die vorhandenec
Material vorräthe werden dem Pächter, da sie unbedeutend sind, unentgeldlich überlassen
die Werkzeuge aber von Seite des Herrn Bauführers ordentlich übergeben, und nach ihrem
fegenwärtigen Werthe abgeschätzt; der hiefür im Ganzen entfallende Betrag als ä Contj
ahlung bey der Cassa vorgemerkt, und ein Theil hievon am Schlüsse jeden Monathes von
dem contractroässig entfallenden Lohne abgezogen; der ganze Betrag wird sonach entweder
zu Ende der Pachtzeit getilgt seyn, so, dass der Unternehmung um diese Zeit nur die
Schmidtwerkstätten, dem Pächter aber alle darin befindlichen Werkzeuge und Apparate
gehören, oder aber die Unternehmung übernimmt um diese Zeit die noch vorhandenen Ge-
genstände nach einer neuen hiezu veranstalteten Schätzung. «
Es ist dem Pächter ausdrücklich verbothen, die ihm übergebenen Werkzeuge auszu-
leihen und in den Schmidten andere, zur Eisenbahn nicht gehörige Arbeiten herzustellen
VII. Da jene Pächter, welche den Transport der Güter oder Baumaterialien auf der
Eisenbahn übernahmen, besonders verpflichtet wurden, alle der Reparatur bedürftige Wägen
binnen 24 Stunden in die nächste Scnmidte zu schaffen, so ist der im Eingange genannte
Pächter Joseph Sautzek anderseits verbunden, dafür zu sorgen, dass jeder Wagen, so wie
er in die Scnmidte kommt binnen längstens 4 Mahl 24 Stunden dieselbe wieder vollkommen
hergestellt zu verlassen im Stande sey.
VIII. Der Pächter erhält für die, in den vorstehenden Nummern verzeichneten Leistungen
wenn dieselben gehörig erfüllt wurden, monathlich einen bestimmten Betrag, welcher zu
Folge der bisherigen Erfährungen für die gegenwärtig beygeschafFten Eisenbannwägen aui
folgende Weise bemessen ist:
2
3
4
5
Reparaturs-Betrag
Angekaufte Wägen im Jahre 1824
und 182^,
50 Stück zweiräderige Erd- und Steinkarren mit
4Vs Fuss hohen hölzernen Rädern von Mecha-
nikus Boiek
I Stück detto von Mariazeil
I > » mit 4Va Fuss hohen gusseisernen
Rädern von Mariazell
5 Stück Horäowitzer Wägen mit 3 Fuss hohen guss-
eisernen Rädern
I Stück Mariazeller detto
per Tag für ,'perMonathfür
einen Wagen I' aUe Wägen
in Conven.-MOnzc
fl.
kr.
fl.
IV.
IV. II
IV.
37
kr.
30
45
45
Werkstättenwesen.
571
15
6
7
8
9
10
II
12
13
M
15
16
18
19
20
21
Vierräderige Wägen vom Jahre 1826.
U ebertrag
16 Stück Mariazeller Wägen mit 4V8 Fuss hohen
Rädern und gusseisernen Speichen
3 Stück Mariazeller Wägen mit 4*/» Fuss hohen
Rädern und geschmiedeten Speichen
29 Stück Mariazeller Wägen mit 4*/« Fuss hohen
Rädern und hölzernen einfachen Speichen . . .
30 Stück Boiek'sche Wägen mit 4V, Fuss hohen
Rädern und doppelten hölzernen Speichen . . .
IG Stück Reinscher*sche Wägen mit 4*/« Fuss hohen
Rädern und doppelten schmidteisernen Speichen
2 Stück Eisenärzter sogenannte Schienenhunde mit
2 Fuss hohen gusseisernen Rädern
39 Stück ordinäre Wägen zum Erdverführen auf der
Bahn mit 3 Fuss hohen hölzernen Rädern von
Linz und Prag
Eine Fahrmaschine von Bo^ek in Prag
Wägen vom Jahre 1827 nach englischer
Art vetfertigt.
28 Stück in Mariazell verfertigt, zum Erdverführen
mit doppelten Kästen, wovon aber 16 Stück zum
Salztransporte noch vorgerichtet wurden
2 Stück als Gesellschafts wägen vorgerichtet
2 T>
2 »
2 >
2 »
5 »
5 >
zum Scheitholzführen
* Führen langer Baumstämme
> Kohlentransporte
> Bahnausschottern zu verwenden
in Horiowitz verfertigt zum Salztransporte
> Blansko verfertigt zum Erdverführen
Reparaturs-Betrag
per Tag für
einen Wagen
7
perMonathfür
alle Wagen
in Conven.-Münze
fl.
kr.
I fl.
6
6
3
3
3
3
3
3
3
3
51
24
lOt
90
5o
78
2
42
3
3
3
3
3
7
7
kr.
30
30
30
30
Summa 236 Stück, theils zwey-, theils vierräderige Wägen,
. wofür, wenn sie fortwährend gehörig gebraucht
werden, monathlich die Summe von
ausbezahlt wird.
459
IX. Die Summe wird dem Pächter von Seite der Unternehmung in dem Falle am
letzten jedes Monaths nach Abzug des, unter No. VI für die übernommenen Werkzeuge
angeführten Betrages bezahlt, wenn die Wägen durch die ganze Zeit des Monaths, welches
immer zu 30 Tagen berechnet wird, fortwährend zum Transporte von Gütern oder Bau-
materialien verwendet wiu"den, wobey aber noch bedingt wird:
a) Wenn ein oder mehrere Wägen zwey Tage hmtereinander ohne Schuld des Con-
trahenten Sautzek nicht benützt werden, erhält derselbe dennoch die betreffende Bezahlung.
h) Wenn ein Wagen 3 oder mehrere Tage hintereinander ohne Schuld des Contra-
henten nicht benützt wird, verliert derselbe, vom dritten Tage angefangen die betreffende
Bezahlung.
c) Dem Pächter wird gestattet, von 10 Stück Wägen monathlich einen während vier
Tagen in der Schmidte zur Reparatur zu behalten, sollten aber mehrere Wägen in die
Julius Spitzner.
Schmidte kommen, oder daselbst aus Schuld des Pächters ISneer als 4 Tage verweilen, s-
verliert derselbe für jeden solchen Wagen und jeden Tag nicht bloss den oben Nr. VIII
bestimmten Reparatursbetrag, sondern er bezahlt ausserdem noch eine Strafe voi)6ki
C.-M. für jeden Tag und jeden Wagen an die Unternehmung; von dieser Strafiahlun;
werden bloss jene W^en ausgenommen, für deren Reparatur einzelne Theile erst ia Jen
Eisenwerken ausgefertigt werden müssen.
X. Die Pachtzeit beginnt vom i, July 1827, und endigt sich mit letztem Man is^.
wesshalb alle seit i. July bis heute von der'Cassa geleisteten und hieher gehörigen ZaliluD<:<;r:
von dem Pächter unter einem übernommen, und die ordentliche Abrechnung hierüber £d-
macht wird.
XI. Verspricht der Pächter allen Fleiss und Thätigkeit zur Erfüllung der eingeEJi-
fenen Verbindlichkeiten zu verwenden, und derselbe verpfändet sein gesammtes Vermfiscs
iefür.
So geschehen zu Kaplitz am 2^. October 1827.
D Wien. [Nac
t Handielchoonc
Der genannte Bauführer spricht sich
in dem angeführten Berichte dahin aus,
dass nach Ablauf dieses Pachtvertrages
die Reparatur der Wagen pro Centner
und Meile der verführten Güter
contrahirt werden dürfte.
Gerstner bedauert, dals es im Lande
noch so wenige Eisenwerke gebe, welche
mit derart grossen Dreh- und Bohrma-
schinen versehen sind, um die Lieferung
von Wagen Hbernehmen zu können. Wenn
dies der Fall wäre, meint derselbe, dann
könnten, ähnlich, wie bei einem grossen
Theile der gewöhnlichen englischen Post-
kutschen, die Wagen von einem Wagen-
fabrikanten derartig ausgeliehen werden,
dass dem letzteren ein bestimmter Preis
fllr jede Reise gezahlt wird, filr welch«
er alle Reparaturen, die wähKnJ
einer Reise nöthig würden, auszufOhri^n
hätte.
Dies Verfahren wurde während litr
Anwesenheit Gerstner's in England im
Februar 1827 bei der Stokton-DarlinglM-
Bahn eingeführt, und zwar wurde lim
Fabrikanten, welche die Bahnwagen ha-
liehen und alle Reparaturen zu bestreiien
hatten, der Betrag von ','3 Penny pro Tonne
und Meile der mit diesen Wagen wirt-
lich verführten Güter angeboten. Ffii
Rückfahrten ohne Ladung erfolgte keine
Vergütung.
Die Kaiser Ferdinands-.VorJ-
bahn hatte bei ihrer Gründung ii"
Werkstattenwes
574
Julius Spitzner.
Jahre 1836, um bald zur Herstellung
der nöthigen Personen träniert -Wagen
nach bereits bestelltem Wagengestell-
muster zu schreiten und zugleich die
etwa vorkommenden Maschinenrepara-
turen vornehmen zu können, den engli-
schen Mechaniker John Baillie [aus
der Werkstätte von George Stephenson
zu New-Castle] berufen. Ebenso nahm
man, um mit den eben en\'ähnten Ar-
beiten, welche den hiesigen Hand-
werkern ganz neu waren, den Anfang
zu machen und die Arbeiter entsprechend
unterrichten zu können, auch englische
Maschinenbauer in Dienst.
In den wichtigsten Stationen der
Kaiser Ferdinands - Nordbahn wurden
Werkstätten und Schmieden erbaut.
Die bedeutendste Anlage war in Wien
mit einer Wagenremise für 40 Personen-
wagen und einer Locomotivremise fiir
zwölf Maschinen. Die nächstgrössere, jene
in Brunn, war für elf Maschinen und
ebenso viele Wagen eingerichtet. Bei dieser
Werkstätte erhielt sowohl die Locomotiv-
als auch Wagenremise die Form eines
regelmässigen Zwölfeckes, ähnlich jenen
bei der London-Birmingham-Bahn. Im
Mittelpunkte einer jeden Remise befand sich
eine entsprechend grosse Drehscheibe,
nach welcher die einzelnen Reparaturge-
leise in radialer Richtung zusammen liefen.*)
An die Werkstätte in Brunn der
Kaiser Ferdinands- Nordbahn reihte sich
hinsichtlich ihrer Grösse jene in L u n d e n-
burg mit sechs Locomotiv- und acht
Wagenständen. Die kleinste war jene in
Gänserndorf, welche nur eine Remise
für zwei Maschinen und eine solche für
drei Wagen besass. Selbstverständlich
hatten die angeführten Werkstätten auch
die entsprechenden Räume und Einrich-
tungen für Schlosser, Dreher, .Schmiede,
Tischler etc.
Zur Zeit der Eröffnung des Betriebes
der Kaiser Ferdinands-Nordbahn im Juli
1839 verfügte dieselbe über 17 Locomo-
tiven und 66 Personenwagen. DerWaaren-
transport war noch nicht eingeleitet und
*) Es sei hier erwähnt, dass die kreis-
runde Form von Locomotiv- und Wagen-
schupfen, beziehungsweise Montirungen heute
noch in sehr bedeutenden amerikanischen
Werkstätten angetroffen wird.
I
wurden für diesen 120 Lastwagen be-
stimmt, von welchen jedoch bereits 40
zur angeführten Zeit fertig waren.
Vergleicht man den damals vor-
handenen Fahrpark mit den für seine Er-
haltung zur Verfügung gestandenen ge-
deckten Reparaturständen, so ergibt sich,
dass für 17 Locomotiven 31 gedeckte
Locomotiv-Reparaturstände, und nach
Fertigstellung sämmtlicher 120 Lastwa-
gen, für diese sowie für die 66 Personen-
wagen 62 gedeckte Reparaturstände zur
Verfügung waren. Die Werkstätten waren
demnach so reichlich bemessen, dass sie
für eine Reihe von Jahren unter Berück-
sichtigung der mit dem steten Wachsen
des Verkehrs nothgedrungenen Vermeh-
rung des Fahrparkes ausreichten.
Die nächste Vermehrung der Werk-
stätten der Kaiser Ferdinands-Nordbahn
fand durch Erbauung einer Wagenwerk-
stätte in Stockerau statt, zur Zeit des
Baues der im Jahre 1841 dem Verkehre
übergebenen Flügelbahn von Floridsdorf
nach Stockerau. Diese Werkstätte be-
fasste sich zumeist mit dem Neubau ge-
deckter Güterwagen und Personenwagen
IIL Classe. In den letzten Jahren ihres
Bestandes besass dieselbe nicht viel
mehr als 50 Arbeiter, meist Tischler, da
sämmtliche Beschläge der Wagen und
sonstige Eisenbestandtheile im fertigen
Zustande eingeliefert wurden, demnach
keine weiteren erheblichen Ausarbei-
tungen forderten, weshalb nur ein ge-
ringer Bedarf an Schlossern und Schmie-
den vorhanden war. Die Tischler hatten
zu jener Zeit die angestrengtesten Arbei-
ten zu verrichten, da ihnen keine Hilfs-
maschinen zur Bearbeitung der Haupt-
träger, Bruststücke, Untergestellhölzer
zur Verfügung standen.
Mit dem fortschreitenden Ausbau der
Kaiser Ferdinands-Nordbahn wurde als-
bald die Nothwendigkeit erkannt, auch
an einem von Wien entfernteren Orte
eine Werkstätte zu erbauen. Die Wahl des
Ortes fiel auf Mährisch-Ostrau, wo
im Jahre 1847, als die Hauptbahn bis
Oderberg eröffnet war, eine Werkstätte
errichtet wurde. Diese erfuhr eine ganz
bedeutende Erweiterung in den daraut
folgenden Jahren. Fünf Jahre nach Er-
öffnung der Werkstätte in Mährisch-
Werkstät tenw e sen.
Ostrau, also bereits im Jahre 1852,
wurde in Floridsdorf eine Wagen-
werkstätte und im Jahre 1873 angrenzend
an dieselbe eine Locomotiv -Werkstätte
erbaut. Die genannten drei Werkstätten
werden später noch eingehendere Berück-
sichtigung finden. [Siehe Seite 582 und ff.]
Wenngleich wir hier nur die eigent-
hchen Werkstätten der Eisenbahnen im
Auge behalten wollen, können wir doch
Betrieb zu erhalten und dessen Bedürf-
nisse vom Auslande ganz unabhängig
zu machen, mit dem Wiener Bahnhofe
eine Maschinen werk statte in Verbindung
zu bringen. Diese sollte nicht nur für
das eigene Unternehmen sämmtliche
Transportmittel liefern und die nöthigen
Theile des Oberbaues, wie Drehscheiben,
Wei,chen etc., herstellen, sondern zu-
gleich eine mechanische Werkstätte für die
Abb. 368. Werkiaiie Llot der k. k. U.itirelchlschi
SeLtcDJiiiIlcbl der fcgittcheiidc
nicht die bekannte Maschinenfabrik
der Staatseisenbahn-Gesellsehaft an dieser
Stelle übergehen, da diese Maschinen-
fabrik, gleichzeitig mit der Gründung der
alten Wien-Raaber Eisenbahn ins Leben
gerufen, die erste in ihrer Art war, wie
sie bis zu jenem Zeitpunkte keine Eisen-
bahn Oesterreichs oder Deutschlands
besass. Dieselbe war ein Unternehmen,
welches zwar nicht zum Bahnbau gehörte,
jedoch vom Gelde der Actionäre aus-
geführt wurde. Die Wien-Raaber Actien-
Gesellschaft hatte nämlich damals den
Entschluss gefasst, um einen geregelten
D bydisullKhcD NletoKigcbtDc.]
I ganze österreichische Monarchie werden.
, Diese Maschinenwerkstätte [Abb. 366, und
Abb. 173, Bd. I, i.Theil, Seite 174] war
I auf dem Gebiete des Wiener Bahnhofes
erbaut, jedoch die ganze Anlage hinsieht-:
I lieh ihres Betriebes vollkommen von dem
I der Bahn getrennt. Schon die ersten Jahre
I ihres Betriebes wiesen sehr befriedigende
Resultate auf, welche sich mit der Zeit
immer günstiger gestalteten. Am 21. April
I 1840, also schon in der Zeit des Bahn-
' baues, erfolgte die Betriebseröffnung
dieser Werk Stätte, welche aus fünf grösse-
ren Gebäuden bestand, und zwar:
576
1, Der eigentlichen Maschinenfabrik
mit einer LocomoiivmontirunK für die
Aufstellung von zwölf Locomotiven, einer
Dreherei, Schlosserei, Modell- und Wagen-
ttschlerei, Schmiede und einem Zeichen-
saal. In demselben Objecte waren weiters
die erforderlichen Räume vorhanden, in
welchen die zwei Dampfmaschinen mit
je 12 Pferdekräften, drei Dampfkessel
und ein Maschinen pump werk standen.
3. Einem gleichen Gebäude wie Jas
eben genannte, der Giesserei mit zo;
Cupolöfen, zwei Trockenöfen, emca
Krahne und dem nöthigen Räume liL-
die Formerei. Vor der Giesserei btfar.J
sich ein Krahn mit Schlagwerk.
4. Einer Remise für 36 Personen-
wagen neben der Kesselschmiede.
5. Einer gleich grossen Wagcnremi.'c
neben der Giesserei.
■ IK"
,6.]
Letzteres hatte das Wasser in ein auf j
dem Dachboden angebrachtes Reservoir ]
zu heben, von wo aus der Wasserbedarf
für die Dampfkessel und sämmtliche 1
Werkstättenräume sowie auch für die :
Wasserstation gedeckt wurde. I
Es sei hier hervor^jehoben, dass man ,
schon damals die wirthschaftliche Aus- '
nützung des Auspuffdampfes derMaschinen ,
fUr Heizzwecke erkannte und denselben
für die Beheizung einzelner Räume ver- !
wendete.
2, Der Kesselschmiede für die An-
fertigung der Locomotiv- und Dampf-
maschin en-Kcsscl.
Ueberdies wurden noch ein Häuschi-n
für die Arbeitercontrole als Eingang lur
Werkstätte, femer zwei Wasseretalionen
mit den nöthigen Löschapparaten für
Feuerlösch zw ecke erbaut.
Für die Verbindung der Geleise ziif'
Ein- und Ausbringen von Fahrbetriebs-
mitteln sowie einzelner Bestandtheile m
die verschiedenen genannten Räume «aten
sieben grosse und zehn kleine Drehscheitc
vorhanden. Die verbaute Grundfläche Jer
ganzen Anlage umfasste 7700 »»'.
Die Erbauung einer grösseren, zur Bann
selbst gehörigen Eisenbahn-Reparalur-
Werkstatte war bei der Gründung J^
Werkstättenwesen.
578
Julius Spitzner.
Wien-Gloggnitzer Eisenbahn nicht in
Aussicht genommen, hingegen gelangten
in nachbenannten Stationen kleine Repa-
ratur-Werkstätten und Remisen zur Aus-
führung, und zwar:
Am Wiener Bahnhofe zwei Loco-
motivremisen und eine Reparaturschmiede,
welch letztere hauptsächlich für kleine
Reparaturen an Dan^sfwagen diente.
In Mödling eine Wagen- und
Locomotivremise, und im Wasserreservoir-
Gebäude eine kleine Werkstätte für die
Reparaturen an Dampf- und Reise wagen.
In Baden ein Locomotivschupfen
und eine Schmiede; da der Locomotiv-
schupfen auf dem Viaduct situirt war,
gelangte der unterhalb dieser Remise ge-
legene Raum für eine Tischlerwerkstätte
zur Benützung.
In Wiener- Neustadt eine Wagen-
remise und eine Reparatur-Werkstätte für
kleinere Reparaturen an Locomotiven
und Reisewagen. Dieselbe war mit vier
Schmiedefeuem und einer kleinen Dreh-
bank ausgestattet.
Von einer eigentlichen Entwicklung
des Werkstättenwesens der österreichi-
schen Eisenbahnen vor dem Jahre 1848
kann kaum die Rede sein. Von diesem
Zeitpunkte an bis zum heutigen Tage,
also während der Regierungszeit unseres
Kaisers, brachte der Ausbau und die Ver-
vollkommnung der bereits vor de:..
Jahre 1848 eröffneten Bahnen sowie de
Anlage einer grossen Anzahl neuer Eisci-
bahnlinien, endlich der stets steigend:
Verkehr und die durch denselben bedir^tc
stetige Vermehrung des Fahrparkes aucr:
einen sehr bedeutenden Aufschwung dc^
Werkstättenwesens mit sich.
Die anoreführten Factoren hatte:
naturgemäss nicht nur wiederholte Er-
weiterungen der bestandenen, senden:
insbesondere die Errichtung vieler neuer
Werkstätten und die stetige Ausgestal-
tung derselben zur Folge. Es war dem-
nach erst dieser Epoche vorbehalten, in
Oesterreich Eisenbahn-Werkstätten zu
schaffen, welche auch vom Auslände
als Musterwerkstätten anerkannt werden.
Der hier zur Verfügung stehende
Raum reicht nicht aus, um sämmtlick
grösseren und kleineren Reparatur-Werk-
stätten sowie die sogenannten Heizhaus-
werkstätten näher betrachten zu können.
Wir wollen demnach nur einzelne grössere
Werkstätten der bedeutendsten Bahnver-
waltungen Oesterreichs ins Auge fassen
und hinsichtlich der kleineren Reparatur-
sowie Heizhaus -Werkstätten blos an-
führen, wo solche von den bezüglichen
Bahn Verwaltungen errichtet wurden.
Bedeutendere Werkstättenanlagen der österreichischen
Eisenbahnen,
/. K, k. priv. Aussig' Teplitzer
Bahn.
Nach Erbauung dieser Bahn [1858]
wurde eine Werkstätte in Aussig mit
einem gesammten Flächenmasse von
8025 w^, einer verbauten Grundfläche
von 2650 w^, mit zwei gedeckten Loco-
motiv- und acht gedeckten Wagenständen
für die Erhaltung von vier Locomotiven
und 300 Wagen eröffnet. Dieselbe war
mit zwölf Arbeitsmaschinen ausjrerüstet
und beschäftigte 75 Arbeiter. Da ins-
besonders vom Jahre l868 bis 1871
eine namhafte Vermehrung der Fahr-
betriebsmittel eintrat und weitere Ver-
mehrungen infolge der Anforderung
des Betriebes zu gewärtigen waren,
wurde im Jahre 1872 ein Project für
eine neue, bedeutend grössere Werkstättc
verfasst und alsbald mit dem Bau der-
selben begonnen, so dass im August
1873 der Betrieb eröffnet werden konnte.
In derselben werden nach der derzeit
in Durchführung begiffenen Er\veiterung
in gedeckten heizbaren Räumen 18 Lo-
comotiven und 198 Wagen untergebracht
werden können. Diese Ziffern ent-
sprechen i7*3®/(„ beziehungsweise 27 ,,
der zur Erhaltung zugewiesenen Loco-
motiven, beziehungsweise Wagen.
Die Holzbearbeitungs- Werkstätte be-
sitzt eine Späne-Absaugevorrichtung,
welche die von den Holzbearbeitungs-
Werkstättenwesen.
Maschinen erzeugten Säge- und Holz-
späne sowie den Staub von den Band-
und Circularsägen und Schmirgelma-
schinen in eine Kammer neben dem
Kessel hause bringt, von wo sie direct
unter dem Dampfkessel zur Verbrennung
gelangen.
Die Beleuchtung der Werkstätte,
welche heule 650 Arbeiter beschäftigt,
erfolgt mittels Gas und die Beheizung,
Die erstere gleichzeitig mit der Tur-
nau-Kraluper Eisenbahn im Jahre 1865
erbaut, besitzt ein Gesammtausmass von
8260 m*, von welchen 1746 »«* verbaut
sind. Dieselbe hat im Laufe der Jahre
keine Erweiterung erfahren, beschäftigt
durchschnittlich 90 Arbeiter und be-
sorgt die Reparaturen [mit Ausnahme
der Auswechslung von Kes seitheilen]
an den in Prag und Kralup -slationirten
tob. ä7I. W«rk.tl
e Llni dei k. k. Ocil
mit Ausnahme der Montirungsräume,
welche Ofenheizung besitzen, durch den
Abdampf der loopferdigen Betriebs-
Dampfmaschine.
Die alte Werkstätte steht seit Er-
öffnung der neuen als Heizhaus -Werk-
stätte in Verwendung.
//. K. k. priv. Böhmische
Nardbahn.
Diese Eisenbahn- Gesellschaft besitzt
eine Werkstätte in Kralup und eine
Hauptwerkstätte in Böhm.-Leipa.
Locomotiven sowie an durchschnittlich
800 Wagen.
Die Hauptwerkstätte in Böhm.-Leipa
war im Jahre 1876 von der k. k. priv.
Böhmischen Nordbahn erbaut worden.
Bis zu diesem Zeitpunkte erfolgte die
Durchftthrung der Hauptreparaturen an
Locomotiven und namentlich das Ab-
drehen der Locomotiv-, Tender- und
Wagenräder auf Grund eines Ueberetn-
kommens mit der k. k. priv. Tumau-
Kraluper Eisenbahn in der Werkstätte
Kralup, während die kleineren laufen-
den Reparaturen die Heizhaus-Werk-
58o
Werkstät tenwesen.
581
Stätten Bakov, Tetschen und Wams-
dorf ausführten. Die Böhm.- Lei pa' er
Haupt werk Stätte umfasste im Jahre der
Erbauung 12,380 tu* [hievon 3300 tn*
verbaute] Grundfläche.
Die Locomotivmontirung war fUr
sechs Locomotiven, die Wagenmonti-
rung für zehn Wagen bemessen und
entspricht diese Anzahl gedeckter Re-
paraturstände für 337o ^^^ ^ur Erhal-
tung zugewiesenen Locomotiven und
fiäche 16.590 Ml*, von welcher 6780 m'
verbaut sind. In derselben können auf
den vorhandenen zehn gedeckten Lo-
comotivständen IB^/^ und in der für 16
Wagen bemessenen Wagenmontirung
0'9''/o ^^^ 2"'' Erhaltung zugewiesenen
Locomotiven, beziehungsweise Wagen
untergebracht werden. Ueberdies finden
12 Wagen unter einem Flugdache für
die Durchführung kleiner, laufender Re-
paraturen Platz. Die Anzahl der Arbeits-
Abb, J7J. Wcrkitatle Lim der k. k. OmK
i"6"/o der zur Erhaltung zugewiesenen
Wagen. SämmtHche sechs LocomoUv-
stände besassen eine gemeinsame Räder-
Versen k Vorrichtung. Ausgerüstet war
diese Werk statte mit 34 Arbeitsma-
schinen und einer 35pferdigen, ein-
cylindrigen Betriebs -Dampfmaschine. Für
die Dampferzeugung gelangten zwei
Stück Dampfkessel System Dupuis mit
Treppenrostfeuerung und zusammen
114 HI* Heizfläche mit fünf Atmo-
sphären Betriebsspannung zur Aufstellung.
Der Arbeiterstand bezifferte sich mit
26 Arbeitern.
Derzeit beträgt die gesammte Grund-
ckblscben Staatsbabnca, [RUdcrdrehercl.]
maschinen ist auf 57 gestiegen und der
Arbeiterstand hat sich um 100 Mann
erhöht.
Die Erbauung der früher genannten drei
Heizhaus- Werkstätten in Bakuv, Wams-
dorf und Tetschen erfolgte im Jahre 1867.
Von diesen wurden die beiden erstge^
nannten nach Fertigstellung der Haupt'
werkstätte in Böhm.-Leipa, hingegen die
Tetschener Heizhaus-Werkstätte nach Er-
bauung einer solchen in Bodenbach im
Jahre 1872 aufgelassen.
Ausser dieser besitzt die Böhmische
Nordbahn nocheine Heizhaus- Werkstätte
in Prag,
582
Julius Spitzner.
///. AtisschL priv, BuschWtrader
Eisenbahn.
Mit der Erbauung der Bahn [1855]
fand die Errichtung einer Werkstätte in
Kralup, welche erst in den Jahren 1889
und 1891 eine Erweiterung erfuhr, statt.
Die Hauptwerkstätte befindet sich in
K o m o t a u und hatte im Jahre der Er-
bauung [187 1] eine gesammte Grundfläche
von 33.937 w* und eine verbaute von
7666 m*. Sie beschäftigte 50 Arbeiter.
Infolge der stufenweisen Erweiterung in
den Jahren 1880, 1881, 1882, 1886, 1888
und 1889 umfasst die gesammte Grund-
fläche 35.380 m^ die verbaute 10.551 w*;
die Anzahl der Arbeiter stieg auf 260.
Die Locomotivmontirung gelangte mit
15 gedeckten Ständen [entsprechend
25*4% der damals und 9'47o ^^^ heute
zur Erhaltung zugewiesenen Locomotiven]
zur Ausführung und erfuhr keine Ver-
grösserung. Die Wagenmontirung hatte
im Jahre der Erbauung 26 gedeckte
Wagenstände [= r77o ^^^ ^"^ ^^"
haltung zugewiesenen Wagen], hin-
gegen können infolge der durchge-
führten Erweiterung heute 59 Wagen
[= 0'9^ 0] i"^ gedecktem Räume aufgestellt
werden. Ausgerüstet wurde die Werk-
stätte mit 46 Arbeitsmaschinen, deren
Zahl auf 86 stieg, femer mit einer 6opfer-
digen eincylindrigen Dampfmaschine ; zwei
Cylinderkessel mit je zwei Siedern für 5 At-
mosphären Betriebsdruck und je 62 ni^
Heizfläche, später adaptirt auf eine ge-
sammte Heizfläche von 290 w^, liefern
den für den Maschinen- und Dampf-
hammerbetrieb sowie den für die theil-
weise Beheizung der Werkstättenräume
erforderlichen Dampf.
An Heizhaus- Werkstätten besitzt die
Buscht6hrader Bahn eine in Prag, eine
in Falken au, erstere erbaut 1868,
letztere 1891, femer die durch die
Bayrische Ostbahn in Eger [1870] für
Rechnung der Buschtehrader Eisenbahn
erbaute Heizhaus- Werkstätte.
IV. Kaiser Ferdinands- Nordbahn.
Die bereits früher erwähnte, im Jahre
1 847 mit ' einem Arbeiterstande von 66
Mann eröfl'nete Werkstätte M ä h r. -
O s t r a u wurde in den Jahren 1 856, 1863,
1871, 1872, 1883, 1889 und 1896— 1S9B
stetig erweitert. Während im Jahre der
Erbauung die gesammte Grundfläche
13.690 m' und die verbaute 2068 m-
betrug, wird nach Vollendung der im
Zuge befindlichen Verg^össerung, bei
einem gesammten Flächenmasse von etwa
207.000 m' die verbaute Fläche circa
26.870 w' betragen.
Die Locomotivmontirung besass ur-
sprünglich zwei, die Wagenmontiruno^
sechzehn Stände. Demgegenüber wird
die W^erkstätte nach Vollendung der ge-
nannten Vergrösserung über 33 Locö-
motiv- und 134 Wagenstände in gedecktem
Räume verfügen. Bemerkenswerth ist,
dass bereits die im Jahre 1872 durch-
geführte Erweiterung der Wagen werk-
stätte nach dem Shed- Dachs vstera
zur Ausführung kam.
Die Kaiser Ferdinands-Nordbahn trat
keine gesonderte Eintheilung der Fahr-
zeuge hinsichtlich der Zuweisung an be-
stimmte Werkstätten und können demnach
die Procentsätze nicht angegeben werden,
welche den Locomotiv- und Wagen-
Reparaturständen in Bezug auf die Anzahl
der zur Erhaltung zugewiesenen Fahr-
betriebsmittel entsprechen würden.
Im Jahre 1852 setzte die Kaiser Fer-
dinands-Nordbahn, wie schon früher an-
gegeben, die unmittelbar vor diesem
Jahre in Floridsdorf bei Wien neu er-
baute Wagenwerkstätte für Wagen-
Reparaturen aller Art, dann für den Um-
bau und auch Neubau von Wagen in
Betrieb. [Vgl. Fig. I der beigegebenen
Tafel.]
In gedeckten heizbaren Räumen konnten
80 Wagen aufgestellt werden. Die ver-
baute Grundfläche bezifferte sich mit
9280 m\ Für den Betrieb der zu jener
Zeit vorhandenen 27 Arbeitsmaschinen
war eine 6opferdige Balancier - Dampf-
maschine vorhanden.
Die erste Vergrösserung, welche die
Werkstätte erfuhr, umfasste den Neubau
eines eigenen Sägehauses im Jahre 1850,
dessen Verlängerung und Ausdehnung
auf das heutige Ausmass in das Jahr 1000
fällt. In der Schmiede befanden sich für die
Ausführung der verschiedenen Schmiede-
arbeiten noch zwei Schwanzhämmer
Werk Stätten Wesen. 583
584
Julius Spitzner.
und eine Schmiedemaschine für Rund-
eisen, ferner i8 Schmiedefeuer.
Im Jahre 1870 traten Dampfhämmer
an Stelle der Schwanzhämmer und der
Schmiedemaschine. Die Anzahl der
Schmiedefeuer wurde bereits im Jahre
1858 auf 24, im Jahre 1870 auf 30 er-
höht und sind heute deren 32 vorhanden.
Die Dreherei erfuhr im Jahre 1869
insoferne eine Vergrösserung, als die bis
dahin in derselben untergebrachten Werk-
stättenkanzleien und das Magazin in ein
eigenes Gebäude verlegt wurden. In dem-
selben Jahre erfolgte die erste Verlänge-
rung der Lackirerei und Sattlerei, jedoch
erst im Jahre 1872 erhielt dieses Gebäude
seine gegenwärtige Grösse.
Die nächste Erweiterung der Werk-
stätte fällt in das Jahr 1870, imd zwar
erfolgte eine Vermehrung von gedeckten
Arbeitsräuraen durch Erbauung einer
offenen Ausbindehalle.
Infolge der angeführten stetigen Er-
weiterung der Wagen werkstätte niisst
die gesammte Grundfläche derselben
heute 101.300 w*, die verbaute 26.300 nt^
und beziffert sich die Arbeiterzahl mit
720. In den zur Unterbringung von Wagen
vorhandenen gedeckten, heizbaren Arbeits-
räumen können 92, in der früher ge-
nannten, an einer Stirnseite offenen, nicht
heizbaren Ausbindehalle, in welcher zwei
Geleise nur für den Rädertransport etc.
dienen, 88 Wagen aufgestellt werden.
Für die Trocknung des Wagenbau-
holzes besitzt diese Werkstätte eine
Trockenkammer, welche ausschliesslich
mit den bei der Holzbearbeitung ab-
fallenden Spänen geheizt wird. Um den
Trocknungsprocess nach erfolgter Lacki-
rung von Wagen zu beschleunigen, sind
zwei Dampf-Trockenkammern zur Auf-
nahme je eines Wagens vorhanden,
in welchen das Trocknen bei einer
Temperatur von 56 — 67® C. vor sich
geht.
Die Anzahl der Arbeitsmaschinen
stieg vom Jahre der Erbauung bis heute
von 27 auf 148. Letztere werden durch eine
Zwillings - Dampfmaschine mit hundert
und ein Locomobil mit zwölf Pferde-
stärken betrieben.
Zur Dampferzeugung für die Dampf-
maschine der Dampfhämmer sowie für
die im Sägehaus und in der Tischlerei be-
findlichen Dampf heiz- Anlagen sind ein Ver-
ticalkessel mit 26 w* Heizfläche und
SYs Atmosphären Betriebsdruck, welcher
mit dem Schweissofen combinirt ist, und
ein Dampfkessel mit ii7*3w' Heizfläche
für 10 Atmosphären Betriebsdruck gebaut,
vorhanden. Die ursprünglich primitive
Beleuchtung wurde durch die Gasbe-
leuchtung ersetzt.
Die Locomotiv-Werk Stätte in
Floridsdorf [vgl. Fig. I auf der bei-
gegebenen Tafel], welcher die Reparaturen
sowie die Umstaltungen an Locomotiven
und Wasserstations-Einrichtungen, dann
die Erzeugung von Locomotiv- und an-
deren Dampfkesseln obliegen, wurde, wie
bereits früher angeführt, im Jahre 1873
erbaut und schon im Jahre 1874 konnte
der volle Betrieb mit 500 Arbeitern in
derselben aufgenommen werden. In dem
genannten Jahre gelangten zwei grosse
Tracte zur Ausführung, von welchen der
eine grössere die Locomotiv- und Tender-
montirung, die Schlosserei und Dreherei
aufnahm, während der zweite die Schmiede,
Siederohr -Werkstätte, Giesserei und die
Kesselschmiede enthielt. Aber schon im
Jahre 1881 ergab sich infolge des durch
den erhöhten Betrieb bedingten grösseren
Locomotivparkes die Noth wendigkeit, die
Werkstätte zu erweitem.
Die gesammte Grundfläche der Loco-
motiv-Werkstätte betrug im Jahre der
Erbauung 90.580 w*, eine Vergrösserung
derselben fand bis heute nicht statt; die
verbaute Grundfläche bezifierte sich ur-
sprünglich mit 20.800 m^ gegen 24.600 w*
nach dem heutigen Ausmasse und finden
derzeit 720 Arbeiter in der Werkstätte
Beschäftigung.
Im Jahre 1890 ergab sich die Noth-
wendigkeit, für die Dreherei eine grössere,
und zwar 200pferdige Maschine zu be-
schaffen. Um den für diese neue Maschine,
für die Dampfhämmer und den für die
weiter in Aussicht genommene Dampf-
heizanlage nöthigen Dampf zu erzeugen,
wurde im selben Jahre zwischen der
Kesselschmiede und den Tender-Aufstel-
lungsgeleisen eine centrale Kesselanlage
für die gesammte Werkstätte errichtet.
Vorerst kamen drei Multitubularkessel
mit je 120 m^ Heizfläche und für zehn
Maattal, t 1 4000
Wtsiatirzi
Werkstatte Laun der k k. ftsterr. Staatsbahnen. (189S.)
Fig. V.
MaäHab I ! 4000
Werkitätte Neu-Sandez der k. k. Asterr. Staatsb ahnen. (189S.)
a
Werkstitte Lil
Elisabeth-Babo utAi
itz der SUatseiseobahD . US4S-)
Prag
Werkstatte Böhm.-Trübau der Staatseisenbahn- Gescllsch aft . (1855.)
Praß
JTdittta» l I 4000
ehemaligen Kaiserin-
lojig derselben (1858—1860).
AtbclIer-CootToUiaiu
and WaiterauiD.
AdmlDlittatloiu-
gablDde.
Aiutnlcheret.
Blechbearbeitniiea-
Brilckenwkei (Oi Wag'
ElienioBfiulji,
Plugdacli«r.
FeacrlO*cliT«qDltlt«n-
Fedenu'cbmleds.
aisflersl.
OsUnde für elektrltch«
B«UucfataDf .
Hol ibcftrbel inng«-
HolidapAI.
KsMelhaul.
KeHeltcbmlade.
Kupfcnctunlodc r
Lacldrirel IQr Wb|[cd.
Ma*ctalii«iiliaaa.
HliHlltll.
0>lm>f[uln.
SchlebebtUme fOr Loco-
Schlobeblt^e fflr Wag-
Tgndstmonllnukg;.
WabDEgblado.
Splngleiel.
Splhnsban«.
Spelietaal.
TtKUeiel.
Werk-
Erweite-
1
1
Hell-
.ES
C3
dl
1, J
1 1
Werk Stättenwesen.
Atmosphären Betriebsdruck construirt,
sodann noch zwei gleiche Kessel zur
Aufstellung. Diese Kesselanlage liefert
durch eine im Jahre 1895 ausgeführte
Dampfleitung auch den erforderlichen
Dampf für die in der Wagen werk statte
befindlichen Dampfheizanlagen.
Um die zur Hauptreparatur bestimm-
ten Kessel auszuklopfen und untersuchen
zu können, entschied man sich im Jahre
1893 zur Erbauung einer Locomotivhalle
angrenzend an die genannten Tender-Auf-
stellungsge leise.
Die letzte Erweiterung dieser Werk-
stätte erfolgte im Jahre 1895 durch die
Ausführung eines Anbaues an die Kessel-
schmiede, in welchen vorwiegend die
zur Bearbeitung von Kessel-Bestandtheilen
dienenden Arbeitsmaschinen aufgestellt
wurden, was die Möglichkeit und Durch-
führung einer Vergrösserung der Tender-
montiruiig zur Folge hatte. Die ursprüng-
liche Anzahl von Arbeitsmaschinen stieg
von 132 auf 198. Einzelne Arbeits-
maschinen sowie die Ventilatoren, für
■refchiiehtn SiMaHbahnen. [Tyre.-W.tk.iHite.)
1 die Metallgiesserei und das Kesselhaus,
I werden auf elektromotorischem Wege an-
I getrieben.
I Ein besonderes Augenmerk lenkte
die Kaiser Ferdinands-Nordbahn unter
[ Anderem auch auf die Erprobung von
I Constructions-Materialien.
] Behufs Durchführung kleinerer Repa-
raturen besitzt die Kaiser Ferdinands-
Nordbahn eine Filialwerkstätte in Wien
I und je eine Heizhaus -Werk statte in
Lundenburg, Prerau, Krakau und
I Brunn [Ob er- Gerspitz].
j V. K. k. priv. Ocsterreichiscbe Nord-
I wcsihabn und Süd-norddeutsche Ver-
bindungsbahn.
I a) K, k. priv. Oesterreichische
1 Nordwestbahn.
I Auf einer gesaramten Grundfläche
1 von 52.200 wi* errichtete diese Eisenbahn
i [1872] eine Haupt werk statte in Jedlesee
586
Julius spitzner.
mit einer verbauten Grundfläche von
11.990 m'^ und eine solche in Nimburg
[1873 und 1874] mit einer gesammten
Grundfläche von 71.737 tn- und einer
verbauten von 1 4.1 10 w*.
Bei der erstgenannten Werkstätte
stieg, infolge des Baues einer neuen
Kesselschmiede [1881 und 1882], einer
Vergrösserung der Wagenmontirung
und des Holzschupfens [1885, 1895 und
1896] sowie einer Vergrösserung der
Locomotivmontirung [1893 und 1897],
das gesammte Ausmass auf 59.800 m\
jenes der verbauten Grundfläche auf
18.287 m^ und die Anzahl der Arbeiter
von 89 auf 320.
Im heurigen Jahre erfolgte neuerdings
eine Vergrösserung der Wagenmontirung
im Ausmasse von circa 1200 m-. Die
ursprüngliche Anzahl der gedeckten
Locomotivstände betrug 11 und erhöhte
sich auf 22, die Anzahl der Stände für
die Unterbringung von Wagen in heiz-
baren Räumen stieg von 64 auf 120.
Unter Berücksichtigung der dieser Werk-
stätte zur Erhaltung zugewiesenen Fahr-
betriebsmittel konnten unmittelbar nach
der Erbauung derselben 12% der Loco-
motiven und 7*9^0 ^^^ Wagen, hingegen
dermalen 20^/0 der Locomotiven und
3*5^/0 ^^^ Wagen untergebracht werden.
Ein 25pferdiges Locomobil trieb die
Arbeitsmaschinen, 50 an der Zahl, an.
Die Erweiterung der Werkstätte gegen-
über dem ursprünglichen Bestände hatte
eine Vermehrung der Arbeitsmaschinen
um 27 Stück zur Folge, und da das
Locomobil für den gesammten Betrieb
nicht ausreichte, gelangte eine neue
40pferdige, eincylindrige Ventilmaschine
und ein Siederohrkessel mit 54 m* Heiz-
fläche und 9 Atmosphären Betriebs-
spannung zur Aufstellung. Mit dem
Abdampf der neuen Dampfmaschine
erfolgt die Beheizung der Locomotiv-
montirung.
Die Erweiterung der Hauptwerkstätte
Nimburg umfasst den Bau einer neuen
Kesselschmiede, einer Tendermontirung,
einer Wagenausbindehalle, eines Flug-
daches für Wagen sowie die Vergrösse-
rung der Lackirerei.
In der Locomotivmontirung können
20 Locomotiven, in der Wagenmontirung
ausschliesslich der Ausbindehalle .60
Wagen aufgestellt werden.
Infolge dieser Vergrösserung umfasst
die verbaute Grundfläche 17.189 fw*;
die Anzahl der Arbeiter stieg von 140
[ursprünglich] auf 500.
Für die allgemeine Beleuchtung in der
Locomotivabtheilung und Holzbearbeitung
stehen seit dem Jahre 1881 fünf elektrische
Bogenlampen in Verwendung.
An Heizhaus-Werkstätten besitzt diese
Eisenbahn eine solche in I g 1 a u mit ftinf
Locomotiv- und sechs Wagenständen,
eine in Trautenau mit zwei Locomotiv-
und drei Wagenständen und eine in
Tetschen mit drei Locomotiv- und acht
Wagenständen .
b) K. k. priv. Süd-norddeutsche
Verbindungsbahn.
Die Hauptwerkstätte dieser Eisenbahn
mit 246 Arbeitern befindet sich in
Reichenberg, wo im Jahre 1857 eine
Giesserei und eine Werkstätte erbaut
wurde, die sowohl für den Eisenbahn-
betrieb als auch für die Privatindustrie ar-
beiteten. Bei einer gesammten Grund-
fläche von 21.560 m* beziff'erte sich die
verbaute mit 4799 w*.
Die Locomotivmontirung hatte vier
Stände, die Wagenmontirung 20, ent-
sprechend 10% der zur Erhaltung zu-
gewiesenen Locomotiven , beziehungs-
weise 3 "8^/0 der zur Erhaltung zuge-
wiesenen Wagen. An maschineller Ein-
richtung besass dieselbe unter Anderem
eine eincylindrige, verticale, 30pferdige
Dampfmaschine, einen Flammrohrkessel
mit 25 m* Heizfläche bei 5 Atmo-
sphären Betriebsdruck und 30 Arbeits-
maschinen.
Im Jahre 1861 durch Brand zerstört,
wurde diese Werkstätte mit geringen
Aenderungen wieder aufgebaut Im den
Jahren 1875 und 1876 erfolgte eine Ab-
trennung des Giessereibetriebes und der
mit derselben verbundenen Appreturwerk-
stätte als eigenes Unternehmen, auf den
Werkstätten-Grundflächen wurden für die
Giesserei zwei Gebäude aufgeführt, die
mit eigenen Betriebsmitteln und Werk-
stätten - Einrichtungen versehen wurden.
Werkstilttenwesen. 587
Eine wesentliche Erweiterung der
Eisenbahn - Werkstätte erfuhr dieselbe
[1892—1894] durch die Erbauung einer
Locomotiv- und Tendermontirung sammt
Kesselschmiede, einer Dreherei, Tischlerei,
Schmiede, eines Kessel- und Maschinen-
hauses, Kohlersehupfens, Portierhäus-
chens sammt zufrehörigen Bureaux etc.
Von der früheren Anlage blieb die alte
W'agenmontirung, das Administrations-
und Magazinsgebäude mit den Dienst-
wohnungen in Benützung; aus der
Dreherei wurden theils Magazine, theils
Speiseräume für Arbeiter geschaffen, und
die ahe Locomotivmontirung als Aus-
bindehalle in Verwendung genommen.
Mit Rücksicht auf die eben genannte
Erweiterung umfasst die gesammte Grund-
fläche 42.600 m*, die verbaute 9113W*,
und können in gedeckte» heilbaren
Räumen 13 Locomotiven und 60 Wagen,
entsprechend I4'6<"|j, beziehungsweise
4"2'/(, der dieser Werkstätte zur Erhaltung
zugewiesenen Locomotiven, beziehungs-
weise Wagen aufgestellt werden.
Die Anzahl der Arbeitsmaschinen stieg
auf 61, für deren Antrieb eine 6opferdige
Zwiilings-Dampfmaschine vorhanden ist.
Ein Siederohrkessel mit Tenbrinkfeuerung,
für welchen ein Locomotivkessel als Re-
serve vorhanden ist, liefert den Dampf
für die gesammte Anlage, einschliesslich
jenes für die Beheizung einzelner Arbeits-
räume. Die Beleuchtung erfolgt mittels
Gas.
Schliesslich sei erwähnt, dass diese
Bahnverwaltung je eine kleine Heizhaus-
Werkstätte in Pardubitz und Josef-
stadt besitzt. Die Erbauung der erst-
genannten Heizhaus -Werkstätte fällt in
das Jahr 1857, jene der letztgenannten in
das Jahr 1 870/71,
Vf. Priv. österreichisch-ungarische
Staatseisenbah n- Gesellachaß.
Bei Constituirung der Staatseisen bahn -
Gesellschaft [1855] übernahm diese vom
österreichischen Staate die Reparalur-
werkstätten der k. k. nördlichen ui:i
südöstlichen Staatsbahnen zu Prag.
Böhm isch-Trübau, Pardubiit.
Neuhäusel, Pest und Oravicis
und die kleineren Werkstätten in Press-
burg, Czegled und Szegedin.
Die Werkstätte Prag wurde im Jafire
1845, Böhmisch-TrUbau 1849, Pardubitz
1845, Neuhäusel 1850 undOravicza 1S55
vom österreichischen Staate, hingegen Jie
Werkstätte Pest im Jahre 1 846 von der
ehemaligen Ungarischen Centralbahn er-
baut. Aus Figur II der beigegebentn
Tafel ist der Lageplan der Werksiätie
Pardubitz im Jahre der Erbauung, unJ
aus Figur III jener der Werkstatte
Böhmisch- Trübau, im Jahre 1855 zu
ersehen.
Auf den ungarischen Linien musstcn
in Ermangelung genügend leistungsfähiger
grösserer Werkstätten auch die kleinen
Werkstätten in Pressburg [erbaut 1S4S
von der Ungarischen Centralbahn], C^e-
gl^d und Szegedin [erstere 1850, letz-
tere 1854 vom Staate erbaut] zur Rt:pJ-
ratur der Fahrbetriebsmittel herangeiogen
werden.
Infolge des unöconomi sehen Betriek^
bei Ausfuhrung der Arbeiten in mehrr
ren kleineren Werkstätten sowie der äle-
tigen Vermehrung der Fahrbetriehfmii'fl
und endlich auch durch den Ausbau
des Netzes von Szegedin bis an Jit
Donau, sab sich die Staatseisenbahn-
Gesellschaft gleich in den folgenden
Jahren veranlasst, die Reparaturen i"
Werk Stättenwesen,
589
grösseren Werkstätten zu concentriren.
Za dem Ende wurden die übernommenen
Werkstätten zu Pest und Neuhäusel durch
Ergänzungsbauten leistungsfähiger ge-
staltet, in Temesvär im Jahre 1859 eine
neue grössere Werkstätte errichtet, und
in der Werkstätte Pest die im Jahre
1857 abgebrannte Locomotivmontirung
in grösserem Umfange wieder hergestellt.
Diese Arbeiten waren Ende 1859 voll-
Bruck a. d. L. und erweiterte dieselbe in
den folgenden Jahren [bis 1860], weil die
in Wien befindliche, von der Wien-
Raaber Bahn- Gesellschaft angelegte kleine
Werkstätte nicht genügte.
In den Jahren i86i bis 1866 wurde
die Vervollständigung der den Anforde-
rungen nicht mehr genügenden Werk-
stätten a,uf der nördlichen Linie durch-
geführt.
endet, so dass von diesem Zeitpunkte
ab ausschliesslich die drei Werkstätten
N'euhäusel, Pest und Temesvär die Repa-
raturen besorgten. Die kleinen Werk-
stätten zu Pressburg, Czegied, Szegedin
und Oravicza konnten sonacb aufgelassen,
beziehungsweise in Heizhaus -Werk statten
umgewandelt werden.
Für die Erhaltung des Fahrparkes der
Wien-Raaber Bahn, welche seitens der
Gesellschaft ebenfalls 1855 erworben und
sodann bis Uj-Szöny verlängert wurde,
erbaute die Staatseisenbahn-Gesellschaft
im Jabre 1857 eine neue Werkstätte in
Als nun die Staatseisenbahn - Ge-
sellschaft im Jalire 1866 die Concession
fUr das Ergänzungsnetz erhielt, durch
dessen Linien die bisher getrennten
Strecken im Norden und Südosten ver-
bunden wurden, und in Wien durch
Ausgestaltung der alten Bahnhofsanlage
der ehemaligen Wien-Raaber Bahn ein
Centralbahnhof für die drei Hauptlinien
Wi e n- Prag- Bodenb ach, Wien-Budapest-
Bäziäs und Wien-Bruck-Uj-Szöny ent-
stand, war es im Interesse einer möglichst
Öconomi sehen Gebarung gelegen, die
Instandhaltung der in bedeutendem Masse
vermehrten Fahrbetriebsmittel nach Thun-
lichkeit in Haupt werk statten zu concen-
triren, die bisher betriebenen kleineren
Werkstätten aber theils in ihrer Leistungs-
fähigkeit wesentlich einzuschränken und
fernerhin nur als Heizhaus -Werkstätten
zu verwenden, theils ganz aufzulassen.
So wurde im Jahre 1871 im Knoten-
punkte Wien mit dem Bau der grossen,
für Locomotiv- und Wagen reparatur be-
stimmten Hauptwerk Stätte Simmering,
und Budapest — welch letztere im Jahre
1872 vergrössert worden war — für die
Reparatur der Fahrbetriebsmittel zur Ver-
fügung, SO dass in den folgenden Jahren
1873 bis 1875 die kleineren Werkstätten
in Pardubitz, Böhmisch-TrObau, Wien.
! Neuhäusel und Temesvdr restringirt und
in Heizhaus -Werkstätten umgewandelt,
die Werkstätte Bnick a. d. L. jedoch ganz
: aufgelassen werden konnte.
Im Jahre 1884 wurde ein Anbau ar.
ferner in B u b n a bei Prag mit der Anlage
einer speciell für dieGUterwagen-Keparatur
bestimmten W'erkstätte begonnen, beide
Werkstätten 1873 vollendet und erstere
mit einem Arbeiterstande von circa 400,
letztere mit einem solchen von circa
320 Arbeitern eröffnet. Die Letztere,
eine Ergänzung der alten Werkstätte
Prag, wurde mit derselben vereinigt und
als Hauptwerkstätte Prag-Bubna ein
und derselben Leitung unterstellt.
Es standen nunmehr die drei grossen
Hauptwerkslätten Prag-Bubna, Simmering
»lerrclchlscbcn SUatibahnen. (KcMctKhmiede.]
I die Schmiede der Werkstätte Simmering
behufs Vergrösserung der Eisen- und Me-
I tallgiesserei, die für den erheblich ge-
; steigerten Bedarf an GussstDcken nicht
I mehr genügte, geschaffen, femer im
I Jahre 1S88 eine Lackirerei und Sattlerei
I in der Werkstätte Bubna eingerichtet. Um
, für den gesteigerten Verkehr am Bahnholi;
I Prag Platz zu gewinnen, musste die Per-
I sonen wagen- Reparatur von der Werkstätte
' Prag nach Bubna verlegt werden.
Im September 1891 brannte ein be-
. trilchtlicher Theil der Werkstätte Bubna
Werkstättenwesen.
Abb. jBo. Werl
L. k. 0«i(
bafaDca, [Blec
bei iDiiKi- WetkiUtte.]
ab, doch wurde anlässlich des Wieder-
aufbaues keine nennenswerthe Verände-
rung des früheren Bestandes vorge-
nommen.
Nach VerstaatHchung der in Ungarn
gelegenen gesellschaftlichen Bahnstrecken,
verblieben der Staats eisenbahn - Gesell-
schaft nur mehr die Haupt werk statten
Prag-Bubna und Simmering.
Die vom österreichischen Staate [1845]
erbaute Werkstätte Prag hatte im Jahre
1855 eine gesammte Grundfläche von
33.100 m* und eine verbaute von
7500 tw' mit 2050 »M* Stock werk sbau,
eine Locomotivmontirung för 3i Loco-
motiven, eine Wagenmontirung für 1 5
Wagen, 73 Arbeitsmaschinen [von einer
30pfercligen stehenden Dampfmaschine
angetrieben], zwei BouiUeurkessel mit
80 («* Hetzfläche, 5 Atmosphären Be-
triebsdruck, Oelbeleuchtung, Ofenheizung
und beschäftigte circa 500 Arbeiter.
Infolge der bereits angeführten Um-
Stallungen, welche diese Werkstätte er-
fahren hatte, und der Vcrlegimg der Re-
paratur und Lackirung der Personenwagen
von Prag nach der Werkstätte Bub na
[1888], beziffert sich derzeit die gesammte
Grundfläche der Werkstätte Prag mit
16.000 wi*, die verbaute mit 6820 mi' und
1770 wj* Stockwerksbau. Die Werkstätte
besitzt gegenwärtig 30 gedeckte Locomo-
tivstände und 116 Arbeitsmaschinen, die
von einer Hegenden 52pferdigen Dampf-
maschine angetrieben werden. Den für
diese Dampfmaschine und die Dampf-
hämmer etc. nöthigen Dampf liefern
zwei liegende Röhrenkessel mit zusam-
men 153 m' Heizfläche und 8 und
10 Atmosphären Betriebsdruck. Der
durchschnittliche Arbeiterstand beziffert
sich mit 280 Personen.
Die Werkstätte Bubna besitzt eine
Gesammtgrundfläche von 78.200 m*
und eine verbaute von 15.140 w(*. In
der Wagenmontirung dieser Werkstätte
können 140 [3% der zur Erhaltung zu-
gewiesenen] Wagen unterf^jebracht wer-
den. Während ursprünglich nur 58 Arbeits-
maschinen und für den Betrieb derselben
592
Julius Spitzner.
ein 25pferdiges Locomobil, femer zwei
liegende Röhrenkessel mit zusammen
55 m* Heizfläche vorhanden waren,
besitzt diese Werkstätte derzeit 130 Ar-
beitsmaschinen, eine 5opferdige Zwillings-
dampfmaschine und zwei liegende Röhren-
kessel mit 130 m* Heizfläche. Infolge
der bedeutenden Vermehrung der zur
Erhaltung zugewiesenen Wagen können
heute nur 273^/0 derselben in der Wagen-
montirung aufgestellt werden. Der durch-
schnittliche Arbeiterstand vom Jahre 1873
bis heute ist von 320 auf 420 Arbeiter
gestiegen.
Die Hauptwerkstätte S i m m e r i n g
[vgl. Fig. IV der beigegebenen Tafel],
welche durchschnittlich 750 Arbeiter be-
schäftigt, besitzt bei 71.500 m^ ge-
sammter und 31.320 m* verbauter
Grundfläche, eine Locomotivmontirungmit
50 Locomotivständen und eine Wagen-
montirung für 180 Wagen, das sind in
Bezug auf die der Werk statte im Jahre
der Erbauung [1873] zugewiesenen Fahr-
betriebsmittel 40% , beziehungsweise 6*6^/^, ,
des Locomotiv-, beziehungsweise Wagen-
Reparaturstandes, hingegen unter Zu-
grundelegung der dermalen zur Erhaltung
zugewiesenen Fahrbetriebsmittel 23®/q,
beziehungsweise 3^'^. Die ursprüngliche
Ausrüstung umfasste u. A. zwei Wand-
Dampfmaschinen, zwei liegende Dampf-
maschinen mit zusammen 112 Pferde-
stärken, vier liegende Röhrenkessel mit
zusammen 306 m^ Heizfläche bei 6 At-
mosphären Betriebsdruck und 167 Arbeits-
maschinen. Die Anzahl der Letzteren er-
höhte sich bis heute auf 271 und sind jetzt
für deren Antrieb eine Wand-Dampf-
maschine und zwei liegende Dampf-
maschinen mit zusammen 145 Pferde-
stärken, ferner fünf liegende Röhren-
kessel mit zusammen 434 m^ Heizfläche
bei 7 und 10 Atmosphären Betriebs-
druck vorhanden.
An Heizhaus-Werkstätten besitzt
die Staatseisenbahn-Gesellschaft ausser
den bereits genannten noch die folgenden:
Wien, erbaut 1846 von der Wien-Raaber
Bahn.
Marchegg, erbaut 1848 von der Un-
garischen Centralbahn.
Brunn, erbaut 1848 vom Staate.
Aussig, erbaut 1851 vom Staate.
Bodenbach, erbaut 1851 vom Staate
sowie die von der Gesellschaft in den
Siebziger-Jahren erbauten Heizhaus- Werk-
stätten C h o t z e n, Halbstadt, Bubna,
Prag und Kralup und St ad lau.
Die vom österreichischen Staat [1845]
in Ol mutz erbaute Werkstätte wurde
im Jahre 1855, die [1850 — 1854) in
Gran erbaute im Jahre 1859 und jene
von der Staatseisenbahn - Gesellschait
[1856] in Wieselburg erbaute im
Jahre 1864 aufgelassen.
VIL AT. k.priv. Südbahn- Gesdhchaß,
Für die Reparatur der Fahrbetriebs-
mittel besitzt diese Eisenbahn-Gesell-
schaft eine Hauptwerkstätte in Wien,
erbaut [1856— 1858] von den ehemaligen
k. k. südlichen Staatsbahnen, eine Haupt-
werkstätte in Marburg, erbaut [i86j
bis 1866] von der Südbahn - Gesell-
schaft, je eine Werkstätte in Inns-
bruck, erbaut [1858] von den ehemaligen
k. k. südlichen Staatsbahnen, Stuhl-
weissenburg, erbaut [1861] von der
Südbahn - Gesellschaft und Graz [Köt-
lacher Bahnhof] erbaut [1860] von der
Graz-Köflacher Bahn, ferner die Heiz-
haus-Werkstätten in Mürzzuschlagund
Laibach, beide erbaut von den ehe-
maligen k. k. südlichen Staatsbahneii,
und zwar erstere im Jahre 1854, letztere
im Jahre 1857, schliesslich die Heizhaus-
werkstätte in Tri est, erbaut [1880] von
der Südbahn-Gesellschaft. Die alte Werk-
stätte Triest, erbaut [1857] von den ehe-
maligen k. k. südlichen Staatsbahnen,
wurde im Jahre 1880 aufgelassen.
Die älteste Werkstätte, nämlich jene
in Wien, hatte im Jahre der Erbauuiii,'
51.660 i«2 gesammte Grundfläche, von
welcher 9375 fn* überdeckt waren.
Das derzeitige Flächenausmass dieser
Werkstätte beträgt 66.260 m\ wovon
20.533 *'** verbaut sind.
Bei Eröffnung des Betriebes [i85^J
waren vorhanden: Eine Locomotivmon-
tirung mit 19 Ständen, eine Wagen-
montirung, in welcher 22 Stück ^^^r*
achsige Personenwagen, wie selbe di^
k. k. südlichen Staatsbahnen und später
die Sudbahn - Gesellschaft durch die
Maschinenfabrik der ehemaligen Wien-
Raaber Actien - Gesellschaft anfertigen
liess, beziehungsweise 44 Wagen mit
je 10 »M Länge untergebracht werden
konnten, eine Lackirer -Werkstätte, eine
Schmiede, Dreherei sammt Dampfanlage
und zwei Wohngebäude. Im Jahre 1864
fand die erste Erweiterung der Werk-
stätte durch Vergrösserung der Schmiede
magazins, eine weitere Vergrösserung
der Schmiede [1891] und eine solche
des Kesselhauses [1895] schltessen die
letzten Bauherstellungen dieser Werk-
stätte in sich. Es werden durchschnitt-
lich 890 Arbeiter beschäftigt. Auf den
vorhandenen 33 gedeckten Loco motiv-
ständen können i6*'/o der dieser Werk-
stätte zur Erhaltung zugewiesenen Loco-
motiven aufgestellt werden. Fünf Dampf-
>. J9l.
c Ncu-Sondee dar k. I
. und Kuprcnchmlede.]
und Wagenmontirung sowie Erbauung
einer neuen, nicht heizbaren Wagen-
remise statt, mit welcher man bis zum
lahre 1872 das Auslangen fand. In
diesem Jahre schritt die Südbahn-Gesell-
schaft zu einer neuerlichen Erweiterung
der Werkstätte durch Erbauung einer
neuen Locomotivmontirung mit 14 Stän-
den, eines ■ neuen Kessel- und Ma-
schinenhauses und durch Vergrösserung
der Dreherei. Die Errichtung einer Ross-
haarsiederei [1888], eines Rohrmagazins
[1891], einer H of wagen rem ise, eines Hand-
ilchUchcp SluiibabneD. [Roh
I maschinen mit zusammen 134 Pferde-
I stärken sind für den Antrieb der 168 Arbeits-
I maschinen undacht Dampfkessel mit zusam-
' men 276 m' Heizfläche für die Erzeugung
des für die Dampfmaschinen und Dampf-
I hämraer nöthigen Dampfes vorhanden.
' Die in Marburg [1866] auf einer ge-
sammten Grundfläche von 84,470 wt' er-
i richtete Hauptwerkstätte besitzt 46 ge-
deckte Locomotiv- und 250 gedeckte
j Wagen- Reparaturstände bei einer ver-
bauten Grundfläche von 32.746 m*. Sie
I erfuhr eine Erweiterung nur durch
Erbauung von drei Holzschupfen und '
einer Trockenhütte im Jahre 1S73, einer ;
neuen Wagenmontirung für 30 Wagen
im Jahre 1H75, eines Säge-Gebäudes
mit einem Maschinenbaus im Jahre
1H79 und von anderweitigen kleinen
Objecten. Von den dieser Werk statte
zur Erhaltung zugewiesenen Locomo-
liven können i5'3*/o untergebracht
werden. Für die
theils mittels
Transm is s i onen ,
theils elektro-
motorisch an-
getriebenen 26H
Arbeitsmaschi-
nen sind fünf
Dampfmaschi-
nen mit zusam-
men 335 Pferde-
stärken in Thä-
tigkeit.
Durchschnitt-
lieb beschäftigt
die Werkstätte
1070 Arbeiter.
VIII. K. k.
Oesterreichische
Staatsbahnen.
Einschliess-
lich der im
Staatsbetriebe
befindlichen Li-
nien besitzen die
k.k.Oesterr eichi-
schen Staats bah- ■ ä '■ - otorhauj.hen d=r de
nen nachbenannte Werkstätten, und zwar:
I. Die Werkstätte Bodenbach, er-
richtet [1871] von der ehemaligen Dux-
Bodenbacher Eisenbahn, mit einer ver-
bauten Grundfläche von 1620 jh", sechs
gedeckten I.ocomotiv- und zwölf ge-
deckten Wagenständen, erweitert bis
zur L'ebemahme in den Staatsbetrieb
(18S4J um 3120 m'^ gedeckte Werk-
stättenräume inclusive einer Wagen-
montirung für 18 Wagen. Die Vergrösse-
rung seit Uebernahmein den Staatsbetrieb
beträgt 670 jh* überdachte Fläche für
die Aufstellung von fünf Locomotiven
oder neun Tendern.
3. Die Werkstätte Gmünd, erricliict
[1869] von der ehemaligen Frani JojcI-
Bahn, mit einer verbauten Grundfläche vun
9000 »«*, einer Locomotivmontirunj füi
16 Locomotiven und einer Wagenaion-
tirungfUr 35 Wagen; in den Staatsbeiri;b
übernommen 1884, bis zu welcher Zc:L
abgesehen von kleineren Objecten, n-jr
die Dreherei erweitert und eine nci:t
KupfersctimieJe
erbaut wurde.
Die seit Leber-
nähme in dtj
Staatsbetri(;h
ausgeführten Er-
weiterungsbau-
ten umfaäitn
eine Locomolii-
und W^gtn-
montirung, eine
Locomotiv- und
Wagenlackire-
rei, eine \'er-
grösserung drt
alten Wagen-
montirutig,eineD
Speisesaal
sammt Portier-
haus, eine Arbei-
tercontrole unf-
ein Feueriäsch-
■ requisiten-Dcpi''!.
so dass die ver-
baute Grund-
fläche derzeit
13.770 »»' ^■
trägt und II Lo-
comotiven und
lri,ch btlricb«« Schiebeböhne. ^Q ^^-gggn in
heizbaren Räumen untergebracht wenif
können.
3. Die Werkstätte KnittelfeH,
errichtet [1869] von der ehemalif;tn
Kronprinz Rudolf-Bahn in einem --^us-
masse von 4268 m* verbauter Grand-
fläche, mit fünf Locomotiv- und 16 Wagßi-
ständen im heizbaren Räume. Vor L'eber-
nähme in den Staatsbetrieb [1884] ^rf"'"
diese Werkstätte eine Vergrösserang durfli
Erbauung einer Wagenmontirung für l;*
Wagen, einer Locomotivmontining i"'
sieben Ständen und eines Kesselhausö.
In jüngster Zeit ergab sich dieXoUi'
wendigkeit einer bedeutenden Erweiterung.
Werkstättenwesen.
Mit derselben wurde durch Vergrösserung
der Locomotivmontirung um acht Stände
bereits begonnen und sind die Ausfuh-
rungen eines Zubaues an die Locomotiv-
montirung für zwölf Locomotiven sammt
Dreherei, einer neuen Wagenmontirung
für 64 Wagen, einer neuen Schmiede,
Dreherei, eines neuen Maschinen- und
Kesselhauses sammt KohlendSpöt, einer
neuen Kesselschmiede sammt Blech-
bearbettung und Kupferschmiede, eines
Feuerlöschrequisiten-D£pöts, eines Bade-
4. Die Werkstätte L a u n [vgl. Fig. V
der beigegebenen Tafel], erbaut {1872]
von der ehemaligen k. k, Prag-Duxer
Eisenbahn mit 3390 »(' überdeckter
Grundfläche, für die Unterbringung von
sechs Locomotiven und zehn Wagen in
heizbaren Räumen. Bis zur Uebemahme
in den Staatsbetrieb [1884] erfuhr diese
Werkstätte keine nennenswerthe Ver-
grösserung.
Die namhafte Erweiterung [und zwar
um 7581 m' verbauter Grundfläche] kam
Abb. 38 j. WageuchlebebU
hauses sammt Speisesaal, einer Holz-
trockenkammer sowie die Vermehrung
der Geleise-, Drehscheiben- und Schiebe-
bühnen-Anlagen und die Herstellung von
Flugdächem für die Aufstellung von Wa-
gen in das Bauprogramm aufgenommen,
so dass nach einigen Jahren die Leistungs-
fähigkeit dieser Werkstätte wesentlich er-
höht sein wird. Nach Fertigstellung der
genannten projectirten Objecte wird die
gesammte verbaute Grundfläche circa
32.000 fM* betragen und 28 Locomotiven
sowie 78 Wagen werden in heizbaren
Räumen Aufstellung finden können. Der
Antrieb der Arbeitsmaschinen wird auf
elektromotorischem Wege erfolgen und
auch die elektrische Beleuchtung der ein-
zelnen Arbeits- und Hofräume eingeführt.
in den Jahren 1895 und 1896 zur Ausfüh-
rung und können nun 18 Locomotiven
und 45 Wagen in heizbaren Räumen
aufgestellt werden.
Anlässlich der bedeutenden Vermeh-
rung der Arbeitsmaschinen, von welchen
einzelne Gruppen auf elektromotorischem
Wege angetrieben werden, sowie der Ein-
richtung des elektrischen Betriebes von
Schiebebühnen, eines Laufkrahnes etc.
wurde eine neue circa 8opferdige Com-
pound-Betriebs-Dampfmaschineaufgestellt
und die alte Dampfmaschine für die elek-
trische Beleuchtung einzelner Werkst ätte n-
Objecte belassen.
5. Die Werkstätte L e m b e r g, er-
richtet [1862] von der ehemaligen Gali-
zischen Carl Ludwig -Bahn mit einer
596
Julius Spitzner.
verbauten Grundfläche von 9699 tn^
als ■ Hauptwerkstätte. Dieselbe war im
Jahre 1863 dermassen ausgerüstet, dass
sie, im Vereine mit den beiden Werk-
stätten in Krakau [derzeit Heizhaus-
Werkstätte] und Przemy^l, sowohl die
für den. Betrieb erforderlichen Reparaturen
zu leisten, als auch nach Bedürfnis neues
Betriebsmateriale in eigener Regie her-
zustellen, ja sogar Bestellungen für fremde
Parteien auszuführen im Stande war. Der
Schwerpunkt der Arbeiten wurde nach
Lerriberg verlegt und die Leistung der
Werkstätte in Krakau entsprechend ver-
ringert. In den mit Räderversenk- Vor-
richtungen versehenen Locomotivmon-
tirungen konnten 18 Locomotiven, in der
Wagenmontiomg 30 Wagen aufgestellt
werden.
In den Jahren 1872 — 1873 wurde
eine nicht heizbare Wagenremise für
64 Wagen erbaut. Da die Anzahl der
Reparaturstände in der Locomotivmon-
tirung nicht ausreichte, erfolgte [1878]
eine Vergrösserung derselben durch An-
bau eines neuen Tractes mit einer im ge-
deckten Räume befindlichen neuen Schiebe-
bühne. Dieser Anbau hatte eine theilweise
Verfinsterung der alten Locomotivmon-
tirung zur Folge und mit Rücksicht auf
diesen Umstand und des Vorhandenseins
der Räderversenk- Vorrichtungen können
nur 35 Locomotiven in heizbaren Mon-
tirungsräumen untergebracht werden.
Die Wagenmontirung, im Jahre 1890
durch einen Brand zerstört, wurde in
ihrer ursprünglichen, langgestreckten
Form wieder aufgebaut, jedoch durch
zwei feuersichere Abtheilungswände in
drei gleiche Räume getheilt. Behufs Ein-
bringung von Wagen in den mittleren
Raum besitzen die Abtheilungswände
eiserne Schubthore und für die sonstige
leichte Communication kleine eiserne
Thüren.
In den letzteren Jahren machte sich
jedoch insbesondere der Mangel einer
gut eingerichteten Kessel- und Kupfer-
schmiede fühlbar und erfolgte demnach
[1897] die Erbauung dieser Objecte ein-
schliesslich eines Raumes für Blech-
bearbeitung, ausgestattet mit pneumati-
schen Niet- und Stemm-Maschinen, den
erforderlichen Lauf- und Drehkrahnen und
modernen Arbeitsmaschinen etc. Der ganze
Betrieb in. diesen neuen Abtheilungen
erfolgt mittels elektrischer Kraftüber-
tragung.
Infolge der erhöhten Kraftanforderung
in der Werkstätte ergab sich die Noth-
wendigkeit, drei neue Dampfkessel und
eine neue [250pferdige] Dampfmaschine
aufzustellen. Für letztere sowie für die
nöthigen Primär- Dynamomaschinen wurde
ein neues Maschinenhaus gebaut.
Die Primär - Dynamomaschine dient
für die bereits angeführte elektrische
Kraftübertragung, ferner für den zur
gleichen Zeit instaUirten elektrischen An-
trieb der Holzbearbeitungs-Maschinen und
sonstiger bisher mittels Transmission
ungünstig betriebener Arbeitsmaschinen.
Die gesammte verbaute Grundfläche,
einschliesslich der Wagenremise, be-
ziffert sich dermalen mit 17.920 »w*.
6. Die* Central -Werkstätte Linz, an-
gelegt [1858] von der ehemaligen Kaiserin
Elisabeth- Bahn als Filialwerkstätte mit
7008 m^ verbauter Grundfläche, 14 gedeck-
ten Locomotiv- und 20 gedeckten Wagen-
Reparaturständen. [Vgl. Fig. VI a und
VIb der beigegebenen Tafel.]
Die erste Veränderung trat im Jahre
1872 ein, als die im Lageplane [vgl. Fig.
VIb der beigegebenen Tafel] mit >WM I<
bezeichnete Wagenmontirung für Locomo-
tiv- und Tenderreparatur bestimmt, und
der halbe Raum der mit > W M II« bezeich-
neten als Lackirerei adaptirt wurde. Der
verbliebene Theil der Wagenmontirung war
infolgedessen zu klein und es kam [1874]
eine Wagen-Reparaturwerkstätte mit Rie-
gelwänden und nicht heizbar für 20 Wagen
zur Ausführung, welche jedoch, als mit
dem Umbau der Werkstätte zur Central-
werkstätte begonnen wurde, demolirt
werden musste. Sodann erfolgte [1876]
die Verlegung der Kupferschmiede in die
Schmiede, und als sich letztere hiedurch
später als zu klein erwies, wieder [1880]
die Rückverlegung der ersteren in den
ursprünglichen Raum.
Bald nach der Ueberaahme in den
Staatsbetrieb fand [1884] die Erbauung
einer Locomotivmontirung mit sieben
Ständen statt.
Zur Zeit des Umbaues dieser Werkstätte
zur Central -Werkstätte waren 8623 w*
Werkstättenwesen.
verbaut und 31 gedeckte Locomotiv- und
40 gedeckte Wagen-Reparaturstände vor-
handen.
Dieser Umbau begann [1887] mit einer
nicht unbedeutenden Erdbewegung, indem
ein Hügel ganz abgetragen werden musste.
An neuen Objecten wurden erbaut
[vgl. Abb. 367—376], und zwar in nach-
stehender Reihenfolge : Die Personen-
mit 32 Locomotivständen, mit einem Bureau
und einem Räume für Eisenbearbeitungs-
Maschinen, ein Kohlenmagazin hinter der
Schmiede, eine Holztrockenkammer, ein
Flugdach für Werkholz, zwei Flugdächer
für Wagen und zwei Flugdächer als
Anbau an die alten Magazine-
Im alten Kesselhause gelangten vier
Stück neue Dampfkessel mit zusammen
. IL«
K'l
wagen-Montining sammt Lackirerei mit
1 1 4 Wagenständen, die Blechbearbeitungs-
Werkstätte, Kupferschmiede, Schmiede
mit angebautem Kessel- und Maschinen-
baus, ein Kohlenschupfen, das Gebäude
fOr die elektrische Beleuchtungsanlage des
Bahnhofes Linz, die Last wagen- Montirung
mit 85 Ständen [einschliesslich des Raumes
für Holz- und Eisenbearbeitungs-Maschi-
nen, eiiies Bureaus und der Spänglerei], das
Spänehaus, das Waghaus mit einer zehn-
flügeligen Locomotiv- Brücken wage, das
Magazin fÜrfeuergefährlicheGegenstände,
das Portierhaus mit Arbeiter- Speisesaal,
Ordinationszimmer und Arbeitercontrole,
die mit Loeomotiven befahrbare Waggon-
Brückenwage, die Locomotivmontirung
440»«* Heizfläche zur Aufstellung. Ueber
drei dieser Kessel und der Wasserversor-
gungs-Pumpe kamen vier Wasserreservoirs
mit einem Gesammtfassungsraum von
2S0 m', und zwar in einer Höhe von 1 5 m
über Schwellenhöhe, zur Aufstellung.
Die ehemalige Locomotivmontirung
[Object Ks in Fig. Via der beigege-
benen Tafel] wurde zur Kesselschmiede
adaptirt und mit einer feststehenden
und transportablen hydraulischen Niet-
anlage ausgerüstet. Diese, im Inlande an-
gefertigte hydraulische Anlage enthält
einen stationären Nieter, einen hydrauli-
schen Drehkrahn zum Heben und Senken,
Vor- und Rückwärtsfahren, Rechts- und
Linksschwenken des zu nietenden Kessels,
598
Abb. }85, Trocki
ferner einen beweglichen [transportablen]
Nieter, einen Drehkrahn mit Handbetrieb
für die Manipulation mit dem transportablen
Nieter, eine Presspumpe mit Dampfbetrieb
zur Erzeugung des Druckwassers, einen
Accumulator für das Druckwasser und
die Druck- und Retourleitung.
Im neuen Kesselhause befinden sich
ftlnf Stück Dampfkessel mit je i lO wi»
Heizfläche. Oberhalb der im neuen
Maschinenhause aufgestellten Dampf-
maschine sind drei Sttlck Reservoirs mit
je 5 m^ Inhalt vorhanden.
Die Lastwagen-Montirung mit 7979 "i'
verbauter Grundfläche besitzt zwischen ein-
zelnen Geleisen für den bequemen Räder-
transport eigene schmalspurige Geleise.
Die Holzbearbeitungs-Werkstätte wurde
in die Lastwagen-Montirung verlegt. Für
die Wegschaffung aller Späne und Holz-
abfölle der Holzbearbeitungs-Maschinen
kam eine Exhaustor-Anlage zur Ausfüh-
rung, mittels welcher die Holz- und Säge-
späne etc, abgesaugt und in das neben dem
I Kesselhaus befindliche Spänehaus geschafft
; werden. Das Spänehaus hat zwei getrennte
I Spänekammem, um während der Zeit,
I als die eine angeblasen wird, die andere
^ entleeren zu können.
I Die Beheizung der L ast wagen- Mon-
I tirung findet mit in Gruppen geschalteten
Dampföfen statt. Zur Beheizung kann
sowohl directer Kesseldampf, als auch
I Abdampf in Verwendung kommen, und
I zwar nicht nur der Auspuffdampf der
j Betriebsmaschine, sondern auch jener der
] jeweilig im Betrieb befindlichen Dampf-
maschine der elektrischen Beleuchtungs-
anlage des Bahnhofes.
j Die neue Locomotivmontirting besteht
aus drei Haupträumen, nämlich einem nie-
I drigeren, für die Bewegung der etwa 8 m
j langen Schiebebühne und links und rechts
, aus je einem Räume mit 16 Locomotiv-
' ständen.
Die beiden Räume für die Locomotiv-
stände sind behufs Unterbringung der
für Hand- und elektrischen Antrieb vor-
Werk Stättenwesen.
gesehenen Laufkrahne, welche zum Heben
der Locomotiven zu dienen haben, ent-
sprechend höher gehalten. Für die Auf-
stellung der für die Locomotivniontirung
nöthigen Arbeit smaschlnen ist ein eigener
Raum vorgesehen. Der Antrieb der Arbeits-
maschinen dortselbst erfolgt elektromo-
torisch.
Die Beheizung der Locomotivmonti-
rung erfolgt ähnlich wie jene der Wagen-
montirungen.
Grundfläche, zwei Locomotiv- und sechs
Wagen -Reparaturständen im heizbaren
Räume, besass zur Zeit der Uebernahme aus
dem Privat- in den Staatsbetrieb [1884]
zwei gedeckte Locomotiv-, sechs gedeckte
Wagen- und einen gedeckten Lackirer-
stand. Im Jahre 1886 wurde eine Wagen-
montirung [WM I in Figur VII der
bei gegebenen Tafel] mit 34 gedeckten
Wagen -Reparaturständen, und zwar als
Fach werk sbau aufgeführt. Hiedurch
Abb. jn. Bohmaichli]
Die anlässHch der Erweiterung der
Werkstätte Linz zu einer Central-
Werkstätte neu aufgeführten Objecte
bedecken zusammen eine Grundfläche
von 38.826 m\ die gesammte verbaute
Grundfläche beziffert sich ausschhesshch
der als Holzbauten ausgeführten Kohlen-
schupfen und der diversen Flugdächer
mit 36.400 )«' und einschliesslich der-
Älben mit 40.692 tu*.
In heizbaren Räumen können 39 Loco-
motiven und 199 Wagen untergebracht
werden.
7. Die Werkstätte Neu-Sandec,
errichtet [1876] von der k. k. Staatsbahn
Tamöw-Leluchöw mit 1630»«' verbauter
konnten die früher ftlr die Wagenrepa-
ratur verwendeten Stände als Locomotiv-
Reparaturstände benutzt werden.
Sodann erfolgte bis zum Jahre 1889
die Erbauung nachbenannter Objecte, und
zwar: einer Locomotivmontirung mit
zwölf Ständen, einer Dreherei mit ein-
stöckigem Bureaugebäude sammt Maschi-
nenbaus und Werkzeugd^pöt, einer Holz-
bearbeitungs-Werkstätte mit Fein- und Mo-
delltischlerei, einer Schmiede, eines Kes-
selhauses, einer Kupferschmiede, Metall-
giesserei und Tyresschmiede, eines Feuer-
löschrequisiten - Depots, Kohlenschupfens,
eines Material- und Handmagazins, Werk-
holzschupfens und schliesslich die Her-
6oo
Julius Spitzner.
Stellung der zur Werkstätte gehörigen
Geleise, Drehscheiben und Schiebebühnen
sowie eines Waghauses mit zehntheiliger
Locomotiv-Brückenwage.
Da mit der oben angeführten Wagen-
montirung das Auslangen nicht gefun-
den werden konnte, wurde im Jahre 1891
die neue Wagenmontirung [W M II]
mit 26 Reparaturständen, acht Lackirer-
ständen und einem Sattlerstand gebaut
Aber auch die Locomotivmontirung er-
wies sich bald als unzureichend, so dass
im gleichen Jahre an die Vergrösserung
derselben um weitere zwölf Stände ge-
schritten werden musste.
In den letzten Jahren wurden erbaut :
Ein Object, anstossend an die Schmiede
für das Bureau, Federnschmiede und
Spänglerei und die neue Kessel- und
Kupferschmiede sammt der Blechbearbei-
tungs- Werkstätte. [Vgl. Abb. 377 — 379.]
In der Locomotivmontirung befindet
sich über jeder Reihe von Reparaturstän-
den je ein Laufkrahn mit je zwei Win-
den, jede Winde für 20 t Tragfähigkeit
construirt.
Die Locomotiv-Schiebebühne ist für
56 t Tragkraft gebaut, besitzt eine
Länge von 7 tn und einen Mechanis-
mus, um mittels eines Drahtseiles die Ma-
schinen auf die Schiebebühne ziehen
und von derselben wieder abzielien zu
können.
Im Maschinenhause ist eine circa
40pferdige Dampfmaschine für den Antrieb
der Transmissionen und eine Primär-
Dynamomaschine für den elektrischen
Antrieb der Arbeitsmaschinen in der
Kessel- und Kupferschmiede und in der
Blechbearbeitungs- Werkstätte situirt.
Um jenen Theil der Transmission,
welcher in die Holzbearbeitungs-Werk-
stätte führt, abstellen zu können, befindet
sich im Maschinenhause eine rasch aus-
lösbare Klauenkuppelung.
Nachträglich wurde noch eine zehn-
pferdige Dampfmaschine aufgestellt.
Im Kesselhause waren ursprünglich
für die Erzeugung des nöthigen Betriebs-
und Heizdampfes zwei Stück Zweiflamm-
rohrkessel mit je 50 tn^ wasserbenetzter
Heizfläche aufgestellt. Infolge der Er-
weiterung der Wagen- und Locomotiv-
montirung gelangte noch ein Röhren-
kessel mit 100 w* Heizfläche zur Auf-
stellung. Da jedoch mit Rücksicht auf
den für Heizzwecke erforderlichen Dampf
trotz der Aufstellung des dritten Kessels
das Auslangen mit denselben nicht
gefunden werden konnte, erfolgte im
Vorjahre eine Auswechslung der beiden
50 wi* Kessel gegen zwei Multitubular-
kessel mit je iio m^ Heizfläche. Die
beiden alten Flammrohrkessel erhielten
Rohrpumpen, System Dubiau, und kamen
in der Werkstätte Przemyäl zur Auf-
stellung.
Die durch den stets wachsenden Verkehr
bedingte Vermehrung der Fahrbetriebs-
mittel erhöhte die an die Werkstätte zu
stellenden Anforderungen und machte
[1895] die Erbauung einer modern einge-
richteten Kesselschmiede sammt Blechbe-
arbeitungs-Werkstätte und einer grösseren
.JCupferschmiede nöthig. [Abb. 380 u. 381.]
Die im Freien situirte, unversenkte
Wagenschiebebühne, welche ursprüng-
lich nur für Handbetrieb eingerichtet
war, wurde Anfangs des Jahres 1896
für elektrischen Betrieb, und zwar sowohl
für das Verschieben der Wagen als
auch für das Auf- und Abziehen der-
selben adaptirt, und wird der Strom
von der Primär-Dynamomaschine im
Dampfmaschinenraume der Werkstätte
bezogen.
Längs der circa 120 m langen
Schiebebühnen-Bahn ist in einer Höhe von
5*5 m über Schienenkante die Contact-
leitung gespannt. Die Stromabnahme
erfolgt durch ein Trolley und die Rück-
leitung des Stromes durch die Schienen.
Das Trolley wird von Armen, welche seit-
lich an der Schiebebühne montirt sind,
getragen. [Vgl. Abb. 382 und 383.]
Der Elektromotor hat eine Leistung
von neun effectiven Pferdestärken bei 770
Touren pro Minute und 150 Volts Span-
nung. Für die g^össte Belastung der
Schiebebühne, das ist 20 f, beträgt die
Geschwindigkeit circa i tn pro Secunde,
und leistet der Motor hiebei circa vier
Pferdekräfte. Für das Aufziehen einer Last
von circa 20 t bei einer Geschwindigkeit
von durchschnittlich 0*4 m pro Secunde
sind circa acht bis neun Pferdekräfte
I erforderlich, wenn ein Räderpaar auf
I der schiefen Ebene läuft.
Werk stattenwe sen.
Die derzeit verbaute Grundfläche be-
ziffert sich mit 15.768 w»', und können
23 Locomotiven und 49 Wagen in heiz-
baren Räumen untergebracht werden.
Weiter besitzen die k. k. Staats-
bahnen :
8. Zwei Werkstätten in Pilsen, und
zwar eine errichtet [1873] von der ehe-
maligen Eisenbahn Pilsen- Priesen [Komo-
tau] mit 3310 m* verbauter Grundfläche,
sechs Locomotiv- und 14 Wagen-Repa-
raturständen im heizbaren Räume, die
zweite eröffnet [1862] von der ehemaligen
schliessen, eine neue Werkstätte an ge-
eigneter Stelle zu erbauen. Um sich ein
beiläufiges Bild von der Grösse der pro-
jectirten Werk statte zu vergegenwärti-
gen, sei bemerkt, dass dieselbe so gross
angelegt werden soll, dass gleichzeitig
54 Locomotiven und 200 Wagen in heiz-
baren Räumen untergebr-acht werden
können. Sowohl für den Antrieb der
Arbeitsma seh inen als auch der Hebe-
vorrichtungen, Schiebebühnen etc. wird
die elektrische Kraftübertragung in Aus-
sicht genommen.
Abb. JS7. Mail.:,
Böhmischen Westbahn mit 7900 tu' ver- i
bauter Grundfläche, neun Locomotiv- und
26 Wagen - Reparaturständen im heiz-
baren Räume.
Infolge Erweiterung der Wagen-
montirung in erstgenannter Werk statte
können in derselben dermalen 39 Wagen
untergebracht werden. Die wesentlich
gesteigerten Verkehrsbedürfnisse in der
Station Pilsen ergaben die Nothvvendig-
keit, den Bahnhof bedeutend zu ver-
grössem. Dieser in Ausführung begriffenen 1
Vergrösserung fällt im nächsten Jahre die 1
Werkstätte Pilsen der ehemaligen Eisen- '
bahn Pilsen -Priesen [Komotau] zum Opfer,
so dass nur jene der Böhmischen Westbahn
in Pilsen verbliebe. Mit dieser kann weder
das Auslangen gefunden werden, noch ist
wegen des dort herrschenden Platzmangels
eine rationelle Erweiterung derselben i
möglich. Man musste sich demnach ent-
9. Die Werkstätte Przemyäl, er-
baut [1860] von der ehemaligen Galizi-
schen Carl Ludwig-Bahn mit 3380 m'
bedeckter Grundfläche, einer Locomotiv-
montirung für elf Maschinen, einer
Wagenmontirung für neun [eventuell 18
sehr kurze] Wagen, erweitert [1873 und
1874] durch Errichtung einer neuen
Wagenmontirung für 60 Wagen. Mit
Ausnahme einer noch im Jahre 1897
durchgeführten Vergrösserung des Kessel-
und Maschinenhauses erlitt diese Werk-
stätte keine wesentliche Veränderung
mehr, und beträgt die dermalen verbaute
Grundfläche 7390 «(*.
10. Die Werkslätte Salzburg, er-
öffnet [ 1 860] von der ehemaligen
Kaiserin Elisabeth ■ Bahn mit sieben
Locomotiv- und 18 Wagen- Reparatur-
ständen in heizbaren Räumen. Infolge der
Erbauung einerneuen LocomotivmoiUirung
mit sieben Ständen können derzeit 13
Locomotiven in heizbaren Käumen unter-
gebracht werden. Die verbaute Grundfläche
misst 5980 Hl'. Da sich insbesonders die
Wagenmontirung in den letzten Jahren als
zu klein erweist, wird an die Erbauung
einer neuen geschritten. Im Zusammen-
hange damit steht die Vergrösserung der
Holzbearbeitungs- Werk Stätte, der Dampf-
und Betriebs-Kraftanlage durch Aufstel-
lung neuer Kessel, einer neuen Dampf-
maschine, eines Generators für elelektro-
motorische Antriebe etc. Theilweise sind
diese Arbeiten bereits in Ausführung be-
griffen, theilweise ist die Ausarbeitung der
noch nöthigen Detailprojecte im Zuge.
11. Die Werkstätte St anislau,
errichtet [1866] von der ehemaligen
Lemherg-CzernowitzerEisenbahn-Gesell-
schaft mit einer Locomotivmontirung
für neun Locomotiven und einer Wagen-
montirung für 14 Wagen, bei 4660 m^
gesammter verbauter Grundfläche, er-
weitert [1874] durch Erbauung einer neuen
Wagenmontirung für 34 Wagen.
Die nach Uebernahme in den Staats-
betrieb [1889] seitens der k. k. Oester-
reichischen Staatsbahnen theüs bereits
durchgeführten, theils noch in Ausführung
begriffenen Erweiterungsbauten in dieser
Werkstätte umfassen : Eine neue Lo-
comotivmontirung mit 22 Ständen sammt
zugehörigen Locomotiv - Hebekrahnen
und Schiebebühnen; eine neue Wagen-
montirung für 54 Wagen, anstossend
an die im Jahre 1874 gebaute, mit
Räder - Transportgeleisen und Schiebe-
bühnen ; eine neue Dreherei, Holzbearbei-
tungs-Werkstätte und Giesserei, die Ver-
I grösserung des Kesselhauses, die Er-
I bauung eines neuen Schornsteins und
j Kohlenmagazins, ein Gebäude für eine
Räder versenk- Vorrichtung und ein Ar-
! heiter- Control haus sammt Warteraum und
! Portierhaus. Die stetige Vermehrung' der
I Arbeitsmaschinen bedingte die Aufstellung
[ einer neuen, und zwar circa Sopferdif^^en
I Betriebs- [Compound-] Dampfmaschine.
I Von der alten Locomotivmontirung
I wurde ein Theil der bestandenen Dre-
j herei zugewiesen, ein Theil als Kessel-
I schmiede, Siederohr- Bearbei tun gs-Werk-
I Stätte und T3Tessch miede adaptirt, mit
' den erforderlichen Krahnen ausgerüstet
1 und den nöthigen Geleise Verbindungen
, versehen. Infolge der neu hinzugekom-
I menen Objecte beträgt die gesammte ver-
I baute Grundfläche 16.180 im', und können
i in heizbaren Räumen 22 Locomotiven
i und 96 Wagen untergebracht werden.
I 13. Die Werkstätte in Stryj, er-
j richtet [1873] von der ehemaligen Erz-
! herzog Albrecht-Bahn mit 3281 m' ver-
I bauter Grundfläche und vier Locomotiv-
i und sechs W'agen- Reparaturständen in
, heizbaren Räumen. Bei einer dermalen ■
I bedeckten Grundfläche von 9347 »w'
I können 16 Locomotiven und 49 Wagen
j in heizbaren Räumen untergebracht
I 13. Die Werkstätte Wien, West-
i bahnhol, errichtet [1858] von der ehe-
[ maligen Kaiserin Elisabeth -Bahn mit
j 14.081 »I* verbauter Grundfläche. In der
I Locomotivmontirung konnten 14 Loco-
I motiven, in der Wagenmontirung und
I Wagenlackirerei 38 Wagen zur Auf-
I Stellung gelangen.
Da sich diese Objecte als zu klein
I erwiesen, wurde [1877] eine neue Loco-
motivmontirung [Abb. 384] mit acht
I Reparaturständen und eine neue Wagen-
I lackirerei für acht Wagen erbaut. Eine
weitere Vergrösserung dieser Werkstätte
I fand bis zum Zeitpunkte der Ueber-
j nähme, in den Staatsbetrieb [1882] nicht
I statt.
' Erst im Jahre 1887 erfolgte inso-
' ferne eine kleine Veränderung, als an
das Kesselhaus ein Maschinenhaus für
die Aufstellung einer Co mpound- Dampf •
1 maschine mit circa 70 effectiven Pferde-
I stärken und vier Dynamomaschinen zum
Werkstättenwesen.
Zwecke der elektrischen Beleuchtung des 1
Bahnhofes Wien I angebaut wurde.
Zur gleichen Zeit mussten die alten j
Werkstätten-Befriebskessel, da dieselben
nicht mehr vollkommen betriebssicher '
waren, durch neue ersetzt werden. I
Die letzte Erweiterung erfuhr diese j
Werkstätte [1897] durch Erbauung einer I
dritten Locomotivraontirung mit neun
Ständen, die mit der älteren mittels :
einer im gedeckten Räume befindlichen
neuen Locomotiv -Schiebebühne verbunden
erscheint. Diese Locomotivraontirung be- I
sitzt einen Laufkrahn mit 50 t Tragfähig- 1
keit, der wie die Schiebebühne für Hand- 1
und elektrischen Betrieb eingerichtet ist.
Da einerseits die Compound-Dampf-
maschine voll ausgenützt wird und für
die erforderliche Erweiterung der Bahn-
hofsbeleuchtung nicht ausreicht, anderer-
seits auch die Werkstätten - Betriebs-
maschine für die gesteigerten Anfor-
derungen zu schwach ist, wird nunmehr
die Compound-Dampfmaschine für die Er-
zeugung von elektrischem Strom zu Kraft-
übertragungs-Zwecken für die Werkstätte
herangezogen, und die ganze elektrische
Bahnhof- Beleuchtung von einer Wiener
elektrischen Central Station aus erfolgen.
Bei einer dermalen verbauten Grund-
fläche von 18.434 '"^ kflnnen in der
Wiener Werkstätte 31 Locomotiven und
46 Wagen in heizbaren Räumen unter-
gebracht werden.
14. Die Schiffswerfte in Bregenz.
Zur Zeit der Erbauung der Arlbergbahn
fasste das Handelsministerium den Ent-
schluss, in Bregenz zuerst eine eigene
Trajectanstalt für di e directe Uebergabe von
Eisenbahnwagen an die schweizerischen,
badiscben und württembergi sehen Bahnen
in Romanshom, Constanz und Friedrichs-
hafen, weiters aber auch eigene Boote
für die Beförderung von Personen anzu-
schaffen. Am 15. September 1884 wurde
der Betrieb der österreichischen Schiff-
fahrt auf dem Bodensee eröffnet.
Der Schiffspark der k. k, Oesterreichi-
schen Staatsbahnen umfasst gegenwärtig
drei Salon-Dampf boote, und zwar 'Kaiser
Franz Joseph I.«, >Kaiserin Elisabeth' und
iKaiserin Maria Theresia«, mit einer
maximalen Tragfähigkeit von je circa
300 t und einem Fassungsraum für circa
440 Personen; femer zwei Flachdeck-
Dampf boote [Personen- und Remorqueur-
Schiff] >Habsburgi und »Austria« mit je
282 t maximaler Tragfähigkeit und einem
Fassungsraume für je circa 360 Personen,
ein Propellerboot (Remorqueur] »Bregenz«
mit 175 t Tragfähigkeit, ein Propellerboot
[Personenschiff] »Caroline« fUr 24 ^ und
25 Personen, vier Trajectkähne für je
acht beladene Wagen mit zusammen
1470 t Tragfähigkeit und vier Ruder-
boote für den Hafendienst.
Behufs Durchführung von kleineren
Reparaturen an den einzelnen Schiffen be-
Abb. J89. Einfache ■clbatlbatlge Fifiimatchlne.
fand sich auf dem kleinen Molo eine kleine
Werkstätte. Um jedoch jene Reparaturen
und Arbeiten, welche eine Trockenlegung
der Schiffe bedingten, durchführen zu
können, musste bis zur Zeit der Erbauung
einer eigenen, für die österreichische
Boden see-Schiffahrt bestimmten Werfte
die Hilfe der anderen vier Uferstaaten,
welche bereits eigene Werften besassen,
in Anspruch genommen werden. Man
entschloss sich deshalb [1886], in das
Programm für die Vergrösserung des
Hafens in Bregenz unter Anderem auch
den Bau einer eigenen Werfte aufzu-
nehmen.
Bei der Verfassung der Detailprojecte
entschied man sich für die Erbauung eines
Trockendocks [Abb. 385] mit einem
Maschinen- und Pumpenhaus, einer Werk-
stätte sowie der erforderlichen Magazine
für Verbrauchs - Materialien und der
Depots für die Aufbewahrung der Aus-
rUstungs-Gegenstände.
Mit dem Baue des Trockendocks
wurde im März 1888 begonnen; Ende
1890 war es fertig, und konnte mit dem
Einhängen der eisernen Stemmthore,
welche als Schwimmthore construirt sind,
begonnen werden. Ende September 1891
wurde der ganze Dockbau sammt Werfte
zur Benützung übergeben und bereits am
3. October erfolgte die erste Dockung des
Salondampfers »Kaiser Franz Joseph I.«,
der binnen 27* Stunden trocken auf der
Klotzung lag.
In das currente Geleise der Bahn
musste, um die Zufahrt der Schiffe zum
Dock zu ermögtichen, eine Drehbrücke
eingelegt werden.
Abb. 385 gewährt einen Blick ins
Trockendock, und ist aus derselben auch
die Drehbrücke sowie die rückwärtige Fa-
9ade des Maschinen- und Pumpenhauses
und ein Theil der angrenzenden Werk-
stätte zu sehen. [Vgl. auch Bd. I, 2. Theil,
Abb. 57 und 58, und Bd. 11, Abb. 164.]
Das Trockendock ist für die grösslen
Boote auf dem Bodensee dimensionirt,
besitzt eine oberste Breite von i6'36 m
bei einer grössten Länge von 6161 m.
Der senkrechte Abstand zwischen den
Widerlagern der Drehbrücke und dem
Unterhaupte misst i486 m.
Behufs Trockenlegung des Docks kam
eine circa 6opferdige Compound- Conden-
sations-Dampfmaschine für den Betrieb
einer Gen tri fugal pumpe mit einer maxima-
len Leistung von iioo wi' pro Stunde zur
Aufstellung. Diese Dampftnaschine dient
auch für die elektrische Beleuchtung des
Bahnhofes Bregenz und der WerftanJage.
Zum Ausbringen der Sickerwässer
aus dem Dock ist Überdies eine eigene
Dampfpumpe mit einer Leistung von
circa 20 m* pro Stunde vorhanden.
Die Werk Stätte [sammt Mas ch inen -
und Pumpenhaus mit 1134 tn' Grund-
fläche] ist mit den nöthigen Eisen- und
Holzbea rbeitungs- Maschinen ausgestattet,
deren Antrieb eine zehnpferdige Dampf-
maschine besorgt.
Einschliesslich der im Staatsbetriebe
befindlichen Linien besitzen die k. k.
O esterr ei chi sehen Staatsbahnen je eine
Heizhaus - Werkstätte in: Amstetten,
Budweis, Czernowitz, DivaCa,
Ebensee, Feldkirch, Graz, Jägern-
dorf, Krakau, Laibach, Mähr.-
Schönberg, Nusle, Spalato, Tabor
und Wien II [Kaiser Franz Josef-
Bahnhof].
Die Ausdehnung sämmtlicher Werk-
stätten der k. k. O es terre ich i sehen Staats-
bahnen in ihren verschiedenen ursprüng-
lichen Erbauungsjahren zusammen-
gefasst, ergibt eine gesammte verbaute
Grundfläche von 68.088 m* mit 109 Loco-
W erk s tä tten we s e n .
motiv- und 334 Wagen- Reparaturständen
in heizbaren Räumen,
In den Staatsbetrieb wurden 86.977 »m*
verbaute Grundfläche rnit 137 Locomo-
tiv- und 410 Wagen- Reparaturständen
übernommen.
Dagegen besitzen derzeit die Werk-
stätten der k. k. O es terre ichischen Staats-
bahnen eine gesammte verbaute Grund-
fläche von 179.667 m*, 348 Locomotiv-
und 817 Wagen- Reparaturstände in heiz-
baren Räumen.
Diese Zahlen sprechen deutlich für
die namhafte Ausgestaltung der verstaat-
hchten Werkstätten in der Zeit von der
i stärken, an Dampfkessel 30 StUck mit zu-
I sammen 1570 m* Heizfläche vorhanden;
' derzeit arbeiteninsämmtlichen Werkstätten
39 Dampfmaschinen mit zusammen circa
1640 Pferdestärken und für den gesamm-
ten Dampfbedarf 50 Dampfkessel mit zu-
sammen 4345 »1* Heizfläche. Sämmtliche
neu hinzugekommenen Dampfmaschinen
und Dampfkessel wurden von inlän-
dischen Firmen ausgeführt.
Zur Zeit der Verstaatlichung -der
einzelnen Privatbahnen waren nur in
wenigen Werkstätten einzelne Räume
mit Dampfheizung ausgestattet. Während
des Staatsbetriebes wurden aber nicht
Uebemahme derbezüghchen Privatbahnen
in den Staatsbetrieb bis zum heutigen Tage.
Wenn wir in analoger Weise die
Anzahl der Arbeitsmaschinen, Dampf-
kessel und Dampfmaschinen betrachten,
gelangen wir zu folgenden, gleichfalls
interessanten Ziffern:
Die ursprüngliche Anzahl der Arbeits-
maschinen der Werkstätten der k. k.
O est erreicht sehen Staatsbahnen, abge-
sehen von allen Arten Hebevorrichtungen,
Schiebebühnen, Drehscheiben, diversen
Schmiedefeuem, Glühöfen, Richtplatten,
Schleifsteinen, Ventilatoren, Farbenreib-
maschinen etc. stieg bis zur Uebemahme
in den Staatsbetrieb von 699 auf 884
und beträgt heute 1586.
An Dampfmaschinen waren ursprüng-
lich 16 Stück mit zusammen 481 Pferde-
nur fast sämmtliche neu erbauten Ob-
jecte, deren Gesammtausmass jenes aller
Obernomraenen übersteigt, sondern auch
ein Theil der schon bestandenen Räume
mit Dampfheizung versehen.
Berücksichtigt man weiter, dass ein
Mehrverbrauch von Dampf infolge der
höheren Mascliinenleistungen nothwendig
wurde, ferner dass in der angeführten Kes-
selanzahl auch jene der Reservekessel ent-
halten ist und schliesslich bei Bemessung
der Kessel auf eine künftige Steigerung
des Dampfconsums Rücksicht genommen
wurde, dann muss die Anzahl der Kessel,
von welchen die neu aufgestellten je lOO
bis 1 10 wi' Heizfläche besitzen, gewiss noch
als eine geringe bezeichnet werden. Dass
das Auslangen mit derselben gefunden
werden kann, hat seinen Hauptgrund in
^6
Julius Spitzner.
der wirthschaftlichen Ausnützung des
Auspuffdampfes zu Heizzwecken. Auch
die neu aufgestellten Dampfmaschinen,
bei deren Bemessung gleichfalls auf eine
künftige Mehrbelastung Rücksicht ge-
nommen wurde, arbeiten öconomisch.
Im Vorstehenden haben wir in flüch-
tigen Zügen die Entwicklung der Haupt-
werkstätten der österreichischen Eisen-
bahnen gekennzeichnet. Die bedeutende
Entwicklung, die das Werkstättenwesen
der österreichischen Eisenbahnen ge-
nommen hat, ist in nachstehenden Ziffern
zusammengefasst :
I
Im Jahre 1848 hatten die bis da-
hin eröffneten Eisenbahnen Oesterreichs
circa i6.cx)0 w* Grundfläche für Werk-
stätten-Zwecke . verbaut. Mit Ende des
heurigen Jahres bedecken sämmtliche
Objecte der in diesem Abschnitte zur
Sprache gekommenen Eisenbahn -W^erk-
stätten einen Flächenraum von circa
474.000 w*. Es sind hiebei weder die
in einzelnen Werkstätten vorhandenen
Flugdächer, noch die Heizhaus-W^erk-
stätten berücksichtigt. Auch die Maschi-
nenfabrik der Staatseisenbahn - Gesell-
schaft wurde in diese Betrachtung nicht
einbezogen.
Arbeitsmaschinen.
Die ersten Werkstätten bezogen die
Arbeitsmaschinen grösstentheils aus dem
Auslande, und zwar von England. Im
Jahre 1854 begann man in Oesterreich
Arbeitsmaschinen zu bauen und bereits
Ende der Sechziger- und Anfangs der
Siebziger - Jahre wurden österreichische
Eisenbahn -Werkstätten fast vollständig
nur mit inländischen Maschinen aus-
gerüstet.
Heute können wir mit Genugthuung
feststellen, dass die Maschinenindustrie
Oesterreichs bereits auf jener Höhe an-
gelangt ist, welche gestattet, dass nicht nur
sämmtliche für Eisenbahn -Werkstätten all-
gemein erforderlichen maschinellen Ein-
richtungen, sondern auch die verschieden-
artigstenSp ecialmaschinen im Inlande
erzeugt werden. Unsere Abb. 386 — 393
zeigen einige dieser in den Eisenbahn-
Werkstätten Oesterreichs in Verwendung
stehenden und im Inlande erzeugten
Specialmaschinen : Abb. 386 eine zehn-
spindlige Bohrmaschine mit gemeinsam
verstellbaren Bohrspindeln zum gleich-
zeitigen Bohren von Nietlöchern in Kessel-
blechen in gleichen Abständen von
130 bis 240 nun; Abb. 387 eine sechs-
fache Mutterschneidmaschine zum Ge-
windeschneiden; Abb. 388 eine Schrau-
benschneidmaschine, System Seilers, zum
Schneiden von Witworthgewinden von
V2 — 2" englisch und von Kuppelungs-
gewinden.
In den letzten Jahren ist es insbeson-
ders die Fräsmaschine, welche im
allgemeinen Maschinenbau und in Eisen-
bahn-Werkstätten in vielen Fällen an
Stelle der Hobelmaschine, Stossmaschine
etc. ausgedehnteste Anwendung findet,
wenngleich für Massenerzeugung Special-
Fräsmaschinen schon seit einer langen
Reihe von Jahren in den verschiedensten
Industrieen bei Herstellung von Werk-
zeugen, Armatur-Bestandtheilen u. s. w.
im ausgedehntesten Gebrauche stehen.
Das Fräsen bietet gegenüber dem
Arbeitsgange beim Hobeln, Stossen u. dgl.
den Vortheil, dass die gewünschten
Arbeitsflächen mittels eines nur ein-
maligen Uebergehens durch das Werk-
zeug — die »Fräse« — so vollkommen
hergestellt werden können, dass hiebei
weitere Nacharbeiten, wie dies bei Bear-
beitung mit anderen Werkzeugmaschinen
der Fall ist, entbehrlich sind.
Das Fräsen wird zur Bearbeitung der
verschiedenartigsten Materialien, wie
Metall, Holz etc., angewendet. Aber erst
durch die Verwendung des Schmirgel-
schleifrades beim Herstellen und Schärfen
der Fräser ist die Fräsarbeit, die bis
dahin auf Metall nur in beschränktem
Masse Anwendung fand, zu jener Be-
deutung gelangt, die sie heute sowohl als
vorzügliches Mittel zur Massenerzeugung
als auch für allgemeine Zwecke in den
Werkstätten besitzt.
Werk Stättenwesen.
607
Unsere Abb. 38g stellt eine ein- 1
fache selbstthätige Fräsmaschine zum j
Fräsen der verschiedenartigsten Ma-
schinenthcile sowie für die Massenerzeu- I
gung gleichartiger Gegenstände dar; ;
Abb. 390 eine freistehende, selbstthätige
Fräsmaschine mit vertical verstellbarem
Fräsapparat und mit einem der Länge und
Quere nach verstellbarem und im Kreise i
drehbarem, run JemTisch ; die Abb. 391 , 392 |
und 393 stellen eine doppelte Tyres-Fräs- 1
maschine zum Fräsen der Wagenräder- |
zweckmässig, indem einerseits der Druck
der Keile scbwerzu bemessen ist, anderer-
seits die Ausübung zu hoher Drucke beim
Eintreiben der Keile nicht sehen ein
Sprengen der Radnaben zur Folge hatte.
Diese Missslände führten dazu, die ge-
nannten Theile mittels Aufpressen [in
gewissen Fällen unter gleichzeitiger An-
wendung von Keilen] zu befestigen. Die
ersten Pressen waren Spindelpressen mit
Handbetrieb, welche bald durch hydrau-
lische Pressen ersetzt wurden, da mit
Abb. TO>- Doppelle
laufkränze mit Fa^onfräsern, mit Pumpe |
und Druckleitung dar.
Während ursprünglich nur die ,
Arbeitsmaschinen von den mittels
Dampfmaschinen in Bewegung gesetzten
Transmissionen angetrieben wurden,
waren die sonstigen mechanischen
Werk Stätten -Einrichtungen, wie beispiels-
weise Schiebebühnen, Drehscheiben, .
Krahne etc., fast ausnahmslos nur für j
Handbetrieb eingerichtet. Als sich je- !
doch die Fortschritte der Technik der [
Verwendung von Druckwasser, Druck-
luft, explosiblen Gasen und Elektricität
etc. für verschiedenartige Arbeitszwecke
bemächtigte, verschafften sich diese mo-
torischen Kräfte auch im Werkstätten-
betriebe Eingang. 1
Die Befestigung der Räder und Kur-
beln auf den Achsen der Fahrzeuge fand
seinerzeit nur mittels Keilen statt. Diese
Befestigungsart erwies sich nicht als
denselben ein beliebig hoher und leicht
zu bemessender Druck bequem erzeugt
werden kann.
Die neuesten hydraulischen Räder-
pressen sind sowohl für das Vorwärts-
treiben als auch für das Rückziehen des
Presskolbens hydraulisch eingerichtet, im
Bedarfsfalle behufs Ein- und Ausheben
der Räderpaare mit hydraulischen Krahnen
ausgerüstet, und schliesslich zum Ver-
zeichnen des ausgeübten Druckes während
der Pressperiode mit eigenen Indicatoren
versehen.
Eine weitere Anwendung der Hydraulik
finden wir in einzelnen Eisenbahn-Werk-
stätten bei den dort verwendeten hydrau-
lischen, feststehenden und transportablen
Nietmaschinen zur Herstellung von Ver-
nietungen an Dampfkesseln etc., wie z, B.
in der Kesselschmiede der Locomotiv-
Werkstätte in Floridsdorf der Kaiser
Ferdinands- Nordbahn und in der Central-
6o8
Julius Spitzner.
Werkstätte Linz der k. k. Oesterreichi-
schen Staatsbahnen.
Ebenso hat sich die Verwendung von
Druckwasser für verschiedenartige Hebe-
vorrichtungen Eingang zu verschaffen ge-
wusst, insbesondere für Drehkrahne, Hebe-
böcke, Räderversenk - Vorrichtungen etc.
Einen grösseren hydraulischen fahrbaren
Drehkrahn besitzt die Kesselschmiede
der Locomotiv- Werkstätte der Kaiser
Ferdinands-Nordbahn in Floridsdorf.
Zum Heben der Räderpaare, Rad-
reifen etc. besitzt die Tyresschmiede der
Centralwerkstätte Linz zwei Stück hy-
draulische Drehkrahne mit einer Trag-
fähigkeit von je 4000 kg bei 3*6 nifti
Ausladung. [Vgl. Abb. 375.]
Eine ziemlich ausgedehnte Verwen-
dung des Druckwassers finden wir auch
bei den verschiedenartigsten Schmiede-
pressen, Rohrprobir-Maschinen etc.
Für die Fortbewegung von Schiebe-
bühnen sowie für das Auf- und Abziehen
von Fahrzeugen auf, beziehungsweise von
denselben sind Dampf-, Petroleum- oder
elektrische Motoren in Verwendung. Die
Dampfmotoren sind älteren Datums und
häufig für diese Zwecke anzutreffen,
Petroleummotoren kommen wohl seltener,
dagegen elektrische Motoren in neuester
Zeit mit immer wachsender Beliebtheit
in Gebrauch.
Ein Petroleummotor für den Antrieb
einer Schiebebühne kam bei den öster-
reichischen Eisenbahnen zum ersten Male
[1889] in der Werkstätte Gmünd der
k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen für
den Antrieb einer Locomotiv-Schiebe-
bühne mit 56 / Tragfähigkeit dauernd in
Verwendung. Bei einer Belastung der
Schiebebühne mit 54 t wird dieselbe mit
10 bis 12 m Geschwindigkeit pro Minute
vom Petroleummotor fortbewegt, wo-
gegen bei gleicher Belastung mit Hand-
betrieb durch vier Mann die Geschwindig-
keit nur 1*6 w beträgt.
Die Verwendung von Druckluft
finden wir für einzelne Arbeitsmaschinen,
w-ie z. B. bei Lufthämmern, pneumatischen
Nietanlagen, wie eine solche in der Werk-
stätte L e m b e r g der k. k. Oesterreichi-
schen Staatsbahnen im lieurigen Jahre zur
Ausführung kam, bei Blechstemm-
Maschinen etc.
Einen wesentlichen Einfluss auf den
maschinellen Werkstättenbetrieb sowie
auf die Situirung der einzelnen Objecte
bei Verfassung von Projecten für Er-
weiterung oder Neuanlage von Eisen-
bahn-Werkstätten nimmt in den letzten
Jahren ganz besonders die elektrische
Kraftübertragung.
Dieselbe findet bei Hebvorrichtungen,
wie z. B. bei Laufkrahnen zum Heben
von Locomotiven, beim Antrieb von
Schiebebühnen, von Gruppen- und Einzel-
antrieb diverser Arbeitsmaschinen, Ven-
tilatoren etc., Anwendung.
Derartige Einrichtungen sehen wir
in den grösseren Werkstätten der k. k.
Oesterreichischen Staatsbahnen und theil-
weise auch in anderen Eisenbahn- Werk-
stätten Oesterreichs.
Die seit der Betriebseröf&iung der
ersten Eisenbahnen Oesterreichs auf eine
bedeutende Höhe gebrachte inländische
Production, insbesonders jene von Metallen
und Baumaterialien aller Art hat das Zu-
standekommen von Materialprüfungs-
Maschinen, mit welchen man in der
Lage ist, die verschiedenen Eigenschaften
der Materialien, wie deren Festigkeit,
Dehnung, Elasticität etc., zu prüfen, rascher
als in manch anderen Ländern gefbrdert.
In der Construction und Ausführung dieser
Maschinen hat man es zu einer bedeu-
tenden Vervollkommnung gebracht.
In voller Erkenntnis der Wichtigkeit
der Material-Erprobungen wenden auch
die Eisenbahn- Werkstätten denselben seit
jeher besonderes Augenmerk zu. Zumeist
werden die zur Verwendung kommenden
Materialien schon an den Erzeugungs-
stellen durch die von den Eisenbahn-
Verwaltungen zur Uebernahme dahin
delegirten Organe erprobt, zu welchem
Ende in den bezüglichen Werken die ge-
eigneten Material prüf ungs- Maschinen vor-
handen sind. Trotzdem besitzen die grösse-
ren Eisenbahn -Werkstätten eigene der-
artige Maschinen, um jederzeit in der
Lage zu sein, sowohl von gelieferten
Materialien, als auch von Stücken, welche
im Betriebe defect geworden, genaue Er-
probungen durchführen zu können.
Auch bei diesen Specialmaschinen
kommt in vielen Fällen Druckwasser in
Verwendung. Wir wollen aber hier gleich
Werkstättenwesen.
609
bemerken, dass die derart durchgeführte
Beanspruchung der Probestücke auf den
Zerre issmasch inen noch keinen sicheren
Schluss auf das Verhalten des betreffen-
den Materials im Betriebe zulässt, da
hier auch noch verschiedenartige Stoss-
wirkungen auftreten.
Man ist daher angewiesen, durch ander-
weitige Proben die Beschaffenheit des
Materials zu untersuchen, wie z. B. durch
Schmiede-, Biege-, Loch- und sonstige
Da die Achsen und Räder für die Sicher-
heit des Betriebes eine hervorragende Rolle
spielen, wird naturgemäss denselben die
grösste Aufmerksamkeit geschenkt. Es er-
Zum Schlüsse seien hier noch die
Brücken wagen erwähnt, welche
als Special -Einrichtung sowohl in den
Werkstätten, als auch im sonstigen
Eisenbahnbetriebe eine wichtige Rolle
spielen.
Für Werkstätlenzwecke finden einer-
seits die Geleise- oder Waggonwagen,
andererseits die Locomotiv - Brücken-
wagen Anwendung. Letztere dienen
dazu, um den Druck, welchen jedes ein-
zelne Rad der Locomotive auf seine
Unterlage ausübt, möglichst genau be-
stimmen und die Federspannungen an
der Locomotive derart reguliren zu können,
dass das Ges am mtge wicht der Maschine
folgt nicht nur eine Erprobung der Mate-
rialien, aus welchen sie angefertigt werden
rUcksichtlich der an dieselben zu stellenden
Anforderungen, sondern auch fertige Ach- ;
sen, Radsterne, Radscheiben, Radreifen
etc. werden verschiedenartigen Proben
unterworfen. Gegenüber den im Betriebe
auftretenden Stoss Wirkungen wird auf so- '
genannten Schlag- und Fallwerken geprüft.
Derartige Vorrichtungen besitzen alle
jene Eisenwerke, welche die genannten
Theile erzeugen.
Auch die Kaiser Ferdinands-Nordbabn
erbaute [1H94] in ihrer Floridsdorfer
Locomotiv- Werk Stätte ein solches modern
ausgerüstetes Schlagwerk, behufs Durch- ,
filhrung der vorerwähnten Material -Güte- '
proben mit einer Höchstleistung von
7000 mkg.
in entsprechender Weise auf die einzelnen
Räder vertheilt wird. IJie Waggon- und
Locomotiv- Brückenwagen auf eine so
hohe Stufe der Vervollkommnung ge-
bracht zu haben, ist ebenfalls ein Haupt-
verdienst der heimischen Industrie.
Wir haben hier zuerst die wenigen
vor dem Jahre 1848 gegründeten Eisen-
bahn-Werkstätten dem Leser vorgefülirt
und deren grösstentheils vom Auslande
bezogenen, primitiven maschinellen Ein-
richtungen Erwähnung gethan. Femer
wurden die Werkstätten der einzelnen
grösseren österrei einsehen Uahnverwal-
tungen und deren Entwicklung seit
ihrer Erbauung bis zum beutigen Tage
3'>
kurz geschildert und schliesslich gezeigt,
wie dieselben heute mit den modernsten Ar-
beitsmaschinen und anderen Werkstätten-
Einrichtungen ausgestattet sind, die fast
ausschliesslich im Inlande erzeugt werden.
Wenige Ziffern haben uns gezeigt,
da SS schon die räumliche Ausdehnung
der Werkstätten im Laufe der Zeit gewal-
tige Fortschritte gemacht hat. Die Technik
im Werkstätten wesen hat auch in un-
serem Vaterlande sich die neuesten Er-
findungen und Erfahrungen zu Nutze ge-
macht und seiner Bedeutung entsprechend
hervorragend gefördert, geht dasselbe in
Oesterreich stetig seiner weiteren Vervoll-
kommnung entgegen.
Zugförderung.
Von
Ottokar Kazda,
Ober-Inc^enieur der priv. österreichisch-ung^arischen Staatseisenbahn^GeselUchaft.
39*
DIE Zugförderung ist das unmittel-
bare Ergebnis von Stephenson's
genialer Idee, die Wagen auf den
Schienenwegen mittels Dampfkraft fort-
zuschaffen, sie als Zug formirt, zu för-
Dies besorgten auf den heimischen
Bahnen zu Beginn der Eisenbahnära, im
Verbände der damaligen Betriebsleitungen
[Sectionen], aus dem Auslande berufene
Maschinisten, die ihre in der Fühning
der Locomotive daheim erworbenen Kennt-
nisse und Erfahrungen nunmehr Oester-
reichs jungen Unternehmungen nutz-
bringend zu machen hatten.
Sicheres Auftreten gepaart mit aus-
geprägtem Standesbewusstsein verhalf
diesen, zumeist infolge besonderer Quali-
ücation, herangezogenen und deshalb
auch höher entlohnten Locomotivführem
zu einem persönlichen Ansehen, das
nicht wenig durch den Umstand gehoben
wurde, dass die Vorgesetzten des Führers
in jener Zeit dem eigentlichen Locomotiv-
betriebe mehr oder weniger noch fremd
gegenüberstanden und infolgedessen in
maschinentechntscher Hinsicht auf die
Erfahrung des Locomotivführers und der
zumeist aus diesem Stande hervor-
gegangenen Maschinenmeister angewiesen
waren.
Es kann daher nicht wundernehmen,
dass die Ansicht sich verbreitete, nur
der Führer allein vermöge Leistung und
Zustand seiner Locomotive richtig zu
beurtheilen, den Umfang allfällig erfor-
derlicher Nacharbeiten zu ermessen und
diese sachgemäss auszuführen. Dies
hatte zur weiteren Folge, dass der Führer
und seine Locomotive gleichsam ein
untrennbares Ganzes bildeten, das auch
dann bestehen blieb, wenn die betreffende
Locomotive an die Werkstätte zur Repa-
ratur abgehen musste.
Dadurch entwickelte sich ein in das
Mystische hin überspielen des Verhältnis
zwischen Führer und Locomotive, das
dem Dienste der ersteren in den Augen
der Fem ersteh enden den Anstrich einer
Kunst verlieh, gleichzeitig aber auch die
Führer veranlasste, der Wartmig ihrer
Locomotiven grössere Obsorge zu wid-
men, um diese Meinung zu rechtfertigen.
Die Mitwirkung der Locomotivführcr
in den Werkstätten hatte ihr Gutes, weil
sie den Führern ermöglichte, den Zu-
stand ihrer Locomotiven thatsächlich bis
in das kleinste Detail kennen zu lernen;
trotzdem erwies sich dieselbe in der
Folge als unzureichend, da der später
fast ausschliesslich dem Heizerstande
entnommene Füh remach wuchs, mangels
genügender Ausbildung im Schlosser-
handwerke, den Anforderungen nicht mehr
in jenem Masse nachzukommen vermochte,
als dies seitens der älteren Führer geschah.
Infolge letzteren Umstandes trat aber
auch die Nothwendigkeit einer eingehen-
deren Ueberwachung des Fahrdienstes
ein, die im Beginne der Fünfziger-Jahre
zur Aufstellung eigener Heizhaus-
leitungen führte.
6i4
Ottokar Kazda.
An die Spitze dieser wurden im
Maschinendienste erfahrene Beamte ge-
stellt, denen nebst der Regelung und
Ueberwachung des Fahrdienstes vor-
wiegend die Erhaltung der im Betriebe
stehenden Locomotiven und Wagen über-
tragen wurde. Dies war der erste
Schritt zu einer den Betriebs-Erfordemissen
Rechnung tragenden Ausgestaltung des
Zugförderungsdienstes.
Kurze Zeit darauf, nach dem Jahre
1855, geschah der zweite Schritt, indem
die bereits weiter ausgebildete Dienstes-
organisation der französischen Bahnen
in Oesterreich-Ungam zur Einführung
gelangte. Diese erforderte die Trennung
der Agenden des Zugförderungsdienstes
von jenem des Verkehrsdienstes imd die
^ Vereinigung des ersteren mit dem Werk-
stättendienste zu einem eigenen, ad-
ministrativ abgesonderten Ressort, dem
die bestehenden Heizhausleitungen und
Werkstätten sammt allenfalls eingescho-
benen Ueberwachungsstellen unterstellt
wurden.
Diese Organisation blieb, abgesehen
von einigen, seither eingetretenen, nicht
gerade wesentlichen Aenderungen, bis
auf den heutigen Tag in Kraft.
Mit der Loslösung des Zugförderungs-
dienstes aus dem Zusammenhange der
Betriebsleitungen beginnt dessen sach-
gemässe Ausgestaltung, und datirt auch
der Fortschritt in diesem Dienstzweige.
Entsprechende Einflussnahme auf die
Fahrweise und die Belastung der Züge
und damit auf den Aufbau des Fahr-
planes, führte zu einer rationelleren Aus-
nützung des Locomotivparkes und er-
möglichte, bei gleichzeitig erhöhter Be-
triebssicherheit dem in steter Steigung
begriffenen Verkehre mit den gegebenen
Mitteln Rechnung zu tragen.
Zwei Richtungen sind es vornehmlich,
nach denen dem Zugförderungsdienste
stets neue und grössere Anforderungen
erwuchsen: — schwerere Züge und
diese Züge schneller zu fordern. Dazu be-
durfte es vor Allem entsprechend leistungs-
fähiger Locomotiven, die zu fordern die
nächste Aufgabe des Zugförderungs-
dienstes sein musste.
In pflichtgemässer Ausübung dieser
Obliegenheit fiel es letzterem zu, anregend.
mitunter auch entscheidend auf den
Locomotivbau einzuwirken und so die
im praktischen Dienste erworbenen Er-
fahrungen einer entsprechenden . Ver-
werthung zuzuführen, woraus ihm die
Berechtigung erwuchs, einen Theil des
Erfolges auf dem Gebiete des Locomotiv-
baues für sich in Anspruch nehmen zu
dürfen.
Die Belastung der Züge, vordem
lediglich nach der Zugsgattung ohne
besondere Rücksicht auf die Profilirung
der einzelnen Theilstrecken normirt,
musste zum Zwecke besserer Ausnützung
der zur Verfügung stehenden Zugkräfte
den Streckenverhältnissen mehr ange-
passt werden; dies erforderte vor Allem
die Aufstellung detaillirterer Belastungs-
Bestiramungen, aus welchen zu Anfang
der Siebziger - Jahre auf Locomotiv-
leistung, Fahrgeschwindigkeit und Nei-
gungsverhältnissen fussende generelle Be-
lastungsnormen in Form von Anhängen
zu den Fahrordnungs- Büchern entstanden,
die, im Laufe der Zeit immer mehr und
mehr vervoUkommt, schliesslich zu einem
unentbehrlichen Dienstbehelf für die Exe-
cutivorgano^ wurden.
Zur Veranschaulichung der stetig zu-
nehmenden Belastung der personen-
führenden ZiXge dienen die nachfolgenden
Uebersichten der Zusammensetzung dieser
Zi\gG in den einzelnen Decennien. [Vgl.
Beilage I/IL]
Aber auch die Lastzüge, die in den
ersten Zeiten selten aus mehr als vierzig
Achsen bestanden, wurden von Jahr zu
Jahr länger und dementsprechend schwerer,
ja so schwer, dass schliesslich sogar die
Betriebssicherheit in Frage kam, und eine
Nörmirung der Maximal - Achsenanzahl
für die einzelnen Zugsgattungen nöthig
wurde. Gelegentlich des Zuwachses
von Strecken mit grösseren Steigungen
musste im Hinblick auf die zulässige In-
anspruchnahme der Zugvorrichtungen eine
weitere Abstufung der Belastung platz-
greifen, die jedoch zumeist nur dort fühl-
bar wird, wo zwei Locomotiven an der
Zugspitze zur Verwendung gelangen.
Was die Fahrzeit der ZiXge^ beziehungs-
weise deren Fahrgeschwindigkeit anbe-
langt, so war für die Bemessung dieser
zu Anbeginn lediglich die Leistungs-
Zugförderung.
615
fähigkeit der Locomotiven, beziehungs-
weise die Zugsgattung massgebend; in-
folge der wachsenden Zugkräfte traf das
Polizeigesetz für Eisenbahnen vom Jahre
1847 die Anordnung, »dass in Bezug auf
die Beförderungszeit keine grössere Fahr-
geschwindigkeit stattfinden dürfe, als eine
solche, mittels welcher ZiXge, die zur
Beförderung von Personen bestimmt sind,
eine Weglänge von 6 Meilen [46 km] in
der Stunde, und Züge, mit welchen blos
Lasten befördert werden sollen, eine
Weglänge von 4 Meilen [30 km] in der
Stunde zurücklegen«.
Diese Grenzen wurden durch die im
Jahre 1851 erschienene Eisenbahn-Be-
triebsordnung dahin erweitert, dass für
Personenzüge 7 Meilen [53 km] und
für Lastzüge 5 Meilen [38 km] in der
Stunde als Höchstgeschwindigkeit ge-
stattet wurden.
Doch auch dies erwies sich nur zu
bald als beengend; die Fortschritte in
der Construction des Oberbaues und im
Maschinenwesen ermöglichten die An-
wendung immer grösserer Geschwindig-
keiten, und führten zu einer Reihe ört-
licher Zugeständnisse seitens der Bahn-
Aufsichtsbehörden, so waren 1862 schon
Geschwindigkeiten von 10 Meilen [jGkm]
gestattet — die später in den Grund-
zügen der Vorschriften für den Verkehrs-
dienst auf Eisenbahnen vom Jahre 1876
insoferne Berücksichtigung fanden, dass
darin die erhöhte Maximalgeschwindig-
keit von 80 km in der Stunde für Per-
sonenzüge und 40 km> in der Stunde
für Lastzüge unter der Bedingung als
zulässig erkannt wurde, dass der Zu-
stand der Bahn, der Objecte und Fahr-
betriebsmittel die Anwendung dieser Ge-
schwindigkeit gestatte.
Doch auch da gab es kein Halt!
Denn im Jahre 1894 gelangten auf
einzelnen Strecken Schnellzüge mit Ge-
schwindigkeiten bis zu 90 km in der
Stunde zur Einleitung, was den Zeitpunkt
nicht gar so ferne erscheinen lässt, wo
diese Geschwindigkeit auf allen Haupt-
verkehrsrouten Anwendung finden wird,
zumal das Beispiel des Auslandes auf
die heimischen Bahnen in dieser Be-
ziehung nicht ohne Rückwirkung bleiben
dürfte.
Die Tendenz des schnelleren Fahrens
besteht aber nicht bei den personen-
führenden Zügen allein, auch die Last-
züge mussten im Laufe der Zeit be-
schleunigt werden, weil immer höhere An-
forderungen an diese gestellt werden, und
dringende Frachten, insbesondere Appro-
visionirungs-Artikel rascher verkehrende
Lastzüge erfordern und Concurrenzrück-
sichten den Wettbewerb rege erhalten.
Naturgemäss konnten die normirten
Höchstgeschwindigkeiten stets nur dort
zur Anwendung kommen, wo Strecken-
verhältnisse und Locomotivleistung dies
gestatteten ; daher ist es auch begreiflich,
dass auf ungünstiger profilirten Strecken
die mittlere Fahrdauer weit geringeren
als den angeführten Geschwindigkeiten
entspricht. Am annäherndsten kommen
diese in den die zulässige Minimai-
Fahrdauer von Haltepunkt zu Haltepunkt
festsetzenden sogenannten »kürzesten
Fahrzeiten« zum Ausdruck, die den
Fahrordnungen beigefügt werden.*)
Der zu Beginn der Sechziger-Jahre
gemachte Versuch, einzelne Züge ohne
Aufenthalt in den minderwichtigen
Unter wegs-Stationen und damit rascher
ihrem Ziele zuzuführen, konnte von Seite
des Zugförderungsdienstes nur begrüsst
werden, da hiedurch eine raschere Cir-
culation der Locomotiven und damit eine
bessere Ausnützung derselben zu erwarten
stand. Leider wurde die Institution der
Schnellzüge, deren Einführung schon in
den Fünfziger-Jahren versucht worden
war,*) vom reisenden Publicum nicht in
dem Masse gewürdigt, dass diese ein
in öconomischer Beziehung auch nur
halbwegs befriedigendes Resultat ge-
boten hätten. Die Bahnen sahen sich
infolgedessen örtlich sogar bemüssigt, den
ursprünglich täglichen Verkehr dieser
Züge auf einzelne Tage der Woche zu
beschränken, eine Massnahme, die dem
Zugförderungsdienste, der ungleichen In-
anspruchnahme wegen, nichts weniger als
gelegen kam. Erst zu Ende der Sechziger-
Jahre konnte der tägliche Verkehr dieser
ZWge wieder voll aufgenommen werden,
um in den folgenden Jahren sich zu dem
•) Näheres siehe Bd. III, G. Gerstel,
Mechanik des Zugsverkehrs, Seite 45 und 48.
6i6
Ottokar Kazda.
heutigen, so hoch entwickelten Schnell-
zugsverkehre auszubilden.
Aehnlich erging es dem fast zu
gleicher Zeit inaugurirten Transito-Güter-
zuosdienste ; vorerst nur ein vorüber-
gehendes Auskunftsmittel, um die zu
Anfang der Sechziger-Jahre der Ver-
frachtung harrenden Getreidemengen so
rasch als möglich ihren Bestimmungs-
orten zuzuführen, gelangte dieser Dienst
erst nach einer mehrjährigen Pause wieder
zur Geltung.
Anders liegen die Verhältnisse in
Bezug auf Geschwindigkeit bei den erst
seit dem Jahre 1880 entstandenen Local-
bahnen und bei den Secundärzügen der
Hauptbahnen, wo specielle Betriebs-
Erleichterungen hinsichtlich Signalisirung,
Streckenüberwachung und Ausrüstung
eine Restringirung der Fahrgeschwindig-
keit als zweckmässig erscheinen lassen,
die in der Normirung einer Höchst-
geschwindigkeit von im Maximum 30 ktn
in der Stunde zum Ausdruck kommt.
Noch geringere Geschwindigkeiten
müssen beim Zahnstangenbetriebe ein-
gehalten werden, bei welchen solche von
höchstens 15 km in der Stunde zur An-
wendung kommen dürfen.
So lange die Lastzüge der Haupt-
bahnen noch mit einer verhältnismässig
geringen Fahrgeschwindigkeit verkehrten,
bestand für den örtlichen Nachschiebe-
dienst keine besondere Fahrbestimmung;
die Zweckmässigkeit einer solchen erwies
sich erst später, als grössere Geschwindig-
keiten bei den Zügen zur Anwendung
kamen. Die Grundzüge für den Ver-
kehrsdienst aus dem Jahre 1876 enthalten
demzufolge bereits die Norm, dass mit
Nachschub verkehrende Züge keine
grössere Fahrgeschwindigkeit einhalten
dürfen, als 25 ktn in der Stunde. Dabei
stand es ausser Frage, dass ein Nach-
schub nur bei reinen Güterzügen ange-
wendet werde, bei personenführenden
Zügen aber im Falle unzureichender
Zugkraft lediglich eine Vorspannleistung
platzgreifen dürfe. In neuerer Zeit machten
es örtliche Verhältnisse nöthig, davon
abzusehen, und auch personenführende
Züge über Rampen mit Nachschub in
Verkehr zu setzen, womit im Zusammen-
hange die bisher gestattete Geschwindig-
keit eine Erhöhung auf 35 km in der
Stunde erfuhr.
Dabei ist noch zu erwähnen, dass der
Nachschiebedienst bis in das Jahr 1885
lediglich mit nicht angekuppelter Schiebe-
Locomotive bewerkstelligt wurde, denn
erst da wurde der Versuch gemacht, die
letztere an den Signalwagen anzukuppeln,
weil die sägeförmige Proiilirung der
betreffenden Strecke es rathsam er-
scheinen Hess, das immerhin mit Gefahr
verbundene Abwarten der auf dem Ge-
fälle nachfahrenden Nachschiebe- Locomo-
tive durch das Ankuppeln der letzteren
zu vermeiden..
Bei genügend starker Anlage und
entsprechender Erhaltung des Oberbaues
bot die freie Strecke dort, wo günstige
Neigungs- und Richtungsverhältnisse ob-
walten, niemals ein Hindernis für die
Anwendung der grösst zulässigen Ge-
schwindigkeiten.
Die Stationen aber, besonders deren
Weichenanlagen Hessen von allem An-
fange an die Anwendung grösserer Ge-
schwindigkeiten unthunlich erscheinen ;
sie waren der Anlass zu Beschränkungen,
die sich jedoch erst dann fühlbar machten,
als die Stationen ohne Aufenthalt durch-
fahren werden sollten, denn bis dahin
wurde mit der naturgemäss eintretenden
Geschwindigkeits-Ermässigung beim An-
halten, beziehungsweise mit der Verzöge-
rung beim Ingangsetzen der ZiXgQ das
Auslangen gefunden. In erster Linie be-
treffen diese Beschränkungen das Befahren
der Weichen gegen die Spitze, für das
man im günstigsten Falle nur eine Ge-
schwindigkeit von 30 kfft in der Stunde
gestattet wissen wollte. Mit der seither
eingetretenen Versicherung der Weichen
konnte diese Bestimmung eine Weiterung
erfahren, die in der Folge dadurch zum
Ausdruck kam, dass die Höchstgeschwin-
digkeit für die Fahrt gegen die Spitze
bei günstig situirten und versicherten
Weichen mit 50 km in der Stunde nor-
mirt wurde.
Für den Dienst in der Station, die
Zusammenstellung und Auflösung der
ZWgG^ Wagen-Beistellung und Abgabe
kommt die Beschränkung der Geschwin-
digkeit für die Fahrt über Weichen nicht
so in Betracht, da für alle diese Ver-
Uebersicht der Zusammensei
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Zugförderung:.
617
Schub- Manipulationen nur Geschwindig-
keiten zur Anwendung kommen dürfen,
die dem dabei betheiligten Personale es
ermöglichen, den verschiebenden Zugs-
theilen nebenher zu folgen. Lauf- und
Schnellschritt waren die landläufigen
Begriffe für das Mass der Vor- und
Rückwärtsbewegungen, dem auch die
später instructionsmässig vorgeschriebenen
Geschwindigkeiten von 15 km in der
Stunde für gezogene und 10 hn in der
Stunde für geschobene Zugstheile ent-
sprachen. Diese Geschwindigkeiten finden
auch bei der Verschub-Manipulation auf
den neueren Anlagen, Gruppen- und
Abrollgeleisen Anwendung, weil nicht so
sehr eine Erhöhung der Geschwindigkeit
als vielmehr die rationellere Vertheilung
und Gruppirung der Wagen nach Rich-
tung und Bestimmung das angestrebte
Ziel, die Verschiebungen rascher und
geordneter zu vollziehen, erreichen machen.
Für die einzuhaltende Geschwindig-
keit ist aber auch die Construction
der Fahrbetriebsmittel, insbesonders die
der Locomotiven von massgebendstem
Einflüsse; infolgedessen erwuchs dem
Zugförderungsdienste die Aufgabe, darauf
zu sehen, dass der Fahrplan mit den zur
Verfügung stehenden Locomotiven stets
in Einklang gebracht und die Disposition
so getroffen werde, dass für die Fort-
schaffung der Züge ihrer Geschwindig-
keit entsprechende Locomotiven verwendet
werden.
Ein in seinen Folgen glücklicherweise
nicht erheblicher Vorfall im Jahre 1881
führte dahin, dass durch Aufstellung
kürzester Fahrzeiten für jede ein-
zelne Locomotivtype unzulässigen
Geschwindigkeiten für die Zukunft vor-
gebeugt wurde. Den gleichen Zweck ver-
ifolgt auch die seit dem Jahre 1890 be-
stehende Anordnung der Aufsichtsbehörde,
dass jede Locomotive an der Innenwand
des Führerschutzhauses eine Tafel zu
tragen habe, auf welcher die im Hinblick
auf die Construction der betreffenden
Locomotive gestattete Maximalgeschwin-
digkeit ersichtlich gemacht ist.
Die Herabminderung der Geschwin-
digkeit der Züge^ sei es auf Gefällen, I
bei Annäherung an Stationen oder in
Gefahrsmomenten und dergleichen mehr, 1
wurde von allem Anfange an mittels
Bremsvorrichtungen angestrebt, zu deren
ältesten wohl die Handbremse gehört. Der
beträchtliche Zeitaufwand zwischen Im-
puls und Wirkung bringt es bei dieser
Art von Bremsung mit sich, dass der
Auslauf der ZWge^ Zeit und Weg in
Rechnung gezogen, ein beträchtlicher ist,
und früher mitunter ein noch erheblicherer
war, weil die Bremsenbesetzung nicht
nach der Geschwindigkeit, sondern nach
der Gattung der ZiXgQ erfolgte.
Eine ganze Reihe von Constructionen,
speciell bei Wagen, sollte in Bezug auf
Bremsung eine Besserung der Verhält-
nisse herbeiführen, doch kam die Mehr-
zahl tlieser Neuerungen nicht über das
Versuchsstadium hinaus. Constructiv rich-
tigere Anordnung des Bremsgestänges und
Ersatz der ursprünglich hölzernen Brems-
klötze durch eiserne dürften die dauernd-
sten Errungenschaften dieser Epoche sein.
Auch die um das Jahr 1 867 in Oester-
reich-Ungam örtlich eingeführte, durch
Gegendampf in den Cylindem wirkende
Dampf bremse von Lechatelier konnte
infolge des ümstandes, dass sich ihre
Wirkung lediglich auf die Locomotive
erstreckte, deren Triebwerk überdies sehr
in Mitleidenschaft gezogen wurde, keine
grössere Ausbreitung finden.*)
Erst mit dem Inslebentreten den unter
der Bezeichnung Vacuumbremse be-
kannten, von J. H a r d y verbesserten
Smith'schen Luftsaugbremse, deren Einfüh-
rung in Oesterreich- Ungarn zu Ende der
Siebziger-Jahre erfolgte, änderte sich die
Sachlage; diese die Locomotive und den
Wagenzug umspannende Bremsvorrich-
tung ermöglicht es dem Locomotivführer,
ohne Mithilfe des Zugbegleitungs-Perso-
nales, vom Führerstande aus, die Fahr-
geschwindigkeit des Zuges vollends zu
regeln und dies war auch die Veran-
lassung, dass in verhältnismässig kurzer
Zeit alle schneller verkehrenden Züge auf
den österreichischen Bahnen mit dieser
Bremse ausgerüstet wurden. Neuester
Zeit gelangt auch Hardy's automatische
Vacuumbremse zur Einführung, bei
welcher sich dem früher erwähnten Vor-
*) Vgl. Bd. II, K. Gölsdorf, Locomotiv-
bau, Seite 453 und 458.
6i8
Ottokar Kazda.
theile selbstthätiges Ingangsetzen der
Bremse bei Zugstrennungen hinzugesellt.
In Ungarn wurde nach kurzem
Schwanken der automatisch wirkenden
Luftdruckbremse nach System W e s t i n g-
house der Vorzug gegeben, was zur
Folge hatte, dass auch auf den öster-
reichischen Anschluss-Strecken dies Brems-
system zur Einführung gelangte.
Der Hauptvortheil beider Brems-
systeme, sowohl Hardy als Westinghouse,
liegt darin, dass die volle Bremswirkung
durch einen Handgriff erzeugt werden
kann, was insbesonders bei Unfällen aus-
schlaggebend ist. fB»
Die stete Er- | \f
höhung der Zugs-
geschwindigkeiten
brachte es mit sich,
dass mit dem früher
bestandenen Prin-
cipe, das Brems-
ausmass nach der
Zugsgattung in An-
wendung zu brin-
gen, gebrochen
werden musste. An
Stelle dieses ge-
langt seit mehre-
ren Jahren ein auf
Grund der Fahrge-
schwindigkeit auf-
gebautes Brems-
ausmass zur Anwendung, das dem Ge-
bote der Betriebssicherheit jedenfalls in
entsprechenderer Weise Rechnung
tragen vermag
Abb. 394.
ein mit der Sig^alisirung und den sonsti-
gen Betriebs-Einrichtungen der Strecke
vertrautes Organ als Tenderwache aufge-
stellt wurde, das dem durch die Wartung
der Locomotive von der Streckenüber-
wachung abgelenkten Locomotivführer
alle die Fahrbarkeit der vorliegenden
Strecke betreffenden Wahrnehmungen zur
Kenntnis zu bringen hatte.
Mit der Anwendung der Elektricität
im Eisenbahnbetriebe, insbesonders aber
mit dem Inslebentreten des elektrischen
Telegraphen und der Glockenschlag-
werke gewann der Betriebsdienst auf
den damit einge-
richteten Linien so
an Sicherheit, dass
das Locomotiv-
Personale von der
eigentlichen Stre-
ckenüberwachung,
im Hinblick auf den
Umstand, dass die
Fahrt in verläss-
licher Weise avi-
sirt, das Stations-
und Streckenper-
sonale am Platze
ist, mehr oder weni-
ger enthoben wer-
den konnte, eine Er-
leichterung, die bei
den meisten Bahnen
Anordnung^ der Apparate bei einer Locomotive
älterer Type.
zu
Die Betriebssicherheit erfordert vor
Allem eine freie Fahrbahn, weshalb das
Locomotiv-Personale, insbesonders die
Locomotivführer auch verpflichtet werden
mussten, sich durch Ausblick nach den
Signalen und auf die Strecke die Ge-
wissheit zu verschaffen, dass der Fahrt
kein Hindernis entgegensteht. In den ersten
Zeiten, wo lediglich optisch fortgepflanzte
Signale in Verwendung standen, erforderte
diese Streckenüberwachung weit inten-
sivere Aufmerksamkeit seitens des Loco-
motiv-Personales als in der Folge, so
zwar, dass für den Fall eigens vorgesorgt
werden musste, wenn eine Locomotive
in verkehrter Stellung in Verwendung
kommen sollte. Dies bestand darin, dass
den Entfall der Tenderwachezur Folge hatte.
Das Schwergewicht wurde mehr auf
die Signale übertragen, denen mit der
Zeit eine immer grössere Bedeutung zu-
kam als früher, wo das Signalwesen noch
in der primitivsten Weise gehandhabt
wurde. In maschineller Hinsicht besser,
in neuerer Zeit sogar in Abhängigkeit
von den Fahrstrassen angeordnet, bieten
die Signale, ganz besonders in Strecken,
die für das Fahren in Raumdistanz einge-
richtet sind, heute thatsächlich das Mittel
für jene Verständigung zwischen Strecke
und Zug, die eine ünerlässliche Vorbe-
dingung der Betriebssicherheit ist.
Wie hoch diese zu schätzen ist,
empfindet wohl Niemand mehr als das
zum Dienste auf der Locomotive be-
rufene Personale, das, der ihm zufallenden
Verantwortung bewusst, oft in tief-
dunkler Nacht mit dem Zusfe dahin-
Zugförderung.
619
jagend, in den Signalen das einzige
Mittel zur Orientirung sucht und fin-
den muss. Dabei blieb es bis in das
letzte Decennium hinein ganz der sub-
jectiven Beurtheilung des Locomotiv-
führers überlassen, an der Hand der
Uhr oder sonstiger Anhaltspunkte, wie
Schienenstösse, Telegraphensäulen etc.
das Mass für die jeweils einzuhaltende
Geschwindigkeit zu finden. Der wieder-
holt unternommene Versuch, dem Führer
mittels eigener Apparate Kenntnis über
die angewendete Geschwindigkeit zu
geben, hat zur An-
bringung von Ge-
schwindigkeits-
messern geführt.
Am meisten Ver-
breitung fand
hierzulande noch
ein von Haushäl-
ter construirter
Apparat, der
durch Ausschlag
und Markirung
die gefahrene Ge-
schwindigkeit an-
zugeben vermag.
Um Geschwin-
digkeits-Ueber-
schreitungen, na-
mentlich in un-
günstiger profilir-
ten Strecken hintanzuhalten, wurde seitens
der Bahnen von früher Zeit an strenge
Ueberwachung in dieser Hinsicht ge-
pflogen; doch musste sich dies zumeist
auf eine Begleitung der Züge durch er-
fahrene Organe beschränken. Neuerer
Zeit geht man daran, durch Anbringung
eigener Contactapparate zur Registrirung
der Zugsgeschwindigkeiten, in grösseren
Gefällen eine genauere Controle zu
schaffen.
So zweckentsprechend all diese Appa-
rate auch sind, so ändern sie doch nichts
an der Thatsache, dass die Förderung
der Züge und damit Leben und Gut
vieler Menschen einzig und allein in
den Händen des betreffenden Locomotiv-
führers ruht. Demzufolge musste es auch
eine der ersten Aufgaben des seit dem
Jahre 1855 neuorganisirten Zugförderungs-
dienstes abgeben, die fachliche Aus-
Abb. 395.
bildung der nachwachsenden Locomotiv-
führer auf jenes Niveau zu heben, das
eine sichere Gewähr für den anstands-
losen Betrieb bietet.
Vor Allem wurden die Locomotiv-
führer von der Begleitung ihrer reparatur-
bedürftigen Locomotiven entbunden und
durch entsprechende Zutheilung von
Ersatz-Locomotiven ihrem eigentlichen
Berufe, dem Fahrdienste, erhalten. So-
dann wurde der zum Theile auf einer
Ueberschätzung der Feuerungs-Manipu-
lation beruhende, zum Theile aber auch auf
eine übelverstan-
dene Oeconomie
zurückzuführende
Vorgang, die Lo-
comotivführer
dem Heizerstande
zu entnehmen,
zumeist eingestellt
und so der bereits
fühlbar geworde-
nen Unzulänglich-
keit des Nach-
wuchses vorge-
beugt,weiters aber
auch die Vorsorge
getroffen, dass den
dem Stande der
gelernten
Schlosser nun-
mehr entnomme-
nen Führerlehrlingen die erforderliche
Ausbildung in der Wartung und Führung
der Locomotive in vollem Masse zutheil
werde. Zu diesem Zwecke wurden in der
zweiten Hälfte der Sechziger-Jahre örtlich
sogar Aneiferungsprämien für das mit der
Schulung, der Lehrlinge betraute Führer-
personale ausgeworfen, die dieses an den
Erfolgen mitinteressiren sollten.
Auch den Heizern trachtete man vor-
wegs jene Anleitung zu bieten, die sie
befähigte, die Locomotivführer in der
Wartung der Locomotiven zu unter-
stützen und sie in den Stand setzte, den
ihnen zukommenden Verrichtungen ge-
recht zu werden.
Steter Contact mit dem Personale
ermöglichte den nunmehr sachkundigen
Ueberwachungsorganen sich ein klares
Bild über die Leistungsfähigkeit und
Verlässlichkeit jedes Einzelnen zu bilden
Anordnung der Apparate bei einer Locomotive
neuerer Type.
620
Ottokar Kazda.
und dessen Verwendung letzterem ent-
sprechend anzupassen.
Die fortschreitende Entwicklung des
Verkehrs, die Vervollkommnung der
Betriebseinrichtungen, nicht zumindest
die von Jahr zu Jahr zuwachsenden Ver-
besserungen und Neuerungen an den
Locomotiven erfordern stets neuerliche
Schulung des Personales und bedingen,
dass dieses sich jene manuelle Fertig-
keit in der Handhabung der Apparate
aneigne, die ein wichtiges Erfordernis
für die correcte Ausübung des Dienstes
bildet.
Insbesonders gilt dies für die Loco-
motiven moderner Bauart mit ihrem
Labyrinthe von Handgriffen, deren jeder
benützt, mitunter zu bestimmter Zeit
bethätigt werden soll, eine Aufgabe,
welche bei der zunehmenden Fahr-
geschwindigkeit der ZiXge nicht zu unter-
schätzende Anforderungen an die In-
telligenz und Thatkraft der Locomotiv-
führer stellt. Gegen einst ist durch eine
handsamere Ausgestaltung der einzelnen
Apparate, eventuell durch deren Anord-
nung für selbstthätiges Functioniren wohl
eine Entlastung des Personales einge-
treten, doch hat diese der Zuwachs der
neuen Apparate zum grössten Theile
wieder aufgewogen, wenn nicht überholt,
so dass der Dienst eines Locomotiv-
führers nach wie vor seinen ganzen
Mann erfordert. [Abb. 394 und 395.]
Aber nicht in der Handhabung der
vermehrten Apparate allein ist die er-
höhte Inanspruchnahme des Locomotiv-
führers zu suchen, diese wird auch
durch die umfangreichere Wartung der
Locomotive, durch deren Untersuchung
in Bezug auf betriebssicheren Zustand
sowie durch die complicirteren Instand-
haltungs-Arbeiten an denselben bedingt,
die von Jahr zur Jahr mehr Sachkenntnis
und Aufmerksamkeit erfordern.
Zu Beginn der Siebziger-Jahre gin-
gen einzelne Bahnen daran, das Auf-
finden betriebsgefährlicher Gebrechen an
Locomotiven und Tendern, ja auch
Wagen, zu prämiiren, um das Personale
zu einer eingehenderen Untersuchung
der Fahrbelriebsmittel anzueifern.
Den gleichen Zweck verfolgte auch
die auf anderer Seite eingeführte Betriebs-
prämie für länger andauernde anstands-
lose Dienstleistung, die einer besonderen
Entlohnung des Personales für die sorg-
fältige Wartung der Locomotiven gleich-
kommt.
Die vereinzelt in Anwendung gebrachte
Erhaltungsprämie sollte im selben Sinne
wirken, doch war das öconomische Mo-
ment dieser Prämie so vorherrschend,
dass sie in vorstehender Beziehung keinen
nennenswerthen Erfolg aufzuweisen ver-
mochte. Diese Prämie verblieb deshalb
auch nur verhältnismässig kurze Zeit in
Kraft, während die beiden ersterwähnten
Prämien auch heutigen Tages noch zur
Auszahlung gelangen.
Ursprünglich waren jedem Locomotiv-
führer zur Besorgung des Kesselbetriebes
nicht minder auch zu seiner Unter-
stützung in der Wartung der Locomotive
zwei Heizer zugewiesen. Mit dem Entfall
der zeitraubenden Schlichtung und Vor-
richtung der Gokes- und Holzvorräthe auf
dem Tender beim Uebergange zur Koh-
lenfeuerung um das' Ende der Sechziger-
Jahre konnte infolge der verringerten
Manipulation ein Heizer abgezogen wer-
den. Die seither einem Heizer allein zu-
fallende Beschickung der mitunter ganz
bedeutende Dimensionen aufweisenden
Rostfiächen, das Nachspeisen der Kessel,
das Reinigen^und Putzen der Locomotiven
nebst all den anderen kleineren Verrich-
tungen stellen Anforderungen an diesen,
namentlich in physischer Beziehung, die
zu dem Ausspruche berechtigen, dass
der Heizerdienst zu den schwersten Er-
werbszweigen gehört. Der Umstand,
dass die Heizer ihre Locomotivführer
auch in der Wartung der Locomotiven
zu unterstützen haben, lässt es, beson-
ders bei den modernen Locomotiven,
erwünscht erscheinen, dass auch die
Heizer fachliche Kenntnisse im Schlosser-
handwerke besitzen, womöglich gelernte
Schlosser seien; man geht demzufolge
in neuerer Zeit immer mehr daran, die
Locomotiven mit zwei Führern zu be-
setzen, von denen der jüngere den Dienst
des Heizers zu versehen hat und erst
nach längerer Verw^endung als solcher
die Führerlaufbahn betreten kann.
Führer und Heizer, zu den ver-
schiedensten Tag- und Nachtstunden, bei
jeder Witterung, in jeder Jahreszeit zum j
Dienst auf der Locomotive berufen, haben
es redlich verdient, dass die Bahnen
gelegentlich des Baues neuer Locomotiven
auch auf die Bedürfnisse, das leibliche
Wohl dieses Personals Bedacht nahmen
und mit der Zeit Schutzvorrichtungen
anbrachten, die das Verweilen auf der
Locomotive erträglicher gestalteten.
Von dem Grundsatze ausgehend, dass
das Locomotiv- Personale in der Strecken-
Überwachung durch nichts behindert sein
da die Verwendung schätzender Um-
hüllungen ihre Grenze haben musste,
wenn die zur Ausübung des Dienstes
nöthige Beweghchkeit darunter nicht
leiden sollte, und so kam es, dass der
Dienst auf der Locomotive zu Zeiten ins
Masslose erschwert war.
Den ersten Anlass zu einer Besserung
dieser Verhältnisse bot wohl der Umstand,
dass auch die Armatur der Kessel bei
den älteren Locomotiven unter dem
directen Anprall von Wind und Wetter
Abb. iga. Schnccpnue. [Kac
dürfe, waren die Locomotiven aus ersterer
Zeit, wie in der Geschichte des Locomoliv-
baues des Näheren ausgeführt erscheint,*)
nur mit Plattformen versehen, die mit-
unter nicht einmal verschalte Geländer
aufzuweisen hatten, so dass das Perso-
nale auf der Locomotive schutzlos den
Witterungsunbilden ausgesetzt war. Am
schlechtesten erging es wohl den unbe-
deckten Gesichtstheilen im Winter, wo
selbe nicht selten von der Gefahr des
Erfrierens bedroht waren ; aber auch die
bedeckten KörpertheÜe hatten nicht wenig
unter dem Einflüsse der Kälte zu leiden,
:z OclgiDi
L. Slempf]
•) Vgl. Bd. II, K. Gölsdorf, Locomotiv
bau, Seite 446 und 447.
zu leiden hatte, der Gefahr des Versagens
ausgesetzt war. Um dem abzuhelfen,
wurden Schirme über dem Stehkessel
angebracht, die später, in immer grösse-
ren Dimensionen ausgeführt, auch dem
Personale etwas Schutz zu bieten ver-
mochten. Nun erst, als man den Werth
dieser sogenannten Brillen kennen ge-
lernt, die Befürchtungen in Bezug auf
Behinderung der Femsicht durch die
Praxis widerlegt sah, ging man daran,
Oberdeckte Schutzhäuser über dem Führer-
stande aufzuführen, die nach vom und
nach der Seite genügend Ausblick ge-
währten. Mit der Zeit zweckmässiger
und geräumiger angeordnet, seithch mit
Ketten, Vorlegblechen oder Thüren ver-
622
Ottokar Kazda.
sichert und abgeschlossen, mitunter auch
mit Ventilationsklappen im Dache ver-
sehen, bieten diese Schutzhäuser auf den
neueren Locomotiven dem Personale einen
Aufenthaltsort, der dasselbe in die Lage
setzt, seinen Dienst es Verrichtungen unter
weit günstigeren Verhältnissen als früher
nachzukommen. In neuester Zeit werden
die Schutzhäuser auch mit Sitzen ver-
sehen, die dem Personale ein Ausruhen
in dienstfreier Zeit ermöglichen sollen.
Am fühlbarsten werden diese ge-
besserten Verhältnisse wohl bei Schnee-
pflugs-Fahrten, die in früheren Zeiten,
wo die Führerstände der Locomotiven
keinen oder doch nur unzulänglichen
Schutz hatten, oft mit unsäglichen Leiden
verbunden waren.
Zu derlei Fahrten benützte man, ab-
^ gesehen von den im ersten Beginne der
Eisenbahnen an den Locomotiven ange-
brachten pflugscharähnlichen Schnee-
räumern, in älterer Zeit vorwiegend
Schneepflüge von ungefähr i"5 w Höhe,
die, auf eigenen Rädern laufend, vor die
Locomotive gestellt wurden.*) Der Um-
stand, dass das Angriff^smoment dieser
Schneepflüge ein zu grosses, die Leistung
hingegen eine geringe war, führte dazu,
die Schneepflüge grösser und mit wind-
schiefen Flächen und schärferer Schneide
auszuführen, um sie leistungsfähiger zu
machen. Solche, oft Höhen von 2*8 m auf-
weisende Schneepflüge [Abb. 396] blieben
lange Zeit nahezu ausschliesslich in Ver-
wendung, zumal sie bei Wehen bis i*om
Schneelage noch gute Arbeit verrichteten.
Der Umstand, dass ein vorausgeschobener
Schneepflug bei stärkerem seitlichem
Schneedrucke zur Entgleisung neigt, das
unmittelbare Voraussenden eines Schnee-
pfluges immerhin eine Gefährdung für
den nachfolgenden Zug in sich birgt,
die nur durch besondere Aufmerksamkeit
vermieden werden kann, war Veranlassung,
dass einige der Bahnen in neuerer Zeit
daran gingen, das Wegräumen des
Schnees auf reger befahrenen oder dem
Verwehen weniger ausgesetzten Strecken
durch die Zugslocomotiven besorgen zu
lassen, die zu diesem Zwecke mit an
der Brust anmontirbaren Schneepflügen
oder Schneepflug-Scharen versehen wur-
den, mittels welcher die in den jeweiligen
Zugsintervallen zugewachsenen Schnee-
lagen aus dem Geleise entfernt werden
können.
Infolgedessen hat auch die Zahl der
auf eigenen Rädern laufenden Schnee-
pflüge in letzterer Zeit keinen nennens-
werthen Zuwachs aufzuweisen, zumal
die Ansicht Raum gewinnt, dass durch
feststehende Schneeschutz- Vorrichtungen,
wie Hürden, Planken, Coulissen etc., für
die Sicherung des Verkehrs rationeller
vorgesorgt werden kann, als dies mittels
der Schneepflugarbeit der Fall ist.
In den ersten Zeiten wurde das für
die Dampfproduction nöthige Wasser-
quantum den Locomotivkesseln mittels
eigener Speisepumpen zugeführt, die
solange functionirten, als die Locomotive
in Bewegung war. Um den Kesselbetrieb
aber auch während des Stillstandes der
Locomotiven aufrecht erhalten zu können,
ging man zu Ende der Vierziger-Jahre
bereits daran, die Locomotiven überdies
noch mit Handpumpen zu versehen, welch
letztere dann gegen Ende der Fünfziger-
Jahre durch Dampfpumpeii ersetzt wurden,
deren Betriebskraft man den Locomotiv-
kesseln entnahm. Jede dieser Pumpen
war im Stande, die zum Vollbetriebe
erforderliche Wassermenge dem Loco-
motivkessel zuzuführen. Die Regulirung
der Pumpen, beziehungsweise der Wasser-
zufuhr in den Kessel hatten eigene Vor-
richtungen zu bewirken, denen sich bei
den meisten Locomotiven auch solche
für das Vorwärmen des Speisewassers
zugesellten.
Ende der Sechziger-Jahre wurden die
Pumpen durch den Injector verdrängt,
der weoren der Einfachheit seines Be-
triebes bald allgemein zur Einführung
gelangte:*) Leichte Handhabung und ver-
lässliches Functioniren sicherten diesen
Dampfstrahl-Apparaten bald eine domi-
nirende Stellung, umsomehr als es ge-
lungen war, dieselben für die Zufuhr
auch höher temperirten Wassers geeignet
herzustellen.
♦) Vgl. Bd. 11, J. V. Ow, Wa^enbau,
Seite 543 und ff.
*) Vgl. Bd. II, K. Gölsdorf, Locomotiv-
bau, Seite 451 und ff.
623
Das zum Locomotivbetrieb erforder-
liche Nutzwasser musste früher sowie
heute, den Fall nattlrhchen Zuflusses aus-
genommen, durch eigene WasserfÖrder-
An lagen beschafft werden. Anfänglich
waren dies zumeist für Handbetrieb ein-
gerichtete Pumpwerke, doch begegnete
man schon damals vereinzelt auch mit
Anlagen, speciell die Handpumpen, durch
neuere ersetzt, zu denen unter Anderem
auch die sehr verbreiteten Pu Isometer
gehören.
Das anfänglich der geringeren Wider-
stände wegen eingehaltene Princip, Schöpf-
werk und Reservoir im selben Baue
unterzubringen, wurde zu Beginn der
Dampf arbeitenden derlei Anlagen, wenn
auch primitivster Construction. Der Fort-
schritt in diesem Zwciye dus Maschinen-
baues brachte es mit sich, dass die in
spätcrt;r Zeit zuwachsenden Bahnlinien
mit stets moderneren Tvpen ausgeTüstet
wurden, da sieh die Hahnen die Vortheile
deren griisscrer Leistunj^sfähij^keit nicht
ent[;ehen lassen wollten. Des letzteren
Unisiandcs wetzen wurden auch die mit
der Zeit unzulänglich gewordenen älteren
Siebziger-Jahre fallen gelassen; man ent-
schloss sich, das Erstere selbst nach einer
mehr abseits gelegenen Stelle zu ver-
legen, wenn hiedurch günstigere Wasser-
verhältnisse ausgenützt werden konnten.
Massgebend hiefür war die Erkenntnis,
dass ein Speisewasscr von entsprechender
Qualität sein müsse, wenn Oeconomie
im Betriebe erzielt werden soll. Dies
war auch Veranlassung, dass man den
Betrieb einzelner älterer Anlagen, ins-
624
Ottokar Kazda.
besondere dort, wo die immer grösser
werdenden Tenderfassungsräume der
neueren Locomotiven diese Massnahme
unterstützten, gänzlich aufliess oder doch
thunlichst beschränkte.
Eingehende Analysen der Speise-
wässer trugen dazu bei, dass man durch
Aufstellung eigener Wasserreinigungs-
Apparate die Qualität des Wassers zu
bessern suchte. In neuester Zeit schritt
man sogar zur Vornahme von Tief-
bohrungen, um besseres Wasser führende
Schichten aufzuschliessen, wobei den
Compressoranlagen die Rolle zufällt, das
Heben des Wassers zu unterstützen.
An Stelle der ursprünglich ge-
mauerten oder aus Gusseisen erzeugten
Reservoirs traten in späterer Zeit, des
geringeren Eigengewichtes wegen, vor-
wiegend solche aus Schmiedeeisen, die
man behufs Erzielung eines entsprechen-
den Betriebsdruckes höher als früher zu
stellen trachtet.
Die Rohrleitungen von den Reservoirs
zu den die Verausgabung des Wassers
an die Locomotiven ermöglichenden Aus-
lauföffnungen waren in den älteren Zeiten
durch eingefügte. Drosselklappen absperr-
bar eingerichtet ; letztere mussten jedoch
zwecks besseren Abschlusses der Leitung
in der Folge fast durchgehends Schieber-
ventilen Platz machen.
Das Wasser an die Locomotiven oder
deren Tender abzugeben, fand seit jeher
mittels Wasserkrahnen statt, die von
allem Anfang an, nahezu ausnahmslos,
nach dem System der Säulenkrahne gebaut
waren. Zu I3eginn mit mehr decorativ aus-
gestalteten Steigrohren und wagrecht aus-
ladenden Querarmen versehen, erforderten
sie zu ihrer Benützung Schlauchenden,
die das Füllen der Tenderwannen zu
ermöglichen hatten. Der Querarm war
drehbar eingerichtet und konnte mittels
Kette in die Füllstellung gebracht werden,
worauf nach dem Lüften eines am Kopfe
oder Fusse des Krahnes befindlichen
Ventiles der Wasserausfluss eintrat. Die
erste nothwendig werdende Aenderung
bestand in einem Heben der Krahn-
AusflussöfTnung, bedingt durch die Höher-
situirung der FüllöfFnungen bei den neueren
Tendern, dem erst die Normalisirung der
hier in Frage kommenden Grössenverhält-
nisse durch die technischen Vereinbarungen
des Vereins deutscher Bahnverwaltungen
über Bau und Betrieb der Bahnen ein
Ziel setzte. [Abb. 397.]
Die alte Krahntype erforderte wegen
der im Steigrohre nach dem Abschlüsse
des Krahnventils verbleibenden Wasser-
säule beständig Vorkehrungen für den
Winter, um das Einfrieren des Krahnes
hintanzuhalten. Das gebräuchlichste Mittel
war, die Krahne mit schlechten Wärme-
leitern, wie Hanf- oder Strohseile, zu
umhüllen, doch bot dies niemals eine
Gewähr für den anstandslosen Betrieb,
wie das immer wiederkehrende Versagen
der Krahne leider nur zu oft bewies.
Um diesem Anstände vorzubeugen,
versuchte man vorerst die Wasser krahne
heizbar einzurichten, sah sich jedoch
Kosten halber bald veranlasst, hievon
wieder abzugehen.
Der nächste Schritt war, für eine ent-
sprechende Krahn-Entleerungsvorrichtung
vorzusorgen ; am rationellsten erscheint
dies bei der sogenannten Oldenburger
Krahntype gelöst, die mit ihrer selbst-
thätigen Entleerungsvorrichtung und das
Lichtraumprofil wenig beengenden Form
bis auf den heutigen Tag das Feld behaup-
tet, und nach der sogar eine grosse Anzahl
älterer Typen umgestaltet wurde. [Abb. 398.]
Die Erhaltung der Wasserförderungs-
Anlagen war ursprünglich eigenen Maschi-
nisten anvertraut, die zu diesem Zwecke
die Wasserstationen des ihnen zuge-
wiesenen Bereiches zu bereisen und all-
fällige Mängel zu beheben hatten. Mit
der Creirung der Heizhausleitungen ging
die Obsorge für diese Anlagen gleichfalls
an letztere über, die nun auch der Schulung
des -beim Dampfpumpenbetriebe verwen-
detenWärterpersonales das nöthige Augen-
merk zuwenden konnten. Die bei den
Wasserheb-Anlagen örtlich eingeführten
Ersparungs-Prämien verfolgen gleichfalls
den Zw^eck, das betheiligte Personale zu
einer möglichst öconomischen Gebarung
anzueifern. [Abb. 399.]
Bei den Locomotiven der ersten
Periode wurde, gleichwie bei ihren
englischen Vorbildern, ausschliesslich
Coke als Brennmaterial verwendet,
dessen Erzeugung • die Bahnen aus Öco-
nomischen Gründen zumeist in eigener
625
Regie besorgten.*} Der nahezu unberührte
Waldbestand der von den Bahnen durch-
zogenen Gegenden liess es angezeigt er-
scheinen, diesen den Bedarf an Brennstoff
zu entnehmen und das Holz zur Loco-
motivfeuerung heranzuziehen. Die Hoff-
nung, dauernd aus diesem stets sich er-
neuernden Vorrathe der Natur schöpfen
zu können, erwies sich infolge des rapid
fortschreitenden Lichtens der Wälder als
trügerisch, so dass mit dem Versiegen
dieser Quellen neuerdings die Kohlen-
lager für Locomotiv- Feuerungszwecke in
Anspruch genommen werden mussten,
nur waren es
diesmal be-
reits Rohpro-
ducte, die den
Ersatz für das
Holz zu he-
fern hatten.
Die Er-
schliessung
neu erKohl eu-
re viere und
deren Einbe-
ziehung in das
sich erwei-
ternde Bahn-
netz ermög-
lichten, der erhöhten Nachfrage ein durch
intensivere Kohlenproduction ermässigtes
Angebot gegenüberzuhalten und den Bah-
nen ihren Bedarf an Grubenerzeugnissen
für Betriebszwecke in öconomischer Weise
zu decken. Durch den steigenden Ertrag
der Kohlengruben angeregt, schritten
einzelne Bahn Verwaltungen sogar an den
Erwerb solcher, um sich, abgesehen
all fällig damit verbundenen kauf-
K». Locomotlvs
abgesehen, nur seine Verwendung als
Anheizmaterial, und da sind es vor-
wiegend Prügelholz und Abfälle, wie
Säumlinge, Latten etc., welche für die
Locomotiven zur Verausgabung gelangen.
Selbst dort, wo ausreichender Waldbestand
die Benützung von Holz zur Strecken-
feuerung noch rationell erscheinen lässt,
wie dies auf neueren, zumeist abseits
liegende Gegenden erschliessendenBahnen
auch heute noch der Fall ist, kann der
Uebergang zur Kohlenfeuerung nur eine
Frage der Zeit sein.
An den Zugförderungsdienst trat die
Aufgabe her-
an,denWerth
der einzelnen
Kohlengat-
tungen in Be-
zug auf
Dampfpro-
ductton und
sonstigesVer-
halten beim
Locomotiv-
betriebe fest-
zustellen, die
richtige Aus-
..rt,.unB. «ahl der Be-
zugsquellen
zu treffen und die Dotirung der D6pöts zu
regeln. Mit der Ausbrei tungdes Bahnnetzes,
der Eröffnung neuer Transportwege wurde
der ursprüngliche Bannkreis der einzelnen
Kohlenreviere gebrochen, die Einbeziehung
selbst entlegenerer Gruben in die Calcu-
lation über die Kohlenbedeckung ermög-
licht und damit ein weites Feld für die
Bethätigung der Oeconomie geschaffen.
Sehr bald gewann man die Ueber-
männischen Interessen, die für Regie- ( zeugung, dass letztere nur unter Mit-
zwecke benöth igten Kohlenmengen durch
Abbau im Eigenen wohlfeiler zu be-
schaffen, so die Nordbahn im Ostrauer,
die Staatsbahn im Kladnoer, Teplitzer
und Banater Reviere etc.
Seit Mitte der Sechziger-Jahre ge-
schieht die Dotirung der Brennstoff-
• D&pöts i^r L oc o moti v-F euer ungsz wecke
nahezu ausschliesshch mit Kohle. Dem
Holze blieb, von wenigen Ausnahmen
Wirkung des Locomotiv- Personal es zu
erzielen ist. Die Bahnen waren deshalb
auch darauf bedacht, letzteres in der
rationellen Beschickung der Feuerfläche
eingehend zu schulen, während der
Dienstleistung genau zu überwachen sowie
dasselbe in richtiger Erkenntnis der Sach-
lage auch persönlich an dem Erfolge zu
interessiren. Zu Beginn der Vierziger-
Jahre suchte man dies durch eigene
Brennstoff- Remunerationen für wirth-
schaftliches Gebaren zu erreichen, ein
Weg, der dem Verdienste nicht immer
40
626
Ottokar Kazda.
den ihm zukommenden Lohn brachte.
Dies war Veranlassung, dass man zu
Anfang der Fünfziger-Jahre behufs gleich-
massigerer Entlohnung für bethätigte
Wirthschaftlichkeit Ersparnis-Prämien
einführte, welche Massnahme ein ganz
auffallend günstiges Ergebnis aufzuweisen
hatte, das in einem bedeutend geringeren
Brennstoff- Verbrauche klar zum Ausdrucke
kam. Ein Theil des damals erzielten Erfol-
ges muss wohl dem Umstände zugeschrie-
ben werden, dass die Locomotiven zu dieser
Zeit für veränderliche Expansion eingerich-
tet wurden, womit gleichsam ein Wende-
punkt im Locomotivbetriebe eintrat.
Weitere Fortschritte in der Kohlen-
öconomie wurden durch die zu Anfang
der Sechziger-Jahre beginnende Verwen-
dung qualitativ minder hoch stehender
Kohlensorten erzielt. Entsprechende
Schulung ermöglichte den Uebergang
von Stück- auf Klein-, Förder- und
schliesslich sogar auf Staubkohlen-
feuerung, ohne dass die Zugsleistung
oder Fahr weise eine Einbusse erfuhr.
Der Umstand, dass die Locomotiven mit
minderwerthigem, ja sogar mit Abraum-
material beschickt werden können, die
werthvolleren Kohlensorten infolgedessen
für die Industrie frei bleiben, bildet eine
nicht zu unterschätzende Errungenschaft
in volkswirthschaftlicher Hinsicht, die
herbeigeführt zu haben, der Zugförderungs-
dienst zum grössten Theile als sein Ver-
dienst in Anspruch nehmen kann.
In constructiver Hinsicht sind es vor-
nehmlich die rationellere Anordnung der
Roste, verbunden mit einer besseren Luft-
zufuhr, allfällig auch die die Verbrennung
des Feuerungsmaterials begünstigenden
Einbauten in den Feuerkästen sowie auch
die Blasrohr- Vorrichtungen, die obigen
Erfolg hervorbringen halfen. Dazu
kommen seit dem letzten Decennium
auch noch die auf eine weitere Aus-
nützung des Dampfes hinzielenden Com-
poundsysteme, die von Jahr zu Jahr mehr
Anhänger aufzuweisen haben.
In neuester Zeit beschäftigt man sich auf
diesem Gebiete auch mit dem Problem der
Rauchverzehrun g oder Rauchvermeidung.*)
♦) Vgl. Bd. II, K. Gölsdorf, Locomotiv-
bau, Seite 466 und ff.
Ausser den bereits genannten wurden
vereinzelt auch noch andere Brennmate-
rialien zur Locomotivfeuerung herange-
zogen, so Torf und in neuester Zeit auch
Petroleum, welch letzteres wohl nur als
Raffinat- Rückstand zur Verwendung ge-
langt, seines verhältnismässig hohen
Brennwerthes aber mit Erfolg obigem
Zwecke zugeführt werden kann. Die
Liste der Brennmaterialien vervollstän-
digen die Briquettes mit ihren ver-
schiedenen Formen und Bindemitteln,
denen stets neue zuwachsen.
Die Einbusse an Heizwerth, welche
die anfänglich verwendete Coke durch
Nässe erleidet, war Veranlassung, dass
die Bahnen der ersten Bauperiode darauf
Bedacht nehmen mussten, gedeckte Räume
für dieses Brennmaterial zu beschaffen.
Die aus dieser Zeit herrührenden Material-
schupfen, der damaligen Bauart ent-
sprechend, zumeist aus solidem Mauer-
werk aufgeführt, erwiesen sich auch
während der Periode der Holzfeuenmg
als zweckmässig, da auch dies Material,
gleich dem hie und da zur Locomotiv-
Feuerung herangezogenen Torfe, behufs
entsprechender Dampfproduction möglichst
lufttrocken zur Verwendung kommen soll.
Auch der später benützten Braunkohle
kamen diese Materialschupfen ge-
legen, weil sie ihr Schutz gegen Ver-
witterung boten ; erst die Steinkohle konnte
bei ihrer grösseren Beständigkeit gegen die
Einflüsse von Luft und Feuchtigkeit auf
eine Unterbringung in gedeckten Räumen
verzichten, die kostspielige Erhaltung
solcher Schupfen entbehrlich machen.
Heute wird die Kohle zumeist nur mehr
in loser Schüttung auf entsprechend vor-
gerichtete, besten Falles abgepfiasterte
D6p6tplätze gelagert, die zwecks besserer
Ausnützung des Raumes mit Bordwänden
versehen werden. Die Aufführung von
Schupfen unterbleibt dermalen nahezu
gänzlich und wird grösseren Heizwerth-
Verlusten beim Locomotiv - Feuerungs-
materiale durch eine entsprechende ge-
regelte Verausgabung des Brennstoffes
und zeitgemässe Vorrathsansammlung
vorzubeugen getrachtet. Anders verhält
es sich mit dem in Barrels eingelieferten
Petroleum, das die Aufbewahrung in ge-
schlossenen Räumen nicht entbehren kann.
627
Die Verladung des Brenn-
materials auf die Tender erfuhr im
Laufe der Jahre keine nennen swerthen
Aenderungen und geschieht heute zumeist
ganz in derselben Weise wie ehedem ;
das Holz wird durch Handreichung, die
Kohle mittels Körben theils direct vom
D^p&tplatz, theils von Ladebühnen nach
dem Kohlenraume des Tenders gebracht,
darunter befindlichen Locomotiven zu
bewirken haben.
In den ersten Zeiten des Bahnbetriebes
oblag das Schmieren der bewegten Lo-
comoti v-Best and t heile nur zum Theile dem
Locomotiv-Personale, da die Locomotiv-
und Tenderachslager der Obsorge der mit
den Zügen fahrenden Wagen Schmierer
überantwortet waren; letztere ging erst
es sei denn, dass zu Zeiten regerer Abfas-
sung eine directe Verladung der Kohle vom
Wagen nach dem Tender vorgezogen wird.
Eine Aenderung ist nur bezüglich der
Ladebuhnen in sofcrne eingetreten, dass
an Stelle der früher fixen Laderampen
mit Untermauerung, der besseren Raum-
ausnützung wegen, in späterer Zeit fast
ausnahmslos mobile Ladebühnen zur
Aufstellung gelangten.
Moderne Anla<ien für Kohlen Verladung
kommen auf den österreichischen Bahnen
nur ganz vereinzelt vor; dieselben be-
stehen durchwegs aus Kipp - Caissons,
die, von Hand stellbar, das Füllen der
l( dem wiener Noidwcilbahnhofe.
mit der Auflassung der ambulanten
Wagenschmierung an das Locomotiv-
Personale über.
Als Schmiermateriale gelangte ur-
sprünglich für die Bestandtheile des
Triebwerkes nur reines Olivenöl zur Ver-
wendung, den unter Dampf arbeitenden
Theilen wurde meistentheils aber Unschlitt
zugeführt, während die Locomotiv- und
Tenderachslager gleich jenen der Wagen
consistente Wagenschmiere erhielten. Zu
Ende der Sechziger-Jahre erwuchs dem
Olivenöl in dem durch ein entsprechendes
Entschleimungs- und Entsäuerungs - Ver-
fahren für Schmierzwecke verwendbar ge-
40»
628
Ottokar Kazda.
wordenen Rüböle ein ernster Concurrent,
der in nicht langer Zeit das Olivenöl und
im Weiteren auch die Wagenschmiere nach
gelungener Abdichtung der Lager zu ver-
drängen vermochte. In der Folge eingelei-
tete Versuche, Mineralöle zur Locomotiv-
schraierung heranzuziehen, scheiterten
stets an dem ungenügenden Fettgehalt
und der grossen Dünnflüssigkeit des
damals erzeugten Materials, so dass das
Rüböl viele Jahre hindurch seinen Platz
behaupten konnte. Erst zu Beginn der
Siebziger-Jahre gelang es der Mineralöl-
Industrie, ein widerstandsfähigeres und
schwereres Product in den Handel zu
bringen, dessen Erprobung beim Bahn-
betrieb ein günstiges Ergebnis lieferte.
Die später ausgedehntere Verwendung
des Mineralöles endete schliesslich in der
allgemeinen Einführung dieses Mittels bei
der Locomotivschmierung, zumal diesem,
ausser dem öconomischen Moment, auch
in chemischer Hinsicht eine günstigere
Einwirkung nachgewiesen wurde.
In quantitativer Beziehung suchte man
durch Verbesserungen an den Schmiervor-
richtungen Erfolge zu erzielen ; rationellere
Ausgestaltung der Lagergehäuse, bessere
Anordnung der Schmierb'ehälter, irisbe-
sondere an den bewegten Locomotiv-
theilen und Anbringung entsprechender
Einspritzvorrichtungen mit handlichem,
später sogar selbstthätigem Antriebe für
die unter Dampf arbeitenden Theile be-
zeichnen die Richtungen, nach welchen
sich die einschlägigen Studien imd Ver-
suche bewegten. Auch der Auswahl des
Materials der Gleitflächen wurde die
nöthige Aufmerksamkeit zugewendet und
solcher Art alle auf den Schmiermaterial-
Verbrauch Einfluss nehmenden Umstände
in den Kreis der Erwägung gezogen,
um ein möglichst öconomisches Ergebnis
zu erzielen. Dem bewährten Grundsatze
folgend, dass an der Erreichung des
letzteren auch das Locomotiv-Personale
sich betheiligen muss, schritt man zu
Ende der Siebziger-Jahre auch hier an
die Einführung einer Prämie für Erspar-
nisse, die jedoch niemals jene Grenze
überschreiten dürfen, wo ein Mehr die
Gefahr vorzeitiger Abnützung der be-
wegten Theile oder gar deren Warm-
laufen zur Folge hat.
Die ganze Bauart der Locomotive
deutet darauf hin, dass diese, soweit
thunlich, mit dem Rauchfang nach vorne
zur Verwendung kommen soll ; die ersten
Bahnen waren demnach auch schon be-
strebt, für Anlagen vorzusorgen, welche
das Ausdrehen der von der Strecke ein-
laufenden Locomotiven für die neue
Fahrtrichtung ermöglichen sollten. Als
solche gelangten ' anfanglich mit kreis-
förmiger Bedielung versehene Drehschei-
ben geeigneten Ortes zur Aufstellung,
deren Bewegung mittels Zahnradüber-
setzung und eines für Handbedienung
eingerichteten Kurbelantriebes erfolgte.
Mit Durchmessern von etwa 8 — lo tn
ausgeführt, erwiesen sich diese Dreh-
scheiben dem Radstande der neueren
Locomotiven gegenüber nur zu bald als
unzulänglich; das getrennte Umdrehen
von Locomotiven und Tendern half
wohl darüber hinweg, trotzdem musste
der Umtausch dieser älteren Dreh-
scheiben gegen grössere ernstlich in Er-
wägung gezogen werden, weil die Um-
stände und der Zeitaufwand, welche mit
dem Abkuppeln, zur Seite schieben
und Wiederankuppeln der Tender ver-
bunden sind, mit einem geregelten Be-
triebe nicht in Einklang zu bringen
waren. Dabei war das Bestreben aber
nicht allein nach grösseren Drehschei-
ben, sondern auch nach leichter zu hand-
habenden, weniger Kraftaufwand be-
nöthigenden gerichtet, welchen Anfor-
derungen erst die um das Jahr 1875 ein-
geführten sogenannten Balancierdreh-
scheiben in ausreichendem Masse gerecht
zu werden vermochten und deshalb auch
rasch Verbreitung fanden.
Ab und zu wurde auch auf den
heimatlichen Bahnen der Versuch ge-
macht, den Stationen eine derartige Ge-
leiseanlage zu geben, dass das Umdrehen
der Locomotiven in die neue Fahrtrich-
tung ohne Drehscheibe ermöglicht werde ;
doch waren die Anlagekosten und nicht
minder auch die Betriebskosten dieser
Drehcurven solche, dass man selbst im
Falle entsprechender, örtlicher Vorbedin-
gungen, dennoch lieber an den Bau von
Drehscheiben schritt.
Ausser dem Ausrüsten xmd Umdrehen
erfordert die neuerliche Indienststellung:
629
Abb. 401- Hell
ilasc iecrade] auf dem Wiener Central-Bahnbofc der StaaUelicnbabn-Geielllcbaft.
[Nacb elDei OriB>aa)-Aufnabme von A. SIempt.]
der Locomotiven, dass dieselben auch
entsprechend gereinigt und gewartet
werden, welche Arbeiten am zweck-
mässigsten in den für die folgende RemU
sirung der Locomotiven bestimmten Heiz-
häusern vorzunehmen sind.
Ursprünglich aus schwerem Steinbau
ausgeführt, weisen diese Heizhäuser zwei
Grundformen auf, die älteren gerade und
die späteren rotunden- [Abb. 401
und 402] oder segment förmige.
Der Einfiuss des Zugförderungsdienstes
hatte sich vorwiegend dahin zu er-
strecken, dass diese Heizhäuser jene
Ausgestaltung erfuhren, die eine ungehin-
derte Locomotiv-Circulation ermöglichte.
Insbesonders war letzterer das übliche
Verhältnis der Breiten- und Längen-
dimensionen hinderlich ; so litten die
geraden Heizhäuser, nach älterer Type
selten mehr als zwei, dafür aber möglichst
lange Geleise umfassend, an dem Uebel-
stande, dass die Verschiebutigen inner-
halb derselben sehr behindert waren.
Demzufolge mussten die neueren Heiz-
häuser kürzer und breiter, mehr Geleise
überdeckend, ausgeführt werden, wasnatur-
gemäss die Anwendung grösserer Spann-
weiten und das Höherstellen der Dachcon-
struction im Gefolge hatte ; durch reich-
lichere Verglasung und Anbringung von
Rauchabzugsschloten wurde fUr entspre-
chende Lichtzufuhr und ausreichendere
Ventilation gesorgt und solcherart Innen-
räume geschaffen, die von den früheren tun-
nelartigen Gängen weit verschieden sind.
Die Rotunden -Heizhäuser waren in
ihren ersten Ausführungen durch mächtige
Zwischenmauern in die einzelnen Seg-
mente geschieden und boten deshalb
nicht jene Raumausnutzung, die dieser
Type zum Vortheile gereicht, so dass
sie anfänglich nur eine geringe Ver-
breitung fanden. Erst als man an die
Weglassung der Zwischenmauern schritt,
fand diese Type mehr Anklang; auch
sie erhielt im Laufe der Zeit jene Aus-
gestaltung in Bezug auf Lichtzufuhr und
Ventilation, die den geraden Heizhäusern
zutheil .wurde, um sie in entsprechende
Arbeitsräume umzuwandeln. [Abb. 403.]
Die in früherer Zeit versuchte Aus-
führung combinirter Heizhäuser gera-
der und rotunden artiger Type wurde
des Umstandes wegen, dass derlei Bau-
ten wohl die Nachtheile nicht aber
auch die Vortheile der einzelnen Typen
anhaften, wieder fallen gelassen und
dafür die Anordnung so getroffen, da.is
die Heizhäuser dort, wo beide Typen
an einem Orte erforderlich werden,
wenigstens räumlich getrennt zum Baue
gelangen.
Anfänglich nur für die Remisirung
der Locomotiven bestimmt, haben die
Heizhäuser mit der Zeit jene Einrichtungen
erhalten,, die für den anstandslosen Be-
trieb erforderlich sind. Mit den nöthigen
Hilfsmitteln werk statt lieh er Natur, Ar-
beitscanälen, Hydranten, allenfalls Hebe-
und Versenk Vorrichtungen und Abwage-
plateaux ausgerüstet, ermöglichen sie die
Untersuchung und Wartung der Betriebs-
Locomotiven sowie die Ausführung laufen-
der Instandhaltungs- Arbeiten in jener ratio-
nellen Weise, die vom Standpunkte der
Betriebssicherheit und Oeconomie bean-
sprucht werden muss.
Bei hintereinander angeordneten Heiz-
häusern gelangten mit der Zeit maschinelle
Vorrichtungen zur Ausführung, welche
das directe Ueberstellen der Locomotiven
630
Ottokar Kazda.
von einem Standgeleise nach einem an-
deren, seitlich gelegenen ermöglichen soll-
ten. Die ersten derlei Schiebebühnen
waren für Handbetrieb eingerichtet, der,
wie bei allen anderen grösseren Anlagen,
mit der Zeit dem Dampfbetriebe weichen
musste, welch letzterer dann im Weiteren
zur Anbringung des Seilbetriebes führte,
um auch das Ueberstellen kalter Loco-
motiven zu ermöglichen.
Das Reinigen der Locomotiven, so-
weit es sich um das Entfernen der
Brennstoff-Rückstände handelt, wurde
einst wie jetzt über eigens hiefür be-
stimmten Putzgruben vorgenommen, die,
in gelegener Stelle eingebaut, im weite-
ren Verlaufe auch mit Deckvorrichtungen,
unter Anderem sogar mechanischer Natur
versehen, die Ablagerungen temporär
aufzunehmen haben, nur ging man hier
Kosten halber auch daran, wohlfeilere,
dem Zwecke aber noch voll entsprechende
Bauherstellungen, wie Putzmulden,
zur Ausführung zu bringen. Was das
eigentliche Reinigen der Locomotiven
anbelangt, so wurde dasselbe von Anfang
an als eines der Erfordernisse für den
ordnungsmässigen Betrieb erkannt, nicht
so sehr wegen des äusseren Aussehens
der Locomotiven, als vielmehr darum,
weil dadurch erst die unumgänglich
nöthige Untersuchung der dem Verschleisse
und der Abnützung imterliegenden Theile
ermöglicht wird. Dies ist auch der Grund,
dass in Bezug auf die Reinigungsarbeit
als solche im Laufe der Zeit keine
nennenswerthe Aenderung eingetreten
ist; dagegen wurde selbstverständlich
von den neueren Erzeugnissen an Putz-
materiale und den sonstigen Fortschritten
der Industrie auf diesem Gebiete stets
entsprechender Gebrauch gemacht.
Was das Vorrichten der Locomotiven
für die neuerliche Indienststellung an-
belangt, so war diese zu Anfang aus-
schliesslich den Locomotivführem über-
lassen, deren Pflicht es war und auch
heute noch ist, die ihnen zugewiesenen
Locomotiven vor und nach jeder Dienst-
leistung eingehend zu untersuchen, um
allfälligem Schadhaftwerden einzelner
Bestandtheile rechtzeitig vorbeugen zu
können. Zu Beginn der Siebziger-Jahre
ging diese Verpflichtung zur Unter-
suchung der Locomotiven und
Tender auch auf die Heizhausleitungen
über, indem diese verhalten wurden, die
dem Verschleisse unterliegenden Bestand-
theile dieser Fahrbetriebsmittel periodisch
einer Revision zu unterziehen. Diese
Anordnung besteht bis auf den heutigen
Tag, wo derselben eine eminente Be-
deutung beigelegt wird, voll in Kraft.
Für die Revision der Locomotivkessel
und deren Armirung enthielt schon die
Verordnung über Anlage und Benützung
der Dampfkessel vom Jahre 1845 die
Bestimmung, dass die ersteren, gleich den
stabilen, periodisch einer Druckprobe mit
zweifachem Drucke zu unterziehen seien.
Dieser Probedruck wurde später im Ge-
setzeswege etwa auf den eineinhalbfachen
reducirt, gleichzeitig aber die Verfügung
getroffen, dass die Kessel in wieder-
kehrenden Zeiträumen einer eingehenden
Besichtigung und Untersuchung von
aussen und innen unterzogen werden
müssen, welch letztere Massnahme,
wie die Erfahnmg lehrt, in Bezug auf
Betriebssicherheit vom besten Erfolge
begleitet ist.
Von Wichtigkeit für den Betrieb und
die Erhaltung der Kessel ist aber auch
deren Reinigung von Schlamm und
Kesselsteinablagerungen. Anfänglich legte
man diesem Umstände nicht die ihm
gebührende Bedeutung bei, bis eine
Reihe von Betriebsanständen .diesfalls
gebieterisch Abhilfe erheischte. Nun
erst ging man daran, das im Betriebe
I unrein gewordene Wasser öfter aus dem
I Kessel abzulassen; doch erwies sich
dies allein als unzureichend, weshalb man
sich an ein gründliches Auswaschen
der Kessel unter allenfalls mechanischer
Nachhilfe zu schreiten gezwungen sah.
Die folgenden Jahre brachten eine ganze
Reihe der verschiedenartigsten Anti-
kesselstein - Mittel, wie Graphit,
Zinkstreifen, Sägespäne, Kleien, Soda etc.
in den Betrieb, von denen manche jedoch
an sich allein schon eine Verunreinigung
der Kessel bedeuteten. Erst als die Ein-
wirkung der einzelnen Zusätze durch
präcise chemische Analysen festgestellt
war, konnte unter den angebotenen Gegen-
mitteln eine den örtlichen Verhältnissen.
Rechnung tragende Auswahl getroffen
631
und so mit mehr Erfolg der schädlichen
Kesselsteinbildung entgegen gearbeitet
werden.
Die eminenten Vortheile, welche der
rechtzeitigen Vornahme laufender Er-
haltungsarbeiten innewohnen, lagen zu
sehr am Tage, als dass nicht von allem
Anfange an diesen die vollste Aufmerk-
samkeit zugewendet worden wäre; die
späteren Generationen hatten dem dies-
falls gegebenen Beispiele nur zu folgen,
um dem Gebote der Betriebssicherheit
in dieser Hinsicht Genüge zu leisten,
hättnissen angemessenen Ausrüstung
an die Locomotiven war eine bemerkens-
wert he Besserung gegen den früheren
Bestand, wo jeder Locomotivführer das
ihm handlich erscheinende Werkzeug
mit sich führte, eingetreten, weil damit
die Mittel gegeben waren, die erforder-
lichen Nacharbeiten rationell bewirken und
bei Unfällen besser ausgerüstet an die
erste Hilfeleistung schreiten zu können;
mit der später erfolgten Dotirung der
Heizhausleitungen mit gehörig ausge-
rüsteten Hilfs wagen wurden die Vor-
I. 401. Hd]
(Nac
ilagc [ro
.1 Oilgliial-A
wobei ihnen die Arbeiten in nicht un-
wesentlichem Masse diwch die seither
eingetretene Vervollkommnung der Hilfs-
mittel erleichtert wurden.
Trotz weitgehender Vorsorge in dieser
Richtung ist es bis heute nicht gelungen,
das Dienstuntauglich werden einzelner
Locomotiven, Tender oder Wagen wäh-
rend des Betriebes aus der Weit zu
schaffen, denn derlei Störungen im Zugs-
verkehre kommen leider immer wieder
vor. Durch die seinerzeit erfolgte Auf-
stellung eigener Bereitschafts-Loco-
motiven erfuhren diese Störungen in
ihrer Dauer wenigstens eine Beschrän-
kung, zumal in der Folge sogar be-
stimmte Hilfsrayons geschaffen wurden,
innerhalb welcher die Bereitschafts- Loco-
motiven zur Verwendung zu kommen
haben, womit die Hilfeleistung erst eine
entsprechende Organisation erhielt.
Auch mit der Zuweisung einer den Ver-
kehrungen für die Durchführung an-
fälliger Bewältigungs- Arbeiten ganz be-
deutend vervollkommt und dadurch die
Möglichkeit geboten, das Rettungs-
materiale in un verhältnismässig kürzerer
Zeit nach der Unfallsstelle zu bringen;
hiezu ist auch das Sanitätsmateriale zu
rechnen, das einzelne der Bahnen in
eigens hiefUr gebauten Sanitätswagen
gelegentlich eingetretener Verletzungen
von Menschen an den Bestimmungsort
zu stellen in der Lage sind.
Zu den Agenden des ZugfÖrderungs-
dienstes gehört auch der Wagenauf-
sichtsdienst, die Erhaltung und
Wartung der Wagen während des
Betriebes.
Insolange die letzteren nur im Binnen-
verkehre der Eigenthumsbahn verwendet
wurden, wie dies in den ersteren Zeiten
des Bahnbetriebes der Fall war, wurde
dieser Dienst in seinem damals massigen
632
Ottokar Kazda.
Umfange durch die Wagenmeister der
betreffenden Betriebssectionen versehen;
diese Organe erlangten durch persönliche
Ueberwachung und durch die Meldun-
gen der den Zügen beigegebenen Wagen-
schmierer Kenntnis über den Zustand
und Gang der ihrer Obsorge anvertrauten
Wagen und wurden so in die Lage gesetzt,
die reparatursbedürftigen den zuständigen
Werkstätten überweisen zu können.
Mit der Vermehrung des rollenden Ma-
terials, erwies sich dies als unzureichend,
zumal die fortschreitende Abnützung
eine öftere Untersuchung der Wa-
gen auf ihren betriebsfähigen Zustand
während ihrer Benützung erforderlich
machte. Dies bedingte die Heranziehung
eines geschulten und professionsmässig
ausgebildeten Personales, weil die dem ge-
wöhnlichen Arbeiterstande entnommenen
Wagenschmierer doch nicht genügend
fachliche Kenntnisse besassen, um den
Anforderungen in dieser Beziehung ent-
sprechen zu können. Infolgedessen wurden
zu Ende der Sechziger-Jahre bereits ge-
schulte Schlosser in Stationen mit grösse-
rem Wageneinlauf und an den Bahn-
grenzen aufgestellt, die unter Oberaufsicht
der Wagenmeister die einlaufenden Wagen
auf ihren Betriebszustand zu untersuchen
hatten. Diese Revision wurde mit der
Zeit auch auf die transitirenden Züge
ausgedehnt und so durch die damit
verbundene Aufstellung eigener Revisions-
schlosser-Parti een, eine Organisation dieses
Dienstes geschaffen, die bis heute in
Kraft besteht. Erst in neuester Zeit
kehrt man theilweise wieder zu der ur-
sprünglichen Gepflogenheit zurück, die
Untersuchung der in Schnellzüge einge-
reihten Wagen durch beim Zuge befind-
liche Organe vornehmen zu lassen, nur
müssen diese im Wagenrevisions-Dienste
erfahrene Schlosser sein.
Ausser dieser laufenden Untersuchung
sind die Wagen von Zeit zu Zeit auch
einer eingehenderen — sogenannten
periodischen Revision — zu unterziehen,
für deren Vornahme- der vom Wagen
zurückgelegte Weg massgebend ist, für
jene Wagen, welche diese Grenze in ab-
sehbarer Zeit nicht erreichen, ist in späterer
Zeit ein bestimmter Zeitraum vorgeschrie-
ben worden, nach dessen Ablauf diese
Wagen an die Werkstätte behufs Durch-
führung der einschlägigen Arbeiten zu
überweisen sind.
Der Anschluss an Nachbarbahnen
brachte es mit sich, dass Wagen behufs
Vermeidung von Umladungen in gegen-
seitigen Wechselverkehr gelangten, was
in der Folge zu bindenden Vereinbarungen
zwischen den betheiligten Bahnen bezüg-
lich des gegenseitigen Wagenüber-
gan g e s führte. Aus diesen fallweise, zu-
meist dem Uebereinkommen des norddeut-
schen Eisenbahn- Verbandes für directe Ab-
fertigung der Güter nachgebildeten Ver-
einbarungen entstand zu Beginn der Sieb-
ziger-Jahre eine gemeinsame Dienstvor-
schrift über gegenseitige Wagenbenützung
für den Bereich der österreichisch-ungari-
schen Eisenbahn- Verwaltungen, die ab-
weichend von den früheren Vereinbarungen
bereits Bestimmungen über die Behandlung
beschädigter Wagen imd deren Wieder-
herstellung enthielt.
Im Jahre 1873 wurde obige Dienst-
vorschrift durch das geänderte Regu-
lativ des Vereines der deutschen
Eisenbahn- Verwaltungen für die
gegenseitige Wagenbenützung
ersetzt, nachdem dieses durch Aufnahme
der Bestimmungen für die Zurückweisung
von Wagen wegen specificirter Mängel
und für das Meldeverfahren eine Fassung
erhalten hatte, die dem Standpunkte der
Österreichischen und ungarischen Bahnen
Rechnung trug.
Die grundlegenden Bestimmungen
dieses Regulativs, dass nur Wagen in
vollkommen brauchbarem, die Sicherheit
des Verkehres in keiner Weise gefähr-
dendem Zustande erst nach gehöriger
Untersuchung zum Uebergange von Bahn
zu Bahn zuzulassen sind und für Verluste
und Beschädigungen an fremden Wagen
in der Regel die benützende Bahn ver-
antwortlich ist, Schäden aber bis zu einer
bestimmten Höhe ohne Ersatz bleiben,
bestehen bis heute in Kraft, nur fanden
die diesfälligen Bestimmungen dieses
Wagen-Uebereinkommens insofeme eine
Weiterung im Laufe der Zeit, dass auch
die Beladung offener Wagen, die D^s-
infection, das Schmieren der Wagen und
dergleichen mehr in den Complex der
Normen Aufnahme gefunden haben.
633
Das umfassende Gebiet dieses
Wagen -Uebereinkommens lässt
darauf schüessen, welche Aufgabe den
mit der Untersuchung der Wagen be-
trauten Zu gförderungs- Organen aus dem
Uebergange der letzteren von Bahn zu
Bahn erwuchs; dieselbe erfordert ein
wohl geschultes und verlässJiches Personale
in den Grenz Stationen^, das über die mass-
gebenden Bestimmungen und Ober die
Wagentypen der Bahnen genau informirt
sein muss.
Was die Wagenschmierung an-
belangt, besassen die ersten Fahrbetriebs-
mittel der
mit Locomo-
tivkraft betrie-
benen Eisen-
hahnen Oester-
reichs gleich
ihren engli-
schen und
deutschen
Vorbildern
ausschliess-
lich Achsla-
ger für steife
Schmieren,
welch letztere
aus einem Ge-
rn enge von
Unschlitt mit
anderen ani-
malischen *""■ ■^'- '"■""' "■"
oder vegetabilischen Fettstoffen bestanden.
Ein durch das Lager reichender Schlitz
hatte die Schmiere aus dem oberhalb
befindlichen Behälter den Achsschenkeln
zuzuführen.
Der missliche Umstand, dass der
Zulauf der Schmiere erst dann eintrat,
wenn dieselbe infolge Erwärmung des
Lagers durch Reibung die nöthige Con-
sistenz erhalten hatte, war, abgesehen
von der bedeutenden Inanspruchnahme
der Zugkraft, eine stete Quelle für
Betriebsstörungen, und, gleich der
schwierigen Erzeugung einer ordent-
lichen Schmiere, Veranlassung, dass die
Bahnen auf eine entsprechendere Aus-
gestaltung der Achsbüchsen Bedacht
nahmen. Aus der langen Reihe der
diesfälligen Versuche kann geschlossen
werden, dass die damals massgebenden
Kreise dieser Aufgabe intensivste Auf-
merksamkeit zuwendeten, bis endlich die
angestrebte Lösung gefunden wurde.*)
Diese bestand in einem gut abdichtenden
Lagergehäuse mit Wollstopfung, be-
ziehungsweise Schmierpolster und Nach-
fÜUungvon oben ; damit kam aber auch die
Oelschmierung zum Durchbruche, die bis
auf den heutigen Tag das Feld behauptet.
Anfänglich wurde an Stelle der steifen
Schmiere das an der Luft wenig ver-
änderliche, gleichzeitig aber eine be-
deutende Schmierfähigkeit aufweisende
Baumöl zu Schmierzwecken verwendet,
bis dieses in
der Folge
durch das
wohlfeilere
R üb Schmier-
öl verdrängt
Zu An-
fang der Sieb-
ziger-Jahre
erwies sich
ein aus De-
stillatrück-
ständen er-
zeugtes Mine-
ral-Schmieröl
für die Wa-
genschmie-
rung als ver-
«"■■■-»■""■"•■ wendbar.den,
die österreichischen Bahnen als die ersten
Eingang gewährten. Seither hat die
Mineralöl-Industrie ihre Producte derart
concurrenzfähig zu machen gewusst, dass
seit Längerem das Mineralöl nahezu aus-
schliesslich auch die Wagenschmierung
beherrscht.
Den österreichischen Bahnen gebührt
auf dem Gebiete der Wagenschraierung
aber auch das weitere Verdienst, zuerst
auf die Vortheile einer periodischen
Schmierung der Wagen verfallen zu
sein. Schon zu Ende der Sechziger-Jahre .
wurden die Züge der heimischen Bahnen
nicht mehr, wie vordem üblich, von
Wagenschmicrern begleitet, die das Nach-
füllen der Schmierbehälter vor und wäh-
rend der Fahrt zu besorgen hatten,
•) Vgl Bd. II, J. v. O w, Wagenbau, S. 503.
634
Ottokar Kazda.
sondern die Wagen in bestimmten
Stationen nachgeschmiert. Die reich-
lichere Dimensionining der Oellager ge-
stattete auf diesem Wege noch weiter
zu gehen, und das Nachfüllen der Lager
in bestimmten Terminen vorzunehmen —
die Wagen periodisch zu schmieren —
was in Bezug auf Oeconomle und Ver-
lässlichkeit von solchem 'Erfolge war,
dass in nicht langer Zeit auch die aus-
ländischen Bahnen diesem Beispielelbigten.
In der letzt verflossenen Epoche fällt
dem Zugfürderungsdignste auch noch die
Beheizung der Wagen während der
Kältemonate zu, dort nämlich, wo selbe
mittels Dampf zu erfolgen hat.
Die Abstellung betriebsunfähig wer-
dender Fahrzeuge an die zur Reparatur-
vornahme berufenen Werkstätten und
die Erprobung erste rer nach bewirkter
Reparatur gehören mit zu den Pflichten
der Heizhausleitungen, in deren speciellem
Interesse es liegen muss, den Betriebszu-
stand der ihnen zugewiesenen Fahrbetriebs-
mittel in gewährleistender Weise sicher-
gestellt zu wissen, und im Vertrauen auf
diesen die Deckung der von Seite des
Verkehrsdienstes angesprochenen Erfor-
dernisse an Locomotiven und Personale
vornehmen zu können.
Abgesehen von dem ursprünglich auf-
gestellten Grundsatze, dass die Loco-
motivführer bei den ihnen zugewiesenen
Locomotiven ein für allemal zu verbleiben
haben, wurde ein Personal Wechsel wäh-
rend der Verwendungsdauer der Loco-
motiven zwischen je zwei aufeinander
folgenden Reparatur- Ein Stellungen immer-
hin als schädlich angesehen, und von der
ursprünglichen Diensteintheilung nur in
unvermeidlichen Fällen abgewichen. Erst
gegen das Ende der Sechziger - Jahre
schritten einzelne der Bahnen mangels
ausreichenden Loco motivstand es gezwun-
gen daran, die Locomotiven gewisser
Dienstgruppen, vomehmUch beim Ver-
schubdienste, doppelt, das heisst mit ein-
ander ablösendem Personale zu besetzen.
Die immer mehr zum Durchbruch
kommende Tendenz, das rollende Mate-
riale bis an die Grenze des Zulässigen
auszunutzen, filhrte in den Achtziger-
Jahren dazu, einzelne Locomotiven oder
Gruppen sogar mehrfach zu besetzen,
um selbe unbehindert durch das Ruhe-
bedürfnis des Personales so lange als
möglich im Dienste zu erhalten, eine
Massnahme, die bei günstigen Vorbedin-
gungen von bestem Erfolge begleitet ist.
Nebst all den vorerwähnten, den
Zugförderungsdienst so ziemlich um-
fassenden Agenden, obliegt letzterem
Dienstzweige auch noch die technische
U eher wachung, zum Theile auch die
BetriebsfOhrung der meisten anderen
maschinellen Bahnanlagen, speciell solcher,
deren Instandhaltung eine umfassendere
technische Ausbildung erfordert; letzterer
ist es auch zu danken, dass der Zug-
förderungsdienst auf jene Höhe ge-
bracht wurde, deren wir uns heute er-
freuen, und die zu erhalten und weiter
auszubauen, den Zugförderungs- Organen
zur Pflicht erwächst.